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Prolog Vor langer, langer Zeit -Das Feenreich

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Kellan stand vor dem großen, wild wuchernden Thron seiner Tante Maeve. Seine Brust hob und senkte sich in schnellem Rhythmus aufgrund der Anstrengung, die es ihn kostete, sich nicht auf sie zu stürzen und die neue Königin offen anzugreifen. Sie saß auf dem Thron, ihre eleganten weißblonden Haare hoch auf dem Kopf getürmt, ihr blutrotes Kleid drückte ihre hübschen Brüste nach oben zu ihrem Gesicht, zwei dunkle Kreise Rouge zierten ihre Wangen. Sie betrachtete Kellan einen langen Moment, in dem sie mit der Zunge über ihre dunkle, beerenrote Unterlippe fuhr. Sie war so hübsch, dass man fast vergessen könnte, was sie getan hatte. Oder den silbernen Dolch, den sie in einer Hand hielt, während sie mit einer Fingerspitze über die Klinge strich, die so scharf war wie ihr durchtriebenes Lächeln.

Ihre hellgrünen Augen leuchteten vor Aufregung, was Kellan nur noch wütender machte. Er wollte sie töten. Es schien eine unmögliche Aufgabe – zwei Prinzen im Teenageralter allein gegen die mächtige Feenkönigin, aber er sehnte sich mehr danach, als er jemals würde in Worte fassen können.

Seine Fäuste waren so fest geballt, dass seine Finger beinahe taub waren, während er auf die grünen Gräser und sich schlängelnden Ranken des Königinnenthrons starrte. Er sah sich auf der mondbeschienenen Waldlichtung um, die als Thronsaal diente, und betrachtete die hübschen, schillernden Feen, jede Form, Größe und Nuance verführerischer Anmut, die sich versammelt hatten, um die Ereignisse zu beobachten. Alles, nur damit er nicht direkt in die smaragdgrünen Augen Maeves blicken musste, da er das Funkeln seiner mörderischen Absichten nicht mehr verbergen konnte, das jeder, der ihn gut kannte, in seinen Augen entdecken würde.

Er wusste das, weil sich sein Zwillingsbruder Kieran nur ein Dutzend Schritte entfernt von ihm befand und die gleiche Miene zur Schau stellte, wobei er keinen Versuch unternahm, sie zu verbergen. Die anderen Feen rückten bereits langsam näher, weil sie die Spannung in der Luft wahrnahmen. Kieran, der ewige Dunkle, der ewige Ausgestoßene… er würde Maeves Zorn auf sich lenken, das war allen Anwesenden so klar wie das Läuten einer Glocke.

Die großen, ätherischen Feen des Lichthofes waren wunderschön, aber ihr Aussehen war nur ein Blendwerk, da sie Feenglanz benutzt hatten, um die anderen zu beeindrucken und zu umschmeicheln. Mit ihren wohlgeformten Körpern, dunklen Augen und heller Haut war ihr Aussehen genauso irreführend wie das der dunklen, furchteinflößenden Feen des Dunkelhofes. Beide Feenarten konnten sowohl freundlich als auch bösartig sein.

Und gerade jetzt konnten die Feen des Lichthofes Schwäche wittern. Sie krochen nach vorne und bildeten einen Kreis um Kellan und Kieran, den zwei verbleibenden Prinzen des Lichthofes. Einst hatte es viele Prinzen und Prinzessinnen gegeben… bevor Maeve sie alle umgebracht hatte, so hinterlistig und machthungrig wie sie war. Prinzessinnen waren von rätselhaften Korsetts vergiftet worden, die sie als Geschenk erhalten hatten. Prinzen waren tot aufgefunden worden, in den Fängen der Leidenschaft von einer unbekannten Verführerin erstochen. Kinder waren mit der Aussicht auf ein nettes Picknick in Wälder gelockt worden und irgendwie verloren gegangen, nie wieder zurückgekehrt…

Einen nach dem anderen hatte Maeve sie alle bezaubert und betrogen. Sogar ihre eigene Schwester und Schwager, Kellans Eltern, waren ihrem Zauber zum Opfer gefallen und hatten den Preis bezahlen müssen. Niemand konnte sich der Königin widersetzen, niemand außer Kellan und Kieran.

Also waren sie jetzt hier, bereit, bis zum Tod zu kämpfen. Ihre Eltern, Brüder und Schwestern, ihre Cousins und Cousinen zu rächen. Für all die Toten, die Maeve zu verschulden hatte, würde sie zehnfach büßen müssen. Heute Abend oder erst in eintausend Jahren, das war nicht von Bedeutung. So war der Lauf der Dinge.

Schließlich holte Maeve Luft.

„Wisst ihr, als ihr geboren wurdet, fragten wir uns, wer von euch beiden das Licht und wer die Dunkelheit sein würde“, sagte sie fast, als würde sie laut nachdenken. Natürlich projizierte sie zugleich ihre melodische Stimme weit hinaus in den Wald, um sicherzustellen, dass ihre Anhänger bei Hofe jedes Wort hören konnten. „Wir wussten rein gar nichts, bis ihr jeweils zum ersten Mal eure Magie eingesetzt habt, was Jahre gedauert hat.“

Kellan hob bloß eine Braue, seine Finger zuckten jedoch in dem Wunsch, sein Schwert zu ziehen und es ihr in die Brust zu stoßen. Das alles zu beenden, hier und jetzt. Maeves Lippen kräuselten sich, als würde sie seine Gedanken nur allzu gut kennen und diese sie lediglich amüsieren.

„Diese wundervolle weiße Magie, über die du verfügst, Lichtprinz. Mit der du allem, das du berührst, Leben einhauchst, Dinge wachsen und gedeihen lässt, sie rein machst…“, sagte sie zu Kellan, ehe sie ihren Blick auf Kieran richtete. „Und dann bist da noch du, unser Dunkelprinz. Hätte ich deine Geburt nicht bezeugt, würde ich nicht glauben, dass in dir das gleiche Blut fließt wie in Kellan. Deine Magie ist so dunkel wie die Nacht, lässt alles erfrieren, das sie berührt. Ich erinnere mich an das erste Mal, als du einen hübschen Vogel am Himmel sahst. Du hobst deine Hand, um deinen Bruder auf ihn aufmerksam zu machen. Der Vogel fiel wie ein Stein vom Himmel und landete tot zu deinen Füßen.“

Sie kicherte angesichts der wütenden Röte, die Kierans Wangen zum Glühen brachte, bevor sie weitersprach.

„Ich versuchte meine Schwester an jenem Tag dazu zu überreden, dich zu ertränken. Wusstest du das? Ich sagte ihr, sie solle dich töten oder auf die Erde bringen und gegen einen liebreizenden Menschenjungen austauschen. Du bist ein Wilder, vielleicht hättest du als Wechselbalg überleben können“, erzählte sie, legte den Kopf schief und verengte die Augen. „Dafür ist es jetzt zu spät, schätze ich. Also was soll ich mit dir machen, Schattenprinz?“

Kellan streckte eine Hand nach seinem Bruder aus in dem Versuch, die Antwort zu stoppen, die folgen würde, aber es war zu spät. Kierans berüchtigtes Temperament loderte hell auf und drohte sie beide zu Asche zu verbrennen.

„Was wirst du mit uns machen?“, knurrte Kieran und zog sein Schwert. Der Klang des Schwertes, das aus der Scheide gezogen wurde, hallte in der Luft wieder. Die Endgültigkeit dessen jagte Kellan eine Gänsehaut über den Rücken. „Ich denke, du stellst die falschen Fragen, meine Königin. Vielleicht solltest du fragen, was wir mit dir tun werden. Du hast unsere Eltern im Schlaf ermordet, ihnen in ihrem eigenen Bett die Kehlen durchgeschnitten. Dafür muss ein Preis bezahlt werden, liebste Tante.“

Maeves amüsiertes Lächeln dehnte sich zu einem tödlichen Grinsen aus.

„Und du siehst dich selbst in der Rolle desjenigen, der diesen Preis einfordern wird, Neffe? Wie furchtbar aufregend für uns alle.“

„Du kannst doch nicht wirklich den letzten deiner Familie töten wollen, meine Königin“, mischte sich Kellan ein.

Ihre Brauen hoben sich überrascht.

„So etwas würde ich niemals tun“, protestierte sie und hielt einen Herzschlag inne. „Du wirst immer noch quicklebendig sein, Kellan. Mit dem Lichtprinzen als Gemahl werde ich zahlreiche Erben hervorbringen. Die königliche Lichtblutlinie wird sich vervielfachen und das schnell.“

Das Letzte wurde von einem neckenden, flirtenden Zwinkern begleitet, das Kellan den Magen umdrehte.

„Niemals. Ich werde niemals mit dir schlafen, Tante. Genauso wenig werde ich zulassen, dass du mir meinen Bruder nimmst“, schwor er und sah zu Kieran, der jetzt Kellan wütend anfunkelte. Als hätte Kellan irgendwie schuld an dem Ganzen.

„Du wagst es, mir zu trotzen?“, zischte Maeve, die sich mit dem Dolch in der Faust von ihrem Thron erhob. „Was können zwei Jungs schon gegen die Stärke des Lichthofes ausrichten?“

Sie gestikulierte, hob ihre Hände, um ihre Unterstützer herbeizurufen, die mit einem kollektiven Zischen näher rückten. Es gab viele, die die Königsfamilie beneideten und sich selbst für einen geeigneteren Gemahl und Vertrauten der Königin hielten. Sie können sie ruhig haben, dachte Kellan. Konnten sie nicht sehen, dass dies die wahre Natur der Königin war, dass sie sich in nicht allzu ferner Zukunft in der gleichen Lage wiederfinden würden?

„Letzte Chance“, reizte die Königin sie und hielt Kellan ihren Dolch hin. „Wenn du den Hieb ausführst, das Leben und die Kräfte des Schattenprinzen nimmst, um sie mit deinen eigenen zu vereinen, kannst du alles haben, was du jemals wolltest. Nie wieder wird dich einer mit ihm verwechseln. Du wirst zum Gemahl der Königin aufsteigen und an meiner Seite über die Feenreiche herrschen. Deine Kinder werden Kräfte haben, die jegliche Vorstellungskraft übersteigen…“

Kellan zögerte einen Augenblick, in dem er versuchte, sich eine Welt ohne seinen Zwillingsbruder vorzustellen. In der er allein an die Macht kam, mächtig, respektiert und geliebt wurde. In der sein Schwindler von einem Bruder ihm nie wieder eine Frau aus dem Bett stahl, ihm nie wieder Schuldgefühle einredete, weil er mehr geliebt und bewundert wurde als Kieran, weniger gefürchtet. Diese kurze Pause entlockte Kieran ein Knurren, der sich mit erhobenem Schwert auf die Königin stürzte.

Die Königin hob eine Hand und warf Kieran mit einer unsichtbaren Magiewand zu Boden, so mühelos und beiläufig als würde sie nach einem Insekt schlagen, das um ihren Kopf summte. Kieran taumelte und sein Schwert sackte an seine Seite, als er zusammenbrach. Er fiel zu Boden und bewegte sich nicht mehr.

„Kieran“, flüsterte Kellan atemlos, während er hektisch von der Königin zu seinem Zwillingsbruder sah.

„Tu es!“, drängte ihn die Königin in der Annahme, Kellan wäre versucht, seinen Bruder anzugreifen. Ihr Lächeln war so breit, dass Kellan jeden einzelnen Zahn in ihrem Mund sehen konnte, alle scharf, glänzend und gierig.

Er machte einen Schritt auf Kieran zu, schob seine Hand in seine Hosentasche und zog einen Dolch heraus, der der bösartigen Klinge in der Hand der Königin sehr ähnelte.

„Ja“, zischte sie. „Nur der Lichtprinz kann den Dunkelprinzen töten und die Waage zwischen den Feenreichen ins Ungleichgewicht stürzen. Beende, was ich begonnen habe, mein Prinz, und wir können auf ewig zusammen sein. Stell dir nur vor…“

Kellan sank auf die Knie, um seinen Bruder abzuschirmen, als er den Dolch der Königin entgegen schleuderte. Er verfehlte ihr Herz nur um Zentimeter, grub sich tief in das Fleisch unterhalb ihrer Schulter und entrang ihren Lippen einen langen, hohen Schrei.

„Verräter!“, kreischte sie und Magie flutete ihre Stimme. Kellan wusste, dass sie sie nicht umbringen konnte, wenn ihre Worte der Wahrheit entsprachen,… aber sie konnte sie in eine andere Ebene verbannen. Magie sammelte sich und schimmerte um ihren Körper, während sich ihr Gesicht vor Wut verzog, und er wusste, wie ihre nächsten Worte lauten würden, noch bevor sie sie hinausschrie. „Ihr. Seid. VERBANNT!“

Kieran um die Taille fassend, schloss Kellan die Augen und knirschte mit den Zähnen, als ihn der Zauber aus dem Feenreich riss. Das Wort der Monarchin war Gesetz und unter den Feen bedeutete das, dass sich die gesamte Welt ihrem Willen beugte. Ihre Worte wurden Realität in dem Moment, in dem sie sie aussprach…

Ein Lichtblitz und dann wurden Kellan und Kieran auf eine Art weites, grasiges Moor geworfen. Meilen und Meilen und Meilen nichts weiter als Heidekraut und Gras. Nicht ein Haus oder eine Person oder auch nur ein Baum waren zu sehen. Kellan konnte es nicht mit Sicherheit sagen, aber er hatte die unbestimmte Ahnung, dass die Feenkönigin ihnen sogar einen kleinen Gefallen getan hatte, indem sie sie hierher ins Reich der Menschen befördert hatte und nicht in eine der hundert anderen über alle Maßen unerfreulichen Existenzebenen.

Dennoch war es ein Schock für ihn. Zum ersten Mal in ihrem königlichen Leben waren Kellan und Kieran wahrhaftig allein. So interessant das auch war, war dies kaum der Zeitpunkt, um philosophischen Gedanken über ihre Lage nachzuhängen. Kieran musste geheilt werden und so wie es hier aussah, waren jegliches Essen oder nützliche Medizin weit, weit entfernt.

Seinen Bruder mit einem Grunzen hochhebend, warf sich Kellan Kieran über die Schulter und begann Richtung Norden zu laufen.

Wohin er lief, wusste er nicht…

Bärrauscht

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