Читать книгу Geh nie alleine essen! - Neuauflage - Кейт Феррацци, Keith Ferrazzi - Страница 10

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„Beziehungen sind alles. Alles im Universum existiert nur, weil es in Beziehung zu allem anderen steht. Nichts existiert isoliert. Wir müssen aufhören so zu tun, als wären wir Individuen, die es alleine schaffen.“

– Margaret Wheatley

„Wie in aller Welt bin ich eigentlich hierhergekommen?“, fragte ich mich als überwältigter Student an der Harvard Business School (HBS) in meinem ersten Studienjahr immer wieder.

Ich hatte noch nie etwas mit Rechnungswesen oder Finanzwesen zu tun gehabt. Um mich herum sah ich gnadenlos zielstrebige junge Männer und Frauen, die wirtschaftswissenschaftliche Studienabschlüsse hatten. Sie hatten schon in den besten Häusern der Wall Street Zahlen durchgerechnet und Tabellenkalkulationen analysiert. Die meisten stammten aus wohlhabenden Familien, sie hatten Stammbäume und ihre Namen enthielten römische Ziffern. Ich war ganz schön eingeschüchtert.

Wie sollte ein Typ wie ich, der aus einer Arbeiterfamilie stammte, einen geisteswissenschaftlichen Abschluss hatte und ein paar Jahre in einer traditionellen Herstellerfirma gearbeitet hatte, mit den Vollblütern von McKinsey und Goldman Sachs mithalten, die aus meiner Sicht schon in der Wiege Unternehmensdaten berechnet hatten?

Das war ein entscheidender Moment in meiner Karriere und in meinem Leben.

Ich war ein Junge vom Lande, aus dem südwestlichen Pennsylvania, und wuchs in einer kleinen, von harter Arbeit geprägten Stahl- und Kohlestadt namens Youngstown in der Nähe von Latrobe auf. Unsere Wohnlage war so ländlich, dass man von der Veranda unseres bescheidenen Hauses aus keine anderen Häuser sah. Mein Vater arbeitete im örtlichen Stahlwerk und an den Wochenenden half er am Bau. Meine Mutter putzte in einem Städtchen in der Nähe die Wohnungen von Ärzten und Anwälten. Mein Bruder entkam dem Kleinstadtleben durch die Armee; meine Schwester heiratete während der Highschool und zog aus, als ich noch ein Kleinkind war.

Auf der HBS kam die ganze Unsicherheit aus meiner Jugendzeit wieder hoch. Wissen Sie, obwohl wir nicht viel Geld hatten, wollten meine Eltern mir unbedingt die Chancen bieten, die mein Bruder und meine Schwester (aus der ersten Ehe meiner Mutter) nie bekommen hatten. Meine Eltern förderten mich und opferten alles andere, damit ich eine Ausbildung bekam, wie sie sich in unserer Stadt sonst nur die gut situierten Kinder leisten konnten. Die Erinnerungen an jene Tage strömten auf mich ein, als mich meine Mutter immer mit unserem verbeulten, blauen Nova an der Bushaltestelle des privaten Kindergartens abholte, während die anderen Kinder in Limousinen und BMWs Platz nahmen. Ich wurde wegen unseres Autos, wegen meiner Polyesterkleidung und meiner nachgemachten Docksiders gnadenlos gehänselt – und dadurch täglich an meinen Rang in der Hierarchie des Lebens erinnert.

Diese Erfahrung war in vielfacher Hinsicht ein Segen, weil sie meine Willenskraft stärkte und meinen Erfolgsdrang befeuerte. Sie machte mir klar, dass es eine strikte Trennungslinie zwischen den Begüterten und den Habenichtsen gab. Meine Armut machte mich wütend. Ich fühlte mich von dem Netzwerk der anderen ausgeschlossen. Andererseits trieb mich das alles an, mich mehr anzustrengen als alle anderen.

Ich sagte mir, dass harte Arbeit einer der Wege war, auf dem ich gegen jede Wahrscheinlichkeit auf die HBS gekommen war. Da war aber noch etwas anderes, das mich von dem Rest meiner Klasse unterschied und mir einen Vorteil verschaffte. Anscheinend hatte ich lange vor meiner Ankunft in Cambridge schon etwas gelernt, das viele meiner Kommilitonen anscheinend nicht gelernt hatten.

In meiner Jugend arbeitete ich im örtlichen Country Club als Caddie für die Hausbesitzer aus dem wohlhabenden Nachbarstädtchen und ihre Kinder. Ich dachte oft intensiv über die Menschen nach, die Erfolg hatten, und über die Menschen, die keinen Erfolg hatten. Ich machte damals eine Beobachtung, die meine Weltsicht verändern sollte.

Auf den langen Wegen, auf denen ich ihre Taschen trug, beobachtete ich, wie diese Menschen – die berufliche Höhen erreicht hatten, die mein Vater und meine Mutter nicht kannten – sich gegenseitig halfen. Sie vermittelten einander Jobs, sie investierten Zeit und Geld in die Ideen der anderen und sie sorgten dafür, dass ihre Kinder in die besten Schulen kamen, die richtigen Praktikumsplätze und schließlich die besten Jobs erhielten.

Der Beweis stand mir deutlich vor Augen: Erfolg zeugt Erfolg und die Reichen werden tatsächlich immer reicher. Das Netz aus Freunden und Kollegen war der beste Golfschläger, den die Menschen, für die ich arbeitete, in der Tasche hatten. Mir wurde klar, dass Armut nicht nur der Mangel an finanziellen Mitteln war; sie war die Isolation von denjenigen, die einem helfen konnten, mehr aus sich zu machen.

Ich kam zu dem Schluss, dass das Leben in mancherlei, ganz konkreter Hinsicht ein Spiel wie Golf ist und dass die Menschen, die die Regeln gut kennen, dieses Spiel am besten und erfolgreichsten spielen. Die mächtigste Lebensregel von allen besagt, dass die Person, die aus den richtigen Gründen die richtigen Leute kennt und die Macht dieser Beziehungen ausnutzt, Mitglied im „Klub“ werden kann, egal ob sie als Caddie angefangen hat oder nicht.

Diese Erkenntnis zog mehrere wichtige Folgerungen nach sich. Wenn man seine Ziele im Leben erreichen will, ist es gar nicht so wichtig, wie intelligent man ist oder welche angeborenen Begabungen man hat – und was mir am meisten die Augen öffnete: Es ist nicht einmal so wichtig, woher man kommt und womit man angefangen hat. Sicherlich ist das alles wichtig, aber das bringt alles wenig, wenn man nicht eines begriffen hat: Alleine schafft man das nicht. Alleine kommt man überhaupt nicht weit.

Zum Glück brannte ich darauf, etwas aus mir zu machen (und hatte ehrlich gesagt schreckliche Angst, dass ich es zu nichts bringen würde). Wenn das nicht so gewesen wäre, hätte ich vielleicht genauso wie meine Caddie-Kollegen nur danebengestanden und zugeschaut.

Zum ersten Mal lernte ich die unglaubliche Macht der Beziehungen durch Mrs. Pohland kennen. Caryl Pohlands Mann gehörte das große Holzlager in unserer Stadt. Ihr Sohn Brett war so alt wie ich und wir waren befreundet. Sie gingen in dieselbe Kirche wie wir. Ich glaube, ich wäre damals gern Brett gewesen (toller Sportler, reich, alle Mädchen liefen ihm nach).

Im Golfklub war ich Mrs. Pohlands Caddie. Ich war ironischerweise als Einziger darauf bedacht, ihre Zigaretten zu verstecken. Ich riss mir ein Bein aus, damit sie alle Turniere gewann. Am Morgen vor dem Turnier lief ich den Golf-Parcours ab, um zu sehen, wo die schwierigen Stellen waren, und prüfte, wie schnell man auf den Greens war. Mrs. Pohland sackte einen Sieg nach dem anderen ein. Ich machte meine Arbeit an allen „Ladies’ Days“ so gut, dass sie bei ihren Freundinnen mit mir prahlte. Schon bald forderten auch andere mich an.

Als Caddie schaffte ich 36 Löcher am Tag, wenn ich so viel Arbeit bekam, und ich behandelte den Obercaddie, als wäre er ein König. In meinem ersten Jahr gewann ich den Preis als bester Caddie und bekam dadurch die Chance, für Arnold Palmer als Caddie zu arbeiten, als er einmal vorbeikam und auf dem Golfplatz seiner Heimatstadt spielte. Arnie hatte selbst als Caddie im Latrobe Country Club angefangen und später gehörte ihm der Klub. Ich sah in ihm ein Vorbild. Er war der lebende Beweis dafür, dass Erfolg im Golf und im Leben nichts mit der Gesellschaftsschicht zu tun hat, aus der man stammt, sondern vielmehr mit Zugangsmöglichkeiten (ja, und in seinem Fall natürlich mit Talent). Manche Menschen bekamen den Zugang durch Geld oder Geburt. Andere waren einfach fantastisch gut in dem, was sie taten – wie Arnold Palmer. Ich wusste, dass mir meine Initiative und mein Antrieb einen Vorteil verschafften. Arnie war der inspirierende Beweis dafür, dass die Vergangenheit nicht das Vorspiel zur Zukunft zu sein braucht.

Jahrelang gehörte ich de facto zur Familie Pohland; ich fuhr mit ihnen in Urlaub und war fast jeden Tag bei ihnen zu Hause. Brett und ich waren unzertrennlich und ich liebte diese Familie wie meine eigene. Mrs. Pohland sorgte dafür, dass ich im Klub jeden kennenlernte, der mir helfen konnte; und wenn ich trödelte, dann sagte sie es mir auch. Ich half ihr auf dem Golfplatz, und da sie meine Mühen und die Sorgfalt, die ich ihr angedeihen ließ, zu schätzen wusste, half sie mir in meinem Leben. Sie lehrte mich eine einfache, aber wichtige Lektion über die Macht der Großzügigkeit. Wenn man anderen hilft, helfen sie einem häufig auch. Das „Gegenseitigkeitsprinzip“ – so nennen die Menschen dieses zeitlose Prinzip im späteren Verlauf ihres Lebens. Ich kannte nur das Wort „mögen“. Wir mochten uns und gaben uns alle Mühe, uns gegenseitig Gutes zu tun.

Dank dieser Zeit und besonders dank dieser Lektion begriff ich im ersten Semester auf der HBS, dass die ganzen hyper-wettbewerbsorientierten und individualistischen Studenten einen großen Fehler machten. Auf allen Gebieten, aber ganz besonders in der Wirtschaft, stellt sich der Erfolg ein, wenn man nicht gegen die Menschen, sondern mit ihnen zusammenarbeitet. Gegen diese Tatsache kommen keine Tabellen, keine Dollars und keine Cents an: Das Geschäftsleben ist ein menschliches Unterfangen, es wird von Menschen betrieben und gesteuert.

Das zweite Semester war noch nicht weit fortgeschritten, da sagte ich schon scherzhaft zu mir selbst: „Wie in aller Welt sind eigentlich die anderen hierhergekommen?“

Ich stellte fest, dass vielen meiner Mitstudenten die Fähigkeiten und Strategien fehlten, die zum Aufbau und zur Erhaltung von Beziehungen gehören. In Amerika und vor allem in der Welt der Wirtschaft, wird man dazu erzogen, den Individualismus à la John Wayne hochzuhalten. Menschen, die anderen bewusst den Hof machen, damit sie an ihrem Leben teilhaben können, gelten als Schleimer, Arschkriecher und schmierige Speichellecker.

Im Laufe der Jahre lernte ich, dass die gewaltige Anzahl der Vorurteile, die das Bild der aktiven Beziehungsaufbauer verdüstern, nur noch von der Anzahl der Falschauffassungen darüber erreicht wird, wie der richtige Aufbau von Beziehungen funktioniert. Was ich auf dem Golfplatz erlebt hatte – dass Freunde ihren Freunden und Familien anderen Familien halfen, die ihnen etwas bedeuteten –, hatte nichts mit Manipulation oder mit Gegenleistungen zu tun. Nur selten wurde darauf geachtet, wer was für wen getan hatte, oder gab es eine Strategie, die man ausheckte, um etwas zurückzubekommen.

Nach und nach betrachtete ich das Zugehen auf Menschen als Möglichkeit, sowohl im Leben anderer Menschen etwas zu bewirken als auch mein eigenes Leben zu erforschen, daraus zu lernen und es zu bereichern; es wurde die bewusste Konstruktion meines Lebensweges. Als ich meine Networking-Bemühungen in diesem Licht betrachtete, gestattete ich mir, sie in allen Bereichen meines beruflichen und privaten Lebens hemmungslos fortzusetzen. Ich empfand das aber nicht als so kalt und unpersönlich, wie ich das Wort „Networking“ verstand. Es war eher so, dass ich „Verbindungen“ herstellte – ich teilte mein Wissen, meine Mittel, Zeit und Energie, Freunde und Kollegen, Einfühlungsvermögen und Mitgefühl in dem stetigen Bemühen, anderen Nutzen zu bieten, wobei ich gleichzeitig meinen eigenen Nutzen steigerte. Wenn man als „Connector“ – als Bindeglied, als soziale Schaltstelle – fungiert, geht es genauso wie beim Geschäft an sich nicht um das Managen von Transaktionen, sondern um das Managen von Beziehungen.

Menschen, die instinktiv ein starkes Beziehungsnetz aufbauen, haben schon immer großartige Unternehmen geschaffen. Wenn man die Geschäftswelt auf das Wesentliche reduziert, geht es nach wie vor darum, dass Menschen anderen Menschen etwas verkaufen. In dem gewaltigen Brimborium, das die Geschäftswelt unaufhörlich um alles Mögliche macht, um Marken, um Technologie, um Design, um Preisüberlegungen und die endlose Suche nach dem ultimativen Wettbewerbsvorteil, geht der Grundgedanke leicht verloren. Aber fragen Sie einen beliebigen gestandenen CEO, Unternehmer oder sonstigen Geschäftsprofi, wie er seinen Erfolg erreicht hat; ich garantiere Ihnen, dass Sie kaum Geschäftsjargon zu hören bekommen. Vor allem werden ihnen diese von denjenigen Menschen erzählen, die ihnen den Weg geebnet haben – falls der Befragte ehrlich und nicht zu sehr von seinem eigenen Erfolg eingenommen ist.

Nachdem ich jahrzehntelang in meinem Leben und in meiner Karriere die Macht der Beziehungen mit Erfolg angewendet habe, bin ich zu der Überzeugung gelangt, dass „Connecting“ zu den wichtigsten Fertigkeiten gehört, die man im Beruf – und im Leben – je lernen wird. Warum? Weil, ehrlich gesagt, Menschen einfach lieber Geschäfte mit jemandem machen, den sie kennen und mögen. Karrieren funktionieren – auf allen erdenklichen Feldern – auf die gleiche Weise. Und wie Bibliotheken füllende Forschungen bewiesen haben, werden selbst unser allgemeines Wohlbefinden und unser Glückgefühl zum großen Teil von der Unterstützung, der Leitung und der Liebe diktiert, die wir von der Gemeinschaft empfangen, die wir uns aufbauen.

Es hat eine Weile gedauert, bis ich genau herausgefunden hatte, wie man Verbindungen zu anderen knüpft. Aber eines wusste ich mit Gewissheit: Egal ob ich Präsident der Vereinigten Staaten oder Präsident des Elternbeirats werden wollte, auf jeden Fall gab es viele andere Menschen, deren Hilfe ich auf dem Weg dorthin benötigen würde.

Geh nie alleine essen! - Neuauflage

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