Читать книгу Im Eissturm der Amsel - Kerstin Groeper - Страница 9
Yellowstone Frühjahr 1809 am Yellowstone-Fluss
ОглавлениеPierre DuMont schob gerade Wache, als gegen Mittag ein Reiter mit zwei Packpferden im Schlepptau auftauchte. Er gab ein Signal, um die anderen zu informieren, und öffnete das Tor, als er den Reiter erkannte: John Colter, dieser lebensmüde Entdecker, kehrte endlich zurück! Auch er war als erfahrener „Guide“ angeworben worden und hatte den Auftrag erhalten, die hiesigen Stämme aufzusuchen und zum Handeln einzuladen.
„Allors!“, grüßte Pierre überschwänglich. „Wo hast du denn gesteckt?“
Colter ließ die Zügel fallen, mit denen er die Packpferde gezogen hatte, und ließ sich aus dem Sattel plumpsen. „Puh! Lange Geschichte! Lass mich erst einmal absatteln!“
Er grinste schief, als die anderen Männer hinzutraten und ihn begrüßten. „Na, Jungs! Alles klar?“
Menard schlug Colter mit seiner Pranke auf die Schulter, sodass der Trapper fast in die Knie ging. „Willkommen, du Halunke. Hier ist gar nichts klar. Hatten andauernd Ärger mit den Blackfeet. Zwei von uns wurden von denen abgemurkst, als sie nach ihren Fallen sehen wollten.“
„Scheiße! Das tut mir leid!“ Colter verging das Grinsen. „Wer?“
„Huey und Jordan. Sie haben es nicht geschafft. Haben sich gewehrt, so gut es ging. Aber wir fanden nur noch ihre Leichen … übel zugerichtet.“
Colter kniff die Lippen zusammen. Er nahm seine Mütze ab und senkte traurig den Blick. Dann raffte er sich zusammen. „Helft ihr mir beim Abladen?“
„Mais oui!“, grunzte Pierre. „Was hast du mitgebracht?“
Colter machte eine vage Handbewegung. „Ach, ein paar Felle. Ich habe mit den Stämmen in den Bergen getauscht. Der Schnee schmilzt, und ich wollte her, ehe es zu sumpfig wird. In den nächsten Tagen werden wohl die Apsalooke, also diese Crow-Indianer, zum Handeln kommen.“
„Wir hatten hier schon viele Apsalooke. Sie sind gute Geschäftspartner und nicht so blutrünstig wie die Pekuni.“
„Ich habe ihre Dörfer in den Bergen gefunden. Ihr Häuptling hat gesagt, dass sie zum Handeln kommen würden.“
Menard nickte zufrieden. „Dann wird es doch noch ein gutes Geschäft!“
Die Männer packten mit an und brachten die Bündel in einer Hütte unter. Kurze Zeit später saßen sie im großen Handelsraum und lauschten den Erzählungen des Trappers. Colter war für seine Lügengeschichten bekannt – er hatte vor zwei Wintern eine monatelange Exkursion in die Berge gemacht und kam mit den tollsten Geschichten zurück. Er hatte sogar Geysire und warme Quellen entdeckt und sprach von einem Gebiet mit Vulkanen. Die Männer wollten ihm das einfach nicht glauben und nannten es „Colters Hölle“. Der Trapper war bereits bei der Expedition von Lewis und Clark als Soldat dabeigewesen und hatte anschließend um seinen Abschied gebeten, um als Fallensteller an den Yellowstone zurückzukehren. Seine Kenntnisse waren überaus wertvoll für alle weiteren Expeditionen. Er kannte die besten Jagdgründe und die geeigneten Orte für mögliche Handelsposten. Auch Manuel Lisa setzte auf ihn und hatte ihn mit dem Aufsuchen der Stämme beauftragt, was manchmal nicht so friedlich verlief.
„Hattest du sonst noch Begegnungen mit Indianern?“, erkundigte sich Menard mit einem Stirnrunzeln.
„Jede Menge! Ich war mit den Apsalooke, aber auch mit den Flathead unterwegs, die uns sehr gewogen sind. Sie erhoffen sich natürlich, dass wir mit ihnen auch Waffen tauschen. Die Blackfeet setzen denen ganz schön zu!“
Menard grunzte. „Uns auch!“
„Habe ich schon gehört!“ Colter zuckte traurig mit den Schultern. „Ich war dabei, als Hunderte von Blackfeet gegen Apsalooke und Flathead gezogen sind. Und ich mittendrin. Jetzt glauben sie natürlich, dass wir mit den Apsalooke und Flathead verbündet sind … das ist Mist! Aber ich konnte es nicht ändern.“
„Deswegen haben sie vermutlich unser Fort angegriffen!“, vermutete Menard unglücklich. „Den Handel mit den Pekuni-Blackfeet können wir vergessen.“
Colter nickte. „Wobei sie grundsätzlich nicht wollen, dass wir in ihren Jagdgründen jagen! Habe ich am eigenen Leib erfahren!“ Er verstummte, als er sich an den Herbst erinnerte, in dem sein Freund Potts umgekommen war und er selbst nur knapp diesen Indianern entkommen war. Halbnackt, nur mit einer Decke bekleidet, hatte er sich 500 Kilometer durch feindliches Gebiet geschleppt, eher er wieder hier im Fort eingetroffen war. Die Blackfeet hatten ihn erwischt und um sein Leben rennen lassen. Sein Freund hatte nicht so viel Glück gehabt. Er hatte sich geweigert, das Kanu an Land zu setzen, und stattdessen einen Blackfoot getötet. Daraufhin hatten sie ihn an Land gezerrt und zerstückelt. Colter hatte es nur geschafft, weil er sich in der Nacht in einen Biberbau versteckt hatte und am nächsten Tag in die Berge geflohen war. Niemand glaubte ihm die Geschichte, denn sie klang genauso abenteuerlich wie die Beschreibungen von Geysiren und Vulkanen.
„Hast du deine Fallen wiedergefunden?“, fragte Pierre neugierig. Colter hatte sie im Herbst einfach versenkt, als die Blackfeet ihn angegriffen hatten.
Colter schüttelte den Kopf. „Nein! Sie haben mich fast erwischt, als ich sie bergen wollte. Bin denen wieder nur mit knapper Not entkommen!“
„Aha, war wieder der ganze Stamm hinter dir her?“ In Pierres Stimme lag ein Hauch von Unglauben.
„Sozusagen!“ Colter zuckte mit den Schultern. Jedermann konnte glauben, was ihm beliebte. „Im Winter sollten wir den Yellowstone entlang in die Berge. Dort liegt das wahre Geld! Biber, so viele, dass ihr euch das gar nicht vorstellen könnt!“
Einige Männer murmelten zustimmend. Selbst, wenn sie einige Geschichten nicht ganz glauben konnten, wussten sie, dass Colter ein guter Trapper war. Der Koch legte sein runzliges Gesicht in noch mehr Runzeln, als er Colter ein wenig neckte. „Na, hast du wieder in deinen warmen Quellen gebadet?“
Colter grinste breit und nahm erst einmal einen Schluck Tee. Whiskey wäre ihm lieber gewesen, aber der war leider aus. Es wurde Zeit, dass der Nachschub eintraf. „Klar!“, bestätigte er.
„Klar! Ich habe mir die Knochen gewärmt. Ich sage euch: Nichts ist besser als ein heißes Bad!“
Die Männer grölten vor Unglauben und forderten ihn auf, noch mehr solcher Geschichten zu erzählen. „Hast du auch Zwerge und Drachen gesehen?“
Colter drohte ihnen mit erhobenem Zeigefinger. „Lacht ihr nur! Ich habe tatsächlich Spuren eines Wilden Mannes gesehen! Eines übergroßen Menschen! Die Indianer erzählen, dass er völlig behaart ist, aber ansonsten wie ein riesiger Mensch aussieht.“ Er zeigte mit den Händen an, wie groß die Spuren waren, die er angeblich gesehen hatte. „So groß waren die Fußabdrücke!“
Die Männer schüttelten die Köpfe über so viel Unsinn. Doch Colter verteidigte seine Behauptung. „Doch! Ich habe sie wirklich gesehen! Sie kamen aus dem Wald, und ich verfolgte die Spur eine Weile, bis ich sie an einer Steilwand wieder verloren habe. Es waren riesige Abdrücke eines Fußes.“
„So ein Blödsinn! Das war sicherlich ein Grizzly!“, wandte Pierre ein.
Colter maß ihn mit einem festen Blick. „Ich kann ganz sicher eine Grizzlyspur von einer anderen Spur unterscheiden, mon ami! Es war eher ein Abdruck eines großen breiten Fußes.“
„Ein Affe?“, überlegte Menard. „Aber ich habe noch nie gehört, dass es hier Affen gibt.“
Die wenigsten hatten je einen Affen gesehen, und so zuckten sie verständnislos mit den Schultern.
Colter riss verblüfft die Augen auf. „Könnte sein. Sah tatsächlich so aus wie ein großer Fuß.“ Er wirkte todernst, fiel dann aber in das Gelächter der anderen ein. „Wirklich! Die Indianer in den Bergen erzählen viele solcher Legenden!“, gab er schließlich zu. „Ich habe Gegenden gesehen, die könnt ihr euch überhaupt nicht vorstellen. Und ich habe Täler voller Biber und anderem Wild gefunden. Da gibt es viel mehr zu holen als hier.“
Das glaubten die Trapper sofort. Trotzdem wackelten sie nachdenklich mit ihren Köpfen.
Einige Tage später wurden endlich die langersehnten Kielboote und einige Barkassen von Manuel Lisa gesichtet. Insgesamt erschienen nacheinander sieben Boote mit Besatzung. Grüßend und jubelnd liefen die Männer ans Ufer des Bighorn und schwenkten ihre Mützen. Schnell wurden Planken gelegt, an denen die Ankömmlinge trockenen Fußes an Land gehen konnten. Zu ihrer Überraschung war nicht nur Manuel Lisa selbst mit seiner Mannschaft an Bord, sondern weitere bekannte Persönlichkeiten, die sich zu einer Gesellschaft zusammengeschlossen hatten: Benito Vazquez, Manuel Lisa und andere hatten die Missouri-Fur-Company gegründet. In Abwesenheit war auch „Colonel Menard“ als Teilhaber eingetragen worden. Sie hatten die Lizenz zum Handel mit den Indianern erhalten und sollten am Oberen Missouri Handelsposten, sogenannte Factories, errichten. Die Strategie war neu: Indem man Handelsposten errichtete, sollten die Indianer gezwungen werden, nur dort Handel zu treiben – und dies zu festgesetzten Preisen. Der Plan sah vor, die Wilden zu zivilisieren, an feste Wohnorte zu binden und so das Land freizubekommen für die Besiedelung. Das war anders als unter spanischer oder französischer Herrschaft, die die Eingeborenen als souveräne Nationen ansahen und lediglich Handel mit ihnen treiben wollten. Zudem waren in dieser Gegend schon seit hundert Jahren französische, spanische und britische Trapper und Händler unterwegs, die nicht einsahen, dass es nun illegal war, auf eigene Faust Fallen aufzustellen oder zu handeln. Wichtigster Teilhaber war wahrscheinlich William Clark, der von St. Louis aus die Geschäfte organisieren sollte. Nach der berühmten „Lewis & Clark“ Expedition galt es nun, das neu gewonnene Land zu erkunden und zu besiedeln.
Die Ankömmlinge grüßten Menard und gaben dann Befehl, die Boote zu vertäuen und Wachen aufzustellen. Im Nu schwärmten über 300 Männer in Richtung des Forts aus, und der sonst so ruhige Ort verwandelte sich in einen Bienenschwarm. Hütten wurden bezogen, Feuerholz herangeschleppt, Bündel von den Booten geholt – und überall erschallte Gelächter, wenn alte Freunde sich begrüßten.
Am Abend saßen Vazquez und Lisa im Handelsraum und ließen sich von Menard und Colter einen Überblick geben. Sie wurden nachdenklich, als ihnen klar wurde, dass die Lage des Forts vielleicht nicht die günstigste war.
„Glaubt ihr, dass die Blackfeet wieder angreifen werden?“, erkundigte sich Lisa. Er war ein Diplomat und Forscher, der stets versuchte, gute Beziehungen zu den Stämmen zu unterhalten. Er war an die vierzig Jahre alt und wirkte auch hier in der Wildnis sehr gepflegt. Er trug einen warmen Gehrock mit elegantem Schal, knappe Hosen und elegante hohe Stiefel. Seine braunen Augen waren warm und strahlten Intelligenz aus. Er war spanischer Herkunft und hatte damit eine dunklere Gesichtsfärbung.
„Nur eine Frage der Zeit!“, bestätigte Colter. „Und die sind nicht zimperlich!“
Lisa kniff besorgt die Lippen zusammen. Seine hohe Stirn legte sich in Falten, und er musterte Colter mit einem tiefen Blick. „Du sprichst ja aus reiflicher Erfahrung!“
Colter zuckte mit den Schultern. „Ich hatte mehrere Zwischenfälle mit diesen Teufeln. Potts wurde von denen zerstückelt! … Habe es mit eigenen Augen gesehen!“
„Ja, weil er geschossen hat!“ Ein leichter Vorwurf war in der Stimme von Lisa zu hören. Wie sollte man friedlichen Handel etablieren, wenn es zu solch dummen Zwischenfällen kam?
Colter hatte das Bedürfnis, seinen Freund zu verteidigen. „Potts wollte sich halt nicht ergeben. Er hat denen einfach nicht vertraut. Sir, die wollen einfach nicht, dass wir in ihrem Gebiet jagen. So ist das!“
„Hmh!“ Lisa runzelte immer noch die Stirn. „Wie dem auch sei. Damit ist die ganze Operation hier gefährdet.“
Colter stemmte die Hände in die Hüften, und seine Stimme wurde bissig. „Das war sie schon, als die Apsalooke sich mit den Blackfeet geprügelt hatten. Da konnten wir auch nichts dafür. Wir wurden hier einfach in die Kriegshandlungen zwischen zwei Stämmen hineingezogen.“
Manuel Lisa wechselte einen Blick mit Vasquez und sah dann auf die umstehenden Trapper. „Und was meint ihr?“
Es war Pierre, der sich zu Wort meldete. „Ich hatte auch eine reichlich gefährliche Begegnung mit diesen Injuns. Mein Skalp juckt immer noch! Ich habe keine Lust, mich hier abmurksen zu lassen. Dieses Fort ist im nächsten Winter nicht zu halten, wenn wir nicht wenigstens hundert Männer haben. Colter sagt ja, dass über 100 Blackfeet gegen die Apsalooke gezogen sind. Stellt euch mal vor, die tauchen hier auf! Dann sind wir Fischfutter.“
Colonel Menard brachte es auf den Punkt: „Warum handeln wir nicht mit Stämmen, die uns gewogen sind? Die Hidatsa und Mandan sind doch sehr freundlich.“
„Auf der Herfahrt haben wir dort mehrere Tage Rast gemacht“, erzählte Vazquez in seinem lustigen Gemisch aus Englisch und Spanisch. Er war bestimmt dreißig Jahre älter als Lisa, trotzdem hatte ihn das Leben als Abenteurer und Trapper gestählt. „Der ganze Handel wird mal über den Oberen Missouri laufen. Da macht es Sinn, dort eine feste Handelsstation aufzubauen.“
Auch Manuel Lisa stimmte dem zu. „Für das Territorium ist es von Vorteil, wenn wir an den Hauptströmen unsere Forts haben. Was nützt uns der Yellowstone, wenn noch nicht einmal der Missouri gesichert ist. Ein Schritt nach dem anderen. Ich meine … wir sollten den Posten mit entsprechender Besatzung ausstatten und uns gleichzeitig nach anderen Möglichkeiten umsehen. Zudem dürfen wir nicht vergessen, dass der Gewinn erst in St. Louis erzielt wird.“
„Und Gewinn nützt niemandem etwas, wenn der Skalp am Gürtel eines Indianers hängt“, fügte Menard grimmig hinzu.
Pierre konnte dem nur beipflichten. „Ich habe nach der Auseinandersetzung mit den Pekuni die Nase voll. Ich suche mir ein hübsches Indianermädchen, befreunde mich mit einem friedlichen Stamm und stelle dort meine Fallen auf!“
Colter rümpfte etwas die Nase. „Warum kommst du nicht mit mir den Yellowstone aufwärts? Nach zwei Wintern hast du genug, um dich zur Ruhe zu setzen!“
Pierre legte den Kopf schief. „Vielleicht tue ich das. Aber zuerst will ich hören, was die Bosse entscheiden. Schließlich habe ich mit denen einen Vertrag.“
Ein Murmeln antwortete ihm auf diese Feststellung. So ein Unterfangen war immer besser zu realisieren, wenn man aus einer Position der Stärke heraus handelte. Im Winter waren sie geschwächt gewesen. Niemand hatte Lust, noch einmal so einen Winter zu erleben.
Die nächsten Tage blieben friedlich. Eine große Abordnung Apsalooke kam zum Fort, und der Handelsraum war gut besucht. Immer einer der Teilhaber sowie ein Dolmetscher und zwei Wachleute saßen Häuptlingen und Kriegern gegenüber, rauchten die Pfeife und ließen sich die Pelze zeigen, die von den Indianern gebracht wurden. Wolldecken, eiserne Pfannen und Töpfe, Messer, Pfeilspitzen, Stoffe, Spiegel und Perlen wurden im Tausch über den Tresen gereicht. Am interessiertesten waren die Indianer an Waffen, doch Lisa hielt nicht viel davon, die Indianer mit Waffen auszurüsten. Auch den Handel mit Alkohol lehnte er strikt ab. Seine Partner sahen das nicht so streng, hielten sich aber an diese Anweisung. Einmal ließ Lisa einen Mann mit zwanzig Peitschenhieben bestrafen, der eine Flasche Rum gegen ein paar Pelze getauscht hatte. Die Männer standen in seinem Sold, und ein Missachten seiner Anweisungen wurde hart geahndet.
Lisa und Vazquez machten sich die Entscheidung nicht leicht, aber als sie es dann taten, dann mit aller Konsequenz: Ein Großteil der Ausrüstung des Forts, samt Öfen und Inventar, sofern man es zerlegen konnte, wurden auf die Boote verladen. Vor allen Dingen die Felle und Pelze, aber auch persönliches Eigentum wurden in Bündel gepackt und über die Planken auf die Boote transportiert. Zum Schluss blieben nur ein paar Hütten und die Palisaden des Forts stehen. Menard blieb als Kommandant, als „Clerk“, mit gut vierzig Mann zurück, die das Fort über den Winter halten wollten, um weiter mit den Apsalooke zu tauschen. Eine Saison wollten sie es noch versuchen. Sie erhielten Tauschgüter und jede Menge Munition, außerdem einen großen Vorrat an Mehl, Kaffee und Rum. Colter dagegen stieg auf eines der Boote, um dann im Winter mit neuen Trappern zurückzukehren. Er hatte vor, in der Gegend der Three Forks einen Posten zu bauen. Er hoffte, dass ihnen dort die Blackfeet nicht so zusetzen würden.
Als die Boote schließlich ablegten, klangen Abschiedsrufe und gute Wünsche über das Wasser. „Macht es gut, ihr Halunken!“, schrie Colter mit überschnappender Stimme zum Ufer zurück.
„Pass auf dich auf, du Tausendsassa! Und grüße irgendwann mal deine heißen Quellen von uns!“
„Bla, bla!“, kam es zurück. „Irgendwann zeige ich sie dir! Und dann baden wir gemeinsam – damit du nicht mehr so stinkst, mon ami! Im Winter nehme ich dich dorthin mit!“
Menard stand am Ufer und lachte nur. Herausfordernd schwenkte er seine Mütze. „Kein Wunder, dass dich die Blackfeet nicht gefunden haben. Wahrscheinlich hast du genauso gestunken wie diese Biber, in deren Bau du dich verkrochen hast!“
„Genau!“
Die Stimmen am Ufer wurden leiser, als die Boote an Fahrt zulegten. Pierre wandte den Blick nach vorne und atmete tief ein. Hier auf dem Boot fühlte er sich halbwegs sicher. Die zwanzig Mann Besatzung waren eine gute Lebensversicherung. Er wusste noch nicht, ob er je hierher zurückkehrte. Der Angriff der Blackfeet steckte ihm noch in den Knochen. Irgendwie bewunderte er Colter, der nach all diesen überstandenen Gefahren immer noch den Mut hatte, im Winter wieder in die Wildnis zu gehen und dort seine Fallen aufzustellen. Ob er wohl vorhatte, an den Fluss zurückzukehren, in dem seine Biberfallen lagen? Colter hatte zwar neue Fallen erhalten, aber Pierre wusste, dass es den Trapper in der Ehre kränkte, sie den Blackfeet überlassen zu haben. „Wenn du im Winter wieder nach Westen ziehst, holst du dann vorher deine Fallen?“, fragte er.
Colter zuckte mit den Schultern. „Ich habe es schon vor … weiß aber nicht, ob es durchführbar ist. Ich heuere erst einmal im Auftrag der Company neue Männer an, und dann ziehe ich den Yellowstone wieder hinauf. Ich will reich werden, aber nicht unbedingt mein Leben verlieren. Kalkuliertes Risiko!“
Pierre schmunzelte. „Kalkuliertes Risiko?“
„Ja … die Blackfeet sind im Winter eher faul. Wenn wir es bis zu den Three Forks schaffen, können wir dort erst einmal in Ruhe jagen. Wenn sich eine Gelegenheit ergibt, hole ich mir meine Fallen … wenn nicht … dann halt nicht. Fallen kann man ersetzen … das Leben hat man nur einmal.“
Pierre konnte dem nur zustimmen. Fürs Erste kümmerte er sich um den Proviant für das neue Fort. Dann würde er weitersehen.
Pierre war immer noch ein Engagé von Manuel Lisa. Er überlegte sich, ob er in Zukunft mit der neuen Company arbeiten würde. Wenn sie ihn für den Yellowstone anheuern wollten, dann würde er es sich überlegen. Jetzt freute er sich erst einmal auf eine friedliche Passage. Manuel Lisa hatte ihn zum „Kapitän“ eines der Kielboote ernannt, eine reichlich hochtrabende Bezeichnung, und Pierre dankte es ihm mit Zuverlässigkeit und Treue. Er hatte schon auf der Herfahrt ein Boot befehligt und ohne Zwischenfälle den Missouri und Yellowstone stromaufwärts manövriert. Seine Männer legten sich in die Riemen, wenn er es verlangte, stakten das Boot mit langen Stangen vorwärts oder hissten das Segel, wenn der Wind günstig stand. Es ging flussabwärts, sodass sie gut vorankamen, obwohl sie bei jeder Biegung das Ufer wechseln mussten, um eine optimale Linie zu fahren. Die Männer gingen zu beiden Seiten des Aufbaus den schmalen Laufgang entlang und stießen das Boot mit den Stangen voran oder zogen es an Seilen vorwärts, indem sie am Ufer oder manchmal sogar im Fluss vorausgingen. Sie wurden für die harte Arbeit schlecht bezahlt: 100 Dollar im Jahr, eine Decke, zwei Hemden, ein Paar Stiefel und freies Essen. Pierre war besser gestellt, denn als Guide erhielt er fast das Dreifache.
Drei Tage später mussten die Männer eine unerwartete Pause einlegen. Der Yellowstone floss hier zwischen gelben Sandbänken und Felsen hindurch und hatte eine ziemliche Strömung. Nach der Schneeschmelze hatte der Fluss ohnehin Hochwasser, und immer wieder mussten die Männer mit langen Stangen verhindern, dass sich Treibholz an den Booten verkeilte. „Baum voraus!“, hieß es dann. Dieses Mal kam die Unbill der Natur in Form eines heftigen Eissturms. „Amselsturm“ wurde das Phänomen genannt, wenn es im späten Frühjahr noch einmal einen Kälteeinbruch gab. Schnee und Hagel prasselten auf die Männer nieder, sodass das Rudern oder Segeln der Kielboote nicht mehr möglich war. Innerhalb kürzester Zeit waren die Planken völlig vereist, sodass die Anführer Befehl gaben, den Schutz des Ufers zu suchen. Das war nicht leicht, denn die Strömung verhinderte, dass die Männer an Land gehen konnten. „Wo denn?“, schrie Pierre in den Sturm. Seine Finger brannten von der Kälte, und er hatte Angst, dass seine Hände am Ruder festfroren. „Merde!“, gebrauchte er sein Lieblingswort. Das Ufer trieb an ihm vorbei, und er konnte keinen Platz zum Landen entdecken. Arnel stand an seiner Seite und suchte ebenfalls das Ufer nach einer Stelle zum Anlegen ab. Er hatte sich ein Tuch um das Gesicht gebunden, sodass nur noch seine braunen Augen hervorschauten. Er schien nicht aufgeregt zu sein, sondern reagierte ruhig auf die Gefahr des Sturms. „Wir müssen an Land!“, sagte er ernst.
„Versuche ich doch, du Idiot!“, schrie Pierre in den Sturm.
Den anderen Booten erging es ebenso. Der Eisregen klatschte den Männern ins Gesicht und durchweichte ihre Kleidung. Pierres Wangen brannten, und er wünschte sich an ein warmes Feuer. Dunkle Wolken hatten das schlechte Wetter angekündigt, aber ein Regenschauer war noch lange kein Grund, die Fahrt zu unterbrechen. Dass daraus ein Hagelsturm wurde, hatte niemand geahnt. Die Ladung war sicher untergebracht, aber die Männer waren dem Sturm schutzlos ausgeliefert. Ihre Wangen gefroren, und das Eis setzte sich an den Augenlidern und Augenbrauen fest, sodass sie fast nichts mehr sehen konnten. Sie mussten hier raus!
Pierre übergab das Ruder an Arnel, lief rutschend an den Bug des Bootes und beobachtete erschrocken, wie eines der Boote plötzlich quer zur Strömung trieb. „Aufpassen!“, schrie er aus Leibeskräften.
Die Männer versuchten, mit langen Stangen die kleinere Barkasse wieder in die Strömung zu bekommen, doch es war schon zu spät. Mehrere Baumstämme trieben gegen die Wand, wurden aus den Fluten gerissen und kippten mit ihrer Kraft das Boot um. Schreiend fielen die Männer in die Fluten und ruderten mit ihren Armen.
Die Ladung rutschte ins Wasser, und die Barkasse begann sich im Kreis zu drehen. Es wurde nun für alle anderen Boote zur Gefahr. Pierre wollte den Männern zu Hilfe kommen, doch er hatte alle Hände voll zu tun, sein eigenes Boot in der Strömung zu halten. „Ausweichen!“, brüllte er, als er sah, dass sie auf das gekenterte Boot zutrieben. „Pass doch auf, Arnel!“
Mit einer langen Stange drückte er sich von dem Wrack weg und hielt dann die Luft an, als sie an dem Boot entlangglitten. Es knirschte und knarzte, als Holz an Holz vorbeischrammte. Seine Männer zogen rechtzeitig die Ruder ein und drückten damit das andere Boot von ihrer Wand weg. Dann waren sie vorbei und kämpften erneut gegen den Hagel und die reißende Strömung. „Aufpassen, Jungs … mehr nach links halten!“
Dann umrundeten sie eine Biegung, und Pierre entdeckte eine kleine Abzweigung, die wahrscheinlich ruhigeres Wasser führte. „Haltet darauf zu!“, brüllte er aus Leibeskräften. Er rannte nach hinten, schob Arnel zur Seite und steuerte nun selbst mit dem Ruder auf die Abzweigung zu. „Treibt das Schiff darauf zu!“, befahl er seinen Männern. „Staken! Schiebt diese Mistfähre da rüber!“
Dann winkte er dem Boot, das kurz hinter ihm war, ebenfalls zu. „Hierher! Hierher! Hier ist eine Abzweigung!“
Mit letzter Kraft schafften es seine Männer, das Boot in das ruhigere Wasser des Seitenarms zu staken. Schwer atmend sah Pierre sich um und registrierte, dass auch andere Boote seinem Ruf folgten. Nur das gekenterte Boot trieb weiter in der Strömung und verschwand aus seinem Sichtfeld. „Merde!“, murmelte er vor sich hin. Die Ladung war verloren! Hoffentlich hatten sich die Männer retten können!
Er ließ das Schiff am Ufer auflaufen und beobachtete, wie zwei Männer mit Tauen an Land sprangen und das Boot an zwei Bäumen sicherten. Es war eine Notlösung, denn es würde dauern, das Boot wieder freizubekommen. Inzwischen war er völlig durchnässt, und seine Zähne klapperten vor Kälte. Sie brauchten einen Unterstand und trockene Kleidung! Zwei Männer, die sich von dem gekenterten Boot hatten retten können, stiegen aus dem Wasser. Auch sie mussten sich dringend aufwärmen.
Erbarmungslos peitschte der Sturm auf die Männer ein, während ein Boot nach dem anderen in das seichtere Wasser fuhr und nach einem Anlegeplatz suchte. Kommandos wurden gebrüllt, nach Vermissten gesucht – und hier und da erklang der Ruf, dass ein Schiffbrüchiger gerettet worden sei. Aber wie sollte man über hundert Leute trocken bekommen? Der Laderaum war voll, und am Ufer standen keine Unterkünfte bereit. Die Bewegungen wurden bei dieser Kälte langsam und unkontrolliert.
„Ladet die Kisten ab!“, befahl Pierre mit ruhiger Stimme. „Macht ein bisschen Platz, und dann setzt euch in den Laderaum. Zieht die nassen Sachen aus und nehmt euch Wolldecken zum Aufwärmen.“ Pierre ging davon aus, dass die Mannschaften der anderen Boote es genauso machen würden. „Danke, Kapitän!“, murmelte einer der Männer. Auch er schlotterte vor Kälte. „Was Heißes zum Trinken wäre jetzt gut.“
„Wir warten, bis sich der Sturm gelegt hat. Dann machen wir Feuer!“, versprach Pierre. „Erst einmal müssen wir aus unseren nassen Klamotten raus.“
„Aye, Sir!“
Eilig luden die Männer ein paar Kisten aus und setzten sie auf den sandigen Strand. So entstand zumindest für die Besatzung genug Unterschlupf vor der Nässe. Kurz darauf saßen die Männer frierend im Laderaum und wickelten sich in die warmen Decken. Draußen tobte der Wind, und der Hagel verwandelte sich langsam in einen Regenschauer. Dicke Tropfen prasselten auf das Holz der Planken und auf das Dach des Laderaums. „Hört bald auf!“, brummte einer der Männer.
„Hoffentlich! Ich möchte wissen, welcher Schaden entstanden ist. Hoffentlich sind nicht noch mehr Boote gekentert.“ Pierre stieß ein Seufzen aus.
„Ich hoffe, dass keine Blackfeet in der Nähe sind. Wir liegen hier auf der Seite wie lahme Enten. Da wären wir leichte Beute!“ Es war Colter, der sofort ihre Verwundbarkeit festgestellt hatte.
Pierres Lippen wurden zu einem Strich. Da hatte der Mann nur allzu recht! „Rede das Unheil nicht herbei!“, schimpfte er leise.
Es wurde still, denn alle waren abergläubisch, und so bedachten sie Colter, der die unbedachte Äußerung gemacht hatte, mit bösen Blicken. „Ich will nur überleben!“, verteidigte sich der.
Am Abend ließ der Sturm endlich nach, und die Männer verließen die Boote und bauten ein provisorisches Lager auf. Sie fällten einige Stämme und bauten aus Leinenplanen einfache Lodges. Der Boden war nass, und so legten sie ihn mit Fichtenzweigen aus. Darauf kamen dann Felle und Decken. Feuer wurden entzündet und die feuchte Kleidung zum Trocknen aufgehängt. Lisa ließ die einzelnen Boote überprüfen und schickte einige Männer, die nach Überlebenden des gekenterten Bootes suchen sollten. Fünf Männer hatten sich auf verschiedene Boote retten können, doch zwölf Männer wurden noch vermisst. Wenn überhaupt, hatten sie sich am Hauptarm des Yellowstone ans Ufer retten können. Also machte es Sinn, dort mit der Suche anzufangen. Mit Decken bewaffnet machten sich einige Trapper auf den Weg, allerdings ohne große Hoffnung. Das Wasser war eisig kalt, und bereits nach wenigen Minuten wäre das Schwimmen unmöglich geworden.
Pierre blieb am warmen Feuer und sorgte dafür, dass seine Männer eine warme Suppe aus Mais, Fleisch und Zwiebeln erhielten. Dann setzte er sich zu den Anführern der Expedition, die mit ernsten Mienen über ihre Situation berieten. Lisa sah auf, als Pierre hinzutrat. „Gut, dass Sie den Seitenarm gesehen haben! Sonst hätten wir vielleicht noch mehr Menschen und Ladung verloren.“
Pierre nickte nur und wartete dann ab, was Lisa und die anderen entscheiden würden. Vazquez wedelte ungeduldig mit der Hand. „Die Feuer sind gut zu sehen! Wir müssen unbedingt Wachen aufstellen! Außerdem sollte jede Mannschaft in der Nähe ihres Bootes bleiben – für den Fall, dass wir angegriffen werden. Im Moment wären wir leichte Beute.“
„Die Feuer brauchen wir aber, um uns aufzuwärmen!“, wandte Manuel Lisa ein. „Ich gehe rum und sag den Jungs Bescheid, dass sie aufpassen sollen! Bei dem Scheißwetter werden sich auch die Indianer hier nicht herumtreiben. Die sind ja nicht lebensmüde.“
Vasquez nickte. „Und morgen sehen wir nach, ob wir stromabwärts etwas von der verlorengegangenen Ladung bergen können. Hoffentlich findet der Suchtrupp noch Überlebende.“ Seine Augen blickten sorgenvoll in die Runde.
„So ein Sauwetter!“, brachte es Pierre auf den Punkt.
„War so nicht vorhersehbar“, meinte Vasquez auf seine ruhige Art. Er lebte lange genug in der Wildnis, um solche Zeichen zu deuten, aber manchmal wurde auch er von den Wetterkapriolen überrascht. „Kam wohl von den Bergen runter. Dabei hätten mich meine Narben eigentlich vor dem kalten Wetter warnen müssen. Sie jucken sonst immer, wenn Schnee kommt.“
Lisa lächelte kurz und wurde dann wieder ernst. Er hatte lange genug Expeditionen geleitet, um sich durch einen späten Wintereinbruch aus dem Konzept bringen zu lassen. „Wir warten ab, wie es morgen wird und setzen dann unsere Fahrt fort!“, sagte er leidenschaftslos. „Ich will den Missouri erreichen und die Blackfeet hinter uns lassen.“
Pierre legte leicht den Kopf schief. „… glaube nicht, dass wir da in Sicherheit sind. Da müssen wir schon noch ein paar Meilen mehr zurücklegen.“
Manuel Lisa gab ihm grinsend recht. „Das meine ich auch! Ich dachte an die Mandan! Dort haben wir schon mehrfach Rast gemacht. Sie mögen unsere Handelswaren und sind treue Freunde. Wahrscheinlich wäre es gut, dort einen Handelsposten zu eröffnen.“
Vasquez nickte beipflichtend. „Ich dachte eigentlich an eine Stelle, wo der Yellowstone in den Missouri mündet. Dort wäre es günstig, ein Fort zu bauen. Aber wahrscheinlich hast du recht, dass dies noch zu nahe bei den Blackfeet ist. Weiter stromabwärts gibt es viele Möglichkeiten. Die Hidatsa, Mandan, selbst die Arikara und Pawnee, wollen den friedlichen Handel mit uns. Versuchen wir es erst einmal dort!“
„Sheheke shote, ein Häuptling der Mandan, ist sogar bis nach Washington gereist, um den Präsidenten zu treffen. Er hilft uns bestimmt.“
„Ach, wahrscheinlich sind die anderen Häuptlinge eher eifersüchtig auf ihn. Darauf würde ich mich nicht verlassen“, wandte Vasquez ein.
Lisa zuckte mit den Schultern. „Wir werden sehen, wie viel Macht er tatsächlich hat, wenn er zurückkehrt.“
Pierre ging zu seinem Lagerplatz zurück und blickte auf die Männer, die auf einigen Kisten saßen. Sie hatten die Ladung einfach um das Feuer gestellt und freuten sich über die trockenen Sitzplätze. Grinsend setzte sich Pierre ebenfalls auf eine Kiste und ließ sich eine Schüssel von der Suppe geben. „Habt ihr auch Kaffee?“, fragte er mit einem Seufzen. Nichts half besser gegen Kälte und Gliederschmerzen als eine heiße Tasse Kaffee. „Mais oui!“, meinte einer der Voyageure und reichte ihm einen Zinnbecher mit der dampfenden Flüssigkeit. Pierre nahm einen tiefen Schluck und sah dann prüfend in den Himmel, an dem erste Sterne zu sehen waren. Es klarte also auf! Als wäre nichts gewesen, hatten sich die Wolken verzogen.
Es verging eine Weile, in der alle mit Essen beschäftigt waren oder sich um ihre Ausrüstung kümmerten. Dann brach Unruhe aus, als einige der Trapper mit Überlebenden zurückkehrten. Die Männer liefen zusammen und versammelten sich um die Geretteten. Insgesamt sechs Männer konnten sich ans Ufer retten und waren nun froh, sich an den warmen Feuern aufwärmen zu können. Hilfsbereite Hände reichten ihnen Schüsseln mit Suppe, die gierig gegessen wurde. Die Männer waren froh, mit dem Leben davongekommen zu sein, und gedachten derer, die nicht so viel Glück gehabt hatten. „Vielleicht finden wir morgen noch Überlebende?“, hoffte Lisa. Jeder Verlust schwächte die Expedition.
Einer der Männer schüttelte den Kopf. „Wir haben nach ihnen gerufen, aber keine Antwort bekommen.“
„Vielleicht sind sie weiter stromabwärts an Land gegangen?“
„Dann sind sie tot. Es war viel zu kalt. Ich konnte fast nicht an Land schwimmen, so langsam wurden meine Bewegungen. Ich hätte keine Minute länger durchgehalten.“
Es wurde still nach dieser Bemerkung. Alle wussten, dass die Einschätzung wohl richtig war. „Und das Boot?“, erkundigte sich Pierre.
Einer der Männer zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung. Der Fluss ist ja nicht tief. Das Wrack wird schon irgendwo liegen.“
„Dann können wir vielleicht noch einen Teil der Ladung bergen!“, hoffte Lisa.
Der Mann zuckte mit den Schultern, und sein Ton wurde aggressiv. „Mich kriegst du jedenfalls nicht mehr ins Wasser!“ Leises Gelächter antwortete ihm, und niemand nahm ihm die Äußerung übel. Gebadet hatte dieser Mann jedenfalls genug.