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Sonntag, 3. September 2006 / Kuwait - künstliche Insel von Mina Al Ahmadi
ОглавлениеJules Lederer wechselte vom Beiboot des Schleppers auf die Lotsentreppe des Supertankers Daisy über. Als er sein Gesicht hob, nahm ihn sogleich der bedrohlich wirkende Blick zweier schwarzer Augen gefangen, die ihn von oben herab düster anstarrten. Über ihnen wölbte sich eine kräftige Stirn und schwarz-graues, gekraustes Haar. Jules blieb überrascht stehen, die rechte Hand am Geländer der Treppe, die linke seinen Seesack tragend. Er fixierte nun seinerseits die beiden finsteren Punkte über ihm. Diese schienen unter seinem Blick zornig aufzuglühen. Doch dann legte sich auch schon ein Schleier darüber und einen Augenblick später waren sie hinter der Bordwand und aus dem Blickfeld des Schweizers verschwunden.
Erst in diesem Moment nahm Jules Lederer das gute Dutzend brauner Gesichter mit den fröhlichen Augenpaaren bewusst war, die sich links und rechts des Treppenaufgangs über die Reling beugten und ebenfalls zu ihm hinunter starrten. Er warf sich seinen Seesack betont lässig über die linke Schulter und stieg gemächlich die Stufen hoch, blickte dabei gleichgültig, aber freundlich lächelnd nach oben und direkt in die Gesichter all der Männer an Bord. Diese stießen sich gegenseitig an und scherzten miteinander, schienen aufgeregt und ausgelassen wie ein Rudel junger Füchse auf ihrem ersten Spaziergang außerhalb der Wohnhöhle. Je näher Lederer dem Schiffsdeck kam, desto klarer drang das Stimmengewirr an sein Ohr, trotz des Lärms des davonfahrenden Schleppers. Die Sprache klang ihm irgendwie vertraut, wohl ein philippinischer oder malaysischer Dialekt, und Jules Lederer verstand nun auch einige der Brocken von dem, was sich die Männer so zuriefen.
»Da ist er ja endlich.«
»Das wird ein Spaß.«
»Ob man ihn gewarnt hat?«
»Hoffentlich nicht.«
Die Männer erwarteten die Ankunft des neuen Kochs offensichtlich voller Spannung und Vorfreude. Als der Schweizer auf das Deck trat, wichen sie auseinander, bildeten eine Gasse, an deren Ende großgewachsen und wuchtig der Kapitän des Schiffes stand.
Leonid Vladimirov Jonkov, zweiundfünfzig Jahre alt, bulgarischer Staatsangehöriger, unverheiratet und soweit bekannt ohne lebende Familienangehörige, mit Ausnahme von zwei unehelichen Kindern, wovon eines in Bulgarien und eines in Manila lebte und für die der Kapitän über seinen Arbeitgeber monatliche Unterhaltsbeiträge leistete. Das alles wusste Jules Lederer aus der Personalakte von Jonkov. Sie war ihm vor ein paar Tagen wie vereinbart direkt von der Reederei zugestellt worden, zusammen mit vielen weiteren Informationen über den Supertanker und ihre Offiziere.
Jules Lederer war zweiundvierzig, eins achtzig groß, mit dunkelbraunem Haar und breiten Schultern. Sein offenes Gesicht mit der schmalen Nase und einem Mund mit eher dünnen, aber sinnlich geschwungenen Lippen wirkte auf Frauen jeden Alters anziehend. So braungebrannt, mit dem ständig blitzenden Lächeln eines Siegers war er das Abbild eines typischen Sonnyboys, der den eigenen Spaß über viele ernste Dinge stellte und sein Leben mit jeder Faser seines Körpers und seines Geistes genüsslich auskostete. Kaum jemand konnte in diesem leichtfertig wirkenden Bruder Lustig einen verdeckten Ermittler vermuten.
Fältchen um seine Augen bescheinigten Lederer ein allgemein fröhliches Wesen und nur sein recht kantiges Kinn zeigte ein gewisses Durchsetzungsvermögen und seine Gewissenhaftigkeit. Seine Oberarme füllten die Ärmel des weißen Leinenhemds gut aus, ja sein ganzer Körper wirkte auf den Betrachter durchtrainiert. Als er vorhin so kraftvoll und federnd die Lotsentreppe hochgestiegen war, erinnerten seine Bewegungen an einen geschmeidigen Leoparden, der aus dem Stand heraus und mit einem einzigen Satz lässig die Krone eines niedrigen Baumes erreichen konnte.
Jules Lederer, der offiziell angeheuerte neue Koch des Supertankers Daisy, der inoffizielle Ermittler in Sachen Erdöldiebstahl, verharrte drei Meter vor dem regungslos dastehenden Kapitän. Der Schweizer hatte im Gesicht von Jonkov die beiden schwarzen Augen längst wiedererkannt, die ihn vorhin so düster und zornig über die Reling hinweg angestarrt hatten. Der Körper des Kapitäns wirkt trotz seiner eins neunzig eher gedrungen, was an seinen hängenden Schultern und der deutlichen Bauchkugel lag, die den Stoff seines Hemdes spannte. Sein Kopf schien im Verhältnis zum mächtigen Rumpf etwas zu klein geraten und sein grobschlächtiges Gesicht sah wenig vertrauenerweckend aus. Sein viereckiges Kinn verriet dagegen einen starken Willen, der diesen Kapitän antreiben mochte, ließ aber auch auf eine gehörige Portion an Rücksichtslosigkeit schließen. Seine Nase hatte vor langer Zeit einmal Bekanntschaft mit einer harten Faust geschlossen, denn ihr Rücken war leicht eingedrückt. Zudem stand sie ein wenig schief. Zusammen mit den tiefen Falten zeigt das Gesicht des Kapitäns das bewegte, harte, manchmal auch brutale Leben eines alternden Seemanns, der weit herumgekommen war und sich überall behauptet hatte. Sein breiter Mund wirkte auf den ersten Blick gierig, doch Jules erkannte auch eine gewisse Verschlagenheit. Der Eindruck der Heimtücke verstärkte sich noch durch die nun wie tot wirkenden Augen.
Das graphologische Gutachten in der Personalakte von Jonkov bescheinigt ihm ein leicht aufbrausendes und schlecht kontrolliertes Gemüt. Lederer hatte zudem Kopien von zwei Schreiben früherer Mannschaftsmitglieder erhalten, in denen sie sich über Körperstrafen des Kapitäns für geringste Versäumnisse beschwert hatten. Die beiden Entgleisungen von Jonkov wurden durch die Reederei mit geringen Entschädigungszahlungen bereinigt und über die Angelegenheit wurde Stillschweigen vereinbart, ein Verfahren, das im Seetransportgewerbe üblich schien.
Kapitän Jonkov, der seit zehn Jahren für dieselbe Reederei auf demselben Schiff arbeitete, stand weiterhin schweigend und unbeweglich da. Er wirkte müde, ähnlich wie ein Stier in der Kampfarena, der mit hängendem Kopf vor dem Matador verharrte. Das Tier schien am Ende seiner Kräfte zu sein, stand mit gespreizten Vorderläufen und gesenktem Schädel schnaufend da. Und doch konnte dieser Eindruck leicht täuschen, denn der Stier war trotz den drei Banderillas in seinem Nacken immer noch stolz und wild genug, um sich im richtigen Augenblick auf seinen Widersacher zu stürzen und ihm mit einem kurzen Ruck seines Kopfes die Hörner in den Unterleib zu rammen, ihn durch die Luft zu schleudern und danach so lange auf ihm herum zu trampeln, bis alles Leben aus ihm gewichen war.
Der Schweizer sah sich prüfend um. In den Gesichtern der Mannschaft erkannte er ihre freudige Gier nach einem gleich beginnenden Schauspiel. Sie grinsten immer noch erwartungsvoll, blickten vom Kapitän zum ihn hin und wieder zurück, so als wären sie zwei Boxer, die sich im nächsten Moment aus ihren Ringecken erheben und aufeinander einschlagen würden.
Unschlüssig schaute Jules seinen neuen Vorgesetzten an. In dessen Augen blitzte wieder eine wilde Wut. Was um alles in der Welt hatte Jonkov gegen ihn, den neuen Koch? Sie kannten einander nicht, waren sich nie zuvor begegnet. Der Kapitän hatte auch keine Ahnung von seinem Auftrag hier an Bord des Supertankers Daisy. Die so offen gezeigte Feindschaft musste andere Gründe haben. Allerdings war Jules Lederer bereits gestern Abend an Bord der Daisy erwartet worden. Doch der Schweizer kam bewusst ein paar Stunden zu spät. Mit seiner Provokation wollte er den Kapitän und die übrigen Offiziere aus der Reserve locken. Denn im Zorn vergessen sich viele Menschen allzu leicht, lassen ihre aufgesetzte Maske fallen, zeigen ihr wahres Gesicht. Doch sein verspätetes Erscheinen konnte kaum der Grund sein, warum der Kapitän ihn nun derart wütend anblickte. Oder lag es vielleicht eher am Verlust des bisherigen Koches? Der war Chinese und wohl eine Spitzenkraft.
Die Sonne brannte unbarmherzig auf das stählerne Deck des Schiffes. Auf dem Hemd des Kapitäns zeichneten sich längst dunkle Flecken unter den Achselhöhlen und Brust und Bauch klebten am Stoff. Trotz der Hitze hatte der Kapitän den klimatisierten Aufbau der Daisy verlassen, als man ihm das baldige Eintreffen eines Schleppers mitteilte, um den neuen Koch an Bord zu empfangen. Bestimmt harrte er seit mindestens zehn Minuten auf dem glutofenen Deck aus. Und trotzdem blieb Jonkov stumm, starrte den Neuen bloß grimmig an, machte auch keinerlei Anstalten, das neue Besatzungsmitglied zu begrüßen. Wartete der Kapitän auf jemanden oder auf irgendetwas?
Die Mannschaft kannte wohl ihren Kapitän und sein befremdliches Verhalten. Jedenfalls warteten die Männer immer noch voller Spannung auf das was kam. Ihre Blicke schweiften immerzu vom Kapitän auf Jules Lederer und zurück, so als müssten sie einem Tischtennisball zwischen zwei Spielern nachblicken, um auch ja nichts zu verpassen.
Endlich regte sich Jonkov, hob sein Kinn, sah nach links und dann nach rechts und fuhr die Mannschaft mit leiser und doch kalt schneidender Stimme an: »Tama na ang kwentuhan at ipagpatuloy na ninyo ang trabaho!«
Bisher hatten die Männer immer wieder leise miteinander getuschelt, sich gegenseitig angestoßen und grinsend gescherzt. Nun verstummen sie auf einen Schlag und das Lachen wich aus ihren Gesichtern, machte einer plötzlich aufsteigenden Furcht Platz. Als wenn eine Bombe zwischen ihnen explodiert wäre, zersprengten sie und verschwanden blitzschnell unter Deck, drängten und fluteten wie panisch durch die schmalen Luken der Tankeraufbauten und verschwanden im Innern des Schiffs.
Jules Lederer sprach ein wenig Tagalog und auch Cebuano und hatte darum die Worte von Jonkov verstanden. Und so waren ihm zwei Dinge klar geworden. Die Mannschaft der Daisy bestand in der Mehrzahl aus Philippinen und ihr Kapitän ließ sie nach seinem Belieben springen.
Nur noch Jonkov und Lederer standen auf dem riesigen Deck des Supertankers, schauten sich an, maßen sich mit stummen Blicken. Die Sonne über dem Golf von Oman brannte unerbittlich nieder und Jules spürte, wie auch ihm der Schweiß in dünnen Bahnen von Stirn und Schläfen rann, über die Wangen und am Hals entlanglief und hinter dem offenen Hemdkragen verschwand. Doch nun tauchte an einem der Ausgänge des Schiffaufbaus ein blonder Riese auf, blinzelte kurz gegen das gleißende Licht an, glitt geschmeidig durch die Luke hinaus, musste sich dabei ducken. Er fixierte Jules Lederer mit seinen Augen, steuerte direkt auf ihn zu, beachtete Kapitän Jonkov nicht weiter, sondern grinste den neuen Koch freundlich wie ein Honigkuchenpferd an und streckte ihm schon von weitem seine rechte Hand zur Begrüßung entgegen. Es war eine gewaltige Pranke, auf dessen Rücken und Handgelenk rotblonder, dichter Flaum wucherte. Die Ärmel des zwei Meter Riesen waren bis zu den Ellbogen hochgekrempelt und Jules konnte so die dicken Muskelstränge an seinen Unterarmen erkennen. Sie verrieten eine unbändige Kraft.
Noch bevor der Blondschopf bei ihm angelangt war, rief er ihm zudem fröhlich entgegen: »Hey, ich heiße Björn Engsholm. Erster Offizier der Daisy. Kapitän Jonkov und ich haben Sie eigentlich bereits gestern erwartet, Lederer.«
Auch die Personalakte von Engsholm hatte Jules in den letzten Tagen gelesen. Er war Schwede und tat seit zwei Jahren seinen Dienst auf der Daisy. Zuvor arbeitete er für verschiedene andere Reedereien, allesamt Adressen mit einem guten Namen. Er war ebenso wie Jonkov unverheiratet, doch seinem Arbeitgeber waren weder eine feste Freundin noch irgendwelche unehelichen Kinder bekannt.
Lederer ergriff die Hand des blonden Riesen ohne Argwohn und wollte sie herzlich schütteln. Doch dieser Erste Offizier dachte nicht an ein freundliches Shaking, sondern drückte sogleich hart und unbarmherzig zu, als wollte er die rechte Hand des neuen Kochs zerquetschen. Lederer fühlte seine Hand eingeklemmt wie in einem Schraubstock. Tränen sprangen ihm in die Augen und sein Blick verschleierte sich, während er langsam in die Knie gezwungen wurde, dem immensen Druck auf seine Hand nachgebend. Dick traten die Muskelstränge am Hals von Björn Engsholm hervor, als er seine Finger immer stärker zusammenpresste. Jules Lederer hatte der unmenschlichen Kraft des Ersten Offiziers wenig entgegen zu setzen. Er keuchte ein erstes Mal ob der Schmerzen. Sofort ließ der Druck der Pranke ein wenig nach. Wollte ihn der Erste Offizier mit dem harten Händedruck etwa für das Zuspätkommen bestrafen? Nein. Engsholm zeigte weiterhin ein breites, verständnisvolles Lachen. Er war wohl eher ein Muskelprotz, der jedem Neuen auf dem Schiff seine Kraft demonstrieren musste. Der Druck ließ noch weiter nach und Jules erhob sich, schaute dem Ersten Offizier ein wenig unsicher ins Gesicht und antwortete endlich auf dessen letzte Bemerkung.
»Man hat mir erst vor zwei Stunden Bescheid gegeben, dass ich mich auf dem Terminal Mina Al Ahmadi an Bord des Tankers Daisy melden solle. Tut mir leid. Die Kerle in der Verwaltung müssen Sie und Kapitän Jonkov anders informiert haben. Ich bin Jules Lederer, der neue Koch an Bord.«
Wahrscheinlich würden Jonkov oder Engsholm seine freche Behauptung mit der Reederei abklären und so die Lüge entlarven. Auf ihre anschließende Reaktion war Jules ebenfalls gespannt.
Endlich gab Björn Engsholm seine Hand vollends frei und blickte dann grinsend auf die Rechte des neuen Kochs hinunter. Diese hing weiß, schlaff und wie tot an dessen Handgelenk. Lederer schlenkerte sie hin und her, um die Blutzirkulation anzuregen, was der Erste Offizier mit einem zufriedenen Nicken quittierte. Der Schweizer machte ein paar weitere Schritte auf den Kapitän zu, streckte ihm dabei seine malträtierte Hand zur Begrüßung entgegen und meinte: »Guten Tag Kapitän Jonkov. Ich freue mich auf die gemeinsame Zeit an Bord der Daisy.«
Der Seemann blieb weiterhin stumm, blickte ihm erst ausdruckslos in die Augen und dann auf den hingestreckten Arm. Gemeinsam sahen sie zu, wie sich die Hand des Schweizers wieder rötete, weil sich die Venen wieder mit Blut füllten. Als die Farbe auch die Fingerspitzen erreicht hatte, drehte sich der Kapitän wortlos um, ging quer über das Deck davon und verschwand in den Aufbauten des Tankers. Fragend blickte Jules sich zum Ersten Offizier um.
»Er hat’s nicht so mit dem Plaudern, unser Kapitän Jonkov«, war dessen lakonische Antwort, »du bist mir doch hoffentlich nicht böse wegen deiner Hand? Ich dachte mir bloß, du hättest für dein zu spätes Erscheinen an Bord eine kleine Lektion verdient.«
Jules schüttelte lächelnd und verneinend seinen Kopf, legte ihn dann aber in den Nacken und blickte hoch zum Steuerdeck des Tankers, das mit seinen beiden Auslegernocken mehr als zwanzig Meter über ihnen zu schweben schien. Auf der Backbordseite stand ein Mann und winkte lässig zu ihnen herunter, was Lederer ebenso freundlich erwiderte.
»Das ist Hide Kitchener, der Zweite Ingenieur«, kommentierte Björn die Begrüßung.
»Und der Blaue Peter?«, fragte Lederer zurück, denn er hatte schon auf der Fahrt hierher die gehisste blaue Flagge mit dem weißen Quadrat am Heck des Tankers entdeckt und sich gewundert.
»Ach, das ist nur eine der harmloseren Marotten unseres Kapitäns. Er lässt ihn immer zwölf Glasen vor dem Auslaufen aufziehen. Natürlich ist das sinnlos, denn wir liegen ja meist keine zwanzig Stunden an der Pier oder der Mole fest, bis wir voll beladen oder gelöscht wieder ablegen. Und während dieser Zeit geht kaum einmal einer von den Offizieren oder der Besatzung von Bord. Wohin auch?«, und mit diesen Worten beschrieb er mit seinem rechten Arm einen ausholenden Bogen über die künstliche Insel aus Beton und Stein mit ihrem Gewirr an Pipelines und Pumpstationen. Sie lag weit vor der Küste und im ganzen Umfeld gab es keine Siedlungen, »doch unser Kapitän befehligte vor zwanzig Jahren einen Passagierdampfer auf dem Schwarzen Meer, wie er uns mal erzählt hat. Er hängt immer noch an dieser und an anderen alten Gewohnheiten. Doch das wirst du in den nächsten Wochen und Monaten selbst zu genüge miterleben«, meinte Björn grinsend. Da er Jules freundschaftlich duzte, hatte der Erste Offizier der Daisy ihn wohl als neues Besatzungsmitglied akzeptiert.
»Komm, ich zeig dir dein Quartier«, meinte Björn Engsholm aufgeräumt und schlug Jules mit seiner Pranke herzlich, aber recht derb auf den Rücken. Der Schweizer stolperte ein paar Schritte in Richtung der Aufbauten voran, während der Erste ihm grinsend folgte. Langsam dämmerte Jules, dass die Seereisen auf der Daisy bestimmt keine Urlaubsfahrten waren. Vielleicht hätte er den so harmlos klingenden Auftrag von Ashram Ashawii doch nicht annehmen sollen?
*
Björn Engsholm führte Jules Lederer im Lift hoch zum mittleren Brückendeck, wo er ihm seine Unterkunft zeigte. Eigentlich war dieses Deck den Offizieren des Schiffes vorbehalten und der Koch gehörte zur Mannschaft. Doch derzeit fehlte der Dritte Nautische Offizier an Bord und so wurde ihm, dem Europäer, die großzügige Doppelkabine zugestanden.
Die Möblierung bestand aus einem breiten Bett mit einer beigen Tagesdecke, einem großen Wandschrank mit Schiebetüren, einem dazu passenden Schreibtisch mit Laptop und einer braunen Ledersitzgruppe mit Rauchglas-Clubtisch aus den siebziger Jahren. Eine altmodische Stereoanlage und ein moderner LCD-Fernseher mit DVD-Gerät standen in einer Ecke, daneben ein Regal mit ein paar Filmen, wohl Überbleibsel früherer Bewohner der Kabine.
»Wir haben auf diesem Deck Wireless-Internetanschluss«, meinte Björn und deutete auf den Laptop, »geht alles über Satelliten.«
Jules Lederer warf seinen Seesack achtlos in einen der Sessel und rief übertrieben glücklich »Home, Sweet Home« aus.
Björn sah ihn einerseits belustigt, andererseits aber auch fragend an.
»Die Rederei hat kaum Angaben zu dir gemacht, nur mitgeteilt, dass du von nun an unser Koch bist. Erzähl mal, Jules, auf welchen Schiffen hast du bislang gearbeitet?«
»Ehrlich gesagt, Björn, noch auf gar keinem. Die Daisy ist die erste Braut, auf der ich anheuere.«
Beim staunenden Gesichtsausdruck des Ersten Offiziers musste Jules auflachen: »Weißt du, ich arbeitete die letzten drei Jahre als Hilfskoch im Carlton Tower in Kuwait City. Die Frau meines Chefs hatte mehr als ein Auge auf mich geworfen und im Gegensatz zu ihrem fetten Mann war sie recht hübsch und in Topform, so richtig zum Anbeißen. Ich sag dir, wir hatten eine Menge Spaß miteinander. Bis uns eines Tages ihr Ehemann auf die Schliche kam. Dieser Dummkopf wollte an diesem Morgen eigentlich auf dem Fischmarkt einkaufen gehen. Und dann kehrte er doch auf halbem Weg noch einmal um, weil er das Rezept für irgendein Medikament vergessen hatte, das er auf dem Weg zum Markt in einer Apotheke abholen wollte.«
Björn stellte sich die Situation vor und grinste belustigt.
»Ich bin natürlich beim Carlton fristlos entlassen worden. Und eine neue Stelle in einem anderen Hotel in Kuwait City fand ich als überführter Ehebrecher natürlich auch nicht. Dafür hat der Chefkoch gesorgt. So bin ich überaus froh, vorerst einmal hier auf der Daisy unterzukommen, zumindest so lange, bis ich wieder was Festes hier am Golf gefunden habe. Denn an das schöne Wetter hier habe ich mich längst gewöhnt und will darum nicht mehr auf Dauer in das kalte und regnerische Europa zurückkehren, was du bestimmt verstehen kannst.«
Bevor Björn darauf etwas antworten konnte, drangen von den Lautsprechern im Flur draußen erst ein hartes Knacken und danach die kalte, leidenschaftslose Stimme des Kapitäns zu ihnen herein.
»Mr. Engsholm. Kommen Sie bitte unverzüglich zu mir auf die Brücke.«
Der Erste nautische Offizier und der Koch blickten sich an.
»Was der Alte wohl jetzt wieder von mir will?«, meinte Engsholm respektlos und nach seinem Gesichtsausdruck zu schließen, ahnte er bereits Böses, »na, deine Kombüse wirst du sicher auch allein finden, Jules. Sie liegt auf dem Hauptdeck, also zwei Decks unter uns, neben der Messe für die Mannschaft. So, ich muss los.«
Er trat zur Tür hinaus und ging schräg über den Flur zur Treppe, um die zwei Etagen zum Steuerdeck hoch zu steigen. Dass er dafür nicht den Lift benutzte, war bezeichnend. Engsholm hatte ganz einfach keine Lust, dem launischen Kapitän unter die Augen zu treten. Zu Fuß konnte er zumindest ein paar zusätzliche Sekunden Seelenfrieden für sich herausschinden. Doch auch Jules Lederer ging zum Treppenhaus, wandte sich jedoch nicht in Richtung Kombüse, sondern folgte neugierig dem Ersten Offizier zur Brücke hoch. Als der Schweizer oben anlangte, wurde er Zeuge einer typischen Standpauke, wie sie Björn und die anderen Offiziere wohl ab und zu über sich ergehen lassen mussten.
»In fünf Stunden sollen wir planmäßig ablegen, Mr. Engsholm. Ist Ihnen das bewusst?«, fuhr Jonkov seinen Ersten Offizier grob an, während er Jules einen kurzen Blick voller Misstrauen zuwarf, »Können Sie mir bitte verraten, wer den Ladevorgang überwacht, während Sie mit dem neuen Koch ihre Zeit vertrödeln?«
Björn antwortete nicht, schwieg und wartete ab, wirkte dabei unnatürlich ruhig, fast schon stoisch, so als hätte er sich an diese Art von Gewitterstürmen längst gewöhnt. Er wollte die Vorwürfe des Kapitäns wie einen Regenschauer über sich ergehen lassen und später, ähnlich wie ein Hund das Wasser aus seinem Fell, abschütteln.
»Sie haben mir heute früh gemeldet, dass der Ladevorgang um acht Glasen der Nachmittagswache abgeschlossen sein wird. Ist das immer noch korrekt oder gibt es irgendwelche Verzögerungen? Sind Sie über den Stand der Dinge informiert? Oder haben Sie Ihre Tätigkeit als Erster Offizier dieses Schiffes aufgegeben und spielen stattdessen lieber den Fremdenführer?«
Die Stimme des Kapitäns war bei diesem ungerechten Vorwurf nicht etwa lauter, sondern bloß immer eisiger geworden. Björn hatte unvermittelt Haltung angenommen, stand vor Jonkov beinahe stramm, so als wenn er ein einfacher Seemann auf einem Marinekreuzer der Navy wäre und von seinem Gunner’s Mate zusammengestaucht wurde, weil er zwei Minuten zu spät zum Dienst angetreten war.
»Sir, der Zweite Offizier überwacht den Ladevorgang. Außerdem läuft seit dem Einbau der neuen Steuerung alles vollautomatisch und so... «
»Sie sind der Erste Offizier dieses Schiffes«, unterbrach ihn Jonkov ungeduldig, »und damit alleiniger Verantwortlicher für den zeitlich korrekten und vollständigen Ladevorgang. Sie wissen ganz genau, dass von diesem Schiff bereits dreimal kleinere Mengen an Erdöl zwischen dem Laden und dem Löschen verschwunden sind. Ich hätte erwartet, dass gerade Sie, Mr. Engsholm, sich etwas mehr bemühen würden, damit derlei Schlampereien nicht mehr vorkommen. Informieren Sie sich umgehend über den Stand der Dinge. Ich erwarte Ihren Bericht in zehn Minuten in meiner Kabine. Doch, bevor Sie abtreten und endlich wieder Ihrer Arbeit nachgehen, habe ich noch eine weitere Frage.«
Der Kapitän ging ungeduldig zu einem Tisch, auf dem wohl das aufgeschlagene Logbuch der Daisy lag. Er winkte Björn unwirsch heran. Dieser drehte kurz den Kopf zu Jules Lederer herüber und verdrehte dabei theatralisch seine Augen. Dann trat er aber pflichtbewusst neben Jonkov und blickte gefasst und interessiert auf die Buchseiten hinunter. Die gestiegene Anspannung war ihm allerdings deutlich an seinen verkrampften Schultern abzulesen.
Auch Jules Lederer wechselte nun seine Position vom Treppenaufgang und ging näher zum Tisch, um auch auf die Buchseiten blicken zu können. Seine Neugierde war geweckt.
»Was bedeutet dieses VS hier?«, fragte Jonkov seinen Ersten Offizier knapp und unfreundlich. Dabei tippte er mit seinem Zeigefinger ungeduldig auf eine bestimmte Stelle im Buch. Björn schaute kurz darauf und blickte dann ein wenig unsicher und verwirrte in das mürrische Gesicht des Kapitäns.
»Das VS steht für Vessel, Sir«, antwortete er zögernd.
»Für Vessel?«, fragte der Kapitän daraufhin schroff zurück und erhob zum ersten Mal seine Stimme, » für Vessel, Mr. Engsholm? Wen oder was bezeichnen Sie denn mit Vessel?«
»Na, selbstverständlich die Daisy.«
Die Antwort des Ersten Offiziers klang verdattert und es war ganz offensichtlich, dass er noch nicht erkennen konnte, auf was sein Vorgesetzter eigentlich hinauswollte.
»Sie meinen die Daisy?«, antwortete ihm dieser übertrieben spitz, »Sie bezeichnen unsere Daisy also als Vessel? Mr. Engsholm, Sie fahren doch auf einem Schiff. Ist Ihnen das nicht bewusst? Auf einem SCHIFF. Noch bin ich der Kapitän eines voll manövrierfähigen Schiffs und nicht eines hilflos dahintreibenden Potts! Was fällt Ihnen ein, unsere Daisy als Pott zu bezeichnen?!«
»Aber Vessel ist doch die gängige Abkürzung für einen Öltanker dieser Klasse und ich verwende ihn im Logbuch, seit ich vor zwei Jahren meinen Dienst auf dem Schiff angetreten habe.«
Aus der Stimme von Björn klang Unverständnis und beinahe Verzweiflung.
»Üblicher Ausdruck?«, höhnte Jonkov auch schon los, »was auf diesem Schiff üblich ist und was nicht, das entscheide einzig und allein ich, der Kapitän, und ganz bestimmt nicht Sie, Mr. Engsholm. Ihre Schludrigkeit kann und will ich nicht länger dulden und durchgehen lassen. Korrigieren Sie bitte sämtliche fehlerhaften Einträge in diesem Logbuch während Ihrer nächsten Freiwache. Ich kontrolliere das dann morgen früh. Und jetzt kümmern Sie sich endlich um den Ladevorgang und um Ihren Bericht. Ich sehe Sie in zehn Minuten in meiner Kajüte.«
Björn stand noch einmal stramm, was den Kapitän wohl ein wenig besänftigen sollte. Dann wandte er sich wortlos ab und ging zur Treppe. Als er an Jules Lederer vorbeikam, konnte dieser das Knirschen der Backenzähne des Ersten Offiziers hören und im starren Blick von Engsholm erkannte der Schweizer, wie aufgewühlt er innerlich war. Doch der Schwede beherrschte sich weiterhin und verschwand nach unten, wohl um sich im Pumpenkontrollzentrum über die Fortschritte beim Laden zu informieren und sich dabei etwas zu beruhigen.
Jules blieb mit dem Kapitän allein auf der Brücke zurück. Jonkov lief einige Male unruhig hin und her. Irgendein Gedanke schien ihn zu beschäftigen und immer wieder von neuem anzutreiben, wie sein verbissener Gesichtsausdruck deutlich zeigte. Den Koch schien er dabei völlig vergessen zu haben. Doch das täuschte, denn auf einmal blieb er abrupt stehen und wandte sich Jules zu.
»Unser neuer Koch also? Lederer heißen Sie? Haben Sie eigentlich nichts zu tun, Mann, dass Sie Zeit finden, hier auf der Brücke herum zu lümmeln?«
»Sir, mein Dienst beginnt in exakt fünfundzwanzig Minuten. Bis dahin genieße ich die Aussicht, wenn es bitte schön genehm ist.«
Betont angestrengt schaute Jules nun zur Steuerbordseite hinaus und auf das ruhige Meer unter ihnen. Aus den Augenwinkeln heraus sah er, wie ihn die schwarzen Augen des Kapitäns stechend fixierten. Innerlich gelassen erwartete Jules den nächsten Ausbruch von Jonkov, zum Beispiel die Wegweisung vom Steuerdeck. Doch statt einer weiteren Attacke legte sich wiederum ein Schleier über die zuvor so stechenden Augen des Bulgaren und Jonkov meinte mit gelassener Stimme: »Dann bis heute Abend, Mr. Lederer.«
Damit verließ auch er das Ruderhaus.
Jules trat hinaus auf den Steuerbordausleger und blickte hinunter auf das weite Deck des Tankers und auf die künstliche Meeresinsel von Mina Al Ahmadi, der wichtigsten Erdölverladestation in ganz Kuwait. Doch weder auf der Betoninsel noch an Deck der Daisy war jemand zu sehen. Nach dem Anschließen der Rohre verlief die Übernahme des Rohöls ohne weiteres menschliches Zutun. Öde, ja beinahe unwirklich lag all der Stahl und Beton neben dem Blau des Meeres und dem weit entfernten, sanften Gelb und Grau der Dünen.
Der Schweizer drehte sich zur offenen See hin. Der Arabische Golf breitete sich vor ihm aus und die weite Wasserfläche glitzerte verführerisch im Sonnenlicht. Wie an fast jedem Tag überspannte auch heute ein strahlend blauer Himmel den Horizont. Er trat zur Reling und stützte seine Unterarme darauf ab, bemerkte mit der Berührung, dass sie aus echtem Holz gearbeitet war. Neugierig betrachtete er die auffällige Maserung und erkannte, dass sie aus massivem Kuba-Mahagoni bestand, aus einem der teuersten Hölzer der Welt. Diese überaus kostbare Reling war wohl als Tribut an die sonst eher spartanische Ästhetik des Supertankers gedacht, auch als Zugeständnis an das Wohlgefühl der Offiziere. Denn draußen auf dem Meer, inmitten der einsamen See, gab es bestimmt nichts Schöneres, als sich an einem sonnigen Tag auf das hölzerne Geländer zu stützen und in die Weite zu blicken.
Die wunderschöne Maserung fühlte sich angenehm auf seinen bloßen Unterarmen an. Auch hatte sich das Holz nicht zu stark in der Sonne erhitzt, strahlte eine rechte hohe, aber immer noch angenehme Wärme ab. An diesem Nachmittag wirkte die Welt friedlich wie selten. Das Wasser breitete sich glatt wie ein Spiegel vor dem Schweizer aus und eine warme Brise strich durch seine leichte Kleidung. Er blinzelte gegen die Sonne an, die hoch über ihm stand, und erinnerte sich an die Erzählung eines deutschen Kapitäns, mit dem er vor vielen Jahren in einer Kneipe in Kalkutta zusammengesessen war. Peter Jansen hieß er und hatte seit den sechziger Jahren und bis hinein in die neunziger große Frachtschiffe auf allen Weltmeeren geführt.
*
»Es war damals ein wunderschöner Tag. Wir waren unterwegs nach Japan. Die See lag ruhig vor uns. Über uns breitete sich ein wolkenloser Himmel aus. Mein zweiter Offizier ging wie üblich die Wache von acht bis zwölf. Auch an diesem Morgen gab es keine besonderen Vorkommnisse, um die ich mich hätte kümmern müssen. Doch kurz nach elf rief mich der Zweite in meiner Kabine an und bat mich, sofort auf die Brücke zu kommen. Als ich oben angekommen war, teilte er mir mit, er habe unsere exakte Position auf der Karte eingetragen.«
»Hier, sagte er noch und deutete auf eine Markierung auf dem Blatt. Und während ich noch dumm dastehe und auf die Karte hinunter glotze, mich ernsthaft frage, ob mich der Zweite Offizier auf den Arm nimmt, dreht der Kerl sich einfach um und geht ohne ein weiteres Wort aus dem Ruderhaus hinaus auf die Backbord-Brückennock. Ich dachte zuerst, er müsse von dort irgendetwas überprüfen und hab mich nicht weiter gewundert. Doch weil ich schon mal oben war, kontrollierte ich routinemäßig Geschwindigkeit und Fahrtrichtung. Kaum eine Minute später rennt unser Bootsmann voller Entsetzen zu mir ins Ruderhaus hoch und schreit, der Zweite Offizier sei von der Brückennock über Bord und ins Meer gesprungen. Wir haben sofort gestoppt und gewendet, ihn aber nicht mehr finden können.«
Nach diesen Worten nahm Kapitän Jansen einen kräftigen Schluck aus seinem Glas. Man sah ihm an, dass ihn der Selbstmord seines nautischen Offiziers noch immer stark beschäftigte. Doch dann lachte er plötzlich laut und etwas schrill auf.
»Es ist schon ein seltsames Gefühl, bei strahlendem Wetter mitten auf einem endlosen Ozean dahinzugleiten. Die Sonne steht hoch über einem und droht alles zu verbrennen, doch der Wind sorgt gleichzeitig für angenehme Kühlung. Alles ist ruhig und friedlich um einen herum. Und dann, von einem Moment zum anderen, überkommt es einen. Dieser unbändige Drang, Schluss mit dem eigenen, unbedeutenden Leben zu machen und endlich ganz eins zu werden mit den Elementen, mit der Luft, der Sonne und der See. In solchen Momenten spüren viele Seemänner diese Sehnsucht und einige geben ihr nach. Das sind die wahren Sirenen der Meere, Jules, die Sonne, der Wind und das blaue Wasser, auf dem man mit seinem Schiff ruhig dahingleitet.«
Die Augen des Kapitäns starrten ihn bei diesen Worten zwingend, ja beinahe beschwörend an und Jules erkannte damals in ihnen, wie oft Jansen wohl selbst diese Sehnsucht verspürt hatte und wie schwer es ihm jedes Mal fiel, ihr nicht nachzugeben. Erst nach einer geraumen Zeit des Schweigens sprach der Deutsche Kapitän endlich weiter.
»Es war ein paar Monate später. Wir kehrten von Australien kommend zurück nach Europa. Es ging gegen Abend zu und wir hatten die Straße von Malakka erst wenige Stunden zuvor passiert. Der Dritte Offizier ging wie gewohnt seine Wache und ließ mich dann dringend, aber ohne einen Grund zu nennen, auf die Brücke rufen. Diesmal ging ich kein Risiko mehr ein und habe meinen Ersten gleich mitgenommen. Als wir auf der Brücke angekommen waren, haben wir den Kerl ohne ein weiteres Wort der Erklärung gleich in den Schwitzkasten genommen, ihm die Arme auf den Rücken gedreht und seine Handgelenke gefesselt. Mein Gott hat sich der Mann gewehrt. Wie ein Berserker hat er getobt und uns verflucht, hat uns angeschrien und meinem Ersten Offizier den Ellbogen ins Gesicht geschlagen. Mir hat der Idiot sogar in die linke Hand gebissen, genau hier, in die Beuge zwischen Daumen und Zeigefinger. Das tut vielleicht weh. Als er dann endlich sicher verschnürt vor uns lag, erzählte uns der Kerl noch völlig verstört, er hätte doch bloß Magenkrämpfe und wolle um Ablösung bitten! Ha!«
*
An diesem wunderschönen Tag hier am Golf von Oman konnte Jules Lederer all die Seeleute verstehen, die sich von den Sirenen der Meere magisch angezogen fühlen. In einem kurzen Moment voller Klarheit über das eigene Dasein, über das Leben und dem tieferen Sinn dahinter springen sie über Bord, geben sich den Tiefen des Ozeans hin. Ja, ein Tag wie heute und ein Ort wie dieser wären perfekt zum Sterben.
Jules verharrte noch kurz bei diesem verlockenden Gedanken. Dann gab er sich einen Ruck. Er musste endlich hinunter ins Pumpenhaus steigen und dort den interessierten Laien mimen. Denn Ashram Ashawii glaubte, die Diebstähle passierten bereits während des Ladens. Falls dem so war, zeigten die daran Beteiligten vielleicht ein schlechtes Gewissen, vor allem, wenn ein Fremder ihnen dabei zuschaute. Jules begann mit seiner Arbeit.
*
Bevor Jules Lederer an Bord eines Tankers ging, hatte er sich im Hotel Julai’a südlich von Kuwait City die Royal Fayrouz Villa für eine Woche gemietet. Er wollte wenigstens noch ein paar ruhige und unbeschwerte Urlaubstage bis zu seinem nächsten Einsatz genießen. Die Zeit vertrieb er sich mit Joane Summers, einem wunderhübschen Escort Girl aus London mit rehbraunen Augen, dunklen, samtenen Wimpern und einem überaus sinnlichen Mund. Ihr Gesicht war ebenmäßig und sportlich, passte ausgezeichnet zu ihrem kastanienbraunen, schulterlangen und glatten Haar. Sie verdiente sich am Golf ihre erste Million, wie sie ihm in ihrer herrlich naiven Offenheit bald einmal erzählte.
Doch Joane war ein wirklich nettes, anschmiegsames Mädchen. Schon wenige Monate nach ihrer Ankunft kannte sie hier in Kuwait Gott und die Welt. Viele reiche und darum auch mächtige Männer gönnten sich dann und wann die entspannenden Momente mit einer professionellen Liebesdienerin. Mit Sicherheit fand ihr frisches, westeuropäisches Gesicht bei den Sheiks großen Anklang. Jules hoffte neben dem persönlichen Spaße von Joane mehr über die Erdöldiebstähle zu erfahren. Denn Freier sind erfahrungsgemäß bei ihren Callgirls wie Schafe vor dem Schäfer. Aufgrund ihrer nie verschwindenden Befangenheit plaudern sie immer mehr aus, als sie es je in einem harten Verhör auf einem Polizeirevier täten. Und dass Joane in ihrem Beruf richtig gut war, bekam Jules schon in der ersten gemeinsamen Nacht auf das Himmlischste zu spüren.
An einem ihrer letzten Abende hatten sie es sich mit ein paar Kissen und Decken draußen auf der Terrasse bequem gemacht, kuschelten miteinander und genossen gemeinsam den Sonnenuntergang. Dazu tranken sie eine Flasche 96er La Grande Dame, nippten den kühlen Champagner aus den Riedel Sommelier Gläsern. Immer wieder drehte sich Lederer zum billigen Campinggrill um, den er sich in einem Tankstellenshop gekauft hatte und auf dem er die Riesengarnelen aus der Hotelküche brutzeln ließ. Er war nun einmal ein Romantiker und gab es wirklich etwas Schöneres, als am eigenen Lagerfeuer mit seiner Geliebten in den Armen zu liegen und zu träumen?
»Kennst du den schon, Jules?«, begann Joane einen ihrer britischen Witze voll schwarzem Humor, die sie so sehr liebte und wovon sie einen schier unerschöpflichen Vorrat in ihrem süßen Kopf mitzuführen schien, »das ist ein Religiöser, weißt du, einer von Dave Allen«, schickte sie wie als Warnung voraus und Lederer erinnerte sich an den großartigen irischen Unterhalter aus den Siebziger- und Achtzigerjahren. Auf der Bühne saß er meist auf einem Barhocker, hatte neben sich einen kleinen Tisch mit einem Aschenbecher, einem Glas und einer Flasche Whiskey stehen. Und während er dem Publikum seine Witze erzählte, rauchte er Kette und nippte zwischendurch immer wieder vom Irländer.
»Ein kleiner, katholischer Junge trifft sich mit einem jüdischen. Und der kleine Katholik meint: Unser Priester weiß viel mehr als euer Rabbi. Worauf das jüdische Kind ihm antwortet: natürlich weiß er mehr. Ihr erzählt ihm alles.«
Der Champagner hatte Jules Gehirn schon ein wenig umnebelt und so dauerte es eine Sekunde, bevor er verstanden hatte. Der Witz bezog sich wohl auf die katholische Beichte. Und so stieg er in das heitere Gelächter von Joane mit ein.
»Oder der. Diesmal ein politischer«, fuhr das Escort Girl in Schwung geraten direkt fort, während Jules die Garnelen auf dem Rost mit der Zange eine nach der anderen wendete, »es gibt in Nordirland einen Priester«, sie erhob ihre Stimme und schmetterte die nächsten Worte geradezu heraus, »DER HAT SEINE EIGENE KIRCHE! Ein kleiner Schwarzer will da rein und Peasly sagt zu ihm: Was hast du hier zu suchen. Was zum Teufel hast du hier zu suchen, kleiner Nigger! – Und der Schwarze sagt: Ian Peasly, ich möchte gerne in deiner Kirchen beten gehen. – Was sagst du?, donnerte Peasly los, du willst in meiner Kirche beten gehen? Scher dich raus und bete zu Gott, dass er dich künftig leite! – Am nächsten Morgen steht der kleine Schwarze wieder vor der Kirche und sagt: Ian Peasly, ich habe zu Gott gebetet, dass er mich künftig leite. Und als ich so betete, da sprach unser großer und gütiger Gott plötzlich zu mir ... – WAS SAGST DU?, fuhr ihn Peasly zornig an, unser großer und gütiger Gott sprach zu einem wie dir? Was soll denn unser großer und gütiger Gott einem wie dir zu sagen haben? – Der Schwarze meinte: Er rief mir zu: He, Mann? He Mann da unten? Was erbittest du von mir? Und ich erzählte ihm, dass ich so gerne in Mr. Peasly’s Kirche beten würde. Da fing unser großer und gütiger Gott an zu lachen, dass die Erde bebte und sprach: He, Mann, du hast keine Chance da rein zu kommen. Das versuch ich selbst, seit zehn Jahren, ohne Erfolg.«
Joane schüttelte sich vor Lachen und fiel Jules um den Hals. Der lachte mit, musste gleichzeitig den großen Mut von Dave Allen bewundern, der sich damals getraut hatte, trotz all der Terroranschläge der IRA in Großbritannien eine solch heftige Attacke gegen den damaligen politischen Anführer der Terrororganisation zu führen. Wie leicht hätte er das Ziel einer Vergeltung werden können?
Joane hatte sich rasch wieder beruhigt, kuschelte sich zärtlich an ihn und sah ihm von unten schräg in sein Gesicht.
»Willst du meinen Lieblingswitz hören, Jules?«
»Stammt er auch von Dave Allen?«
»Oh ja, - hör zu«, und sie setzte sich auf und blickte ihn so ernst sie nur konnte an, sprach auch mit so tiefer Stimme wie ihr möglich war.
»Es gibt in Nordirland einen Handelsvertreter, der von Dorf zu Dorf und von Stadt zu Stadt zieht und seine Waren verkauft. Überall ist er gerne gesehen und wird oft auf einen guten Schluck eingeladen. Bloß in einer Stadt war das anders. Als er dort die Hauptstraße entlang zur Ortsmitte fuhr, waren alle Fensterläden der Häuser geschlossen und die Türen verrammelt. Niemand befand sich auf der Straße. – Das ist aber seltsam, sagte sich der Handelsvertreter und fuhr weiter in die Stadt hinein. Als er zum Marktplatz kam, da erblickte er einen langen Trauerzug. Den Anfang machten acht schwarze Hengste, die eine riesige, schwarze Kutsche zogen. Auf der Kutsche aber lag ein wuchtiger, schwarzer Sarg. Direkt hinter dem Leichenwagen ging ein Mann ... ein mächtiger Mann ... mit wie aus Stein gemeißelten Zügen. Und in seiner rechten Faust hielt dieser Mann die Leine eines Hundes, eines mächtigen, schwarzen Hundes. Hinter den beiden aber gingen achtundvierzig Männer, alle in Schwarz und alle hintereinander und in einer Reihe. Und keine einzige Frau weit und breit. – Das ist aber ein sehr seltsamer Leichenzug, dachte sich der Handelsvertreter und stieg aus seinem Wagen. Er trat zu dem mächtigen Mann und sprach ihn an. – Äh, entschuldigen Sie, Sir. Muss wohl eine sehr wichtige Persönlichkeit gewesen sein, die zu Grabe getragen wird - begann er ein Gespräch. – Nein, kann man nicht sagen - antwortete ihm der mächtige Mann mit dem riesigen Hund an der Leine. – Wer … wer ist es? - fragte der Vertreter neugierig nach. – Meine Frau, kam die gleichgültige Antwort. – Oh, der Blick des Handelsreisenden richtete sich auf den schwarzen Hund. – Muss wohl ein sehr treues Tier gewesen sein, dass es zur Beerdigung mitkommen durfte? – Nein, meinte da der Mann mit den wie aus Stein gemeißelten Zügen – das ist der Hund, der meine Frau tot gebissen hat. Dieser Hund hat meine Frau getötet. – … – Ach herrjeh, mmh, und der Handelsvertreter dachte an Daheim und an seine zänkische Ehefrau, – würden Sie mir den Hund eventuell verkaufen? – Da blickte ihn der mächtige Mann mit den wie aus Stein gemeißelten Zügen an und antwortete: Stellen Sie sich hinten an.«
Jules und Joane lachten eine Minute lang Tränen. Danach waren ihre Garnelen auf einer Seite etwas angekokelt. Doch mit der Flasche 82er Château Latour, ein Wein, der mit seiner Frucht, dem vielen Cassis und der dahinter liegenden erdig kräftigen Note mit einem Hauch von Trüffeln und Palisanderholz perfekt zu den kräftig schmeckenden Meerestieren passte, wurde das Essen trotzdem zu einem Genuss.
Joane war zunehmend angeheitert und so dauerte es nicht lange, bis sie von ihren Stammkunden zu erzählen begann und dass einige von ihnen in den letzten Monaten recht nervös geworden waren, wegen den immer häufiger auftretenden Verlusten auf den Transportwegen in den Westen. Genaueres wusste das Callgirl zwar auch nicht zu erzählen und konnte Jules weder die Mengen noch Schiffsnamen oder Reedereien nennen. Doch wenn hier in Kuwait bereits die Escort Girls über die Diebstähle Bescheid wussten, dann war das Problem mit Sicherheit größer, als Jules bislang angenommen hatte.
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Die Daisy war ein Öltanker mit dreihundertfünfzigtausend Tonnen Zuladegewicht. Mitte der siebziger Jahre gebaut, verrichtete sie schon seit mehr als dreißig Jahren ihren Dienst. Auf der Internetseite von Greenpeace hatte Jules Lederer einen Bericht über sie gefunden. Danach wurde sie vor einigen Jahren in einem Orkan vor Kapstadt arg beschädigt. Riesige Wellen hatten den Tanker frontal getroffen und seinen Bug förmlich eingeschlagen. Die vorderen Tanks waren aufgeplatzt und die Daisy verlor damals mehr als dreißigtausend Tonnen Erdöl. Bei den Reparaturarbeiten im Dock kam es zudem zu einer Explosion, bei der fünf Männer starben. Die Daisy schien wahrlich nicht mit einem Glücksstern gesegnet zu sein.
Gebaut für zehn Betriebsjahre und bereits dreißig im Einsatz stand das Schiff für Greenpeace und auch für Jules an der Schwelle zum Seelenverkäufer. Doch Björn Engsholm meinte auf seine diesbezügliche Frage gelassen: »Noch schwimmt und fährt sie tadellos, das alte Mädchen. Vor zwölf Jahren hat man ihr eine neue Maschine verpasst und vor vier Jahren einen neuen Anstrich. Die macht es bestimmt noch so lange, wie du an Bord sein wirst, Jules. Mach dir bloß keine Sorgen.«
Die Daisy wies eine Länge dreihundertfünfundsechzig Metern auf und war achtundvierzig Meter breit. Björn erzählte Jules, dass sie vom Kiel bis zur Oberkannte des Ruderhauses einundfünfzig Meter maß und auf ihrem riesigen Vorderdeck könnte man problemlos fünfzig Tennisplätze unterbringen, so groß wäre es. Bis zur Sommerlinie beladen läge die Daisy knapp zweiundzwanzig Meter tief im Wasser, drei bis vier Meter zu tief für den Suezkanal.
Ihre Aufbauten am Heck waren sieben Stockwerke hoch. Zuoberst lag das Brückendeck mit dem Steuerhaus und dem dahinter liegenden Kartenraum. Rechts und links schlossen sich die Brückennocken von jeweils mehr als zehn Metern Länge an. Erst sie erlaubten es den Lotsen und Schiffsoffizieren, beim Anlegen und Ablegen im Hafen auf die Höhe der Seitenwände des Schiffes zu gelangen und so den Abstand zum Pier oder zur Mole zu sehen und Manövrierbefehle zu erteilen.
Direkt unter dem Steuerhaus lag das Kapitänsbrückendeck mit den großzügigen Unterkünften für den Kapitän an Steuerbord und für den ersten Bordingenieur an Backbord. Dazwischen war traditionsgemäß eine riesige Kajüte für den Eigner eingebaut, die jedoch wie auf allen Tankschiffen kaum einmal benutzt wurde.
Das Mittlere Brückendeck wies sechs große Kabinen auf. Jede von ihnen maß über vierzig Quadratmeter. Drei waren für die nautischen Offiziere bestimmt, eine für den Zweiten Ingenieur und zwei für die beiden Bordelektriker. Jules hatte die Kajüte des Dritten Offiziers übernommen, der zurzeit an Bord fehlte. Auf solche Doppelkabinen hatten alle Offiziere von Tankern Anspruch und ihre Ehepartner durften jederzeit kostenlos mitfahren, wenn sie nur wollten. Das war eines der vielen Zugeständnisse an die oft monatelange Monotonie an Bord eines Schiffes, das Pendelfahrten zwischen den Erdölfundgebieten und den Zielhäfen ausführte.
Jules erfuhr, dass der Dritte Nautische Offizier, Edward Hunter aus Dublin, vor einigen Wochen auf einer der Fahrten nach Rotterdam spurlos verschwand. Auf derselben Fahrt hatte man bei der Ankunft zwanzigtausend Tonnen Erdöl vermisst. Diese Menge besaß einen Marktwert von über acht Millionen Dollar. Das erzählte ihm jedenfalls Hide Kitchener bei einem mittelprächtigen schottischen Whiskey und nach einem Abendessen. Jules nahm sich fest vor, seine Untersuchung der Diebstähle noch vorsichtiger als bereits beabsichtigt zu betreiben. Denn vielleicht hatte der Dritte Offizier den Diebstahl bemerkt und war von den eigentlichen Tätern umgebracht und beseitigt worden?
Seit dem Verschwinden von Eddie Hunter war die Mannschaft der Daisy unterbesetzt. Kapitän Jonkov hatte deshalb eine der drei Wachen an Bord übernommen. Irgendwann würde die Reederei bestimmt Ersatz für Eddie schicken. Doch so einfach war dies gar nicht. Bei dem derzeitigen Wirtschaftsboom fehlten erfahrene nautische Offiziere für jede Gattung von Frachtschiffen und für die gefährlichen Erdöltanker kamen nur die Besten in Frage.
Jules hatte Hide Kitchener auch über die möglichen Hintergründe zum Verschwinden des Dritten Offiziers ausgefragt. Doch der konnte nur spekulieren. Eddie Hunter war eines Morgens nicht mehr zum Frühstück erschienen. Die Mannschaft erzählt später, er hätte sich mit einem dringenden Bedürfnis mitten in den Nachtarbeiten verabschiedet und sei nicht wiedergekommen. Sie hatten selbstverständlich das gesamte Schiff nach ihm abgesucht. Danach stand zumindest fest, dass Eddie während den Nachtstunden über Bord gegangen war. Warum und wieso konnte sich allerdings niemand erklären. Eddie war ein stets fröhlicher, aufgeweckter Bursche und für jeden Spaß zu haben gewesen. Er litt bestimmt nicht an Depressionen. Ein Selbstmord kam für niemanden an Bord in Frage. Sein plötzliches Verschwinden blieb für Kapitän und Mannschaft gleichermaßen ein Rätsel.
Jules dachte wieder an die Schilderung von Peter Jansen in Kalkutta zurück. Die Schwermut konnte bestimmt jeden Seemann unerwartet treffen. Oder hing Eddies Verschwinden doch eher mit dem Diebstahl von zwanzigtausend Tonnen Rohöl zusammen? War er daran beteiligt gewesen und floh von Bord, bevor der Verlust am Zielhafen entdeckt wurde? Doch eines war Jules so klar wie der Reederei. Von einem fahrenden Tanker konnte niemand Erdöl stehlen. Die Pumpen des Schiffes wurden mit Computern überwacht und alle wichtigen, technischen Daten der Daisy regelmäßig und vollautomatisch über Satelliten an die Zentrale gesendet, wo sie laufend gesammelt, ausgewertet und kontrolliert wurden. Nein. Ein Diebstahl auf offener See war einfach undenkbar.
Doch es war der Dritte Offizier Hunter, der damals den Ladevorgang am Persischen Golf überwacht hatte. Gut möglich, dass er zusammen mit Komplizen an Land die Daten manipuliert hatte und sich später mit Hilfe von außen von Bord schleichen konnte. Das wäre zwar ein sehr großes Wagnis gewesen, denn mitten in der Nacht und viele Kilometer von der Küste entfernt ein mit zwanzig Knoten fahrendes Tankschiff zu verlassen, um sich von einem anderen Boot aus dem Wasser fischen zu lassen, kam einem Selbstmordversuch gleich. Nein, objektiv betrachtet war das Risiko dafür zu groß. Das Verschwinden des Dritten Offiziers musste einen anderen Grund haben.
Ein Stockwerk unter dem neuen Zuhause von Jules lag das Untere Brückendeck der Daisy mit der Offiziersmesse, einem Speiseraum, dem Breitwandkino mit dreißig Sitzplätzen und einer kleinen Bibliothek mit Büchern und DVDs. Achtern raus war auf diesem Deck ein kleiner Swimmingpool mit ein paar Sonnenliegen zu finden. Hier trafen sich tagsüber die Offiziere auf Freiwache, saßen gemütlich beisammen, erzählten sich Geschichten von früher und mischten sich immer wieder neue Varianten altbekannter Cocktails.
Das Hauptdeck darunter enthielt den Speisesaal für die Mannschaft, einen Kraftraum mit Sauna und Dampfbad und einen großen Aufenthaltsraum mit Bar, elektronischem Dartgerät, zwei Kickern und einem Tischtennistisch. Auch Jules Kombüse lag auf diesem Deck. Sie war auf das Modernste ausgestattet, mit großem Gasherd, zwei Backöfen, zwei Steamern und einer Spülmaschine, die für eine Ladung Geschirr keine acht Minuten benötigte, bis alles sauber, trocken und bereit für das Einräumen in die Schränke war. So ein Ding musste er sich unbedingt für zu Hause besorgen, dachte er sich, nachdem er das Gerät das erste Mal staunend in Aktion gesehen hatte.
Auf dem Mittleren Hauptdeck, das darunter lag, befanden sich die Mannschaftsräume. Hier teilten sich jeweils zwei Männer eine fünf auf fünf Meter große Kabine. Auf dem Unteren Hauptdeck lagen schließlich das Pumpenkontrollzentrum, die Heizungssteuerung, verschiedene Werkstätten und Serviceräume. Unter Deck folgten noch weitere vier Stockwerke mit Lagerräumen, Heizungsraum, und Pumpstation.
Während der Fahrt auf See wurde ein Tankschiff die allermeiste Zeit ausschließlich vom Ersten Offizier geführt. Der Kapitän übernahm das Kommando nur in besonderen Gefahrensituationen. Er war in erster Linie für das gefährliche Einlaufen und Auslaufen in den Häfen verantwortlich, so ähnlich, wie der Kapitän eines großen Passagierflugzeuges seinem Co-Piloten ebenfalls die meiste Arbeit überließ und nur bei Starts und Landungen und als Ablösung funktionierte.
Björn Engsholm wurde jeden Morgen vom Bootsmann Sami über den Stand der laufenden Unterhaltsarbeiten informiert. Sami war ein riesiger Philippine, der keinen Befehl an die Mannschaft wiederholen musste. Durch seine ruhige, besonnene Art hatte er sich längst den Respekt aller verdient, auch der Offiziere. Björn plante für jeden Tag die jeweils als Nächstes anstehenden Arbeiten und teilte die Männer entsprechend den Aufgaben und Fähigkeiten ein. Er war auch erster Ansprechpartner bei allen Fragen und Problemen, ob technischer oder menschlicher Natur. Im Prinzip war der Erste Offizier das Mädchen für alles an Bord der Daisy. Weil Björn zudem verschiedene medizinische Kurse absolviert hatte, bekleidete er sogar die Funktion des Bordarztes, der neben dem Verteilen von Kopfschmerztabletten auch Wunden nähen und Brüche richten konnte. So war der Tag von Engsholm oft von morgens früh bis spät in die Nacht ausgefüllt mit den unterschiedlichsten Tätigkeiten und Entscheidungen, während Kapitän Jonkov kaum einmal belästigt wurde und die meiste Zeit über, wenn er keine Wache als Ersatz für den fehlenden Dritten Offizier tat, in seiner Kajüte hockte.
Der Zweite Offizier der Daisy hieß Igor Staniwsky. Er war Russe aus Leningrad, wie er Lederer gegenüber betont hatte, als sie einander vorgestellt wurden. Dass er seine Heimatstadt nicht nach ihrem heutigen Namen St. Petersburg nannte, sagte bereits einiges über ihn aus. Doch viel mehr konnte Jules während den ersten beiden Tagen an Bord nicht aus ihm herausbekommen. Auch in der Personalakte fand sich wenig. Vierunddreißig Jahre alt, unverheiratet, seit fünf Jahren auf der Daisy tätig. Igor Staniwsky schien Kapitän Jonkov an Verstocktheit noch übertreffen zu wollen. Doch der Zweite hielt sich eh als etwas Besseres und gab sich darum kaum mit der Mannschaft ab, wozu der Schiffskoch nun mal gehörte.
Die beiden Maschineningenieure stammten aus Schottland und waren gemeinsam vor zwei Jahren, fast zur selben Zeit wie Björn, auf die Daisy gekommen. Der Erste hieß Ikon Bringsham, der Zweite Hide Kitchener. Sie waren zwei fröhliche Kumpane, immer zu einem Spruch oder derben Spaß aufgelegt. Und am liebsten hänselten sich die zwei gegenseitig.
Auch die Bordelektriker waren Europäer. Luigi Tremolo stammte aus Genua, war dreiundvierzig und hatte zu Hause eine Frau und drei Kinder. Er heuerte vor einem Jahr auf der Daisy an und liebte die langen Abwesenheiten von seiner Familie, wie er freimütig zugab. Bambinis sind wundervoll, wenn sie nicht miteinander streiten, also sehr, sehr selten, meinte er gestern Abend lachend. Der Zweite hieß Eugène Jaboullé, war zweiunddreißig und stammte aus Marseille. Auch er hatte zu Hause eine Frau und mit ihr zusammen einen zweijährigen Sohn mit Namen Jean-Pierre. Ihm fiel die lange Trennung von zu Hause deutlich schwerer als Luigi. Aus seinen fast schon bitteren Worten ließ sich eine gehörige Portion an Eifersucht heraus spüren. Für die Reederei arbeitete er schon seit fünf Jahre, davon die letzten beiden auf diesem Schiff.
Der fehlende Dritte Offizier Eddie Hunter war bei seinem Verschwinden noch nicht lange an Bord gewesen, machte erst seine fünfte oder sechste Fahrt mit. Auch hatte er nie zuvor für diese Reederei gearbeitet. Die Diebstähle von der Daisy begannen auf seiner zweiten Fahrt und insgesamt verschwanden während seiner kurzen Zeit an Bord fast siebzigtausend Tonnen Erdöl mit einem Marktwert von fünfundzwanzig Millionen Dollar. Und weil die Daisy nicht der einzige Tanker mit solchen Transportverlusten war, konnte sich Jules die Hektik bei den Versicherungen und den Reedereien gut vorstellen. Die gesamte Ölbranche suchte nach einer Antwort.
Gut möglich, dass ihn Ashram nicht nur im eigenen Interesse, sondern im Auftrag des Versicherungsmaklers Lloyd’s in London engagiert hatte. Und bestimmt war Jules auch nicht der einzige Undercover Agent, der zurzeit auf irgendwelchen Supertankern unterwegs war.
Vierundzwanzig General Purpose Seamen, sogenannte GPS, die auf Deck und unter Deck gleichermaßen eingesetzt werden konnten, komplettieren die Mannschaft des Tankers. Es waren lauter Philippinen, angefangen beim fünfzigjährigen Bootsmann Sami bis zum kaum fünfzehnjährigen Schiffsjungen Chufu, der seit einem Jahr an Bord war.
Der Junge ging Jules in der Küche zur Hand und schien vom Kochen mehr zu verstehen als der Schweizer. Die philippinische Mannschaft versorgte sich in kulinarischer Hinsicht allerdings selbst. Abwechselnd übernahm einer von ihnen die Kombüse, denn ihnen schmeckte das westliche Essen von Jules nicht. Das war bei seinem Vorgänger noch anders gewesen, denn als Chinese beherrschte dieser verschiedene asiatische Küchen. So war Jules bloß für die Verpflegung der sieben Offiziere an Bord zuständig, was ihm zwangsläufig viel Freizeit einbrachte. Er konnte jeden Tag stundenlang den Tanker durchstreifen, immer auf der Suche nach neuen Gesprächspartnern.
Wie üblich war jeder Tag an Bord des Schiffes in sechs Wachen von jeweils vier Stunden unterteilt. Der Zweite Offizier stand von acht bis zwölf im Einsatz, der Kapitän ging von zwölf bis vier Uhr Wache und der Erste Offizier von vier bis acht. So standen die drei jeweils zweimal pro Tag für vier Stunden im Steuerhaus. Ihre Arbeit bestand im Wesentlichen in der Überwachung von Fahrtgeschwindigkeit und Richtung und dem Beobachten des übrigen Schiffsverkehrs. Björn versicherte Jules, dass dies im Grunde genommen ein richtiges Kinderspiel wäre und eine recht eintönige Arbeit. Denn, sobald ein Tanker das freie Meer erreicht hatte, fuhr er computergesteuert und fast von selbst, benutzte Radar und Satellitenüberwachung, hielt jeden Kurs penibel genau ein und korrigierte sogar kleinere technische Störungen ohne menschliches Zutun. So waren die recht seltenen Zusammentreffen mit anderen Schiffen und der kurze Funkverkehr meist die einzigen Abwechslungen während einer Schicht.
Die beiden Ingenieure, die Bordelektriker, Björn Engsholm und Jules Lederer bildeten bald einmal den gesellschaftlich relevanten Teil der Crew an Bord. Der Kapitän und der Zweite Offizier hingegen ließen sich meist nur zu den Mahlzeiten blicken und hockten sonst in ihren Kajüten oder unternahmen einen ihrer gefürchteten Kontrollgänge durch das Schiff. Die Philippinen hatten große Angst vor dem Kapitän und dem Zweiten. Warum dies so war, konnte Jules nicht herausfinden. Denn auch wenn er sich mit ihnen einigermaßen gut in ihrer Landessprache verständigen konnte, so blieben sie doch vorsichtig und verstockt, wichen seinen Fragen gerne aus oder versuchten, ihn mit einem freundlichen Lächeln abzuwimmeln.
Das offene Wesen von Björn ließ den neuen Koch dagegen schon bald in den Kreis der bevorzugten Gesprächspartner aufnehmen und Jules tat alles, um die beginnende Vertrautheit zwischen ihnen beiden weiter auszubauen und zu festigen.
Schon am ersten Tag an Bord war Jules aufgefallen, dass sämtliche Uhren an Bord dieselbe, aber falsche Zeit anzeigten, nämlich eine Stunde später als in Kuwait City. Auf seine diesbezügliche Frage hin lachten die neuen Kollegen laut auf und Hide Kitchener ergriff das Wort: »Auch so eine Marotte des Kapitäns. Wir leben hier alle unter Moskauer Zeit, Genosse Lederer. Eine Anordnung des Kapitäns. Die Uhren werden niemals umgestellt, wenn wir einen der Meridiane überqueren. Der Kapitän findet das unnötig, weil wir ja auf unserer eigenen kleinen Insel unterwegs sind und darum auch unsere eigene Zeit benutzen können.«
»Einen Vorteil hat die fixe Zeit natürlich. Wir müssen die Wachzeiten nie ändern«, warf Ikon Bringsham scherzend ein, worauf Björn Engsholm nur den Kopf schüttelte.
»Du kannst dir sicher vorstellen, Jules, dass unsere Moskauer Zeit immer wieder zu Missverständnissen führt, vor allem, wenn wir auf dem Atlantik herumkreuzen und allen übrigen Schiffen ein paar Stunden gedanklich vorauseilen. Das führt im Funkverkehr mit den anderen immer wieder zu amüsanten Verwirrungen, manchmal aber auch zu turbulenten Situationen.«
Björn schien sich plötzlich an etwas Unangenehmes zu erinnern, denn er wirkte nach den salopp gesprochenen Worten plötzlich still und zurückhaltend und seine Mine verfinsterte sich zusehends. Doch dann meinte er gelassen: »So ist er nun mal, unser Kapitän Jonkov. Er macht die Regeln, wir befolgen sie. Und ich gebe dir einen guten Rat, Jules. Lass dich bloß nicht mit einer Armbanduhr erwischen, die etwas anderes als Moskauer Zeit anzeigt. Dann wird der Alte fuchsteufelswild.«
Jules sah auf seine Rolex Perpetuum, zog die Krone heraus, stellte die Uhrzeit um eine Stunde vor.
Noch in dieser Nacht passierten sie die Straße von Hormuz, was Jules Lederer sehr bedauerte. Ihn hätte ihre strategische Lage brennend interessiert und er hätte gerne gesehen, ob die iranische Küstenwache tatsächlich jedes Schiff mit ihren Schnellbooten begleitete. Irgendwie kam ihm diese Vorstellung unwirklich vor, wenn er an all die amerikanischen Kriegsschiffe dachte, die sich ständig im Persischen Golf tummelten und auch die Meeresenge immer wieder befuhren, begleitet von den Hoovercrafts der iranischen Seestreitkräfte. So viel militärische Präsenz in einem so engen Gebiet musste doch unweigerlich zu ernsthaften Konflikten führen. Und so lange ein amerikanischer Präsident das iranische Volk in denselben Topf wie die Terroristen von Al-Qaida warf und den Iran als Schurkenstaat bezeichnete, so lange musste die Straße von Hormuz ein Pulverfass bleiben, deren Lunte längst glomm.
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Das Eis zu Jonkov taute auch am vierten Tag der Reise nicht auf. Er schien sich nicht damit abfinden zu können, Jules Lederer anstelle seines bisherigen chinesischen Kochs an Bord zu haben. Doch was blieb dem Kapitän übrig, nachdem die Reederei entschieden hatte?
Früh an diesem Morgen kam es zu einer heftigen Auseinandersetzung zwischen dem Kapitän und den anwesenden Offizieren. Das Geschehen war so typisch für die stets gereizte Stimmung an Bord.
Beim Frühstück eröffnete Jonkov den Männern plötzlich, dass es eine Änderung bezüglich Zielhafen der Daisy gegeben hätte. Eine geringe Umstellung, wie er süffisant betonte. Nach der neuen Order sollte das Öl nicht um das Kap der Guten Hoffnung nach Europa gebracht werden, sondern zum Suezkanal nach Ain Sukhna. Dort gab es eine Pipeline, die zum Mittelmeer, westlich von Alexandria führte. Nach dem Entladen sollte die Daisy wieder in den Arabischen Golf zurückkehren und neues Rohöl holen, das dann mit großer Wahrscheinlichkeit zum LOOP, dem Louisiana Offshore Oil Port gebracht wurde. Von dort könnten sich die Offiziere dann in den versprochenen Urlaub fliegen lassen.
Änderungen an den geplanten Routen waren an sich nichts Ungewöhnliches im Ölgeschäft. Die großen Tanker wurden so flexibel wie möglich eingesetzt, um den höchstmöglichen Profit für alle daran beteiligten Unternehmen herauszuschlagen. So kam es auch mal vor, dass sie wochenlang auf dem Meer still liegen bleiben mussten. Das Erdöl sollte auf diese Weise künstlich verknappt und die Preise an den Spot-Börsen in die Höhe getrieben werden. Und wenn der Bedarf irgendwo auf der Welt mehr als geplant anstieg oder sich die Vorräte zu stark verringert hatten, dann wurden sogleich höhere Frachtpreise für Lieferungen dorthin bezahlt. In normalen Zeiten konnte eine Reederei für den Transport einer Tonne Rohöl vom Golf nach Europa oder in die USA acht Dollar verlangen. Eine einzige Fahrt der Daisy von dreißig Tagen hin und dreißig Tagen zurück brachte der Reederei somit drei Millionen Dollar ein. Doch dieser Frachtpreise schwankte ständig um bis zu dreißig Prozent und so schickte man die Tanker mit Vorzug dorthin, wo gerade am meisten zu verdienen war. Nicht die Politik, sondern einzig der Markt befahl, wohin das Erdöl floss.
Die Botschaft des Kapitäns kam bei den versammelten Männern äußerst schlecht an. Es war der Erste Ingenieur, Ikon Bringsham, der ihnen zeigte, wie hitzköpfig ein Schotte doch sein konnte, wenn er auf dem falschen Fuß erwischt wurde. Denn nach der Bekanntgabe des Kapitäns begann Ikon lautstark zu lamentieren: »Was soll denn die Scheiße jetzt? Diese Fuhre sollte doch die letzte sein und uns wurden volle fünf Wochen Urlaub versprochen, und zwar, sobald wir in Europa gelöscht haben. Das wär in dreiundzwanzig Tagen der Fall gewesen, wenn das Wetter einigermaßen mitspielt. Stattdessen lässt uns die Reederei nach Ägypten schippern und anschließend eine neue Fuhre im Golf abholen? Und zum LOOP bringen? Damit verlieren wir gut drei Wochen und kommen erst Ende Oktober zu unserem Urlaub. Ich weiß nicht, wie’s bei euch steht, aber ich für meinen Teil will diesen Urlaub mit meiner Freundin verbringen. Wir haben schon vor Monaten geplant und längst gebucht.«
»Was habt ihr denn vor, Iky? Eine Kreuzfahrt?«, warf der Zweite Ingenieur Hide Kitchener flachsend ein und kassierte dafür einen wütenden Blick des aufgebrachten Ersten. Dann antwortete er ihm aber doch.
»Nein. Susan will diesmal in die Berge. Wandern und so«, gab er brummend bekannt, worauf Kitchener und die beiden Bordelektriker losprusteten.
Kapitän Jonkov versuchte erst gar nicht, den Schotten zu beschwichtigen. Kalt und ohne innere Regung wandte er sich an die Männer: »Ihr habt die Anweisungen der Reederei gehört. Den Befehl zum Kurswechsel habe ich vor drei Stunden dem Ersten Offizier mitgeteilt. Wir werden heute Nachmittag den Bab al-Mandab passieren und in zwei Tagen löschen können.«
Dann wandte er sich aber doch noch an seinen Ersten Ingenieur: »Und was Ihre bereits gebuchten Ferien betrifft, Mr. Bringsham. Die Reederei übernimmt wie üblich alle Stornierungs- und Umbuchungskosten. Das ist alles.«
»Besorgt mir die Reederei auch eine neue Freundin?«, warf Ikon bissig ein und fuhr dann erbost fort, »da hockt man sein halbes Leben auf diesen rostzerfressenen Ungetümen und riskiert dabei tattäglich sein Leben und wenn man dann einmal was geplant hat, kommt bestimmt wieder etwas dazwischen. Riesenscheiße.«
Der Kapitän reagierte nicht auf den Vorwurf. Stattdessen drehte er sich seinem Zweiten Offizier zu und meinte provokativ: »Es ist kurz vor acht Uhr und höchste Zeit für ihren Dienstantritt, Mr. Staniwsky. Denken Sie nicht auch?«
Igor hatte sich eben den Mund abgewischt und war auch schon aufgestanden, bestimmt um Björn auf der Brücke abzulösen. Die Mahnung von Jonkov war also völlig unnötig und bloß eine weitere Schikane gegenüber den Offizieren, was sie alle auch am überaus spöttischen Lächeln des Kapitäns ablesen konnten. Irgendwie war dieser Mann krank im Kopf. Denn warum sonst plagte jemand seine Untergebenen immer wieder und unbegründet?
Igor verharrte kurz in seiner Bewegung und stierte dabei wortlos, aber düster auf den sitzenden Jonkov hinunter. Die Augen des Kapitäns glühten unter seinem Blick auf, wurden zwingend und sein Mund zog sich noch mehr in die Breite, verlieh seinem Gesicht eine grausame Grimasse. Die Augen des Zweiten Offiziers der Daisy wurden zu schmalen Schlitzen und niemand im Raum hätte sich gewundert, wenn er sich brüllend auf Jonkov gestürzt hätte, um endlich die lang angestaute innere Wut abzulassen. Stattdessen drehte sich Staniwsky jedoch brüsk ab und stapfte, ohne ein Wort zu verlieren aus dem Speiseraum, schloss hinter sich die Türe sogar sanft und leise.
Jonkov lachte bloß einmal und trocken auf, blickte anschließend die anderen Anwesenden triumphierend an, so als wenn er für sein Benehmen auch noch Beifall erwartete. Was ging bloß im Gehirn dieses Kapitäns vor sich? Bezweckte er etwas Bestimmtes mit seinen fortwährenden Sticheleien? Oder verlor er vielleicht nach und nach seinen Verstand? Keiner der Männer sprach ein Wort, sahen betreten auf die Tischplatte. Und so stand Jonkov schließlich auf und ging leise pfeifend hinaus.
Erst als die Türe hinter ihm längst ins Schloss gefallen war, wich die Anspannung unter den Zurückgebliebenen ein wenig.
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An Bord der Daisy wurde bald einmal der Bug zum liebsten Aufenthaltsort von Jules. Nur hier konnte er auf die großen und kleinen, schäumend wirbelnden Wellen hinunterschauen, die das riesige Schiff beständig vor sich hertrieb. Die Wucht und Gewalt des Rumpfes ließen das Wasser brechen und davoneilen, taumeln und aufeinanderprallen, ähnlich einer Gruppe übermütiger Clowns in der Zirkusarena. Ein Tanker hatte trotz seiner Größe wenig Majestätisches an sich. Doch wenn man an seinem Bug stand und sich die See betrachtete, wie sie sich mit aller Macht dem Schiff entgegenstemmte, sich aber trotz ihrer ungeheuren Wassermassen beugen musste, dann verstand man erst, warum der Mensch schon immer das Bedürfnis verspürte, Galionsfiguren am Bug ihrer Schiffe anzubringen, als kraftvoller Trotz gegen die Gewalt der Meere.
Die Daisy trug keine Galionsfigur. Doch als Überbleibsel dieses alten Brauches war eine Metallplatte vorne angebracht. Darauf war ein schmuckloser Dreizack abgebildet, vielleicht als Tribut an Neptun, dem wahren Herrscher der Ozeane.
Lederer freute sich ganz besonders auf die Albatrosse, die sie am Kap der Guten Hoffnung bestimmt beobachten konnten. Von Aufwinden getragen, vermochten sich diese Vögel nicht nur für Stunden, sondern für Tage über dem offenen Meer treiben lassen. Der Albatros war für Jules der wirkliche König der Lüfte, denn nur er entfernte sich gefahrlos viele Tausende von Kilometern von den Küsten und überquert ganze Ozeane. Jules hoffte auch, neben den verspielten Tümmlern auch ein paar Grauwale zu sichten, sobald sie erst einmal die warme Region um das Horn von Afrika verlassen und weiter nach Süden vorgestoßen waren. Dass sie nun aufgrund des neuen Befehls der Reederei noch eine weitere Schleife von gut zwanzig Tagen zum Suezkanal und dann zurück zum Golf drehen mussten, war ihm dagegen egal. Er genoss die ruhige Zeit an Bord, vor allem die Stunden, die er mit Björn und den anderen in freundschaftlichen Diskussionen und ernsteren Gesprächen verbrachte.
Dass die fünf Männer ihm gegenüber zwar stets freundlich und kameradschaftlich, aber immer auch etwas reserviert blieben, führte Jules auf die kurze Zeit seiner Anwesenheit an Bord zurück. Er war der Eindringling in ein bisher funktionierendes Team und es fehlten ihm zudem grundlegende Kenntnisse zur Seefahrt, so dass sie ihn nicht wirklich für voll nahmen. Zu groß war der Unterschied in ihren Lebenswegen und aus einer Landratte wurde nicht so rasch ein Seebär. Doch sie ließen ihn nicht spüren, dass er ein Außenseiter war, sondern bemühten sich redlich, ihm etwas über das Leben an Bord zu erklären und ihn so besser zu integrieren.
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An diesem Abend bereitete Jules Steaks mit grünen Bohnen und Bratkartoffeln zu. Zum Dessert gab es Apfelmus. Die Bohnen dünstete er zuerst in Butter mit kleingehakten Zwiebeln und etwas Knoblauch, würzte sie mit Bohnenkraut, Thymian und schwarzem Pfeffer, bündelte jeweils fünf oder sechs der Schoten und wickelte eine Scheibe Speck darum, stapelte die Bündel in einer hitzebeständigen Glasschüssel, die er anschließend für dreißig Minuten in den Ofen bei einhundert fünfzig Grad schob. Die Kartoffeln hatte er schon zuvor mit wenig Wasser aufgesetzt und sie garkochen lassen. Nach dem Schälen und Zerteilen briet er zuerst Zwiebelstreifen in Butter an, gab eine Handvoll Speckwürfel hinzu und schüttete dann die Kartoffelstücke in die Pfanne. Die Steaks würzte er mit Liquid smoke, schwarzem Pfeffer, Salz und etwas Zucker. Nach dem scharfen Anbraten stapelte er sie auf ein Backblech und schob sie für eine Viertelstunde in den zweiten Ofen, den er auf siebzig Grad eingestellt hatte. Das Apfelmus aus der Dose würzte er mit reichlich Muskatnuss und Zimt nach. Selbst aus Konserven konnte man Leckeres zaubern, wie sich der Schweizer einredete. Doch alles in allem war das Essen bloß bescheidene Hausmannskost. Seine Kochkünste reichten nicht für höhere kulinarische Genüssen. Chufu, der Schiffsjunge, schüttelte auch dieses Mal fortwährend und ungläubig seinen Kopf, so als wenn er sagen wollte: Das gibt bestimmt wieder Ärger mit dem Kapitän.
Doch die Anfeindungen waren Jules Lederer im Grunde genommen völlig egal. Jonkov würde bestimmt auch heute, wie an den beiden Abenden zuvor, grußlos in den Speiseraum treten, sich zu seinem Stuhl hinbewegen, dabei das Essen grimmig und abweisend anstarren und sich leise fluchend an den Tisch setzen, sich lustlos von ihm bedienen lassen und mit mechanischen Bewegungen das Messer hin und her bewegen, die Gabel zum Mund führen, kauen, schlucken, kaum einmal vom Teller aufblicken. Nach dem Essen stand er jeweils, ohne ein Wort zu verlieren auf und verschwand. Mit seinem Verhalten wollte der Kapitän dem neuen Koch wohl seine abgrundtiefe Verachtung und Missbilligung zu verstehen geben. Jules war sich sicher, dass der sture Bulgare sein abweisendes Verhalten ihm gegenüber auch in den nächsten Wochen nicht mehr ablegen würde. Zu sehr wurmte ihn immer noch der Verlust seines ausgezeichneten chinesischen Kochs in Kuwait City.
Doch auch Björn schwärmte Jules immer wieder von den Kochkünsten des Chinesen vor, von glasierter, zarter Ente, von hundertjährigen Eiern mit unbeschreiblicher Geschmacksfülle, von Gemüsekreationen, perfekt abgeschmeckt mit Sojasoße und exotischen Gewürzen. Kein Wunder fand der Kapitän keinen Draht zu seinem unbeholfenen neuen Koch.
Dass Jules trotzdem zusammen mit den Offizieren am selben Tisch in der Messe sitzen und mit ihnen essen durfte, war kein Entgegenkommen oder gar Anerkennung von Jonkov, wie ihm Björn gleich am ersten Abend bei einem Schlummertrunk verraten hatte. Der Kapitän wollte einfach sicher gehen, dass ihm seine Bauchbetrüger, wie er alle Köche nannte, keinen Fraß vorsetzten und selbst besser speisten.
Das Abendessen musste exakt um sechs Glasen aufgetragen werden. Chufu brachte Björn, der um diese Zeit die Plattfußwache auf der Brücke ging, das Essen auf einem Tablett ins Steuerhaus hoch. Wie die Abende zuvor beendete Jonkov sein Mahl keine zwanzig Minuten nach Beginn, legte den kleinen Löffel in das nun leere Apfelmusschälchen, schob es dann mit einem Ruck von sich weg, stand wortlos auf und ging ohne Gruß aus der Offiziersmesse.
Die anderen blieben noch sitzen und langsam kam etwas Ähnliches wie ein Gespräch auf. Alle wussten, dass der Kapitän in der nächsten Stunde wie jeden Abend eine Runde auf dem Schiff drehen würde. Allein, nur mit dem leichten Vibrieren der Motoren unter seinen Füssen und dem lauen Südwind im Gesicht, schien sich Jonkov so am besten entspannen zu können. Manchmal ging er nach dem Abendessen bis zum Bug des riesigen Schiffes vor, auch bei hoher See, wie die anderen ihm erzählten. Das konnte zu einem äußerst gefährlichen Ausflug werden, denn ein bis zur Sommerlinie vollbeladenes Tankschiff lag so tief im Wasser, dass jede größere Welle das Deck überspülte. Der Kapitän schien an solchen Tagen eine gewisse Todessehnsucht zu verspüren. Aber seine manchmal recht abenteuerlichen Spaziergänge waren längst nicht die einzige selbstzerstörerische Marotte von Hochseekapitänen, wie die anderen Europäer Jules erzählten.
»Habt ihr den von Kapitän Myers schon gehört?«, begann Ikon Bringsham eine seiner vielen Seemannsgeschichten. Die anderen kannten sie wohl alle längst schon. Nur für Jules waren sie neu.
»Er war schon etwas älter, als er bei der Reederei Neptunia in Antwerpen anfing. Er übernahm die Seastar, einen dreihunderttausend Tonnen Tanker. Ein guter Kollege von mir, Herb Hassel, war dort Erster Maschinist. Noch am Tag seiner Ankunft an Bord ließ Kapitän Myers alle Möbel aus seiner Kabine schaffen, behielt nur einen Stuhl und eine nackte Glühbirne drinnen. Und nach dem Auslaufen in Le Havre hat ihn die Besatzung bis zum Einlaufen in Kuwait nicht mehr gesehen. Myers ließ sich stets um acht Glasen abends etwas Brot mit Käse zu seiner Kabine bringen. Das Tablett musste vor seiner Tür abgestellt werden. Ein paar Minuten später ging die Tür nur spaltweit auf, aus dem Dunkel schnellte ein nackter Arm hervor und eine Hand klaubte rasch das Essen vom Tablett zusammen. Dann schlug die Türe auch schon wieder zu. Herb hat das selbst ein paar Mal beobachtet. Was der Kapitän aber in seiner Unterkunft getrieben hat, mit seinem einzigen Stuhl und der Glühbirne, haben sie nicht rausgekriegt.«
»Und was willst du uns damit sagen?«, fragte sein Kumpel Hide Kitchener.
»Was ich damit sagen will? Na, dass es noch viel seltsamere Kapitäne gibt als unseren Jonkov. Die Reedereien nehmen doch mittlerweile alles unter Vertrag, was sie an Offizieren bekommen können. Seit die Containerschiffe den Gütertransport revolutioniert haben, will kaum mehr jemand, der noch bei Verstand ist, auf diesen öden Tankern seinen Dienst tun. Allein schon wegen dem viel höheren Unfallrisiko und der Eintönigkeit der Fahrten, weit weg von den Häfen und Städten der Welt.«
Die anderen am Tisch nickten zustimmend, bis auf Lederer, der mit einer Frage zu höherem Unfallrisiko nachhakte.
»Ach, du bist ja neu an Bord und hast es noch nie erlebt. Weißt du, Jules, wenn wir entladen haben, jeweils auf der Rückfahrt zum Golf, müssen alle Tanks gesäubert und gleichzeitig auf Schäden hin inspiziert werden. Bei dieser Arbeit gibt es die meisten Toten an Bord eines Tankers.«
Der Koch blickte ihn fragend und etwas ungläubig an.
»An den Tankwänden bleiben immer einige Tonnen Erdöl kleben. Sobald das Schiff leergepumpt ist, vergast ein Teil dieses Öls. Wenn jemand ohne Sauerstoffgerät in eine solche Gasblase gerät, dann erstickt er innert kürzester Zeit. Auch genügt der kleinste Funken, um das Teufelszeug zur Explosion zu bringen. Wer in diesem Moment unten in den Tanks hockt, hat nicht die geringste Überlebenschance. Die Druckwelle einer Gasexplosion zerquetscht alles, was sich in ihrer Nähe befindet. Mittlerweile filtern die moderneren Tanker aus der Abluft ihrer Dieselmotoren das Kohlendioxid heraus und pumpen es in die Tanks, noch während sie entladen werden. Das Kohlendioxid verhindert weitgehend die Explosionsgefahr, weil das restliche Erdöl gar nicht vergasen kann. Auch die Daisy wurde vor ein paar Jahren auf diese Weise nachgerüstet. Doch wenn dir dort unten dein Sauerstoffgerät versagt, dann bist du genauso hin.«
»Und wer muss diesen Höllenjob ausführen? Die Mannschaft?«
»Die Inspektion muss zwingend durch einen der nautischen Offiziere erfolgen. Jonkov, Björn und Igor ziehen jeweils Streichhölzer, um die arme Sau unter sich auszumachen. In den allermeisten Fällen zieht Björn das kürzeste Hölzchen. Wahrscheinlich bescheißt Jonkov bei der Verlosung. Und ich denke, Björn vermutet das auch längst.«
»Was vermute ich?«
Björn stand grinsend unter der Türe und strahlte die Männer am Tisch an. Seine Wache war zu Ende und er gesellte sich wie jeden Abend zu ihnen.
»Ach, nichts. Ich hab Jules nur von den Inspektionen in den Tanks erzählt.«
»Alles halb so wild«, meinte der Erste Offizier leicht hin und sein Gesicht strahlte dabei, »für richtige Männer mit Haaren auf der Brust, meine ich. Igor hat heute früher als üblich seine Wache begonnen. Keine Ahnung, warum der Kerl freiwillig Mehrarbeit leistet. Na, mir kann’s egal sein. Was trinkt ihr?«
»Wir verputzen die letzte Flasche 92er Port. Machst du mit?«
Björn setzte sich zu ihnen und die Männer stießen mit neu gefüllten Gläsern an.
»Weiß noch jemand eine Geschichte über Jonkov, die noch nicht alle von uns kennen?«, fragte Ikon dann in die Runde. Björn räusperte sich, so dass alle erwartungsvoll zu ihm hinblicken. Die Männer warteten auf eine weitere haarsträubende Erzählung des Ersten Offiziers, bei der am Ende immer Zweifel über den tatsächlichen Anteil an Wahrheit blieb.
»Wir waren im Winter unterwegs, ums Kap herum. Es war stürmisches Wetter«, begann der Erste Offizier. Seine Stimme war leise und er sprach langsam, so als müsste er sich die Einzelheiten der Begebenheiten erst mühsam in seinem Gehirn zusammensuchen.
»Ein Frachtschiff, die in Panama registrierte Eleonore mit fünfzigtausend Tonnen Zuladegewicht, kreuzte unsere Fahrtroute von Steuerbord kommend. Gemäß Seerecht hatte der Frachter also Vortritt vor uns. Doch statt die Geschwindigkeit zu drosseln oder einen etwas spitzeren Winkel zu fahren, befahl der Kapitän, stur geradeaus zu halten und die Eleonore einfach zu ignorieren. Auf dem Frachter musste wohl der Bruder von Jonkov als Kapitän Dienst getan haben, denn auch dieser Idiot wich keinen Strich von seinem ursprünglichen Kurs ab und verringerte auch seine Fahrtgeschwindigkeit um keinen Deut. Eigentlich hatte ich damals Wache. Doch der Kapitän blieb die ganze Zeit über neben mir stehen, so dass ich nichts unternehmen konnte. Ein paar Mal hab ich ihn um Erlaubnis gebeten, wenigstens Funkkontakt zum anderen Schiff aufzunehmen. Doch Jonkov lehnte strickte ab. Wozu sollte das gut sein?, meinte er teuflisch lächelnd, wir sind eh schneller als der Winzling und darum besteht für uns auch keinerlei Gefahr. Und so liefen die beiden Schiffe unausweichlich aufeinander zu. Am Ende behielt die Daisy knapp die Nase vorn und passierte den Schnittpunkt etwa fünfhundert Meter früher als die Eleonore. Jonkov jedoch war trotz der stürmischen See auf den Steuerbordausleger getreten, wo ihn die Böen hin und her beutelten. Als er sah, wie der kleine Frachter durch die wilden Turbulenzen unserer Heckwellen schneiden musste und dabei kräftig durchgeschüttelt wurde, klopfte er sich vor Freude auf die Schenkel. Ich sag euch, irgendwann versenkt uns der Kapitän mit seinen sturen Gehabe noch. Doch Jonkov ist nun mal der Kapitän und solange die Reederei ihn auf seinem Posten belässt, sind seine Anordnungen einzuhalten.
»Und du lässt das einfach so mit dir machen?«, fragte ihn Jules Lederer staunend.
»Natürlich. Er ist der Kapitän.«
»Und wenn er dich und die Besatzung mit seinem dummen Verhalten umbringt?«
»Auch dann bleibt er mein Vorgesetzter.«
»Das ist doch Irrsinn, Björn?«
Eindringlich sah er Engsholm an.
»Nein, das sind die eisernen Regeln an Bord eines Schiffes. Weißt du, Jules, wenn du als Offizier auf See ein einziges Mal gegen die Anordnungen deines Kapitäns handelst, dann wirst du niemals in deinem Leben ein Schiff führen. Das gehört zu den ungeschriebenen Gesetzen zwischen den Reedereien und den obersten Offizieren auf See. Wenn ich also irgendwann einmal selbst als Kapitän auf einem Tanker oder Frachtschiff unterwegs sein will, muss ich mich an diese Bestimmung zwingend halten.«
Fassungslos sah der Koch den Ersten Offizier an. Von Björn hatte er also keine Unterstützung zu erwarten, falls er gegen den Kapitän vorgehen musste. Und Jules hatte so eine Ahnung, dass sie bestimmt noch heftig aneinandergeraten würden.