Читать книгу Geh nie alleine essen! - Neuauflage - Кейт Феррацци, Keith Ferrazzi - Страница 12
2 Nicht aufrechnen
Оглавление„So etwas wie einen ‚Selfmade‘-Menschen gibt es nicht. Wir setzen uns aus Tausenden von anderen zusammen. Jeder, der uns je etwas Gutes getan oder uns Mut zugesprochen hat, hat sich in die Zusammensetzung unseres Charakters, unserer Gedanken und unseres Erfolgs eingefügt.“
– George Burton Adams
Wenn ich vor College- oder Universitätsstudenten spreche, werde ich immer gefragt: Was sind die Geheimnisse des Erfolgs? Wie sehen die unausgesprochenen Regeln aus, mit denen man groß rauskommt? Am liebsten hätten sie meine Antwort in einem fest verschnürten Päckchen mit einer hübschen Schleife darauf. Warum auch nicht? Ich wollte das in ihrem Alter auch.
„Sie wollen also den großen Exklusivbericht?“, antworte ich dann. „Das ist nur recht und billig. Ich fasse den Schlüssel zum Erfolg in einem Wort zusammen: Großzügigkeit.“
Dann mache ich eine kurze Pause und sehe mir die Gesichter der jungen Menschen an, die mich fragend anschauen. Die Hälfte der Anwesenden meint, ich würde mir einen Scherz erlauben; die andere Hälfte meint, sie hätte lieber ein Bier trinken gehen sollen, anstatt meinen Vortrag zu hören.
Ich fahre fort, indem ich den Studenten erkläre, dass mein Vater Stahlarbeiter in Pennsylvania war und dass er für mich mehr wollte, als er jemals hatte. Er äußerte diesen Wunsch einem Mann gegenüber, dem er bislang noch nie begegnet war, und zwar dem CEO seines Arbeitgebers, Alex McKenna.
Mr. McKenna gefiel der Schneid meines Vaters und er verhalf mir zu einem Stipendium an einer der besten Privatschulen des Landes, in deren Kuratorium er saß.
Elsie Hillman, die Vorsitzende der Republikanischen Partei in Pennsylvania, die ich kennenlernte, nachdem sie in der New York Times gelesen hatte, dass ich mich während meines zweiten Studienjahres in Yale vergebens für das New Haven City Council beworben hatte, lieh mir Geld, gab mir Ratschläge und ermutigte mich, auf eine Business School zu gehen.
Ich sage den Studenten, dass ich damals in ihrem Alter war und dass ich so ziemlich die besten Bildungschancen der Welt bekam – fast ausschließlich dank der Großzügigkeit Dritter.
„Aber“, so fahre ich dann fort, „jetzt kommt der schwierige Teil: Sie müssen mehr als nur bereit sein, Großzügigkeiten anzunehmen: Oft müssen Sie hinausgehen und sie verlangen.“
Sofort sehe ich am Blick der Studenten, dass sie sich darin wiedererkennen. Fast jeder im Raum musste schon einmal jemanden wegen eines Bewerbungsgesprächs, eines Praktikums oder eines kostenlosen Rats um Hilfe bitten. Und die meisten haben das nur widerwillig getan. Aber solange man nicht genauso bereit ist, um Hilfe zu bitten, wie Hilfe zu gewähren, arbeitet man nur auf einer Seite der Gleichung.
Das meine ich mit „Connecting“. Es ist ein stetiger Prozess des Gebens und Nehmens – um Hilfe bitten und Hilfe bieten. Wenn man Menschen miteinander in Kontakt bringt, wenn man seine Zeit und seine Kenntnisse freigebig teilt, wird der Kuchen für alle größer.
In den Ohren derjenigen, die in der Geschäftswelt zu Zynikern geworden sind, mag diese karmisch angehauchte Sichtweise der Dinge naiv klingen. In den heiligen Hallen der amerikanischen Unternehmenswelt wird die Macht der Großzügigkeit zwar weder vollständig gewürdigt noch angewendet, aber ihr Wert in der Welt des Networkings ist erwiesen.
Mir macht es zum Beispiel Spaß, Tipps und Ratschläge für Karrieren zu geben. Das ist fast schon ein Hobby. Ich habe das schon bei Hunderten jungen Menschen gemacht und es befriedigt mich außerordentlich, wenn ich später von ihnen höre, wie sich ihre Karriere entwickelt. Es gibt Momente, da kann ich im Leben eines jungen Menschen viel bewirken. Ich kann eine Tür öffnen, einen Anruf tätigen oder ein Praktikum organisieren – das sind die einfachen Dinge, die Schicksale verändern. Doch allzu oft wird mein Angebot zurückgewiesen.
Der Empfänger sagt zum Beispiel: „Tut mir leid, aber ich kann diesen Gefallen nicht annehmen, weil ich nicht weiß, ob ich ihn je zurückzahlen kann.“ oder: „Ich will niemandem verpflichtet sein, deshalb muss ich passen.“ Manchmal beharren die Menschen sofort und auf der Stelle darauf, den Gefallen irgendwie zu erwidern. Nichts macht mich wütender als eine solche Blindheit dafür, wie so etwas funktioniert. Und das ist auch keine – wie man ja annehmen könnte – Frage der Generation. Ich habe solche Reaktionen schon von Menschen aller Altersklassen und in allen Lebensbereichen erhalten.
Ein Netzwerk funktioniert genau deswegen, weil man gegenseitig anerkennt, dass man einander braucht. Es gibt ein stillschweigendes Einverständnis, dass die Investition von Zeit und Energie in persönliche Beziehungen mit den richtigen Menschen eine Dividende abwirft. Die meisten Angehörigen des „obersten einen Prozents“ gehören deswegen zu dieser Schicht, weil sie diese Dynamik begreifen; sie haben nämlich selbst die Macht ihres Netzwerks aus Kontakten und Freunden benutzt, um dort hinzukommen, wo sie jetzt stehen.
Dafür muss man aber zunächst aufhören, alles aufzurechnen. Man kann kein Netz aus Verbindungen aufbauen, wenn man nicht mit gleichem Eifer Verbindungen zu anderen knüpft. Je mehr Menschen man hilft, desto mehr Hilfe bekommt man selbst und umso mehr Hilfe bekommt man, um anderen zu helfen. Das ist wie mit dem Internet. Je mehr Menschen dazu Zugang haben und je mehr Menschen es benutzen, umso nützlicher wird es. Ich weiß, dass ich eine kleine Armee aus ehemaligen Schützlingen habe, die in allen möglichen Branchen Erfolg haben und mir helfen können, als Mentor für die jungen Menschen zu fungieren, die heute zu mir kommen.
Das ist kein warmherziger Schnickschnack; es ist eine Erkenntnis, die starrköpfige Geschäftsleute lieber ernst nehmen sollten. Einen Wettbewerbsvorteil erlangte man im Industriezeitalter, indem man ständig Prozesse und Systeme weiterentwickelte. Heute gewinnt man ihn, indem man Beziehungen verbessert.
Informationen sind, anders als andere materielle Ressourcen, im Fluss: Sie können jederzeit erscheinen (entdeckt oder kommuniziert werden) oder verschwinden (veralten). Die besten Informationen in dem Moment zu haben, in dem man sie braucht, erfordert Höchstleistungen an Zusammenarbeit, Mitgestaltung und Kommunikation – das Schmieden von Beziehungen und die Netzwerke, die für sie bestimmte Aufgaben übernehmen.
Wir leben in einer Welt, in der wir voneinander abhängig sind. Flache Hierarchien streben bei jeder Gelegenheit Allianzen an. Immer mehr Freiberufler merken, dass sie mit anderen zusammenarbeiten müssen, um ihre Ziele zu erreichen. Nullsummenspiele, bei denen nur eine Partei gewinnt, bedeuten heute mehr denn je, dass auf lange Sicht beide Parteien verlieren. In der vernetzten Welt ist „Win-win“ eine notwendige Realität. In einem hyper-vernetzten Markt läuft die Kooperation der Konkurrenz den Rang ab.
Das Spiel hat sich gewandelt.
William Whyte skizzierte im Jahre 1956 in seinem Bestseller The Organization Man den Archetyp des amerikanischen Arbeiters: Wir zogen den grauen Anzug an, arbeiteten in einem Großunternehmen und boten unsere Loyalität im Austausch gegen einen sicheren Arbeitsplatz an. Die vertraglich festgelegte Knechtschaft wurde glorifiziert, aber sie ließ kaum Spielraum und bot wenig Chancen. Heute bieten die Arbeitgeber nur noch wenig Loyalität und die Arbeitnehmer gar keine. Unsere Karrieren sind keine Wege mehr, sondern eher Landschaften, die wir durchqueren. Wir sind Freiberufler, Entrepreneure und Intrapreneure – jeder mit seiner eigenen Marke.
Viele Menschen haben sich an die neue Zeit angepasst und dabei den Glauben beibehalten, dass den letzten die Hunde beißen und der gemeinste und fieseste Hund in der Nachbarschaft gewinnt. Aber nichts könnte weiter von der Wahrheit entfernt sein.
Früher fand man als Arbeitnehmer Großzügigkeit und Loyalität im Unternehmen, heute müssen wir sie in unserem eigenen Beziehungsnetz finden. Dabei geht es aber nicht mehr um die blinde Loyalität und Großzügigkeit, die wir einst dem Arbeitgeber boten. Loyalität und Großzügigkeit sind heute eher persönlicher Natur und sie richten sich an die Kollegen, das Team, die Freunde und die Kunden.
Wir brauchen einander heute mehr als je zuvor. Und das ist keine Sentimentalität, es ist wissenschaftlicher Fakt.
In den letzten zehn Jahren haben Neurowissenschaftler, Psychologen und Wirtschaftswissenschaftler Quantensprünge bei unserem Verständnis gemacht, wieso einige ein glückliches, gesundes Leben führen und andere nicht. Es wurde dabei deutlich, dass wir nicht nur mit anderen verbunden sind. Wir sind das Produkt der Menschen und Netzwerke, mit denen wir verbunden sind. Wen Sie kennen bestimmt, wer Sie sind – wie Sie sich fühlen, wie Sie handeln und was sie erreichen.
Das Magazin Wired hat das 2010 in einer Titelstory verpackt: „Das Geheimnis für Gesundheit und Glück? Gesunde und glückliche Freunde … Ein halbes Jahrhundert medizinischer Daten [hat] die Ansteckungskraft sozialer Netzwerke erkannt.“
Traurigerweise stecken viele Menschen den Kopf in den Sand und versuchen immer noch so durchzukommen, als schrieben wir das Jahr 1950. Wir neigen zu einem romantischen Bild von Unabhängigkeit und sehen Autonomie als eine Tugend. Meiner Erfahrung nach ist eine solche Ansicht ein Karrierekiller. Autonomie ist eine Rettungsweste, die aus Sand gemacht ist. Unabhängige Menschen, die nicht in der Lage sind, vernetzt zu denken und zu handeln, mögen zwar für sich genommen sehr produktiv sein, aber sie können weder als gute Führungskräfte noch als gute Teamarbeiter gelten. Über kurz oder lang gerät ihre Karriere ins Stocken und kommt schließlich zum Stillstand.
Lassen Sie mich ein Beispiel geben. Als ich bei Deloitte war, arbeitete ich an einem Projekt für Kaiser Permanente, die größte Krankenversicherung des Landes. Dabei war ich gezwungen, zwischen den Unternehmenssitzen in San Francisco und Los Angeles hin- und herzupendeln, und am Wochenende flog ich heim nach Chicago.
Ich hatte schon früh die Hoffnung, dass die Consultingbranche für mich das Tor zu einem anderen Bereich sein könnte. Da ich in Los Angeles arbeitete, fragte ich mich, wie ich einen Fuß in die Tür der Unterhaltungsindustrie bekommen könnte. Ich hatte nichts Konkretes vor; ich wusste nur, dass ich mich für diese Branche interessierte und nach Hollywood wollte, und nicht nur, um irgendeinem Agenten die Post zu bringen.
Ray Gallo, mein bester Freund aus dem Bachelorstudium, arbeitete als Anwalt in Los Angeles, also rief ich ihn an und fragte ihn um Rat.
„Hallo Ray, kennst du jemanden in der Unterhaltungsbranche, mit dem ich darüber sprechen könnte, wie ich da hineinkomme? Kennst du irgendjemanden, der mal kurz Zeit hätte, mit mir essen zu gehen?“
„Über gemeinsame Freunde kenne ich jemanden namens David, der auch auf der HBS war. Ruf ihn doch mal an.“
David war ein schlauer Unternehmer, der einige kreative Geschäfte in Hollywood machte. Vor allen Dingen hatte er eine enge Verbindung zu einem gehobenen Manager in einem Filmstudio, der auch mit ihm studiert hatte. Ich hoffte, dass ich beide kennenlernen könnte.
Ich traf mich mit David in einem Straßencafé in Santa Monica. Er trug die in Los Angeles übliche elegante Freizeitkleidung. Ich war in Anzug und Krawatte, was zu dem zugeknöpften Consultant aus dem Mittelwesten passte, der ich damals war.
Nach einigem Hin und Her stellte ich David eine Frage:
„Ich denke darüber nach, irgendwann in die Unterhaltungsbranche zu wechseln. Kennen Sie jemanden, der mir nützliche Ratschläge geben könnte?“ Ich war der gute Freund eines engen Freundes von ihm. Angesichts der Intensität unseres Treffens schien mir das eine harmlose Bitte.
„Ich kenne da schon jemanden“, sagte er. „Sie ist bei Paramount im gehobenen Management.“
„Super, ich würde sie gern kennenlernen“, sagte ich begeistert. „Wäre es möglich, schnell ein Treffen zu arrangieren? Könnten Sie ihr vielleicht eine E-Mail schicken?“
„Kann ich nicht“, sagte er kategorisch. Ich war schockiert und meinem Gesicht sah man das an. „Keith, das ist so: Wahrscheinlich brauche ich von dieser Person irgendwann irgendetwas, irgendeinen persönlichen Gefallen. Ich habe einfach keine Lust, das Kapital, das ich bei dieser Person habe, für Sie oder für jemand anderen einzusetzen. Das muss ich für mich selbst aufsparen. Tut mir leid. Ich hoffe, Sie verstehen das.“
Aber ich verstand es nicht. Ich verstehe es immer noch nicht. Seine Aussage widersprach allem, was ich wusste. Er hielt Beziehungen für etwas Endliches, so wie ein Kuchen, aus dem man nur eine bestimmte Anzahl Stücke schneiden kann. Nimmt man ein Stück weg, bleibt weniger für einen selbst übrig. Ich wusste allerdings, dass Beziehungen eher wie Muskeln sind – je mehr man sie benutzt, desto stärker werden sie.
Wenn ich mir die Zeit nehme, mich mit jemandem zu treffen, will ich versuchen, dieser Person zum Erfolg zu verhelfen. Aber David rechnete auf. Er betrachtete jede Begegnung im Lichte der Ertragsminderung. In seinen Augen beinhaltete eine Beziehung nur eine bestimmte Menge an Goodwill, an Sicherheiten und an nutzbarem Kapital.
Er hatte nicht begriffen, dass die Nutzung des Kapitals das Kapital aufbaut. Dieses große Aha-Erlebnis hat David wohl nie gehabt.
Ich habe diese Lektion von Jack Pidgeon gelernt, dem ehemaligen Schulleiter der Kiski School im südwestlichen Pennsylvania, wo ich zur Schule gegangen bin. Er hatte eine ganze Institution darauf aufgebaut, dass er die Menschen nicht fragte: „Wie können Sie mir helfen?“ Sondern indem er fragte: „Wie kann ich Ihnen helfen?“
Jack kam mir oft zu Hilfe, unter anderem einmal als ich in meinem zweiten College-Jahr war. Ich hatte mich für den Sommer von einer Frau engagieren lassen, die gegen einen jungen Kennedy als Kandidatin für den Kongress antrat. In Boston gegen einen Kennedy zu kandidieren und obendrein noch für den früheren Sitz von Jack Kennedy war in den Augen vieler Menschen ein aussichtsloses Unterfangen. Aber ich war jung, naiv und kampfbereit.
Leider hatten wir kaum Zeit gehabt, die Rüstung anzulegen, da mussten wir schon die weiße Fahne hissen und aufgeben. Einen Monat nach Beginn des Wahlkampfs ging uns das Geld aus. Acht andere College-Studenten und ich wurden aus einem Hotelzimmer, das als Wahlkampfzentrale herhalten musste, mitten in der Nacht von dem Geschäftsführer buchstäblich hinausgeworfen, weil wir ihn zu lange nicht bezahlt hatten.
Wir stopften unsere Reisetaschen in einen gemieteten Lieferwagen und da wir nicht wussten wohin, fuhren wir nach Washington, D.C. In unserer Unschuld dachten wir, wir könnten uns in einen anderen Wahlkampf einklinken. Was waren wir noch grün hinter den Ohren.
Irgendwann in der Nacht rief ich von einem Münzfernsprecher an irgendeiner Raststätte auf dem Weg nach Washington aus Mr. Pidgeon an. Als ich ihm unsere Lage schilderte, kicherte er. Und dann tat er, was er schon für Generationen von Kiski-Absolventen getan hat. Er klappte seine Rolodex-Rollkartei auf und begann zu telefonieren.
Unter anderem rief er Jim Moore an, ebenfalls ehemaliger Kiski-Schüler und früher stellvertretender Wirtschaftsminister der Reagan-Administration. Bis unsere Karawane der verirrten Seelen in Washington ankam, hatten wir alle Übernachtungsplätze und waren auf dem besten Weg zu neuen Ferienjobs. Ich bin ziemlich sicher, dass Mr. Pidgeon seinerzeit für Jim ähnliche Anrufe getätigt hat.
Mr. Pidgeon wusste, was es wert war, Menschen miteinander bekannt zu machen, von Kiski-Schüler zu Kiski-Schüler. Er wusste nicht nur, wie sehr sich das auf das Leben der Einzelnen auswirken würde, sondern, dass sich die Loyalität, die dieses Handeln erzeugte, für die fast bankrotte, kleine, aus fünf Gebäuden bestehende Einrichtung in Südwest-Pennsylvania, die er aufzubauen versuchte, am Ende lohnen würde.
Und so war es auch. Jim und ich sitzen inzwischen im Verwaltungsrat unserer früheren Schule. Und wenn Sie die Schule aus der Zeit kennen würden, als Jack sie übernahm, würden Sie sie heute kaum wiedererkennen; die Skipisten, der Golfplatz, das Kunstzentrum und die technischen Einrichtungen lassen sie aussehen wie ein MIT des Mittleren Westens.
Ich will damit Folgendes sagen: Vertrauen festigt Beziehungen. Darauf werden Institutionen aufgebaut. Vertrauen gewinnt man nicht, indem man Menschen fragt, was sie für einen tun können, sondern – um einen früheren Kennedy zu zitieren – indem man fragt, was man für andere tun kann.
Anders gesagt ist die Währung des echten Networkings nicht Gier, sondern Großzügigkeit.
Wenn ich auf all die Menschen zurückblicke, denen ich unschätzbare Lehren über den Aufbau dauerhafter Beziehungen verdanke – meinen Vater, Elsie, meine Schützlinge und die College-Studenten, mit denen ich spreche, Ray, Mr. Pidgeon, die Menschen, mit denen ich arbeite –, komme ich zu mehreren grundlegenden Erkenntnissen und Beobachtungen:
1.Konjunkturzyklen kommen und gehen; Freunde und vertraute Kollegen bleiben. Es könnte durchaus der Tag kommen, an dem Sie am Nachmittag in das Büro Ihres Chefs gehen und zu hören bekommen: „Tut mir leid, Ihnen das sagen zu müssen, aber …“ Das ist garantiert ein schwerer Tag. Man kommt damit allerdings viel besser zurecht, wenn man nach ein paar Telefonaten in ein anderes Büro treten kann und dort zu hören bekommt: „Auf diesen Tag habe ich schon lange gewartet. Ich gratuliere …“
Sicherer Arbeitsplatz? In schweren Zeiten rettet Sie keine Erfahrung, kein Fleiß und keine Begabung. Wenn man Arbeit, Geld, Rat, Hilfe, Hoffnung oder eine Verkaufsmöglichkeit braucht, findet man sie nur an einem Ort mit unfehlbarer Sicherheit – im ausgedehnten Kreis der Freunde und Kollegen.
2.Man braucht sich keine Gedanken zu machen, wer die Zeche bezahlt. Es bringt nichts, über gewährte und angenommene Gefallen Buch zu führen. Wen interessiert das?
Würde es Sie überraschen, wenn ich Ihnen sagen würde, dass es „Hollywood“-David jetzt gar nicht mehr so gut geht? Er hortete das Beziehungskapital solange, bis er feststellen musste, dass es nichts mehr zu horten gab. In den zehn Jahren nach unserer Begegnung in dem Café in Santa Monica habe ich nichts mehr von ihm gehört und auch niemand, den ich kenne, hat etwas von ihm gehört. Für die Unterhaltungsbranche gilt das Gleiche wie für viele andere Branchen auch: Die Welt ist klein.
Bilanz: Geben ist seliger denn Nehmen. Und rechnen Sie niemals auf. Wenn Ihre Beziehungen von Großzügigkeit geprägt sind, werden Sie auch dafür belohnt.
3.Die Welt der Wirtschaft ist stets im Fluss und es herrscht immer Wettbewerb; der Assistent von gestern ist die Einflussperson von heute. Viele der jungen Menschen, die früher meine Anrufe entgegennahmen, lassen mich heute gern zu sich durchstellen. Vergessen Sie nicht, dass man im Leben besser vorankommt, wenn diejenigen auf einer niedrigeren Stufe der Karriereleiter Ihnen freudig beim Vorwärtskommen helfen und nicht Ihren Sturz herbeiwünschen.
Heutzutage ist jeder seine eigene Marke. Vorbei die Zeit, als der Wert eines Angestellten an seiner Loyalität und seinen Dienstjahren abzulesen war. Unternehmen benutzen Marken, um starke, dauerhafte Kundenbeziehungen aufzubauen. In der fließenden Wirtschaft von heute müssen Sie in Ihrem persönlichen Netzwerk das Gleiche tun.
Ich bin der Meinung, dass Ihre Beziehungen zu anderen Menschen der höchste, glaubwürdigste Ausdruck dessen sind, was Sie sind und was Sie bieten können. Es gibt nichts Besseres. Nichts lässt sich damit vergleichen.
4.Bringen Sie sich ein. Das ist der Wunderdünger für Ihr Netzwerk. Schenken Sie der wachsenden Gemeinde der Freunde Ihre Zeit, Ihr Geld und Ihr Wissen.
5.Wenn ich daran denke, was Jack Pidgeon für mich und unzählige andere getan hat, und wenn ich an das Vermächtnis denke, das er dadurch hinterlässt, gelange ich mehr denn je zu der Überzeugung, dass die großartigste Möglichkeit, meinem ehemaligen Schuldirektor für die Lehren über das Zugehen auf andere Menschen zu danken, in der Weitergabe dieser Lehren besteht. Noch einmal vielen Dank, Mr. Pidgeon.