Читать книгу Geh nie alleine essen! - Neuauflage - Кейт Феррацци, Keith Ferrazzi - Страница 21
5 Das Genie der Kühnheit
Оглавление„Ergreife den Augenblick! Was Du tun kannst oder glaubst zu können, fang nur an! Kühnheit hat Genie, Macht und Zauberkraft.“
– Johann Wolfgang von Goethe
Mein Vater Pete Ferrazzi war Amerikaner in der ersten Generation. Im Zweiten Weltkrieg war er Matrose bei der Handelsmarine gewesen und danach ein ungelernter Stahlarbeiter, dessen Welt aus harter Arbeit und niedrigem Lohn bestand. Er wollte, dass es mir, seinem Sohn, einmal besser geht. In meiner Jugend waren wir unzertrennlich (seine Freunde nannten mich „re-Pete“ [Wortspiel, gleichklingend mit „re-peat“ – „wiederholen/noch einmal“], weil er mich überallhin mitnahm). Er wusste, dass ich ein besseres Leben haben würde, wenn er für mich einen Weg aus der Arbeiterklasse finden würde, aus der wir stammten.
Aber mein Dad kannte die Ausgänge nicht. Er hatte nie ein College besucht. Von Country Clubs und Privatschulen hatte er keine Ahnung. Er kannte nur einen einzigen Mann, der die Macht haben könnte, mir zu helfen: seinen Boss. Genau genommen den Chef des Chefs des Chefs seines Chefs – Alex McKenna, den CEO von Kennametal, in dessen Fabrik mein Vater arbeitete.
Die beiden Männer waren sich nie begegnet. Aber Dad hatte einen klaren Blick dafür, wie die Welt funktioniert. Er hatte selbst von der Fabrikhalle aus die Beobachtung gemacht, dass Wagemut häufig das Einzige war, was zwei gleichermaßen begabte Menschen und ihre Berufsbezeichnungen voneinander unterschied. Also fragte er, ob er McKenna sprechen könne. McKenna war von dieser Anfrage derart verblüfft, dass er einen Termin ausmachte. Nach dem Gespräch war er bereit, mit mir zu sprechen – aber mehr nicht.
Es ergab sich, dass McKenna mich mochte – zum Teil wegen der Art, wie er auf mich aufmerksam gemacht wurde. Er gehörte dem Kuratorium einer privaten Grundschule in unserer Gegend namens Valley School of Ligonier an, wohin alle wohlhabenden Familien ihre Kinder hinschickten. Sie hatte den Ruf, eine der besten Schulen des Landes zu sein. Nachdem er ein paar Fäden gezogen hatte, verschaffte uns Mr. McKenna einen Termin bei Peter Messer, dem Rektor der Schule.
An dem Tag, an dem ich mich einem Stipendium an der Valley School einschrieb, wurde, betrat ich eine neue Welt, die mich auf einen ganz neuen Kurs brachte, und zwar genau wie mein Vater gehofft hatte. Ich bekam eine der besten Ausbildungen, die man in Amerika bekommen kann, erst an der Valley School, dann an der Kiski School, an der Yale University und schließlich an der HBS. Das wäre nie passiert, wenn sich mein Vater nicht gedacht hätte, dass Fragen nichts kostet.
Wenn ich auf meine Karriere zurückblicke, war diese Ausbildung das Wichtigste in meinem Leben. Außerdem hat die Lektion, die ich aus dem Handeln meines Vaters gelernt habe, alles beeinflusst, was ich seither getan habe.
Wenn es darum ging, die Bedürfnisse seiner Familie zu erfüllen, war meinem Vater einfach überhaupt nichts peinlich. Ich erinnere mich, dass wir einmal mit dem Auto nach Hause unterwegs waren und Dad im Sperrmüll vor einem Haus ein kaputtes Big-Wheel-Dreirad erspähte. Er hielt an, nahm es und klopfte an die Tür des Hauses, vor dem das weggeworfene Spielzeug darauf gewartet hatte, abgeholt zu werden.
„Ich habe in Ihrem Müll dieses Big Wheel gesehen“, sagte er zu der Besitzerin. „Haben Sie etwas dagegen, wenn ich es mitnehme? Ich glaube, ich kann es reparieren. Ich fände es wunderbar, wenn ich meinem Sohn so etwas schenken könnte.“
Was für ein Mut! Können Sie sich diesen stolzen Arbeiter vorstellen, wie er diese Frau anspricht und im Prinzip zugibt, so arm zu sein, dass er gern ihren Müll haben möchte?
Aber das ist ja noch nicht alles. Stellen Sie sich vor, wie sich diese Frau gefühlt hat, weil sie die Gelegenheit bekam, jemandem ein solches Geschenk zu machen. Das hat ihr auf jeden Fall den Tag versüßt.
„Selbstverständlich“, sagte sie überschwänglich. Sie erklärte, dass ihre Kinder schon groß waren und das Spielzeug seit Jahren nicht mehr benutzt worden war.
„Sie können gern auch noch das Fahrrad haben. Zum Wegwerfen war es mir einfach zu schade …“
Dann fuhren wir weiter. Ich hatte ein „neues“ Big Wheel, auf dem ich fahren konnte, und ein Fahrrad, in das ich hineinwachsen konnte. Sie hatte ein Lächeln und ein Herzklopfen, das nur Güte hervorbringt. Und Dad lehrte mich, dass Kühnheit etwas mit Genie und sogar mit Freundlichkeit zu tun hat.
Jedes Mal, wenn ich mir selbst Grenzen setze, was ich schaffen kann und was nicht, oder wenn sich Angst in mein Denken einschleicht, erinnere ich mich an das Big-Wheel-Dreirad. Ich erinnere mich selbst daran, dass Menschen mit geringer Risikotoleranz, deren Verhalten von Furcht geleitet wird, kaum einen Hang zum Erfolg haben.
Die Erinnerungen aus jener Zeit sind haften geblieben. Mein Vater brachte mir bei, dass das Schlimmste, was jemand sagen kann, höchsten ein „Nein“ ist. Wenn einem jemand nicht seine Zeit oder seine Hilfe gibt, ist das sein Pech.
Mir hat in meinem Leben nichts so viele Gelegenheiten gebracht wie die Bereitschaft, zu fragen, egal in welcher Situation. Als ich einmal als namenloser Besucher auf dem Weltwirtschaftsforum in der Schweiz in den Bus zum Hotel stieg, sah ich Phil Knight, den Gründer von Nike. Knight war für mich so etwas wie ein Rockstar, weil er so außerordentlich erfolgreich mit der Gründung und dem Aufbau von Nike war und weil er im Laufe der Zeit so viele Marketing-Innovationen eingeführt hatte. Ob ich nervös war? Darauf können Sie Gift nehmen. Aber ich ergriff die Gelegenheit, mit ihm zu sprechen, beim Schopf und machte mich auf den Weg zum Platz neben ihm. Später wurde er der erste Bluechip-Kunde von YaYa. Ich mache so etwas ständig, egal in welcher Situation.
Manchmal klappt das nicht. Die Liste der Menschen, mit denen ich mich anfreunden wollte und die an meinen Annäherungsversuchen nicht interessiert waren, ist genauso lang. Beim Networking hält der Wagemut die gleichen Fallstricke und Ängste bereit wie beim Dating – und darin bin ich nicht annähernd so gut wie im Knüpfen geschäftlicher Bekanntschaften.
Es ist verlockend, sich an die Menschen zu halten, die man schon kennt. Aber im Gegensatz zu gewissen Formen des Datings ist der Networker nicht auf der Suche nach einem einzigen erfolgreichen Bund. Wenn man einen bereichernden Kreis vertrauter Beziehungen schaffen will, muss man die ganze Zeit draußen sein und sich unter die Menschen mischen. Wenn ich jemanden anrufe oder treffe, den ich nicht kenne, habe ich bis heute Angst vor der Zurückweisung. Dann rufe ich mir das Big Wheel ins Gedächtnis, das mein Vater für mich besorgte, und mache trotzdem weiter.
Für die meisten von uns ist Networking kein bisschen instinktiv oder natürlich, auch wenn es selbstverständlich Menschen gibt, die dank ihres angeborenen Selbstvertrauens und dank ihrer sozialen Kompetenz leicht Anschluss finden.
Daneben gibt es noch uns, die anderen.
In der Anfangszeit bei YaYa machte ich mir Sorgen um das Überleben des Unternehmens. Zum ersten Mal in meiner beruflichen Laufbahn musste ich mich an viele mir unbekannte Menschen wenden; ich repräsentierte ein unbekanntes Unternehmen und pries ein Produkt an, das sich am Markt noch nicht bewährt hatte. Ich wollte nicht einfach Manager bei BMW oder bei Mastercard anrufen und ihnen meine Ware aufschwatzen. Aber wissen Sie was? Da die Alternative hieß, einen Teil der Belegschaft zu entlassen oder in den Augen des Vorstands und der Investoren zu versagen, fiel es mir nicht mehr schwer, auf BMW zuzugehen.
Die Kühnheit, mit Menschen zu sprechen, die mich nicht kennen, lässt sich häufig einfach dadurch mobilisieren, dass ich die Angst vor der Peinlichkeit gegen die Angst vor dem Scheitern und seinen Folgen abwäge. Bei meinem Vater war es so, dass er entweder fragte oder seine Familie nichts bekam. Ich musste entweder fragen oder ich hatte keinen Erfolg. Diese Angst überwindet immer meine Furcht, abgewiesen zu werden oder in peinliche Situationen zu geraten.
Letztendlich muss sich jeder selbst fragen, wie das Scheitern aussieht. Das passiert uns schließlich allen einmal und deshalb müssen wir das aus dem Weg räumen. Es geht nicht um die Wahl zwischen Erfolg und Misserfolg. Es geht darum, sich für das Risiko zu entscheiden und nach Größe zu streben – oder nichts zu riskieren und sich der Mittelmäßigkeit sicher zu sein.
Bei vielen Menschen ist die Angst vor der Begegnung mit anderen Menschen mit der Angst verbunden, vor Publikum zu sprechen (einer Angst, die regelmäßig die Todesangst als größte Angst übertrifft). Einige der größten Redner der Welt gestehen, dass sie solche Ängste empfinden. Mark Twain hat einmal gesagt: „Es gibt zwei Arten von Rednern: die, die nervös sind, und die, die lügen.“
Man bewältigt diese Angst am besten, wenn man zuerst anerkennt, dass sie völlig normal ist. Sie sind damit nicht alleine. Als Zweites muss man anerkennen, dass die Überwindung dieser Angst über den Erfolg entscheidet. Und drittens muss man sich vornehmen, sich zu bessern.
Ich sage Ihnen jetzt ein paar Dinge, die Sie sofort tun können, damit das wirklich besser wird und Sie sich daran gewöhnen, in gesellschaftlichen Situationen mutiger zu sein: