Читать книгу Im Eissturm der Amsel - Kerstin Groeper - Страница 14

Missouri Herbst 1809

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Pierre DuMont war sehr zufrieden, als er an diesem Abend zu seinen Leuten zurückkehrte. Der Tauschhandel war gut verlaufen, und die wertvollste Fracht würde morgen eintreffen: seine Squaw! Sie war jung und hübsch und würde keine Zicken machen. Squaws fügten sich dem Mann und waren harte Arbeit gewöhnt. Die erbeutete Waffe war ein gutes Tauschobjekt gewesen. Die kleinen Geschenke, die er der Familie gegeben hatte, waren kaum erwähnenswert. Und die Decke und den Kessel brachte das Mädchen als Hausstand wieder in die Ehe mit. Das zählte also nicht. Pierre war sehr zufrieden. Die Investition würde sich lohnen, und wenn er nach St. Louis zurückkehrte, konnte er die Squaw immer noch verkaufen und hätte dann einen Gewinn gemacht. Selbst in zwei oder drei Jahren wäre sie immer noch jung genug, sie einem anderen Trapper zu geben.

Pierre traf sich ein letztes Mal mit Chouteau, der nicht nur ein Partner der Company war, sondern aus einer der vornehmsten Familien stammte: Sein Vater René Auguste Chouteau war einer der Gründungsväter von St. Louis. Er hatte enormen Einfluss und saß im Komitee der Stadt. Sein Sohn war in dessen Fußstapfen getreten und hatte die Geschäfte übernommen, für die sein Vater langsam zu alt wurde.

Chouteau hatte nicht nur gute Nachrichten: „Meriwether Lewis hat der Fur Company viel Geld gegeben, um Sheheke shote zu seinem Volk zurückzubringen. Nachdem sein Bruder Reuben Lewis ebenfalls an der Company beteiligt ist, bleibt das Geld ja irgendwie in der Familie. Aber als Gouverneur des Louisiana Territoriums wird er da wohl Rede und Antwort stehen müssen.“ „Was hat es denn so teuer gemacht?“, erkundigte sich Pierre erstaunt.

„Die Arikara und Tituwan haben ihn beim ersten Mal nicht durchgelassen – obwohl Lewis Soldaten mitgeschickt hatte. Auch jetzt sind wir ja eine ziemlich starke Truppe. Das kostet richtig viel Geld. Thomas Jefferson war Sheheke shote jedoch wohlgesonnen und hat es sich was kosten lassen, den Chief bei Laune zu halten und seine Rückkehr anzuordnen, aber keiner weiß, ob der neue Präsident James Madison diese Summen absegnen wird. Er mag Lewis nicht.“

Pierres Augen wurden groß. „Warum nicht?“

Chouteaus Stimme wurde zu einem vertraulichen Flüstern. „Alkohol und zu viel Opium!“

„Schade!“ Pierre zuckte mit den Schultern. Dann wechselte er das Thema, denn Politik interessierte ihn nicht sonderlich. „Was habt ihr als nächstes vor?“

„Wir ziehen den Missouri aufwärts. Wir haben genug Ausrüstung für Forts und den Handel mit den Indianern dabei. Im Frühjahr wollen wir nach St. Louis zurückkehren und ordentlich Gewinn machen.“

Pierre nickte grinsend. „Bringen Biberfelle immer noch so viel ein?“

„Ah, die Preise sind etwas gefallen, aber bis zum Frühjahr erholen die sich schon wieder.“

Pierre genügte das. Er hatte ohnehin einen Vertrag mit der Company, und so würde ein Gewinn oder Verlust ihn nicht so sehr berühren. „Ich kehre zum Fort Lisa zurück. Das wäre auch für euch ein guter Stützpunkt. Von dort aus könnt ihr den Missouri hinauf. Es ist schon ziemlich spät im Jahr. Warum fahrt ihr nicht bis zum Bighorn und überwintert in Fort Raymond? Wir haben eine kleine Besatzung zurückgelassen. Die werden über Verstärkung froh sein! Dann seid ihr genug, um es gegen die Rothäute zu verteidigen. Letzten Winter waren wir reichlich unterbesetzt. Ich war ganz schön froh, als Lisa mit Verstärkung aufgetaucht ist.“

„Klingt nach einem guten Plan!“ Jean Chouteau legte nachdenklich die Stirn in Falten. „Aber eigentlich wollten wir lieber den Missouri hoch!“

Dann schlug er dem Trapper gutmütig auf die Schulter. „Komm doch mit uns, dann kannst du was erleben.“

Pierre zögerte einen Augenblick. „Ich überleg’s mir. Biber gibt es da schon. Ich wollte im Winter ohnehin wieder mehr in Richtung des Yellowstone … immerhin werde ich fürs Fallenstellen bezahlt … mal sehen.“

Pierre DuMont lächelte, als am Morgen die Familie der Squaw am Ufer auftauchte und in ihrer Mitte die Braut brachte. Sie trug einige Bündel, sodass er sich wohl keine Sorgen um Kleidung und dergleichen machen musste. Mit so einer Squaw an einer Seite würden die Wintermonate schnell vergehen. Einige Männer pfiffen bewundernd, und Pierre winkte ungeduldig ab. „Klappe halten!“, rief er energisch. „Die ist nichts für euch!“

„Uh, hat der Meister nun einen Bettwärmer?“, fragte einer anzüglich.

„Such dir selber eine!“, gab Pierre zurück.

Die Bemerkungen verstummten, und Pierre sprang an Land und nahm hilfsbereit die Bündel entgegen, ehe er der Frau auf das Boot half. Unsicher stand sie da und wusste nicht, wo sie sich hinbegeben sollte. Das Boot hatte nur einen kleinen Aufbau, wo nun die Vorräte untergebracht waren. Pierre räumte einige Kisten beiseite und schuf so einen kleinen Platz für die Braut. „Hier, setz dich her!“, sagte er zuvorkommend. Schweigend brachte Mato-wea ihre Bündel an den zugewiesenen Platz und setzte sich dann auf eine Kiste. Sie winkte nicht und rief auch keine Worte des Abschieds zu ihrer Familie. Sie saß nur da und sah zu, wie die Männer ablegten und das Dorf aus ihrem Sichtfeld verschwand. Pierre trat zu ihr und strich ihr sanft über die Wange. „Bon jour, meine kleine Mato-wea. Wir werden es schön haben!“

Mato-wea senkte scheu den Blick und musterte ihre Mokassins. Es war ihr anzusehen, dass sie sich unter all diesen Männern nicht wohl fühlte. Sie verstand die Sprache nicht, kannte deren Bräuche nicht, und sie konnte nur ahnen, was Pierre wohl von ihr verlangen würde. Sein anzügliches, freches Lächeln war ihr fremd. Auch die direkten Blicke, die sich in ihre Augen und in ihre Seele fraßen, waren ihr unangenehm. Es war, als wollte der Mann ihre Seele stehlen. Die anderen Männer waren zum Glück mit Rudern beschäftigt, sodass ihr weitere Blicke erspart blieben. In sich versunken blickte sie auf das Wasser, das ruhig an ihr vorbeiglitt. Manchmal flüchteten Enten in das Schilf am Ufer, während über ihnen freche Möwen hin und her sausten und darauf warteten, dass etwas ins Wasser fiel, das sie sich geschickt holen konnten.

Die Männer hatten ein großes Tuch gespannt und kreuzten auf dem Fluss hin und her. Zusätzlich hatten sie lange Ruder, mit denen sie das Schiff vorantrieben. Ihre Hände waren schwielig, und eine Hornhaut hatte sich gebildet, wo sie die Ruder in der Hand hielten. „Pull!“, erklang der eintönige Befehl. „Pull!“ Dann wurde die Strömung stärker, und die Männer sprangen von Bord, nahmen lange Seile und zogen das Boot stromaufwärts. Auch die anderen Boote verfuhren auf diese Weise. Mato-wea staunte über die körperliche Leistung, die die Männer bereit waren zu geben. Sie bemerkte auch, dass immer ein paar der Soldaten als Kundschafter vorausgingen und die Gegend sicherten. Die Männer waren gut organisiert.

Am Abend vertäuten die Männer die Boote am Ufer und bauten ein einfaches Lager auf. Essen wurde verteilt und Kaffee gekocht. Pierre brachte auch seiner Frau etwas zu essen und baute dann an Deck einen Lagerplatz für die Nacht. Er gab Mato-wea einen Becher mit Wasser, in das er etwas von dem Fusel mischte, den sie zum Tauschen mit den Indianern verwendeten. Er wollte, dass die Frau sich entspannte, denn schließlich war das hier seine Hochzeitsnacht. Er hatte mit einem Gewehr für sie bezahlt und wollte nun wissen, was er da gekauft hatte. Mato-wea schüttelte sich, als sie den seltsamen Geschmack im Mund hatte, doch Pierre zwang sie immer wieder, einen Schluck zunehmen. „Nun mach schon, meine Hübsche. Dann tut es nicht so weh!“

Mato-wea verstand nicht, was da mit ihr geschah. Das Getränk schmeckte seltsam, und sie wollte es daher nicht trinken. Sie tat es nur, um ihm zu gefallen, doch schnell wurde ihr schwindelig davon. Es fiel ihr schwer, die Augen offen zu halten, und so sackte sie bald auf das Fell, das er als Lager ausgebreitet hatte. Die Stimmen der anderen Männer am Ufer verschwammen, und eine tiefe Müdigkeit überfiel sie. Vielleicht war es gut so, denn so bekam sie nur im Halbschlaf mit, was er tat. Sie fühlte, wie der Mann sie entkleidete und unschicklich an die Brüste fasste. Sie wollte sich wehren, aber ihre Glieder waren so schwer. Sie hatte die Augen geschlossen, als er sich auf sie legte und nach ihrer Weiblichkeit tastete. Ihre Tante hatte ihr befohlen, still zu liegen und den Mann tun zu lassen, was er wollte. „Bald wird es dir gefallen, mein Kind!“, hatte sie gesagt. Willenlos ergab sie sich dem Geschehen, auch weil eine angenehme Müdigkeit von ihrem Körper Besitz ergriff. Irgendetwas tat kurz weh, doch dann spürte sie sein Geschlecht in sich. Davor hatte sie sich also gefürchtet!

Der Mann keuchte vor Lust und stieß sie mit rhythmischen Bewegungen. Ihr drehte sich der Kopf, und sie kämpfte mit der Übelkeit, die in ihr aufstieg. Während er sich nach kurzer Zeit zufrieden auf die Seite rollte, kroch sie an die Bordwand zur vom Land abgewandten Seite und übergab sich. Dann kniete sie dort, tauchte ihre Hand in das Wasser und versuchte, ihren heißen Kopf zu kühlen. Nie wieder würde sie dieses Wasser trinken!

Pierre dagegen war glücklich. Er hatte das letzte Mal vor zwei Jahren mit einer Frau geschlafen, und die aufgestaute Lust war geradezu im Leib seiner Squaw explodiert. Puh, nie wieder würde er so lange warten! Es gab bestimmt genug Weiber, zu denen er sich legen konnte. Er wischte sich über die Stirn und grinste. So ein hübsches Ding zu haben, war eine gute Entscheidung gewesen. Er hatte keine Lust auf irgendwelche fette Matronen, die ihn mal schnell drüberließen. Nein, er hatte eine Jungfrau gestochen, und das war ein unglaubliches Gefühl gewesen. Er stand auf, um nach ihr zu sehen und fand sie an der Bordwand. Wahrscheinlich hatte sie den Alkohol nicht vertragen. Auch nicht schlecht, dann konnte er den Fusel für sich selbst aufsparen. Er hob sie einfach hoch und trug sie zu der Decke zurück. „Das wird schon wieder!“, murmelte er freundlich.

Mato-wea erwachte am nächsten Morgen mit fürchterlichen Kopfschmerzen. Sie trank ein wenig Wasser, das Pär ihr reichte, und verweigerte das Essen. Sie konnte unmöglich irgendetwas zu sich nehmen. Immer noch fühlte sie die Übelkeit in sich. Teilnahmslos beobachtete sie, wie die Männer die Boote klarmachten und wieder mit langen Seilen durch das Wasser zogen. Die Sonne stach vom Himmel, trotzdem sangen die Männer ein seltsames Lied. Die schwere Arbeit schien ihnen nichts auszumachen. Ihr Ehemann gab zwischendurch Befehle, und es beruhigte sie, dass sie offensichtlich einen Häuptling der Fremden geheiratet hatte. Manchmal streifte er sie mit einem wohlwollenden Blick, und das beruhigte sie. Nur das seltsame Wasser wollte sie nie wieder trinken. Sie zog aus ihrem Bündel eine Näharbeit und vertiefte sich während des langen Tages in diese Tätigkeit. Alles schien ihr fremd zu sein und unter gesenkten Wimpern versuchte sie all die neuen Dinge zu begreifen. Sie fragte nie, sondern beobachtete das seltsame Treiben. Es wunderte sie, dass diese Männer all die Dinge erledigten, die sonst Frauen taten. Sie holten Wasser, kochten, gerbten, jagten, flickten und sammelten Holz. Warum hatten sie keine Frauen dabei? Es erschien ihr, als wären all diese Männer auf einem Kriegszug. Nur das würde erklären, warum sie diese Dinge taten. Würden am Ende der Reise ihre Frauen auf sie warten? Und warum legten die Männer überhaupt so große Entfernungen zurück, wenn es doch überall Biber und andere Tiere gab? Sie wäre lieber in der Nähe ihrer Familie geblieben. Hier und da schnappte sie einzelne Wörter auf, aber noch war sie zu schüchtern, sie zu benutzen. Wenn Pär das Wort an sie richtete, lächelte sie scheu und senkte stets den Blick. Noch war sie unsicher, was sie als seine Frau zu tun hatte. Nicht einmal das Kochen konnte sie erledigen, denn das taten die Männer mit großen Kesseln, aus denen auch sie sich die Suppe schöpfte. Pär meinte, dass dies nur während der Reise der Fall sei. „Warte ab!“, zeigte er in Zeichensprache. „Wenn wir unser Ziel erreicht haben, dann gibt es viel Arbeit für dich.“ Also wartete Mato-wea ab. Sie saß auf dem Boot und sah zu, wie die Landschaft an ihr vorüberglitt. Anscheinend reichte es ihrem Mann, wenn er sie nachts unter der Decke liebkosen konnte.

Nach einigen Tagen erreichten die Boote endlich Fort Lisa. Natürlich gab es einen Auflauf, als die Trapper auch die anderen Schiffe bemerkten, die Pierre DuMont gefolgt waren. Neuigkeiten wurden ausgetauscht und der Proviant abgeladen. Jean Chouteau und Andrew Henry begrüßten ihre Partner und ließen einen Teil der Tauschgüter da, ehe sie weiter stromaufwärts aufbrachen. Pierres junge Braut wurde von allen bestaunt, obwohl auch andere Trapper indianische Ehefrauen hatten. Charbonneau, der ebenfalls bei der Expedition von Lewis und Clark dabeigewesen war, traf mit zwei Frauen und Sohn ein. Er hatte für kurze Zeit in St. Louis gewohnt, wo er eine kleine Farm betreiben wollte. Doch er hatte sich entschieden, der Zivilisation den Rücken zu kehren und wieder bei den Hidatsa zu leben. Er sprach kein Englisch, obwohl er immer wieder Kontakt zu Engländern hatte, und sein Hidatsa war auch nicht überwältigend. Pierre wunderte sich, wie er sich mit seinen beiden indianischen Ehefrauen unterhielt. Sein kleiner Sohn dagegen schien sich in allen Sprachen unterhalten zu können. Er war vier Jahre alt und wurde von allen „Pomp“ genannt. Manuel Lisa hatte einen Narren an ihm gefressen und sorgte dafür, dass Charbonneau und seine Frauen eine kleine Hütte bekamen. Eine der Frauen war den Männern bestens bekannt, denn sie hatte bereits an der Expedition von Lewis und Clark teilgenommen. Sie hieß Sacaja-wea. Die andere Frau wurde Otterfrau gerufen. Charbonneau wollte wieder los, um seine Fallen aufzustellen. Als er hörte, dass Colter bis an die Stelle ziehen würde, die Three-Forks genannt wurde, war er jedoch nur verhalten begeistert. „Da gibt es viele Biber! Leider auch viele Grizzlys. Ich habe den Ort gesehen … gutes Gebiet zum Fallenstellen, aber für meinen Geschmack gibt es dort zu viele Blackfeet.“

Pierre DuMont unterhielt sich mit ihm und fragte nach, woher der seltsame Name „Three Forks“ kam. Charbonneau grinste leicht. „Das ist die Stelle, wo der Jefferson, Madison und Gallatin zusammenfließen und den Missouri bilden. Lewis und Clark haben die Namen gewählt: Jefferson nach unserem Präsidenten, Madison nach dessen Außenminister und inzwischen viertem Präsidenten. Der Kerl ist gerade erst gewählt worden. Und Gallatin zu Ehren des Finanzministers – ein bisschen viel der Ehre!“

„Na ja, jedenfalls kann man sich diese Namen leichter merken als Charbonneau.“ Die beiden sprachen in Französisch und lachten gut gelaunt.

„Und was machst du?“

Pierre kniff leicht die Augen zusammen. Er hatte gerade erst erfahren, dass er mit einer Barkasse zum Fort Raymond am Bighorn zurückkehren sollte. Colter hatte tatsächlich ein paar wagemutige Trapper gefunden und wollte mit seiner Expedition über Land bis nach Fort Raymond ziehen und von dort aus dann in die Berge bis zu den Three Forks aufbrechen. Leiter der Expedition sollte Andrew Henry sein, der die Expedition im Namen der Company finanzierte. Er wollte ebenfalls zu den Three Forks, wählte jedoch den Weg per Barkasse, um bis Fort Raymond zu gelangen. Erst dort wollte er sich Colter anschließen. Ein Teil der Ausrüstung wurde auf zwei Barkassen verladen, die Pierre und Henry nach Fort Raymond zurückführen sollten, der Rest wurde auf Pferde und Mulis verladen. Pierre wunderte sich, warum die angeheuerten Trapper nicht mit der Barkasse fuhren, doch Colter schüttelte den Kopf. „Auch der Yellowstone ist irgendwann schlecht zu befahren, und dann rüber zu den Three Forks ist mit einem Boot nicht zu schaffen. Wir nehmen Pferde und Maultiere und ziehen dann in die Berge. Komm doch mit uns! Dort oben gibt es so viele Biber, dass du nach einem Winter ein gemachter Mann bist.“

„Wenn mein Auftrag erfüllt ist, könnte ich vielleicht mit.“ Pierre fand die Idee, im Schutz einer Expedition vorzustoßen, gar nicht so schlecht.

„Klar!“, bot Colter an. „Schauen wir mal, wer schneller am Bighorn ankommt! Du mit dem Boot oder wir mit den Pferden!“ Colter lachte dröhnend. Dann verschwand er mit langen Schritten, um sich wieder um die Ausrüstung zu kümmern. Sie tauschten Pferde bei den Hidatsa, packten Vorräte ein und verstauten ihre Waren in den Packsätteln. Ein Teil war zwar auf der Barkasse, aber es blieben noch genug Handelswaren und Ausrüstung übrig, die über Land transportiert werden sollten.

Pierre DuMont und Andrew Henry erhielten von Lisa letzte Anweisungen für die Rückreise zum Fort Raymond, dann verabschiedeten sie sich von den Trappern, die in Fort Lisa blieben. Pierre fand es schade, dass Charbonneau sich nicht anschließen wollte, denn dann hätte Mato-wea von den beiden Frauen lernen können, was als Frau eines Trappers zu tun war.

Charbonneau schlug ihm kameradschaftlich auf die Schulter. „Mach dir keine Sorgen! Deine Squaw weiß schon, was zu tun ist. Das muss ihr keiner zeigen.“

Pierre schaute ihn etwas zweifelnd an, und Charbonneau grinste. „Es reicht, wenn sie die Beine breit machen, wenn du es willst. Glaub mir!“

Pierre lachte, obwohl ihn die derbe Ausdrucksweise des Trappers etwas störte.

Charbonneau wurde wieder ernst. „Und was hast du vor, wenn du den Stützpunkt erreicht hast?“

„Ich werde wohl Colter und Henry auf ihrer Expedition begleiten!“, meinte Pierre zögernd. „Wenn es dort viele Biber gibt, wie Colter meint, dann kann ich gut verdienen. Außerdem habe ich keine Angst vor den Blackfeet. Ich habe ja meine Squaw dabei – die wird schon wissen, wie man mit den Indianern zurechtkommt.“

„Das glaube ich nicht!“, widersprach Charbonneau mit einem Kopfschütteln. „Sie ist nur hilfreich, wenn sie vom selben Volk stammt. Ansonsten hat sie Glück, wenn sie bei einem Angriff nicht getötet wird.“

Pierre runzelte die Stirn. „Wir sind ja eine große Truppe. Wird schon nicht so schlimm werden!“

Pierre hatte die nächsten Tage alle Hände voll zu tun, Vorbereitungen für die Abfahrt zu treffen. Manchmal beobachtete er, wie Charbonneau seine beiden Squaws behandelte, und war nun doch froh, dass dieser Grobian nicht mitkommen würde. Er sah keinen Grund, eine Frau zu schlagen, wenn sie willig war und gehorchte. Es wurde ziemlich kalt, und er frohlockte, als endlich die Zeit des Aufbruchs kam. Der Missouri hatte einen niedrigen Pegel und kaum Strömung, sodass es leicht gewesen wäre, stromaufwärts zu fahren. Er beobachtete, wie ein Boot in Richtung St. Louis aufbrach, in dem sich auch Manuel Lisa und Benito Vazquez befanden. Sie wollten sich in St. Louis um ihre Geschäfte kümmern. Pierre hatte Lisa einen Brief an seine Eltern mitgegeben, damit sie sich keine Sorgen machten. Es wäre das erste Lebenszeichen von ihm seit mindestens zwei Jahren. Er schrieb nur, dass die Geschäfte gut liefen und er sich bester Gesundheit erfreute. Mato-wea erwähnte er lieber nicht. Seine Eltern hätten da wenig Verständnis gehabt. Seine Mutter war gottesfürchtig und wäre mit einer Heidin und Wilden als Schwiegertochter kaum einverstanden gewesen. Manuel Lisa versprach, die Familie von Pierre aufzusuchen und den Brief zu übergeben. Auch er hatte Familie, die sich sicherlich nach ihm sehnen würde. Lisa hatte eine Ehefrau in St. Louis, die er nicht den ganzen Winter allein lassen wollte. Zum Erstaunen von Pierre hatte er den kleinen Jungen von Charbonneau dabei. Er sollte auf Wunsch von William Clark in St. Louis eine Schule besuchen.

Pierre hatte gesehen, wie die Indianerin sich von dem Kind verabschiedet hatte, und sich gewundert, wie ruhig und wenig sentimental dies vonstatten gegangen war. Vielleicht ahnte sie, dass der Junge es in der Obhut von Clark besser haben würde als bei seinem jähzornigen Vater. Der französische Trapper hatte keinen so guten Ruf. Außerdem schien Sacaja-wea nicht bei guter Gesundheit zu sein.

Auch Benito Vazquez, der alte Halunke, freute sich auf sein Zuhause. Er hatte eine Französin geheiratet und mit ihr elf Kinder gezeugt. Der Jüngste war gerade neun Jahre alt … für einen solchen Greis wie Benito eine starke Leistung. Er hatte sich einen hartnäckigen Husten zugezogen und hoffte, in St. Louis einen Arzt aufsuchen zu können. Als „Clerk“, der Leiter des Forts, blieb Reuben Lewis, der Bruder von Meriwether Lewis zurück.

Einen Tag später ließ Pierre endlich ablegen. Er hatte in der Kajüte einen kleinen Platz freigelassen, der Mato-wea vorbehalten war. Es wurde bereits kalt, und der Wind war unangenehm, sodass die Frau ganz froh war, einen geschützten Bereich zu haben. Er hatte ihr Nadel und Faden gegeben, damit sie sein Hemd flickte, und sie arbeitete eifrig daran. Sie hatte bereits einige Worte seiner Sprache gelernt, wobei sie wahllos Englisch und Französisch vermischte. Woher sollte sie auch wissen, dass es zwei Sprachen waren, die sie hörte? Er fand ihr Kauderwelsch ausgesprochen lustig und bestärkte sie darin, neue Worte zu lernen. Bisher hatte er sie noch nie schlagen müssen. Er war sich noch ein wenig unsicher, ob er sie mehr als Sklavin oder eher als Gefährtin sehen sollte, aber das machte hier draußen wohl kaum einen Unterschied. Charbonneau hatte seine Squaws ja auch als Ehefrauen bezeichnet. Er meinte, dass es bei den Indianern üblich sei, für seine Ehefrau zu bezahlen.

Die Reise ging flussaufwärts, wobei sie die Boote oft ziehen mussten. Es war beschwerlich und kostete enorm viel Zeit. Die Landschaft glitt an ihnen vorbei – manchmal Prärie, dann wieder lichte Wälder oder seltsame Gesteinsformationen. Sie sahen jede Menge Wild, das aber verschwand, als sich die Boote näherten. Manchmal schossen sie vom Boot aus auf Gabelbockantilopen, Weißwedelhirsche oder sogar Bären. Einmal erwischten sie eine Bärin mit ihren Jungen und freuten sich auf das leckere Fleisch. Pierre war froh, als sie nach Tagen die Mündung des Yellowstone erreichten, der hier tatsächlich breiter als der Missouri war. Ab hier mussten sie fast nur noch das Boot gegen die Strömung ziehen. Kein Wunder, dass Colter den Landweg genommen hatte. Wahrscheinlich hatte er das Fort schon längst erreicht. Schnee lag in der Luft, und Pierre runzelte besorgt die Stirn. Er hoffte, das Fort zu erreichen, ehe die Flüsse gefroren. Mit gerunzelter Stirn beobachtete er den grau verhangenen Himmel. Unvermittelt setzte der erste Schneesturm ein, und die Männer vertäuten die Boote am Ufer und warteten ab. Frierend bauten sie mehrere Unterschlupfe, entzündeten Feuer und hofften, dass das Wetter sich beruhigte. „So ein Mist“, murrte Andrew Henry. „Der Winter kommt dieses Jahr früh!“

Pierre seufzte tief. „Muss nicht sein. Manchmal klart das Wetter noch mal auf.“ Es war mehr Hoffnung als Wissen.

Henry grunzte abfällig. „Ich spür‘s in meinen Knochen! Der Winter kommt früh. Wir können froh sein, wenn wir es bis zum Fort schaffen.“ Misstrauisch blickte er in den Himmel, als würden dort noch die Schwärme der Zugvögel nach Süden ziehen.

Mato-wea hatte sich in ein warmes Fell gehüllt und saß ebenfalls beim Feuer. Ihr schien die Kälte nichts auszumachen. Sie trug gefütterte Mokassins, warme Leggins, ein langes Kleid, das über den Schultern mit zwei Trägern gehalten wurde, und darüber einen Poncho, der mit Stickerei verziert war. Ein warmes Fell lag locker über ihren Schultern, und erst, als der Wind stärker wurde, zog sie es über der Brust zusammen. Pierre grinste und reichte ihr einen Teller Suppe. Einen Becher Kaffee lehnte sie ab. Seit der Hochzeitsnacht hatte sie nichts mehr getrunken, was er ihr angeboten hatte, sondern lieber das Wasser des Flusses. Er zwang sie nicht mehr, denn nachts war sie willig und anschmiegsam.

Am nächsten Morgen hörte der Schneesturm auf, und der Himmel war wolkenlos blau. Am Ufer knirschte es, als das Eis unter den Tritten der Männer brach. Schnaufend und singend zogen die Voyageure die Boote vorwärts. Auch die Trapper halfen mit, denn jetzt zählte jeder Tag. Die Gegend war flach, sodass sie gut vorankamen. Einmal kamen sie an einer riesigen Herde Bisons vorbei und schossen zwei Kühe. Die Männer freuten sich über das zusätzliche Fleisch. In der Ferne sahen sie wieder Gabelbockantilopen, und eines Morgens schossen sie einen Wapiti-Hirsch, der nichtsahnend ans Wasser gekommen war. Einige Passagen konnten sie mit Rudern zurücklegen, doch je weiter sie stromaufwärts kamen, desto eher griffen sie auf das „Treideln“ zurück.

Im späten November erreichten die Männer schließlich Fort Raymond an der Mündung des Bighorn. „Colonel“ Menard begrüßte sie überrascht, denn er hatte nicht mehr mit Booten gerechnet. „Wo kommt ihr Halunken denn her?“, brüllte er ihnen entgegen.

Pierre grinste von einem Ohr bis zum anderen. „Von Fort Lisa. Die Bosse dachten, dass ihr vielleicht noch ein bisschen Verstärkung braucht.“

Menard kratzte sich unter der Mütze. „Ja, mein Skalp juckt schon sehr. … fühlt sich besser an, wenn ihr da sei!“

Er schüttelte Andrew Henry freundlich die Hand und hieß ihn willkommen. „Was machst du denn hier?“

„Ich will weiter zu den Three Forks … wollte aber bei dir ein bisschen Unterschlupf finden. Geht das?“

„Klar!“ Menard war über die Verstärkung sehr angetan. Fleisch hatten sie genug, nur die Anzahl der Männer, die mit ihm im Fort geblieben war, hatte ihm Sorgen gemacht. „Wir hatten Ärger mit den Blackfeet. Da ist Verstärkung immer willkommen!“

Alle Anwesenden im Fort rannten johlend herbei und halfen den Männern, die Boote zu entladen und anschließend an Land zu ziehen. Besonderes Interesse weckte natürlich die junge Indianerin, die scheu von Bord kam. Pierre machte schnell klar, dass sie ihm gehörte und die Männer die Finger von ihr lassen sollten. Dann verschwand er mit Menard und Henry im Handelsraum des Forts und erstattete Bericht über die geplanten Aktionen der Missouri Fur Company. „Es werden wohl noch mehr Handelsposten aufgebaut. Chouteau ist am Missouri unterwegs, und Henry möchte zu den Three Forks aufbrechen. Wir warten noch auf Colter, der mit Pferden hierher unterwegs ist. Ist er noch nicht da?“ Pierre hob fragend die Augenbrauen.

„Colter kommt auch her?“, fragte Menard interessiert. „Nee, der ist noch nicht hier. Warum ist er nicht mit dir gekommen?“

„Er bringt Pferde für die Expedition mit und wollte daher den Weg über Land nehmen. Er wollte eigentlich schon längst da sein. Hoffentlich ist nichts passiert!“

„Vielleicht wurden sie vom Schnee aufgehalten. Der kommt früh dieses Jahr.“

Pierre schwieg dazu. Wenn es nur der Schnee war, dann würde Colter schon irgendwann auftauchen. Die Männer wussten, wie man auch im Winter hier draußen überleben konnte. Er deutete auf seine Frau, die bescheiden im Hintergrund stand. „Hast du einen Platz für uns?“

Menard musterte die junge Indianerin und nickte freundlich. „Klar! Such dir oben einen Platz. Da ist es schön warm. Nimm dir eine Kammer.“

„Danke!“

„Und was hast du vor?“, erkundigte sich der Anführer.

„Eigentlich wollte ich auf Colter warten und mich dann ihm und Henry anschließen.“

„Three Forks, was?“

Pierre nickte. „Ein oder zwei gute Winter, und ich kann die Farm meiner Eltern noch vergrößern.“

Menard lachte dröhnend. „Wenn dich mal der Pelzhandel erwischt hat, Junge, dann bebaust du garantiert keine Felder mehr. Es gibt entweder Jäger oder Farmer.“

Er schob Pierre in Richtung seiner Frau und klopfte ihm gönnerhaft auf die Schulter. „So, jetzt nimm mal dein Mädel und mach ihr ein paar hübsche braune Kinder. Ich sage dir, nichts ist besser als ein paar Hände, die dir beim Arbeiten helfen. Eigene Kinder kosten nichts. … Musst sie nur ein bisschen füttern.“

Pierre wurde etwas rot, denn an Familienplanung hatte er noch nicht gedacht – zumindest nicht mit einer Squaw.

Menard sah sein Zögern. „Du willst später mal eine Weiße, was?“ Pierre zuckte unentschlossen mit den Schultern. „So weit habe ich noch gar nicht gedacht.“

„Macht nichts! Auch Clark hat einen Sohn mit einer Nez Percé. Bei den Indianern gehören die Kinder zur Frau. Wenn du sie irgendwann zurücklässt, bleiben die Kinder bei ihr – und du kannst deine Auserwählte heiraten.“

Pierre riss erstaunt die Augen auf. „Clark hat einen Sohn mit einer Indianerin?“

„Ja, er war im Winter mit der Frau zusammen. Sie ist die Tochter eines Häuptlings.“

„Und es gab keinen Ärger.“

„Warum? Clark hat wohl großzügig für sie bezahlt. Bei den Indianern ist es kein Hinderungsgrund, wenn die Squaw schon ein Kind hat. Das zeigt höchstens, dass sie fruchtbar ist. Die nehmen das nicht so genau. Das Mädchen hat bestimmt schon den Nächsten …“ Er klang nicht besonders beeindruckt und hatte wohl auch keine hohe Meinung von den Indianern. „Kannst ja mal die anderen an die Kleine lassen … gegen Bezahlung, versteht sich.“ Er machte eine ordinäre Geste in Richtung von Mato-wea.

Pierre schluckte schwer, und seine Lippen wurden zu einem schmalen Strich. „Sie ist doch keine Nutte!“, stellte er klar.

Menard zuckte mit den Schultern. „Ich meine ja nur …. Da kannst du deine Ausgaben kompensieren.“

Pierre sagte lieber nichts mehr, sondern drückte Mato-wea seine Bündel in die Arme und schob sie dann die zusammengezimmerte Holztreppe hoch. Er selbst trug ebenfalls einige Bündel und natürlich sein geliebtes Gewehr. Er fand die beschriebene Kammer, die sonst Manuel Lisa beherbergt hatte, und stellte seine Bündel in eine Ecke. Die Kammer war kaum größer als das Bett, das eine Matratze aus Stroh hatte, aber für Pierre war es geradezu luxuriös. Er legte eine Decke auf das Bett und zog Mato-wea zu sich herab. Seine Hand fasste unter ihren ponchoartigen Umhang und umschloss eine ihrer Brüste. „Jetzt machen wir es uns ein bisschen gemütlich“, raunte er verführerisch. „Warte hier! Ich hole uns etwas zu essen!“

Im Eissturm der Amsel

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