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PORTRÄTS GROSSER „CONNECTORS“

Katharine Graham (1917-2001)

„Kultivieren Sie das Vertrauen in jeden.“

Eine Tragödie machte Katharine Graham über Nacht von der Ehefrau zur Verlagsleiterin. Sie übernahm im Jahre 1963 nach dem Tode ihres Mannes Philip Graham die Washington Post. Ihre schüchterne, ruhige Art schien für die Anforderungen, die eine der bedeutendsten Zeitungen des Landes stellte, ungeeignet. Aber Mrs. Graham belehrte alle eines Besseren. Sie trug zum Aufbau einer der besten Zeitungen und eines der erfolgreichsten Unternehmen Amerikas bei. In ihrer Zeit veröffentlichte die Post die Pentagon-Papiere, konfrontierte Richard Nixon frontal mit Watergate und beherrschte die Washingtoner Politik- und Medienszene mit ihrem eigenen unnachahmlichen Stil.

Dieser Stil ist Grahams dauerhaftestes Vermächtnis. Sie leitete die Post voller Mitgefühl, Freundlichkeit und Ernsthaftigkeit und wurde so zu einer mächtigen Figur. Grahams Einfluss verlieh ihr die Fähigkeit, andere Menschen – von den höchsten Rängen der Gesellschaft bis zu den niedrigsten – zu einem Gefühl der Würde und des Respekts zu befähigen.

Richard Cohen, Redakteur der Washington Post, schrieb wenige Tage nach Grahams Beerdigung:

„Vor ein paar Jahren kehrte ich an einem brütend heißen Julisonntag vom Strand nach Washington zurück und fuhr mit dem Taxi zu dem Parkplatz gegenüber der Washington Post, wo ich mein Auto abgestellt hatte. Auf dem Parkplatz der Post war ein Zelt aufgestellt worden. Der Anlass war ein Fest für die Menschen, deren Namen man nie erfährt – die nicht als Verfasser genannt werden, die nicht im Fernsehen auftreten, die Anzeigen annehmen oder die Zeitung ausliefern oder einfach das Gebäude reinigen. Ich sah, wie sich Katharine Graham in der Hitze in Richtung Party schleppte.

Sie war damals schon alt und das Gehen fiel ihr schwer. Sie bahnte sich mühsam den Weg auf die Bühne hinauf. Sie hatte eine Farm in Virginia, ein Haus in Georgetown, eine Wohnung in New York und – was an diesem furchtbar heißen Tag am interessantesten war – ein Anwesen am Wasser in Martha’s Vineyard. Und doch war sie hier – was ich unglaublich fand – und machte das, was in anderen Unternehmen zum Lächeln abgestellte Vizepräsidenten machen.“

Wenn man Katharine Grahams Leben analysiert, taucht unweigerlich ein bestimmtes Thema auf: Obwohl sie ihr Leben lang keine finanziellen Sorgen hatte und ihr gesellschaftlicher Status sie fast zu einer Art Königin machte, befreundete sie sich mit jedermann und nicht nur mit jenen, die ihrer Zeitung von Nutzen sein oder ihre Stellung innerhalb einflussreicher Kreise verbessern konnten.

In den meisten Berichten über ihre Beerdigung wurden berühmte Namen wie Henry Kissinger, Bill Clinton, Bill Gates, Warren Buffett und Tom Brokaw erwähnt. Man braucht sich allerdings kaum anzustrengen, um eine ausgedehnte Liste „unberühmter“ Besucher aufzustellen. Hier eine Auswahl:

•Irvin Kalugdan, Sonderschullehrer aus Fairfax County, der mit einer Spende der Washington Post über 350 Dollar mit seinen Schülern ein Breakdance-Team zusammenstellte.

•Rosalind Styles vom Frederick Douglass Early Childhood and Family Support Center, für das Graham Geld beschafft hatte.

•Henrietta Barbier aus Bethesda, eine Rentnerin, die früher im diplomatischen Dienst gearbeitet hatte, gehörte einer wöchentlichen Bridgerunde von rund 60 Frauen im Chevy Chase Women’s Club an. Sie sagte, Graham habe nie einen Abend versäumt: „Sie spielte glänzend, sie nahm Unterricht und sie nahm das ernst.“

Das alles enthüllt eine tiefe Wahrheit über den Kontakt zu anderen Menschen: Diejenigen, die am besten darin sind, betreiben kein Networking, sondern schließen Freundschaften. Dass sie Bewunderer finden und Vertrauen gewinnen, beruht gerade darauf, dass sich ihre Freundschaftsangebote auf alle erstrecken. Der immer größere Einflusskreis ist ein unbeabsichtigtes Ergebnis, kein kalkuliertes Ziel.

Mehr als irgendetwas anderes wirft Grahams Verhältnis zu dem ehemaligen Außenminister Henry Kissinger ein Licht auf ihr Gespür für Freundschaft um der Freundschaft willen im Gegensatz zu Freundschaft mit Hintergedanken.

Oberflächlich betrachtet schienen die beiden die unähnlichsten Freunde zu sein: Schließlich waren die entscheidenden Momente in Grahams Laufbahn heftige Schläge für Kissingers Karriere. Im Jahre 1971 entschied sich Graham für die Veröffentlichung der Pentagon-Papiere, vertraulicher Dokumente über die Beteiligung der Vereinigten Staaten am Vietnamkrieg. Ein Jahr später begann die Post auf Grahams Betreiben mit den Watergate-Ermittlungen. Beides brachte die Nixon-Administration, zu der Kissinger gehörte, in große Verlegenheit.

Und doch war es Kissinger, der auf Grahams Beerdigung die erste Trauerrede hielt. Er und Graham waren oft miteinander ins Kino gegangen.

Wie bildete Graham eine solche Allianz, eine solche Freundschaft? Wie knüpfte sie Verbindungen zu jedermann vom anonymen Lehrer bis hin zu den Berühmten und Mächtigen dieser Welt? Indem sie ihre Grenzen kannte und das Vertrauen in andere kultivierte; indem sie diskret war; durch die Ernsthaftigkeit ihrer Absichten; indem sie den anderen wissen ließ, dass sie das Beste für ihn wollte.

In einem CNN-Interview bemerkte Kissinger: „Unser Verhältnis war insofern seltsam, als ihre Zeitung sehr oft das Gegenteil meiner Ansichten vertrat, aber sie versuchte nie, unsere Freundschaft zugunsten ihrer Zeitung auszunutzen. Sie bat mich nie um spezielle Interviews oder etwas in dieser Art.“

Geh nie alleine essen! - Neuauflage

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