Читать книгу Gefesselt an die dunkle Seite meiner Affäre | Erotischer SM-Roman - Katy Kerry - Страница 7

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SSC – Safe, Sane undamp; Consensual

Unterwerfung ist ein Geschenk –

geboren aus der Stärke,

genährt durch Vertrauen,

erhalten durch Respekt und Achtung.

Wenn das Wort nicht schlägt,

dann schlägt auch nicht der Stock!

(Sokrates)

Völlig erschöpft schloss ich das Staatsanwaltsbüro auf und zog die Tür hinter mir zu. Dieser Fall hatte mich wieder einmal bis an meine Grenzen gebracht. Tabitha war vermutlich in der Mittagspause, denn ihr Arbeitsplatz war fein säuberlich aufgeräumt, der Computer ausgeschaltet.

Ich schritt durch die Verbindungstür und ließ mich auf meinen bequemen Chefsessel sinken. Dabei starrte ich auf mein Mobiltelefon. Drei Anrufe in Abwesenheit. Ich dachte an Jeremy. Nein, Quatsch, er müsste mich auf dem Festnetz anrufen, wir hatten vergessen, die Nummern auszutauschen. Ein unbekannter Anschluss. Sicher wieder einer von diesen lästigen Werbeanrufern, die nichts anderes zu tun hatten, als einem kostbare Zeit zu stehlen.

Ich loggte mich in meinem Computer ein. Meine Mailbox blinkte auf. Ich klickte sie an. Tatsächlich, Jeremy hatte geschrieben. Aufgeregt las ich seine Zeilen.

Liebe Elena, ich habe schon dreimal versucht, dich zu erreichen! Ich bin längst in Brüssel angekommen und warte auf deinen Anruf. In Liebe, dein Jeremy.

Er hatte mich also tatsächlich durchgeklingelt und sein Wort gehalten. Woher wusste er meine Telefonnummer? Die Art, wie er mich bedrängte, erzeugte in mir ein unbehagliches Gefühl. Wahrscheinlich lag es an diesem Fall. Ich hatte so sehr meinen Mann dort draußen im Gerichtssaal stehen müssen, damit mich der Typ nicht buchstäblich plattgemacht hätte. Ich warf einen Blick auf die Wanduhr. Viertel nach zwölf. Vorerst würde ich ihm eine Mail schreiben, bevor ich ihn anrufen würde.

Lieber Jeremy! Ich komme eben erst von einer Verhandlung zurück. Ich habe den Kerl für mehrere Jahre hinter Gitter geschickt. Wollen wir telefonieren? Deine Elena.

Kurz darauf kam seine Antwort: Können wir skypen? Ich möchte dich sehen! Jeremy.

Also schrieb ich ihm kurzerhand meine Skype-Adresse: Okay, skype mich an!

Ohne Umschweife loggte ich mich ein, tippte einen Begrüßungstext und drückte auf Okay. Gleich darauf erschien Jeremy auf dem Bildschirm. Er schien in seiner Suite zu sein, saß auf einem Hotelstuhl und war sichtlich erfreut, mich zu sehen.

»Elena, ich vermisse dich jetzt schon über alle Maße. Wie soll ich die nächsten Nächte hier bloß ohne dich zubringen? Kannst du nicht auf einen Sprung vorbeikommen?«, warf er mir einen eindeutigen Blick zu. Sein elegantes Aussehen und der schicke Maßanzug, aus dem Hause Gieves & Hawkes, der sich perfekt an seinen Körper schmiegte, brachten mein Herz zum Rasen. Wenn ich der Redewendung Kleider machen Leute sonst auch nichts abgewinnen konnte, aber bei Jeremy traf diese Aussage den Nagel auf den Kopf.

»Ich fürchte, das wird etwas schwierig werden, bei etwa zweihundert Meilen Luftlinie«, setzte ich einen betont sinnlichen Blick auf, wobei ich meine Lider nur leicht geöffnet hielt. Jeremy stieß seinen Atem deutlich hörbar aus. Unterdessen lockerte er seine straff sitzende bordeauxfarbene Atkinson-Krawatte, als drohte ihm im nächsten Moment der Erstickungstod. Er saß nun nicht mehr ganz so entspannt auf seinem Hotelstuhl, sondern beugte sich langsam nach vorn und fasste mit seinen Händen vermutlich nach der Tischplatte, auf der sein Laptop zu stehen schien.

»Elena?«, hauchte er mir entgegen. Mein Herz fing an zu rasen, mir wurde ganz heiß und mein Unterleib zog sich zusammen.

»Ja?« Schmerzlich vergrub ich meine Schneidezähne in meiner Unterlippe. Jeremy starrte mich an.

»Bist du alleine im Büro?« Er versuchte sich einen Überblick zu verschaffen.

»Gegenwärtig schon«, stieß ich nach einem leisen Seufzer hervor. Er schluckte, als würde es ihn besonders viel Überwindung kosten, seinen Wunsch auszusprechen.

»Würdest du mir einen Gefallen tun?« Die Begierde war ihm ins Gesicht geschrieben. Mit halb geöffneten Mund saß ich da und stierte ihn an.

»Kommt ganz darauf an«, stellte ich nun innerlich bebend fest, in der Erwartung, was jetzt kommen würde.

»Würdest du deinen Slip ausziehen?«, bemerkte er fast schon berauscht, dabei fiel mir seine Unsicherheit auf. Eine Hand berührte seine Lippen, sie zitterte. Vor Erregung? Oder war er sich nicht ganz sicher, ob ich mich darauf einlassen würde? Keine Sekunde ließ er mich aus den Augen.

Ohne ein Wort zu sagen, rollte ich mit meinem Sessel in Sichtweite für ihn und meine Hände wanderten unter meine Staatsanwaltsrobe. Gelassen und etappenweise erhob ich mich nur wenige Zentimeter von meinem Stuhl und ließ den Slip allmählich über meine Beine gleiten, bis er an meinen Knöcheln angelangt war. Jeremy dabei genau beobachtend, schlüpfte ich heraus und legte ihn vor mir auf den Schreibtisch. Der Schuhe entledigte ich mich gleich mit. Er hatte das Spektakel die ganze Zeit über präzise verfolgt und saß mir mit lüsternem Blick gegenüber. Trotzdem fühlte es sich an, als wäre er ganz in meiner Nähe, jedenfalls zog sich mein Unterleib aufs Heftigste zusammen und durchtränkte den Stoff meines Talars mit meiner übermäßigen Feuchtigkeit.

Jeremy stieß einen lustvollen Seufzer aus und fasste nach dem Reißverschluss seiner Hose, den er nun unüberhörbar und langsam nach unten zog. Schon allein das Geräusch ließ mich in Ekstase geraten. Auch Jeremy war sichtbar erregt. Während er mit der einen Hand nach seinem Penis fasste, hielt er sich mit der anderen so an seinem Stuhl fest, dass der Knöchel weiß hervortrat. Er stöhnte.

»Bitte komm näher, Elena«, forderte er mich auf und ich erhob mich von meinem Stuhl, um den Schreibtisch zu erklimmen, auf dem sich der Computer befand. Nun kauerte ich mit beiden Knien vor ihm und setzte mich allmählich auf meine Fersen, dabei spreizte ich meine Oberschenkel und ließ ihn, wenn auch nur symbolisch, gewähren. Ich zog meine Staatsanwaltsrobe aus und ließ sie zu Boden gleiten. Mit beiden Händen fasste ich auf meinen Rücken und entriegelte den Verschluss meines Push-up-Negligés.

Die Innenseiten meiner Schenkel erbebten förmlich unter meiner Erregung. Von diesem Hochgefühl und seinen starken Empfindungen völlig übermannt, schloss ich meine Augen und bewegte mein Becken kontinuierlich vor ihm auf und ab. Meine Augen weiterhin geschlossen, hörte ich Jeremy laut stöhnen und war mir sicher, er hatte sich zum Orgasmus gebracht. Ich fühlte mich in meiner Weiblichkeit bestätigt und öffnete die Augen. Er hatte seine Anzughose bereits wieder geschlossen und sah mich mit einem zufriedenen Blick an.

»Danke, Elena. Es war wunderschön.« Kurzerhand kletterte ich splitternackt von meinem Schreibtisch und langte nach meinem Slip, in den ich rasch hineinschlüpfte. Auf mein Negligé wollte ich auch nicht verzichten und zog es an. Anschließend streifte ich mein mitgebrachtes Etuikleid über und setzte mich genüsslich auf meinen Chefsessel. Mein Mund verzog sich zu einem sündigen Lächeln, während ich in Jeremys entspanntes Gesicht sah.

»Onlinesex!« Ich kicherte vor mich hin, während er die Augenbrauen hob.

»Aber bitte nur mit mir, Miss Cooper. Außerdem, welche andere Möglichkeit hätten wir denn heute schon gehabt?«, setzte er ein genüssliches Grinsen auf. Im Nebenraum hörte ich jemand die Tür öffnen.

»Das war knapp! Meine Sekretärin Tabitha kommt von der Mittagspause zurück«, stellte ich glucksend fest.

»Nur gut getimed, Honey«, berichtigte er mich und grinste. Ich seufzte.

»Wann kommst du wieder zurück?«, fragte ich sehnsüchtig.

»Spätestens am Freitag, ich melde mich, so oft ich kann, Elena. Heute Abend beginnt der Kongress und das heißt für mich, wahrscheinlich bis in die frühen Morgenstunden wach zu bleiben.«

»Verstehe«, lächelte ich ihn an. Er beugte sich nun ganz nah an den Laptop.

»Dank dir werde ich diese Nacht aber mit Bravour überstehen, bei dem Elan, mit dem du mich jetzt ausgestattet hast«, sagte er vor Begeisterung grinsend und schickte mir einen Kuss per Luftpost. »Ich bin verrückt nach dir, Elena. Vergiss das in den paar Tagen nicht, in denen ich nicht bei dir sein kann.« Sein Gesichtsausdruck war unergründlich und ich musste feststellen, dass ich seine Aussage nicht wirklich deuten konnte.

***

Der Dienstag verlief bedeutend geruhsamer, die Gerichtsverhandlung lag hinter mir, obwohl sich Jayson noch nicht dazu geäußert hatte, ob er in Berufung gehen würde. Aber das würde mir zum gegenwärtigen Zeitpunkt auch nichts ausmachen.

Nach einem gelungenen Arbeitstag saß ich nun in meinem Sportwagen und war auf dem Weg nach Hause. Da fiel mir unvermutet ein, dass Tabitha und ich noch einen ausgefallenen Kinoabend nachzuholen hatten, da sie zu einer unserer Verabredungen krank geworden war. Heute war sie nicht im Büro gewesen, sie hatte sich einen Tag freigenommen, da sie ohnedies genügend Überstunden hatte, die sie irgendwann einmal aufbrauchen musste. Gleich morgen würde ich sie darauf ansprechen.

Nach unserem nachmittäglichen Flirt gestern hatte ich mich aus meiner Bürotür geschlichen, ohne mich bei Tabitha zu verabschieden. Sie hätte es mir an meiner Nasenspitze angesehen, dass ich mit Jeremy ein eindeutiges Liebesspiel vollzogen hatte, wenn auch nur virtuell.

Solch eine dermaßen verrückte Sache hatte ich in meinem ganzen Leben noch nie getan. Seit ich Jeremy kannte, stand alles auf eine gewisse Art Kopf. Bisher hatte ich ein Lotterleben geführt, getan, wozu ich gerade aufgelegt war, und seit Jayson keine ernsthafte Beziehung mehr gehabt. Wenn ich es mir recht überlegte, gefiel mir mein neuer Lebensstil.

Heute würde ich einen gemütlichen Abend zu Hause vor dem Fernseher verbringen und mir von Jakes Tankstelle ein paar Chips mitbringen. Später könnte ich Jeremy anrufen. Sein Tag war sicher anstrengend gewesen, bestimmt hatte er den einen oder anderen Vortrag zu halten gehabt. Und er müsste mir gestehen, dass er mich extrem heiß fand, kaum ein Auge zugetan hatte, weil er mich und meinen anziehenden Körper so sehr vermisste.

In Überlegungen versunken, parkte ich den Wagen vor meinem Haus. Mein Domizil noch vor Einbruch der Dunkelheit zu betreten, war in letzter Zeit immer seltener vorgekommen. Daher war es mir ein Fest, heute mal tun zu können, was mir in den Sinn kam. Bei Jakes Tankstelle zu halten, hatte ich durch meine Gedankenkrämerei nun völlig vergessen.

Dann gibt es eben kein Knabberzeug, dachte ich still bei mir und stellte den Motor ab. Ich öffnete die Wagentür. Während ich meine Sonnenbrille, die ich sonst nie brauchte, weil ich entweder bereits nach Mitternacht vom Central Criminal Court nach Hause fuhr oder frühmorgens noch vor Sonnenaufgang ins Gerichtsgebäude unterwegs war, abnahm, stieg ich aus dem Wagen. Mein Haar warf ich mit Schwung über meine Schulter, dabei fasste ich nach meiner magnolienfarbenen Designer-Lederhandtasche, die ich bei Clarks erstanden hatte und die nun auf dem Beifahrersitz lag. Mit einigen Akten unter dem Arm stieß ich die Wagentür mit meinem Po zu und betätigte die Fernbedienung, um abzuschließen.

Ich entriegelte die Gartentür und lud erstmal die Akten vor dem Eingang ab, um den Schlüsselsafe zu öffnen. Auf mehrmaliges Anraten meiner Nachbarin hin, hatte ich mich von meiner Gewohnheit, den Schlüssel unterhalb des Pflanzgefäßes zu legen, verabschiedet. Als ich ihn herausgenommen hatte, schloss ich die Haustür auf und betrat mit den Akten unter dem Arm mein Vorzimmer. Mit dem Fuß stieß ich sachte die Tür zu, im Moment hatte ich absolut keine Hand frei. Meine Stöckelschuhe waren mir mittlerweile lästig geworden und ich schleuderte sie achtlos in eine Ecke. Die Gerichtsakten lud ich vorerst auf meinem Schreibtisch ab und ging nun barfuß ins Wohnzimmer.

Erschöpft warf ich mich auf mein Sofa und atmete kräftig durch. Das war heute wieder mal ein anstrengender Tag gewesen. Eine Verhandlung war mir zwar erspart geblieben, aber Papierkram hatte ich genug zu erledigen gehabt. Das ging mir vielleicht auf den Geist. Mann! Aber so war das nun mal, der Job konnte nicht immer Spaß machen.

Was würde ich jetzt dafür geben, wenn Jeremy hier wäre. Wir würden uns auf animalische Weise auf meinem Sofa herumwälzen und uns aufs Äußerste verausgaben. Dazu wäre ich sicher nicht zu müde.

Als ich diesen Gedanken noch nicht ganz zu Ende gedacht hatte, klingelte mein Mobiltelefon. Erstaunt sah ich auf das Display. Das musste Jeremy sein, ich hatte seine Nummer zwar noch nicht gespeichert, aber wenn ich mich recht erinnerte, war es dieselbe, mit der er mich schon angerufen hatte. Ich nahm das Gespräch an und meldete mich.

»Elena Cooper.« Am anderen Ende der Leitung erklang eine mir vertraute tiefe Stimme.

»Ich weiß, wer dran ist, Honey.« Meine Müdigkeit war mit einem Mal wie weggeblasen.

»Jeremy!«

»Ich habe dir doch gesagt, dass ich mich jeden Abend bei dir melden werde.« Hätte ich zum gegenwärtigen Zeitpunkt sein Gesicht sehen können, hatte sich seine Freude darauf bestimmt abgezeichnet. Seine Stimme klang so anziehend für mich. »Wie war dein Tag?«

»Willst du das jetzt wirklich wissen?«, versuchte ich, so leidenschaftlich wie möglich zu klingen. Jeremy stieß einen sehnsüchtigen Laut aus. »Es ist hart ohne dich.«

»Du bist eben eine feurige Frau und ziemlich heiß, Baby!«, hauchte er in sein Mobiltelefon. Wie ein Geistesblitz schoss es mir nun durch den Kopf.

»Woher hast du eigentlich meine Telefonnummer?«, fragte ich verdutzt. Er lachte.

»Also, das ist ja wohl wirklich nicht schwierig herauszufinden. Deine Sekretärin hat sie mir gegeben«, machte er meiner Verwunderung Platz.

»Tabitha gibt so mir nichts, dir nichts meine Daten an irgendwelche Leute weiter?« Er seufzte.

»Nicht an irgendjemanden. An den Präsidenten des Obersten Gerichtshofs.« Das klang jetzt schon fast ein wenig aufgeblasen.

»Aha! Nun denn, trotzdem muss ich mit ihr morgen ein ernstes Wörtchen reden.« Ich wechselte das Thema. »Musst du ernsthaft noch bis Freitag in Brüssel bleiben?«, fragte ich enttäuscht. Für einen kurzen Moment hielt er inne.

»Elena, ich wäre jetzt auch lieber bei dir, glaub mir. Aber ich habe nun mal Verpflichtungen.« Ich seufzte. Diese öden Kongresse. Immer dasselbe. Krampfhaft versuchten sie ihre Lösungsansätze durchzubringen, an denen sowieso keiner ernsthaft interessiert war, und am Ende kam nichts Konstruktives dabei heraus.

»Irgendwie werde ich die Tage bis Freitag schon überstehen«, meint ich und lächelte vor mich hin.

»Und ich werde jede Sekunde bis dahin zählen. Du fehlst mir, Elena.« Ich musste an den gestrigen Nachmittag denken, an dem er mich zum ersten Mal angerufen hatte und wir virtuell intim waren. Es war verrückt. Eindeutig. Aber auf die eine oder andere Weise auch wieder toll.

»Ich vermisse dich, Jeremy. Bis morgen.«

»Ich vermisse dich auch, schlaf gut, ich ruf dich dann an.« Darüber hinaus schickte er mir einen Kuss, letztendlich legte ich auf. Das wird noch ein langweiliger Abend werden, dachte ich zermürbt. Sollte ich noch mal ins Büro fahren? Ach, dazu hatte ich jetzt auch keine Lust mehr.

Ich ging in die Küche. Zuerst nahm ich Katzenfutter aus dem Kühlschrank, gab es in eine Schüssel und stellte sie für Melody auf den Boden. Anschließend nahm ich die restlichen Cracker aus der Tüte und legte sie auf einen Teller, um sie auf dem Couchtisch abzustellen. Im Nu kam Melody angerannt, sprang auf den Tisch und machte sich über einen Cracker her.

»Böse Samtpfote, wirst du wohl mein Abendessen in Frieden lassen und dich deinem Futter widmen!«, verscheuchte ich sie kurzerhand vom Tisch, zog mein Kleid über den Kopf und öffnete den Wandschrank, um mir ein bequemes Jerseykleid anzuziehen.

Wenig später machte ich es mir auf dem Sofa gemütlich und begann, die Cracker zu verzehren. Melody inspizierte mich eingehend oder besser gesagt das salzige Gebäck wie es allmählich in meinem Mund verschwand und damit auch die Aussichten, etwas davon abzubekommen.

An diesem Abend zappte ich zwischen den Kanälen herum, irgendwie lief kein interessantes Programm. Also schaltete ich den Fernseher aus und steckte mir den letzten Bissen in den Mund. Ich war müde.

Während ich den Teller in die Küche trug, klingelte mein Telefon erneut. Ich sah auf das Display, es war Tabitha, und ich hob ab.

»Hey, Tabitha! Schön, dich zu hören.«

»Wo bist du denn gestern abgeblieben? Als ich in dein Büro kam, warst du schon weg«, raunte sie ins Telefon. Ich legte den Kopf in den Nacken und lachte.

»Also wirklich! Ich sitze jeden Tag bis Mitternacht im Büro, da kann ich es mir doch einmal erlauben, früher nach Hause zu gehen«, suchte ich nach einer plausiblen Erklärung, warum ich mich aus meiner Tür hinausgeschlichen hatte und nicht wie üblich durch Tabithas Büro gegangen war.

»Bist du beschäftigt? Oder hast du heute Abend Zeit?«, fragte sie nun neugierig. Ich überlegte. Sie wartete ab.

»Hm, eigentlich hatte ich vor, bald ins Bett zu gehen. Warum?« Sie hatte meine Neugier geweckt.

»Och, ich dachte ja nur, wir könnten vielleicht ins Aquarium gehen. Michael und sein Freund würden uns einladen. Hast du Lust?« Unwillkürlich rieb ich meine Nase. Das Aquarium war eine Bar hier in London.

»Michael?« Ich wurde hellhörig. War er ihre neue Flamme?

»Ja, Michael, mein neuer Freund. Und, kommst du mit?« Wenn einer es draufhatte, etwas zu überspielen, dann war sie es. Verstohlen sah ich auf die Uhr, dann wanderte mein Blick zu meinem Outfit. Ich müsste mich wieder umziehen, zurechtmachen, außerdem war mir nicht mehr nach Ausgehen zumute.

»Ich weiß nicht«, stieß ich etwas unschlüssig aus. Doch Tabitha ließ nicht locker und versuchte, mich zu überreden, bis ich auf ihren Vorschlag einging. »Also gut, weil du es bist. Wann und wo treffen wir uns?«

»So gegen zehn direkt vor der Bar?«

»Abgemacht! Ich werde da sein«, stimmte ich zu.

»Bis gleich!«, rief sie erfreut.

Ich warf das Mobiltelefon achtlos auf das Sofa. Schlafen zu gehen, ist damit wohl vorerst gestrichen. Mit diesem Gedanken steuerte ich auf meinen Schrank zu, um mir geeignete Klamotten für die Bar herauszusuchen. Das kleine Schwarze eignet sich dafür hervorragend, dachte ich vergnügt und zog es vom Kleiderbügel. Rasch schlüpfte ich aus meinem Jerseyteil, um das verführerische Cocktailkleid anzuziehen. Es war hauteng, reichte nur bis zur Mitte der Oberschenkel und brachte meine Figur optimal zur Geltung. Die langen Ärmel und das Dekolleté waren aus schwarzer Spitze, sie deutete noch den Ansatz meiner Brüste an, von dort ab war ich in schwarzen Samt gehüllt. Ich glitt hinein und zog den Reißverschluss am Rückenteil zu. Der Abschluss war sehr elegant und hoch geschlossen.

Dazu würde ich schwarze Nubukleder-High-Heels tragen, die mit einer aufwendigen großen Masche vorne gebunden wurden.

Mein Haar nahm ich zu diesem Anlass hoch und schob am Schluss eine schwarze Haarnadel in die exquisite Hochsteckfrisur. Von allen Seiten betrachtete ich mich kritisch im Spiegel. Zuletzt trug ich roten Lippenstift, Rouge und Eyeliner auf. Zweifelnd musterte ich meine Fingernägel und entschloss mich kurzerhand, sie nochmals zu lackieren. Dazu wählte ich einen knallroten Lack, den ich, nachdem ich den alten entfernt hatte, gekonnt auftrug.

Während er trocknete, beobachtete ich draußen die sternenklare Nacht, als ein Taxi vorfuhr. Ich reckte mein Kinn interessiert, sah aus dem Fenster und wartete ab. Im nächsten Moment betätigte jemand den elektrischen Fensterheber und Tabithas Gesicht kam zum Vorschein. Sie lächelte mir gut gelaunt entgegen und winkte mir heftig. Ich erwiderte ihre Geste und lief um die Ecke in den Vorraum, schnappte mir ein kurzes schwarzes Jäckchen vom Haken sowie meine dazu passende Handtasche und zog eilig die Tür hinter mir zu.

»Ich dachte, ich hole dich gleich ab. So entkommst du mir nicht und hast keine Ausrede, es dir vielleicht anders zu überlegen«, flötete sie mir vergnügt entgegen.

»Du bist wirklich ein ausgekochtes Schlitzohr«, bemerkte ich ironisch und stieg in den Wagen. Sie hielt mir eine aus Metall gefertigte venezianische Halbmaske vor die Nase.

»Die ist heute Pflicht«, deutete sie mir so nebenbei an und forderte mich auf, sie aufzusetzen. Ich zog meine Augenbrauen hoch und war sichtlich davon angetan.

»Wow, wo hast du die denn aufgetrieben? Die sieht wirklich großartig aus«, machte ich eine lobende Bemerkung und passte sie meinem Gesicht an.

»Es ist eine Columbina-Maske«, klärte sie mich auf.

»Hm, Verführung auf Venezianisch!«, machte ich eine kecke Bemerkung und verzog meinen rot geschminkten Mund zu einem Lächeln.

Auf den ersten Blick wirkte sie fast so, als wäre sie komplett aus zarter Spitze. Sie hatte verspielte Muster und einen Strassbesatz, der unter den Scheinwerfern der Bar sicher das Licht in mehreren funkelnden Facetten brechen würde. Das schwarze Satinband schmiegte sich in meine blonden Locken. Tabitha setzte ihre Maske ebenfalls auf, diese war von einem feinen Goldschimmer überzogen und wirkte auf den ersten Blick sehr edel.

»Das muss ja eine außergewöhnliche Veranstaltung sein, zu der wir heute eingeladen sind«, war ich über unsere Accessoires erstaunt.

»Es wird ein unvergesslicher Abend für dich werden, das verspreche ich dir«, deutete sie geheimnisvoll an. Inzwischen fuhr das Taxi beim Aquarium vor. Tabitha übernahm die Rechnung und wir stiegen aus. Ich war bisher noch nie hier gewesen.

Wir betraten den Club. Saturday-Night-Fever war heute zwar nicht angesagt, aber eine Party im großen Stil, das konnte man schon an den hochkarätigen Besuchern sehen, denn die Damen trugen alle sündhaft teuren Schmuck. Es waren bereits beachtenswert viele Besucher anwesend und sie hatten alle Masken auf. Einige davon waren ziemlich ausgeprägte Fächermasken, andere Schnabelmasken, die das ganze Gesicht bedeckten, sodass nur der Träger wusste, wer sich dahinter verbarg.

Auf der Suche nach Tabithas Lover Michael und seinem Freund zwängten wir uns durch die Menschenmassen. Die Musik war ein bunter Mix aus Techno und aktuellen Hits, sie hatten scheinbar einen sehr erfahrenen DJ angestellt. Es war laut, aber wenn man sich nur weit genug vom Dancefloor wegbewegte, war es einigermaßen erträglich.

»Michael hat mir gesagt, sie würden im Separee gleich neben dem Jacuzzi sitzen«, versuchte sie mir rufend verständlich zu machen. Erstaunt zog ich meine Augenbrauen hoch.

»Jacuzzi?«, stieß ich verwundert aus.

»Ja, es gibt sogar einen Pool im Untergeschoss.« Ich war sprachlos. Was war das für ein Club?

»Welche Partys werden denn hier normalerweise gefeiert?«, fragte ich neugierig.

»Och, jeder Art. Heute ist der Stock Exchange hier. Du wirst vielleicht auch einige ungewöhnliche Leute antreffen.« Sie machte einen Schulterblick und setzte ein unergründliches Lächeln auf. »Sie kommen aus aller Welt zu dieser Party, beispielsweise aus New York, also wundere dich nicht.«

Aufgrund der Tatsache, dass sich der halbe Stock Exchange hier versammeln würde, um eine heiße Party zu feiern, wurde mir ganz flau im Magen. Gestern hatte ich ein Mitglied für die nächsten Jahre hinter die Gefängnismauern von Wandsworth verfrachtet und nun tanzte ich auf ihrer Party? Großartig! Wenn mich nun einer erkennen würde? Da hatte mich Tabitha wieder mal in eine prekäre Situation gebracht. Etwas verärgert fasste ich sie am Arm.

»Was hast du dir dabei gedacht?«, fragte ich sie aufgebracht. Doch Tabitha hatte gerade Michael und seinen Freund aufgespürt. Michael trug eine dieser Zanni-Masken, sie war geprägt durch eine auffällig lange und spitze Nase, die ihm einen ernsten Gesichtsausdruck verlieh. Sein Freund trug eine Medico-Maske, dessen Gesicht davon zur Gänze verhüllt wurde. Der Schnabel war stärker nach unten gebogen. Sogar die Augen waren mit Glas verdeckt.

Michael sprang in freudiger Erwartung auf und fiel Tabitha nahezu wie ein wohllüsternes Tier an, sein Freund war schon etwas zurückhaltender und wartete vorerst ab. Wäre uns Michael nicht so vergnügt entgegengetreten, ich hätte auf dem Absatz kehrtgemacht und wäre gegangen. Ich hasste es, wenn Menschen ihre Gesichter verhüllten und ich weder ihre Mimik erkennen, noch sehen konnte, wer sich dahinter verbarg.

Tabitha schlang ihre Arme um Michaels Hals, der seine Maske zu diesem Zwecke anhob, und die beiden küssten sich leidenschaftlich. Sein Freund stellte sich vor und reichte mir zaghaft die Hand.

»Hallo, ich bin Andrew.«

»Elena.« Seine Stimme verblüffte mich, sie klang wie die von Jeremy! Aber er wird sich wohl kaum vor mir hinter einer Maske verstecken, dachte ich belustigt.

»Möchten Sie einen Drink?«, fragte er höflich.

»Ja, sehr gern«, entgegnete ich freundlich. Daraufhin orderte er an der Bar zwei Martini und wir setzten uns an einen kleinen Tisch. Tabitha und Michael waren zwischenzeitlich verschwunden. Wir stießen an.

»Auf einen vielversprechenden Abend«, sagte er geheimnisvoll. Meine Lippen verzogen sich zu einem charmanten Lächeln. Ich nippte an meinem Glas. Er hob kurz seine Schnabelmaske, um ebenfalls von seinem Glas zu trinken, dabei enthüllte er flüchtig seine untere Gesichtshälfte. Er wirkte anziehend auf mich, seine Lippen lächelten. Vorübergehend öffnete er seinen Mund und schien etwas sagen zu wollen. Obwohl wir unweit des Jacuzzis saßen und die Tanzfläche außerhalb unserer Reichweite war, konnte ich ihn nicht verstehen. Ich legte meine Stirn in Falten und vermittelte ihm dadurch meine Ratlosigkeit. Nun beugte er sich in meine Richtung und kam mir empfindlich nahe. Ich stockte. Atmete seinen verführerischen Duft ein. Seine eisblauen Augen blickten in meine.

»Die Maske steht Ihnen ausgezeichnet. Sie unterstreicht Ihre Schönheit, Elena.« Ich fühlte mich geschmeichelt.

»Danke«, bemerkte ich beschämt. Dieser Fremde machte mir Komplimente, während Tabitha mit ihrem Michael hemmungslos in einem anderen Separee herumknutschte. Ich hatte die beiden beobachtet, als sie sich in eins davon zurückgezogen hatten.

»Möchten Sie tanzen?«, fragte er mich erwartungsvoll. Seine Worte lenkten mich ab. Seine Stimme klang unter diesem extremen Lärmpegel wie Balsam auf meiner Seele. Ich versuchte am Boden zu bleiben. Irgendwie übte er eine besondere Anziehungskraft auf mich aus. Er verwirrte mich. »Sie wollen tanzen! Nicht wahr?«, fragte er nochmals nachdrücklich, dabei lächelten seine Augen unergründlich.

Ich stand auf, er tat es mir gleich, bot mir seinen Arm an und wir gingen zur Tanzfläche. Andrew war ein ausgezeichneter Tänzer, er führte mich wie schon lange kein Mann mehr. Gemeinsam schwebten wir über das Parkett, als gehörte es nur uns. Wir sprachen nicht viel. Doch es bedurfte keiner Worte, denn wir verstanden uns auch so und ich fühlte mich in seiner Gegenwart wohl. Mit Gesten und einem Lächeln machten wir dem Gegenüber klar, was uns gefiel.

Später saßen wir an der Bar und tranken jeder eine Pina Colada. Er war nicht so wie die anderen Gäste hier, die sich mehr oder minder exaltiert gaben. Vielmehr feiner, aufmerksamer, manierlicher. Nahezu rücksichtsvoll. Ich genoss seine Gesellschaft und er meine offensichtlich auch. Aus den Augenwinkeln beobachtete ich, wie Tabitha und Michael das Separee wechselten und Gott allein wusste, was sie dort machten.

Gegenwärtig hielten wir uns in bequemen braunen Ledersesseln auf und sprachen darüber, wo wir beide aufgewachsen waren. Er erzählte, dass er seine Kindheit in Kent verbracht hatte. Ich berichtete von den zerklüfteten Felsen in Irland, auf denen ich schon als Kind herumgeklettert war und es bis heute gern tat, wenn ich mal die Gelegenheit dazu bekam.

»Das klingt ziemlich halsbrecherisch«, flirtete er mit mir. Ich musste schmunzeln.

»Ist halb so schlimm! Mit der entsprechenden Ausrüstung kann man sich das schon zutrauen.« Er lehnte sich zurück und zog nochmals seine Maske hoch, um an der Pina Colada zu schlürfen.

»Ich verstehe! Sie meinen mit entsprechender Ausrüstung, Seil und Karabiner.« Ich musste lachen. Das war typisch Engländer. Immer alles unter Kontrolle haben, kein Risiko eingehen, wir Iren hingegen waren da ganz anders. So nach dem Motto: Wer nicht wagt, der nicht gewinnt.

»Also ich habe mich noch nie an unseren Klippen abgeseilt, sondern bin immer nur frei geklettert«, erklärte ich ihm. »Ich meinte nur, dass man entsprechendes Schuhwerk anhaben sollte.«

»Sie zählen also doch zu den Frauen, die sich gern den Hals brechen«, stellte er unverblümt fest.

»Sie trainieren aber anscheinend auch täglich«, dabei deutete ich auf seine durchtrainierten Arme. Skeptisch musterte er sich selbst, dann stieß er einen leisen Laut aus.

»Ein Mann muss immer durchtrainiert sein, schließlich muss er seine Frau doch einmal über die Schwelle tragen können«, nahm er kein Blatt vor den Mund. Der geht aber ran. Unwillkürlich vergrub ich die Zähne in meiner Unterlippe.

»Klar! Das würde jede Frau erwarten.« Inzwischen pirschten sich Tabitha und Michael an uns heran und belauschten unser Gespräch.

»Ihr beide scheint euch ja glänzend zu unterhalten«, stellte Tabitha zufrieden fest. Ihr kastanienbraunes, gewelltes Haar wirkte etwas zerzaust und ihr Abendkleid war verrutscht, wie ich kurzerhand feststellte. Ich musste innerlich grinsen. Das war es also, was sie abends so trieb, wenn sie ausging. Andrew bot ihr die Stirn.

»Nun ja, während ihr euch in der Zwischenzeit im Separee vergnügt habt, sind wir uns auch etwas nähergekommen. Nur auf eine andere Art und Weise.« Dabei funkelten seine Augen verdächtig. Michael lachte durchtrieben und fasste Tabitha ungeniert an den Po.

»Es spricht nichts dagegen, wenn ihr das auch tun wollt, oder traut ihr euch etwa nicht?« Diese nonchalante Art, miteinander umzugehen, war mir doch ziemlich fremd.

Aber es stimmte, mir war auch schon aufgefallen, dass sich einige Paare in die einzelnen Separees zurückgezogen hatten, um sich dort ihrem Verlangen hinzugeben. Schon allein die laute Musik würde das eine oder andere Stöhnen übertönen. Insgeheim musste ich kichern. Würde ich mich mit Andrew ebenfalls an einen dieser abgeschiedenen Orte begeben? Da müsste ich aber schon einige Pina Colada gekippt haben, dachte ich belustigt. Obwohl, wenn ich ihn mir so ansah, wirkte er doch ziemlich attraktiv auf mich. Seine Stimme, seine Augen, all das erinnerte mich ein wenig an Jeremy. Bis auf seine Art, die schien mir dann doch anders zu sein. Er wirkte wie ein Mann, der seine Frau auf Händen tragen und auf sie aufpassen würde. Jeremy hingegen war der Gesellschaft sehr verpflichtet. Ich war nicht sicher, ob ich bei ihm in Zukunft immer die erste Geige spielen würde. In Gedanken ermahnte ich mich. Elena! Zügle dein Verlangen. Doch ich musste ernsthaft zugeben, dass mir Andrew gefiel.

An diesem Abend unterhielten wir uns noch außergewöhnlich gut und es wurde ziemlich spät. Michael brachte Tabitha nach Hause und Andrew hatte denselben Weg, also bestiegen wir gemeinsam ein Taxi. Selbst während der Fahrt nahm er seine Maske nicht ab, was mich ziemlich verwunderte. Was hatte er zu verbergen? Er wirkte so geheimnisvoll auf mich.

Wir sprachen die ganze Zeit über, sodass ich gar nicht mehr daran dachte, ihn zu fragen, ob er seine Maske nicht vielleicht doch abnehmen würde. Ich entledigte mich meiner ebenfalls nicht. Diese Art der Verkleidung gefiel mir. Es hatte so etwas Prickelndes an sich. Das Taxi blieb nun unmittelbar vor meinem Haus stehen und wir verabschiedeten uns.

»Es war mir ein außerordentliches Vergnügen, Elena.« Er hob seine Medico-Maske etwas an und küsste meine Hand. Ich verzog meinen rot geschminkten Mund zu einem zaghaften Lächeln.

»Mir auch, Andrew, danke für den schönen Abend.« Ich nahm meine Handtasche und stieg aus.

Als das Taxi sich wieder seinen Weg in den Londoner Verkehr bahnte, schaute ich Andrew nach. Auch er wandte sich noch einmal um und sah durch die Heckscheibe des Wagens zu mir herüber. Ich hatte das Gefühl, als wäre es nicht das letzte Mal gewesen, dass wir uns begegnet waren.

***

Es war Mittwoch und wieder einmal zehn Uhr am Central Criminal Court geworden, gerade fuhr ich in meinem Sportwagen Richtung Hyde Park Gate. Ich parkte das Auto vor meinem Haus, sperrte ab und nahm den Schlüssel aus dem Safe. Ich entriegelte die Tür und trat ein. Kaum dass ich sie hinter mir geschlossen hatte, klingelte auch schon mein Mobiltelefon. Ich kannte die Nummer nicht, trotzdem hob ich ab und meldete mich.

»Elena Cooper.« Ich ging weiter ins Wohnzimmer.

»Überraschung!«, klang es aus der Ferne. Ich war perplex.

»Jeremy!« Offensichtlich hatte er zwei Handys. Eins, das er privat und eins, das er dienstlich verwendete.

»Lass alles liegen und stehen. Larry wird dich in einer halben Stunde abholen und nach Seeds Castle bringen. Ich erwarte dich. Sehnsüchtig«, raunte er ins Telefon. Mit einem Schlag war ich wieder hellwach.

»Du bist hier? In Kent? Auf Seeds Castle?«, fragte ich aufgeregt.

»Ja! Und ich kann es nicht erwarten, dich zu sehen. Also, mach, dass du herkommst und lass mich nicht zu lange schmoren. Hörst du?«, forderte er heißblütig. Es gefiel mir, wie sehr er mich begehrte. Seine Gier nach mir schien mich selbst in das Fahrwasser der Leidenschaft zu katapultieren.

»Ich werde schneller bei dir sein, als du darüber nachdenken kannst, wie lang ich zu dir brauche.«

»Gut, ich erwarte dich.« Er beendete das Gespräch. Ohne Umschweife schleuderte ich das Mobiltelefon auf das Sofa und schlüpfte aus meinem langweiligen Zweiteiler, um mir ein weitaus feminineres und aufreizendes Kleid aus dem Schrank zu holen. Rasch entschied ich mich für ein kurzes schwarzes Seidenkleid mit Spitzenärmeln. Es hatte einen tiefen V-Ausschnitt und das Oberteil war in einer aufreizenden Wickeloptik gestaltet. Ich tauschte meinen Slip gegen einen Stringtanga. Dazu schlüpfte ich in schwarze High Heels. Rasch bürstete ich mein widerspenstiges Haar und ließ es über meine Schultern fallen. Das Make-up frischte ich ein wenig auf und betrachtete mich dabei im Spiegel. Perfekt! Zum Schluss streifte ich schwarze Armstulpen mit durchbrochener Spitze über. Sie waren aus einem elastischen Stoff gearbeitet und zierten die Handrückenseite mit einer roten Rose. Sie passten perfekt zu meinem Kleid und ich liebte sie. Sie wirkten so betörend.

Ich ging in den Vorraum und schnappte mir im Vorbeigehen meine elegante schwarze Designer-Abendtasche von Bloomi Paris, verstaute darin meinen Lippenstift und meine Puderdose und klemmte sie unter den Arm.

Larry wartete schon in der schwarzen Limousine vor meinem Haus. Mit meinem Outfit passte ich perfekt dazu. Aus Zeitgründen ließ ich die Haustür ins Schloss fallen und steckte den Schlüssel, für meine Verhältnisse ziemlich ungewöhnlich, in meine Tasche. Larry öffnete die hintere Tür des Luxuswagens und ließ mich einsteigen. Mit den Worten Ich wünsche eine angenehme Fahrt, Madam rastete sie ein und er setzte sich hinter das Steuer. Wenig später war er auch schon losgefahren. Um Seeds Castle mit dem Auto zu erreichen, mussten wir über vierzig Meilen zurücklegen, das würde etwa eine Stunde dauern.

Angespannt betrachtete ich die kohlrabenschwarze Nacht dort draußen. Nur hier und da tauchte ein Scheinwerferlicht aus dem Nichts auf. Die verdunkelten Scheiben der Limousine ließen jedoch kaum Licht hereinfallen.

Nervös musterte ich mein Outfit. Wirkte ich vielleicht gar zu aufdringlich? Ach Quatsch! Bei dem Schauspiel, das wir uns erst am Montag geliefert hatten, schien mein Outfit dagegen eine Augenweide zu sein.

Die Fahrt verging wie im Flug und das Luxusgefährt rollte langsam über das unwegsame Gelände. Seeds Castle erstrahlte in einem ganz besonderen Glanz. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt brannte fast überall elektrisches Licht. Nur im unteren Trakt flackerte die Beleuchtung. Die mächtigen Mauern wurden teilweise durch Scheinwerfer angestrahlt. Bloß Sträucher oder Bäume warfen Schatten auf die historischen Gemäuer. Die illuminierte Zugbrücke war geöffnet und der lange Weg bis zum eisernen Haupttor spiegelte sich geradezu im darunter gelegenen Wassergraben.

Larry parkte in der Nähe des Walls. Wie es sich für einen englischen Butler ziemte, öffnete er fast lautlos die Wagentür und ließ mich aussteigen. Höflich zog er seine Chauffeurmütze. »Wünsche einen angenehmen Abend, Miss Cooper!« Sein Gesicht wirkte ernst, sehr ernst. Ich nickte nur. Mit diesen Worten zog er sich diskret zurück und stieg wieder in die Luxuslimousine. Bald darauf startete er und fuhr davon.

Beeindruckt von dieser Pracht, die augenblicklich vor mir lag, betrat ich nun die Brücke und ging langsam auf das stimmungsvolle Anwesen zu, das sich mit all seinem Glanz vor mir ausbreitete. Jede Frau würde davon träumen, hier heiraten zu können, um sich von ihrem Prinzen über die Schlossschwelle tragen zu lassen. Ein überaus imposantes Bauwerk.

Ich ging weiter. Lediglich der Klang meiner Stöckelschuhe war zu hören und manchmal gesellte sich der Ruf eines Käuzchens dazu. Es war schaurig schön. Zufrieden lächelte ich, dachte an den Tandemflug und wie wir hier im Gras gelandet waren.

Völlig unvermutet öffnete sich das schwere Portal wie von Geisterhand. Neugierig schritt ich durch das mächtige Falltor und erreichte den Schlosshof, inmitten dessen ein grandioser, beleuchteter, zweistöckiger Springbrunnen thronte. Die Wassermassen strömten nahezu über die Brunnenflächen und boten einen traumhaften Anblick.

Unterhalb einer Laterne nah am Eingang von Seeds Castle stand Jeremy. Er hatte sich mit der Schulter lässig gegen die Hausmauer gelehnt, sein Blick war gesenkt, die Hände in den Taschen seiner Anzughose vergraben.

Mit einem dezenten Lächeln auf dem Gesicht ging ich langsam auf ihn zu. Sein Verhalten und seine Mimik hatten den Anschein, als wäre er mir gegenüber reservierter als sonst. Vielleicht hatte es mit unserem nachmittäglichen Happening zu tun? War ihm die Erinnerung daran unangenehm? Vielleicht, weil er sich vor mir selbst befriedigt hatte?

Als ich ihm nun gegenüberstand und mich das Licht der Laterne traf, hoffte ich, ihm mit meinem Lächeln klarmachen zu können, dass ich jede Unanständigkeit mit ihm durchziehen würde. Und genau das musste der Grund dafür sein, warum sich sein Gesichtsausdruck allmählich veränderte.

Im nächsten Moment fassten seine zärtlichen Hände nach meinem Gesicht und er zog mich an seine Lippen, küsste mich aus tiefster Leidenschaft. Als ich meine Arme um seinen muskulösen Körper schlingen wollte, erfasste er sie und hielt sie nun mit einer Hand auf meinem Rücken fest. Seine andere streichelte liebevoll meine Wange, während er mich noch immer aus tiefster Überzeugung liebkoste. So hatte er mich noch nie geküsst, ich glaubte, im siebten Himmel zu schweben. Um einiges verzögert, ließ er meine Arme wieder los. Behutsam strich ich seine entlang, bis meine Finger an seinem Nacken angelangt waren. Entspannt seufzte er.

»Elena! Es kam mir wie eine Ewigkeit vor.« Allein seine Stimme erzeugte eine Gänsehaut, die sich über meinen gesamten Oberkörper ausbreitete.

»Ich habe dich genauso vermisst!«, hauchte ich ihm nun ins Ohr. Völlig unvermutet hob er mich hoch und trug mich ins Schloss. Vor Erregung zitternd, legte ich meinen Kopf an seinen Hals. Heute roch er besonders gut. Er hatte ein anderes Aftershave aufgetragen. Ich atmete intensiver als sonst, um seinen Duft einzusaugen. Genau dieser Umstand durfte ihn wiederum in den Wahnsinn getrieben haben.

»Elena! Was machst du bloß mit mir? Willst du mich um den Verstand bringen?« Zögerlich hoben sich meine Lippen auf seiner Haut zu einem Lächeln. Wieder küsste er mich, diesmal auf die Nasenspitze und trug mich weiter eine Treppe hinauf. Vermutlich in sein Schlafzimmer.

Als wir oben angekommen waren und ich mich umsah, musste ich feststellen, dass wir in einem überdimensionalen Festsaal waren, inmitten dessen ein feierlich gedeckter Tisch thronte, vor dem wir nun standen. Jeremy hatte offensichtlich noch etwas mit mir vor. Behutsam ließ er mich auf den Boden gleiten und sah mich erwartungsvoll an. Ich war sprachlos.

»Ich bin überwältigt.« Mein Blick schweifte über die Tafel. In der Mitte stand ein Blumengesteck mit roten Rosen. Zwei antike silberne Kerzenleuchter zierten die weiße Tischdecke. Das Silberbesteck war sorgfältig neben dem passenden Platzteller angerichtet, worauf sich gegenwärtig eine in Form eines Fächers zusammengefaltete weiße Stoffserviette befand.

»Darf ich Lady Elena zu einem romantischen Candle-Light-Dinner einladen?«, fragte er mich noch charmanter als sonst und rückte mir bereits einen Stuhl zurecht.

Ich fühlte mich geschmeichelt, von ihm in der dritten Person angesprochen zu werden, und setzte mich, währenddessen lächelte ich ihn kokett an. Jeremy nahm mir gegenüber Platz und fasste zuerst zögernd, dann entschlossen nach meiner Hand.

»Sie sieht übrigens heute wieder einmal bezaubernd aus. Und so verführerisch«, ergänzte er anerkennend. Der Klang seiner Stimme und die Art, wie er zu sprechen pflegte, zauberte mir eine Unzahl von Schmetterlingen in den Bauch und ich hatte das Gefühl, Jeremys Feinfühligkeit hatte diesen Umstand sofort aufgespürt. Er atmete hörbar ein und aus. Mein Gott! Wir befanden uns wieder so schnell im Fahrwasser der Leidenschaft, dass meine Begierde rascher als mein Kopf reagierte.

»Ihre Armstulpen sehen wirklich sexy aus«, versuchte er, diesen Zustand der Begierde aufrechtzuerhalten, dabei fixierte er mich. So hatte er mich bei unserer letzten Begegnung nicht angesehen. Er blickte mir tief und ernst in die Augen, das fand ich extrem anziehend, er hypnotisierte mich geradezu.

»Findest du?«, erwiderte ich nervös.

»Ja, sie passen perfekt zu meinem Stil.« Er starrte mich an und augenblicklich hatte ich das Gefühl, sein Blick würde mich ausziehen. Kurz blieb mir mein Atem weg.

»Verstehe, und was ist dein Stil?«, fragte ich aufgewühlt. Er wölbte seine Lippen nach innen.

»Meine Vorlieben sind … etwas speziell.« Seine Haltung mir gegenüber schien distanzierter zu werden. Interessiert hob ich eine Braue, um wenig später die Augen zusammenzukneifen.

»Speziell? Wie soll ich das verstehen?« Er lockerte seine Designerkrawatte, das hieß wohl, er war nervös.

»Nun ja.« Gegenwärtig standen ihm die Schweißperlen auf der Stirn. »Meine Sexualpräferenz geht im Normalfall über das gewöhnliche Maß hinaus«, versuchte er, seine Neigung näher zu definieren. Unwillkürlich spitzte ich meine Lippen.

»Und was heißt das jetzt genau?«, drängte ich ihn zu einer klaren Antwort. Unverblümt sprach er es aus.

»Meine Vorlieben gehen in Richtung BDSM.« Sein scharfsinniger Blick ruhte auf meinem Gesicht. Seine Mimik war nicht zu ergründen. Sein Atem ging stoßweise. Eine Weile sagte niemand ein Wort. Nur Stille erfüllte den Raum. Mein Mund blieb halboffen stehen. Wir starrten uns nur an. Warum rückt er erst jetzt damit heraus?

BDSM, durchfuhr es meine Gedanken. Das war doch nicht möglich. Dieser zärtliche Mann, der mich beim Sex nach Strich und Faden verwöhnt hatte, hatte einen Hang zu SM? Zunächst dachte ich, ich würde straucheln, mir wurde ganz schwarz vor Augen. Was würde das für mich in Zukunft bedeuten? Hatte er mir bisher nur etwas vorgemacht? War jetzt alles aus, bevor es so richtig begonnen hatte? Er schluckte, meine Reaktion gefiel ihm nicht. Verunsicherte ihn offensichtlich.

»Ich denke, ich muss dir einiges erklären«, versuchte er, wieder Herr der Lage zu werden.

»Ich habe nicht das Gefühl, dass es einer Erklärung bedarf«, reagierte ich abweisend.

»Ich denke schon. So wie du dich jetzt verhältst.« Er wartete ab. In mir tobte ein Sturm, der mich keinen klaren Gedanken fassen ließ. BDSM, schoss es mir noch einmal durch den Kopf. Was glaubte er? Ich war völlig irritiert. BDSM war in der noblen, englischen Gesellschaft verpönt. Spanking, also das Auspeitschen, konnte ausnahmslos zur Anzeige gebracht werden und führte ohne jeden Zweifel zu einer Verurteilung, wenn es Folgen hatte. Und das hatte es bestimmt über mehrere Tage hinaus. Hier auf britischen Boden kannte das Strafrecht keine Einwilligung in Körperverletzung. Entsprechende Handlungen, auch wenn sie hundertmal einvernehmlich stattfanden, waren in England in die Kategorie Rechtliche Grauzone einzuordnen und wenn ein Fall vor Gericht kam, wurde, ohne mit der Wimper zu zucken, verurteilt. Obwohl die Wurzeln des BDSM skurrilerweise in London zu suchen waren, war die Gesellschaft und die Rechtsprechung für diese Praktik überhaupt nicht offen. Nur in kleinen geheimen Kreisen fanden diese Art von Treffen statt.

Bei dem Gedanken drehte sich mir der Magen um. Erst vorgestern hatte ich jemanden aus dieser Szene verurteilt. Ein Fall, dessen Bilder mir wohl nicht mehr so schnell aus dem Kopf gehen würden. Wieder erinnerte ich mich an den Spanner Case. Damals hatte es eine Reihe von Verurteilungen gegeben, zwei der Verhafteten hatten Selbstmord begangen, mehrere ihren Job verloren, sogar in acht Fällen waren Gefängnisstrafen bis zu viereinhalb Jahren ausgesprochen worden und der damalige Richter des Obersten Gerichtshofs Lord Templeman hatte gemeint: Die Gesellschaft ist berechtigt und verpflichtet, sich selbst gegen einen Kult der Gewalt zu verteidigen. Freude, die sich daraus speist, anderen Schmerz zuzufügen, ist von Übel. Grausamkeit ist unzivilisiert.

Das war die Entscheidung des House of Lords gewesen. Siebzehn Jahre später hatte die britische Regierung die Entscheidung genutzt, um auch Filmmaterial, das entsprechend einvernehmliches Verhalten unter Erwachsenen darstellte, zu kriminalisieren. Es konnte also sein, dass, wenn man sich in der SM-Szene auf britischen Boden bewegte, man sich auf seichtem Terrain befand.

Was verlangte er hier von mir? Ich als Staatsanwältin des Central Criminal Court und er als der Präsident des Obersten Gerichtshofs, wir sollten BDSM praktizieren? Wie ließ sich das mit unserem Rechtsverständnis vereinbaren? Sollte ich mich nun in Zukunft von ihm auspeitschen lassen? Das war wirklich nicht mein Stil. Passte überhaupt nicht zu mir. Jeremy konnte ich nicht im Geringsten etwas vormachen. Obwohl er mich erst seit Kurzem kannte, konnte er mich ziemlich gut einschätzen.

»Ich möchte es dir trotzdem erklären, wenn du erlaubst«, eröffnete er seinen Monolog. Ich zwang mich, zuzuhören. »Bondage, Disziplin, Dominanz, Submission, also Unterwerfung, Sadomasochismus, all das ist das Grundgerüst für …« Ich machte eine abwehrende Handbewegung.

»Ich weiß, was diese Worte bedeuten, es bedarf keiner Erklärung.«

»Elena«, bat er um Geduld. »Lass mich doch erklären«, flehte er mich geradezu an. »Ich möchte mit dir doch lediglich eine DS-Beziehung führen, die von Dominanz und Unterwerfung geprägt ist.« Ich runzelte die Stirn und sah ihn ungläubig an.

»Was soll das jetzt im Klartext heißen?« Er seufzte, versuchte mich aber weiterhin von der Praktik zu überzeugen.

»DS basiert auf gegenseitigem starkem Vertrauen. Es beinhaltet sehr viel Nähe und Intensität. Diese Art von Beziehung muss wachsen. Eine Vielzahl von gemeinsamen Interessen sollte auf beiden Seiten vorhanden sein, sodass diese Form überhaupt erst funktionieren kann. Und ich glaube, dass all diese Voraussetzungen bei uns zutreffen.«

»Dominanz und Submission«, wiederholte ich. »Also Auspeitschen.« Ich funkelte ihn an und machte Anstalten, gehen zu wollen.

»Nein, Elena. Bitte hör mir doch zu.« Sein flehender Tonfall widerstrebte mir. Was sollte das jetzt werden? Er wirkte nervös. Womöglich hatte er Bedenken, ich könnte mit ihm Schluss machen, noch bevor es richtig begonnen hatte, oder ihn vielleicht anzeigen. Diese Befürchtung wäre nicht mal so falsch gewesen. Da habe ich mir keinen leichten Fall ausgesucht, ging es mir durch den Kopf.

Widerwillig nahm ich wieder Platz, denn mir Vorschriften machen zu lassen, stand bei mir nicht gerade auf der Tagesordnung. Ich war total durcheinander. Ich hatte mich verliebt und jetzt saß mir ein Wolf im Schafspelz gegenüber. Welcher Teufel hatte mich eigentlich geritten, als ich diesen Typen aufgerissen hatte verdammt noch mal?

Zunächst versuchte ich, seinen Erklärungen etwas abzugewinnen. Angespannt hörte ich weiter zu. Er ergriff meine rechte Hand. Reflexartig wollte ich sie ihm entziehen. Praktisch ein Schutzmechanismus. Doch er hielt sie fest. Bestimmend? Besitzergreifend? Nein, ganz im Gegenteil, eher kniefällig, bittend. Sein Griff lockerte sich, doch ganz loslassen wollte er mich nicht. Seine Handfläche berührte noch immer meine Hand. Vertrauen oder Taktik? Sein Blick jedenfalls fing mich ein. So wie er es bei meiner Psyche praktizieren würde. Er würde mich vereinnahmen wollen, würde mein Innerstes in Ketten legen. War ich ihm ausgeliefert? Er starrte zu Boden, bevor er mir wieder in die Augen sehen konnte.

»Elena, bitte hör mich an«, flehte er. »Es ist wichtig, dass du weißt, dass es bei BDSM nicht um den reinen Schmerz geht. Es ist eine Form von einvernehmlichen sexuellen Handlungen, der zwar ein Machtgefälle zugrunde liegt, das heißt aber nicht, dass du dich unterwerfen musst. Ganz im Gegenteil, du sollst diejenige sein, die über kurz oder lang Macht ausüben wird.« Verharmloste er nun diese Neigung oder was war er gerade im Begriff zu tun? Unsicher starrte ich ihn an. Obwohl ich ihm genau zugehört hatte, war mir die Bedeutung seiner Worte nicht ganz klar.

»Das heißt, du willst mich also nicht auspeitschen?«, fragte ich unsicher nach und vergrub dabei meine Schneidezähne in meiner Unterlippe. »Was willst du dann mit mir tun?« Mein Blick musste Irritation ausgestrahlt haben. Es fiel ihm sichtlich schwer, die richtigen Worte zu finden. Er hatte es offenbar sehr selten mit so unerfahrenen Frauen wie mir zu tun gehabt. Zumindest im Bereich des BSDM. Denn von der Praxis selbst hatte ich nun wirklich nicht die leiseste Ahnung. Er überwand sich. Es war ihm wohl besonders wichtig, mir alles bis ins kleinste Detail zu erklären. Ohne auf meinen Einwand einzugehen, stellte er eine Gegenfrage.

»Glaubst du, ich hätte mich für dich entschieden, wenn ich eine Sub suchen würde?«, setzte er nun ein schiefes Lächeln auf und versuchte so, die Situation zu retten. Seine Art mich anzusehen, war mir wieder vertraut und gab mir neues Selbstbewusstsein. Mein verführerischer Augenaufschlag brachte ihn aus dem Konzept.

»Da müsste ich dich wahrlich enttäuschen! Denn mich zu unterwerfen, dazu wurde ich nicht geboren!«, feuerte ich ihm bestimmend meine Worte entgegen. Er grinste von einem Ohr zum anderen. Das verunsicherte mich. Gewaltig. Er seufzte. Das wiederum machte mich nervös. Seine Mimik war unergründlich. Dann fuhr er fort.

»Genau so stelle ich mir meine Mistress vor. Ich habe dich also richtig eingeschätzt. Ich würde dich lehren, mich zu führen, bis du in deine dominante Rolle hineingewachsen wärst. Ich würde also switchen. Glaub jetzt bitte nicht, dass ich den dominanten Part auf Dauer übernehmen möchte«, er lächelte und schüttelte widerwillig den Kopf. »Nein, Ella, aber ich möchte dir genauso die Möglichkeit geben, dich fallen lassen zu können und zu genießen. Ich werde dich sexuell verwöhnen, bis du dir eingestehst, ohne meine Praktiken nicht mehr leben zu wollen.«

Ich riss die Augen auf. Er hatte Ella zu mir gesagt, so nannte mich nur Tabitha. Ich lauschte seinen Worten, die mich immer mehr in den Strudel der Finsternis hinabreißen würden. Mistress. Wie das klang! Wieder beugte er sich über den Tisch und konkretisierte seine Absichten.

»Diese Art von Beziehung kann in gegenseitigem Einvernehmen zu extrem lustvollen Höhepunkten führen. Und das Hinzufügen von Schmerz kann es noch steigern«, beendete er seine präzisen Ausführungen. »Ich möchte nochmals betonen, dass es nicht bedeutet, dir Schmerzen zuzufügen.« Er beobachtete mich.

»Ich soll also diejenige sein, die das tut, damit du Erfüllung findest?« Nun atmete ich kräftig ein und wieder aus. Das könnte ich noch weniger. Jemandem Schmerzen bereiten? Ich? Jeremy hatte meine Gefühle schon wieder voll unter Kontrolle und wehrte mit einem Kopfschütteln und einer eindeutigen Geste ab.

»Nein! Lass mich bitte weiter erklären.« Ich nickte. »Es geht nicht darum, seine Grenzen zu überschreiten, wo es kein begehrlicher Schmerz mehr ist. Es soll den anderen ja scharfmachen, erregen, auch wenn es eine gewisse Art von Schmerz ist, man soll sich dabei wohlfühlen, Lust empfinden. Nur dann beginnst du, deinen Kopf abzuschalten, dich nicht mehr zu fragen: Ist das noch normal, was ich hier tue? Soll ich das überhaupt tun?« Er beobachtete mich eingehend. »Was ich brauche, ist ein ultimativer lustvoller Kick, eine Session, in der wir beide die Erfüllung finden und die sehr viel Intensität an Gefühlen zutage fördert. Eine etwas härtere Gangart, wenn du verstehst, was ich meine. Kein Vanillasex. Ich bin aber auch kein TPE-Typ, eher ein Erotic Power Exchange Typ. Ich möchte meine Macht nur während des Spiels abgeben, nicht aber im Alltag. Verstehst du?« Nein. eigentlich verstand ich nichts von alldem, was er sagte. »Es ist mir wichtig, dass du dich in unsere Partnerschaft wohlfühlst, wir unsere sexuellen Fantasien gemeinsam ausleben können.« Jetzt begann ich wieder zu verstehen. »Die sexuelle Kontrolle des dominierenden Partners, also dir, spielt für mich dabei eine sehr große Rolle. Erregen und verweigern, bis hin zu häufigen Orgasmen. Das ist meine Strategie. Die Schmerzgrenze muss dabei nicht unbedingt sehr hoch angesetzt sein. Obwohl …« Er stockte. »Meine persönliche Schmerzgrenze ist sehr hoch.« Ich legte meine Stirn in Falten.

»Kannst du noch präziser werden?« Seine ausführlichen Erklärungen hatten mich neugierig gemacht.

»Natürlich.« Sein Blick verriet mir, dass ihm mein Interesse gefiel. »Ich spreche von Toys in den verschiedensten Formen und Härtegraden, die die Intensität unsere Intimität lustvoll steigern sollen.«

»Toys?«, fragte ich unsicher und konnte mir keinen Reim darauf machen, was damit gemeint sein sollte.

»Friedrich Nietzsche hatte mal gesagt: Im echten Manne ist ein Kind versteckt, das will spielen!« Er lächelte geheimnisvoll. »Soll ich weitererklären?«

»Klar, nur zu!«, forderte ich ihn auf und war zu meiner Verwunderung entspannter, als ich dachte.

»Ich spreche von Spanking. Dazu benutze ich gerne einen Flogger, eine mehrschwänzige Katze, eine Peitsche, mit der man auch einen Gang zurückschalten und seinen Partner damit sanft streicheln kann.« Unwissend zog ich meine Augenbrauen hoch. Er lächelte. »Ich zeige dir gerne, wie ein Flogger aussieht und man ihn verwendet. Es ist eine Lederpeitsche, ich persönlich besitze nur welche, die sehr gut in der Hand liegen. Zumeist ist sie aus sehr weichem Material, aber dennoch hält sie, was sie verspricht.« Meine Augen weiteten sich immer mehr.

»Kannst du mir so einen Flogger mal zeigen? Ich meine, ich würde dieses Ding gern in die Hand nehmen, spüren, wie es sich anfühlt.« Mein Interesse gefiel ihm.

»Klar! Ich zeige ihn dir. Auch ein Paddle, es ist ein Holzstab mit einem breiten flachen Ende, meist aus Leder, mit dem man sanft bis hart zuschlagen kann, es hat seinen besonderen Reiz. Ich persönlich würde es bevorzugen, wenn du bei mir die härtere Gangart praktizierst, was aber nicht bedeuten soll, dass du mich zwischendurch nicht mit sanftem Streicheln oder elektrisierenden Impulsschlägen verwöhnen kannst. Jedenfalls sollte es gefolgt von einer Steigerung dessen sein, die uns beide bis zur Ekstase bringt. Einen Rohrstock habe ich schon lang nicht mehr verwendet, das heißt aber nicht, dass du ihn bei mir nicht benutzen darfst, wenn du mich bestrafen willst«, erklärte er weiter. Nun schwirrte mir wieder der Kopf. Bestrafung? Warum sollte ich das tun wollen? Und diese vielen Begriffe, die ich in meinem ganzen Leben noch nie gehört hatte. Er führte weiter aus, ohne auf meine Verwirrtheit einzugehen, doch ich vermutete, er wollte mir Klarheit verschaffen. »Unserer Fantasie sind hier keine Grenzen gesetzt, Elena, und ich betone nochmals: Ich werde nur das tun, was du auch willst. Wenn du etwas abstoßend findest, dann sag es mir bitte und wir werden es nicht mehr wiederholen oder so abändern, dass du Gefallen daran findest. Ich mache Vorschläge, du schlägst ein oder lehnst ab.« Er grinste über seine eigene Ausdrucksweise. Das Wort schlagen, hatte wohl eine besonders tiefgründige Bedeutung in seinem Repertoire. Er sah mich an. »Ist das in Ordnung für dich?«

Augenblicklich fühlte ich mich wie hypnotisiert und aus dieser Emotion heraus nickte ich. Ich versuchte mich zu sammeln, schüttelte entschieden den Kopf. Was tat ich denn da? Ihn zu bestrafen, mit dieser Praktik wäre ich doch nicht einverstanden! Mein Gott, was verlangte er von mir? Ich sah zu ihm auf.

»Aber das alles fällt doch unter Körperverletzung«, stieß ich aufgeregt hervor. »Wir stehen beide im Dienst der Krone, auf der Seite des Rechts. Wie sollen wir diese Praktik mit unserem Gewissen vereinbaren?« Er fasste nach meiner Hand.

»Weil wir füreinander geschaffen sind. Weil ich dir vertraue, ehrlich zu dir sein und dir nichts vormachen möchte, deswegen erzähle ich dir das alles. Weil ich mich noch nie zu einer Frau so sehr hingezogen gefühlt habe wie zu dir, mir noch nie so sicher war, dass es richtig ist, meine Neigung zu erwähnen. Und es ist keine Körperverletzung im Sinne des Gesetzes, Elena. Ich unterziehe mich dem freiwillig.« Seine blauen Augen durchbohrten mich dabei geradezu.

Was sollte ich bloß tun? Welche Entscheidung sollte ich fällen? Ich hatte mich in ihn verliebt und er hatte sich mir gegenüber geoutet. Wir kannten uns verhältnismäßig kurz, trotzdem hatte er offensichtlich Vertrauen zu mir, sonst hätte er mir von seiner Präferenz niemals erzählt. Seine Ausführungen hatten mich neugierig gemacht. Ihn zu dominieren, könnte ich mir unter Umständen schon vorstellen, wenn er das alles brauchte. Nur auf eine andere Art und Weise als dieser Blackford es getan hatte.

Ich schüttelte den Kopf. »Warum verlangt es dir danach, geschlagen zu werden?«, wollte ich von ihm wissen. Er setzte eins seiner schiefen Lächeln auf und strich dabei sanft über meine Wange.

»Mein Vater hat mich schon von Kindesbeinen an gezüchtigt. Es war ein richtiggehendes Ritual. Ich weiß, dass ich zu dem ganz kleinen Prozentsatz zähle, der in seinem Leben mal ein Schlüsselerlebnis hatte, aber dennoch. Während meiner Jungendzeit musste ich feststellen, dass mich diese Art von Züchtigung sexuell erregte. Wenn mich mein Vater bei der Selbstbefriedigung erwischte, versohlte er mir mit dem Rohrstock recht ordentlich den Hintern.« Er lächelte. Ich konnte es nicht verstehen, wie man darüber erfreut sein konnte. »Irgendwann haben sich diese beiden Bereiche dann zu einer Einheit zusammengefügt, verstehst du?« Er seufzte. »Sexualität ging ohne das andere nicht mehr. Anfangs habe ich es unterdrückt, doch irgendwann habe ich es dann einfach nur zugelassen und heute fühle ich mich danach befreit. Mit dem Unterschied, dass ich nicht mehr verdroschen werde, sondern die Schläge mit Maß und Ziel verabreicht werden. Und nun lebe ich diese Schlagtechnik während meiner Sessions als sogenanntes Vorspiel aus.« Er fasste nach meiner Hand. Als wäre sie ein Rettungsanker für ihn. »Es ist längst ein Ritual für mich geworden. Ohne das ich nicht mehr richtig in Fahrt kommen kann. Es wirkt auf mich befreiend, erlösend«, versuchte er diese für mich abnorm klingenden Vorlieben zu erklären. Ich hatte mich also auf einen Mann eingelassen, der von mir regelmäßig und in vollen Zügen den Hintern versohlt bekommen wollte. Ich griff mir an die Stirn.

»Aber wir hatten doch erst vor ein paar Tagen ganz normalen Sex und es war sehr schön. Ich meine, ich hatte nicht das Gefühl, dass dir irgendwas fehlen würde.« Er schluckte, sein Blick wurde starr, dann fasste er sich wieder.

»Ella, jeder, der BDSM betreibt, hat auch mal ganz normalen Sex, nur eben in einer härteren Gangart. Aber das ist bei mir nicht die Norm. Verstehst du?« Ich nickte.

»Ja, ich denke schon.«

»So nebenbei bemerkt.« Er riss mich aus meinen Gedanken. »Ich liebe diese Armstulpen an dir.« Er lächelte und das lockerte die Atmosphäre wieder ein wenig auf. »Ich würde es begrüßen, wenn du fortwährend diese Art von Bekleidung sowie Spitzenunterwäsche und Schuhe mit hohen Absätzen trägst.« Er machte bewusst eine Pause. »Es lässt deinen Körper für mich einfach total erotisch wirken.« Er beobachtete mich. »Mir gefällt, wie du dich kleidest, ich finde es höchst anziehend.« Er drückte meine Hand, diesmal mit weniger Zurückhaltung. »Ich werde dich verwöhnen und lieben, wie es noch keiner zuvor getan hat, das verspreche ich dir, Elena.«

Diese Erkenntnis ließ mich buchstäblich erschaudern. Es war eine ganz andere Art und Weise zu lieben, als ich es bisher gewohnt war. Er blieb in seinen Ausführungen weiterhin beharrlich und legte seinen Kopf leicht schief.

»Schon mal etwas von Bondage gehört?«, fragte er mit einem sehnsüchtigen Blick. Ich schüttelte mechanisch den Kopf.

»Nein, bitte erkläre es mir.« Ich wusste zwar, was der Ausdruck bedeutete, aber was genau es war, daraus konnte ich mir keinen Reim machen.

»Es gehört dazu. Bondage bedeutet Fesselung und Hingabe«, betonte er. »Das erhöht den ultimativen Kick. Diese Form des Fesselns verschärft den Sex. Man gibt seinem gefesselten Partner das Gefühl, sich fallen lassen zu können, die Kontrolle abgeben zu können. Es ist eine zutiefst emotionale Begegnung. Es soll Geborgenheit vermitteln. Hierfür verwende ich sowohl Seile als auch Handschellen. Die Unnachgiebigkeit von Metall stellt einen ganz besonders großen Reiz für mich dar. Wenn du mich fesselst, dann spüre ich diese ganz individuelle Nähe zu dir, fühle mich unheimlich geborgen und geliebt. Ich bin nicht sicher, ob du das jetzt verstehen kannst, aber eines Tages kannst du es. Da bin ich sicher.« Ich schluckte. Er strich kaum merklich über meine Wange. »Du wirkst so erschrocken, Ella.« Seine Stirn legte sich in Falten. »Entspann dich. Ich fühle, dass du nicht abgeneigt bist, es auszuprobieren.«

»Es ist alles so neu und schwierig für mich.« Er sah mich einfühlsam an, drückte abermals meine Hand.

»Ich weiß. Aber ich denke, es wird dir gefallen.« Seine Worte schienen dennoch in Stein gemeißelt zu sein. Er holte wieder aus und versuchte weitere positive Argumente für seine Neigung zu finden. »Was ich weniger mag, sind Augenbinden. Sie verdecken das Gesicht und ich muss dich dabei sehen können, muss deine Erregung nicht nur spüren, sondern sie auch in deine Augen erkennen können. Möglicherweise hat es mit meiner Kindheitserfahrung zu tun.« Abermals strich er mir zärtlich übers Gesicht, dabei erzeugte er eine Gänsehaut bei mir. Wieder schmetterte er mir seine entschiedenen Worte entgegen. »Wir werden switchen, das heißt, ich leite dich an und du praktizierst es dann an mir. Ich möchte dich ebenfalls verwöhnen. Möchte dir zeigen, wie schön diese Art der Sexualität ist.« Er sah mich eindringlich an. »Du kannst mir absolut vertrauen, Ella. Nichts von alldem, was wir hier tun, wird jemals nach außen dringen.« Ich seufzte.

»Okay, ich vertraue dir.« Seine ausführlichen Erklärungen, Sex zu haben, steigerten mein Bedürfnis, es auszuprobieren, und er spürte das. Er fuhr fort.

»Am meisten erregt es mich, wenn du in Ekstase gerätst und mir verbietest, einen Orgasmus zu haben. Das macht mich unheimlich scharf auf dich. Und wenn du dann auch so weit bist und gestattest es mir, glaube mir … Nein! Ich bin überzeugt, dass du noch nie in deinem ganzen Leben, so sehr in den Wahnsinn getrieben wurdest.«

Er beobachtete mich. Für eine kurze Zeit sagte er nichts, sondern sah mich nur an. Ich atmete stoßweise. »Oh Gott! Ich weiß gerade nicht, was mit mir passiert, ich fühle mich so …« Ich verstummte. Er stieß einen hörbaren Seufzer aus.

»Wärst du bereit, es auszuprobieren Ella?« Er sah mich erwartungsvoll an, wartete ab. Unwillkürlich rieb ich meine Oberarme.

»Ich weiß nicht.« Ich schlug meine Lider nieder. »Ja, ich denke schon. Erzähl weiter!« Ich sah ihn wieder an. Dieser Umstand gab ihm eine gewisse Sicherheit, er schien sich verstanden zu fühlen.

»Wenn du willst, können wir auch Figging versuchen. Es hat eine alte und lange Tradition. Die ätherischen Öle des Ingwers erregen die Schleimhaut und wirken aphrodisierend. Das Ganze hat einen Schneeballeffekt. Einerseits erzeugen die Wirkstoffe einen dauerhaften Schmerz, der selbst an sich schon das Lustempfinden steigert, andererseits erhöhen die Öle die Chance auf einen Orgasmus. Je länger, desto intensiver. Der Wärmeeffekt ist enorm dabei. Wir können zunächst mit der sanfteren Methode beginnen.«

»Mit der sanfteren Methode?« Ich wurde hellhörig. »Was ist denn die härtere Methode?«, fragte ich vorsichtig. Er grinste.

»Die Ingwerwurzel in ihrer natürlichen Form anal einzuführen. Bei der softeren Methode verwende ich den Saft des Ingwers bei vaginalem Verkehr«, versuchte er, mir den Unterschied zu erklären. Allein bei diesem Gedanken wurde mir schon heiß! Mein Gott. In welche abgrundtiefe Welt begab ich mich hier gerade? Was machten seine Worte mit mir? Ich spürte, wie die Stelle zwischen meinen Beinen immer feuchter wurde. Wie im Trance hörte ich ihm weiter zu und letztendlich war ich bereit, es zu probieren. Ich wollte es. Ich wollte ihn. So sehr!

»Möchtest du es versuchen?«, flüsterte er. »Ich meine, das mit der Ingwerwurzel?« Unwillkürlich weiteten sich meine Augen und ich verspürte vom Haaransatz bis zu den Zehenspitzen genau dieses Kribbeln, das mich fast ohnmächtig werden ließ. Er hatte mich neugierig gemacht.

»Ja«, hauchte ich. Wir würden es also bis zum Exzess treiben und er versprach mir pure Sinnlichkeit. Er ließ mich nicht mehr aus den Augen.

»Der Vorteil dabei ist, dass das warme Gefühl für Stunden anhält.« Er zog meine rechte Hand mit seiner linken an seine Brust und sah mich bedeutsam an. »Ella. Es würde mir sehr viel bedeuten, wenn wir unser Sexualleben darauf ausrichten könnten.« Seine rechte Hand krallte sich an der Tischkante fest und seine Knöchel traten weiß hervor. Sein Erregungszustand befand sich bereits in höchster Alarmbereitschaft. Schon allein darüber zu reden, durfte ihn in höchste Erregung gebracht haben. Aber nicht nur ihn. Er atmete kräftig aus. »Das war eine kleine Einführung dessen, was dich erwartet, wenn du mit mir eine DS-Beziehung eingehst. Du kannst dich entscheiden, Ella. Ich werde dich zu nichts zwingen und immer ehrlich zu dir sein. Diese Art der Sexualität und das Vertrauen, das wir dadurch aufbauen, wird uns zusammenschweißen, mehr als es bei normalen Beziehungen der Fall ist.« Er schluckte und wartete fieberhaft auf meinen Entschluss.

Er konnte sichergehen, wenn ich seine Wünsche jetzt ablehnen würde, dann nur, weil mein Verstand einsetzen würde, denn mein Instinkt wollte etwas ganz anderes. Ich dürstete nach ihm, mein Verlangen war binnen kürzester Zeit unersättlich geworden. Welche tiefen und fremden, abartigen Empfindungen machten sich in mir breit? Hatte er mich deswegen hierher auf Seeds Castle eingeladen? Ich schien ins Bodenlose zu schlittern. In tiefe Finsternis. Meine Grundmauern, die ich seit meiner Kindheit als Schutzwall mühevoll und erfolgreich errichtet hatte, waren mit einem Mal zusammengebrochen. Meine Vorstellung von Sexualität und Liebe wurde mit diesem Gespräch mit einem Mal völlig umgekrempelt.

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt hatte ich keine Ahnung, wie ich mit dieser neuen Erkenntnis umgehen sollte. Hatte ich mir mein ganzes Leben lang etwas vorgemacht? War das der Grund, warum ich in meinen Beziehungen niemals wirklich meine Erfüllung gefunden hatte? Brauchte ich BDSM? War das Wort Submission, also Unterwerfung in Bezug auf ihn, von besonderer Wichtigkeit für mich geworden? Brauchte ich ihn? Jeremy? Das Wort brauchen gefiel mir nicht. Ich versuchte, wieder meine Fassung zurückzugewinnen. Elena Cooper brauchte nichts und niemanden. Oder doch? Von anderen abhängig zu sein? Nein! Ohne jeden Kompromiss. Schlichtweg: Nein!

Gefesselt an die dunkle Seite meiner Affäre | Erotischer SM-Roman

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