Читать книгу Orchideen - Verbundenheit des inneren Kindes - Kim Fohlenstein - Страница 7
Was bedeutet Verbundenheit?
ОглавлениеVerbundenheit beschreibt eine Zugehörigkeit zu Etwas oder Jemandem. Dabei ist nicht wichtig, sich dieser Verbundenheit bewusst zu sein. Wir sind zum Beispiel alle zutiefst mit dieser Erde verbunden, weil unsere Körper aus irdischen Bausteinen aufgebaut sind: Mineralien, Wasser, Eiweißverbindungen. Trotzdem ist uns diese Verbundenheit nicht unbedingt im Bewusstsein und es gibt wahrscheinlich auch keine ausgeprägten Gefühle dazu. Es ist eben einfach so.
Ereignisse und Zustände, die das Leben unserer Vorfahren prägten, bilden sich in verschiedener Form in unserer Gegenwart ab. Mit diesen besteht für jeden von uns eine Verbundenheit, die größtenteils ebenso unbewusst bleibt. Mit diesen „Gefühlsbildern“, die jeder Mensch in sein Leben mitbringt, wird aus diesen Verbindungen ein Leben gestaltet.
Die wichtigsten Verbindungen zu unserer Herkunftsfamilie gestalten sich in den frühesten Momenten unserer Existenz: Zeugung, Schwangerschaft und frühe Kindheit prägen uns vollständig in unsere Familie ein. Zur Lebensaufgabe eines jeden Menschen gehört auch die Emanzipation des Individuums aus diesen Bindungen - anders ausgedrückt: „Werde Du selbst mit den Bausteinen, die Dir in dieser Existenz gegeben wurden“.
Verbundenheit ist also durchaus auch ein unbewusster Zustand. Natürlich treffen wir bewusste Entscheidungen, mit wem oder was wir verbunden sein möchten, aber es existieren parallel und gleichzeitig Verbindungen, die, weil sie komplett unbewusst bleiben, umso stärker wirken.
Aus der Aufstellungsarbeit mit den ahnenmedizinischen Karten ist uns ein erstaunliches Phänomen bekannt:
Werden die Stellvertreter im Neunerfeld stehend gruppiert, ist es meistens die Person, welche für die Verbundenheit steht, die ihre Position nicht halten kann. Sie kippt um oder erträgt den Kontakt zu den übrigen Stellvertretern nicht und es ist ihr auf irgendeine Art nicht möglich, in diesem Verbund zu bleiben. Es zeigt sich eine Verbundenheit zu Gefühlen, die vollkommen verdrängt werden konnten, solange kein „Kontakt“ stattfand. Nimmt aber die aufstellende Person zu all ihren Anteilen - und eben auch zu ihrer Verbundenheit - Kontakt auf, berichtet diese von Gefühlen, mit denen die aufstellende Person oft so gar nichts anfangen kann. Alles andere kann man verstehen, anerkennen, zu sich nehmen, aber die Gefühle der Verbundenheit haben irgendwie gar nichts mit der ganzen Sache zu tun. Liegt hier ein Fehler vor? „Spinnt“ dieser Stellvertreter einfach?
Nein! Hier liegt der Schlüssel zur Lösung des Kernkonflikts.
(Zur Erinnerung: rund um den Kernkonflikt gruppieren sich die verschiedenen Aspekte eines Themas, Einflüsse aus dem Ahnenfeld, der persönlichen oder der Seelenebene)
Die Verbundenheit (als Teil der persönlichen Ebene) ist mit Kindheitserlebnissen oder Anteilen des Ahnenfeldes verbunden, die unbedingt nie wieder gefühlt werden sollen. Sie wurden verborgen aus Scham oder Angst, aus Schuldgefühlen oder Verzweiflung. Man hat sie „weggesteckt“, weil das Leben weitergehen musste, weil man nicht mit ihnen umgehen konnte, weil es keine Worte für sie gab und viele andere Gründe mehr. Das fand auch nicht als bewusster Akt statt: „Ab jetzt werden diese Gefühle nicht mehr gefühlt“ - meistens ist selbst die Verdrängung ein schleichender Prozess. Das Leben wird so organisiert, dass möglichst wenig Berührung mit dem schwierigen Thema stattfindet. Man geht im wahrsten Sinne des Wortes „aus dem Kontakt“ mit diesen Erfahrungen und organisiert sein Leben darum herum.
In den nachfolgenden Lebensjahren oder auch Generationen besteht dann für dieses Thema eine Art „upload-Filter“.
Damit bezeichnet man in der Informatik eine Maßnahme zur Vorabprüfung hochzuladender Inhalte. Manche Inhalte können dann gar nicht auf dem Bildschirm - in unserem Fall dem Bewusstsein - erscheinen. Was nun nicht bedeuten soll, dass wir alle voller blinder Flecken durch die Welt laufen. Es ist aber so, dass man davon überzeugt ist, mit diesem Thema, von dem man schon mal gehört hat, persönlich überhaupt nichts zu tun zu haben. Es gibt vor allem kein Gefühl dafür.
Lösung, Heilung oder Weiterentwicklung ist immer nur möglich, wenn wir alle Aspekte einer Sache in unser Bewusstsein bringen. Bleiben Reste der „kränkenden“ Ursache bestehen, wird der erreichte Frieden niemals von Dauer sein können. Natürlich ist das ein hoher Anspruch, der selten vollständig erreicht wird. Man hat eben doch sein Leben lang Arbeit mit dem Leben. Aber wenn wir uns darin üben, verdrängte - abgespaltene, kontaktlose - Anteile zu erahnen, zu suchen oder zu finden (!), verlängert sich die Zeit des Friedens nach einer Erkenntnis.
Die Inhalte der Karten zur Verbundenheit - im Kartenset Makrokosmos also die Orchideen - sind häufig von der Art, dass man nichts mit ihnen anfangen kann. Was, bitteschön, haben diese Worte mit meiner Frage zu tun? Alles, wahrscheinlich. Die Schwierigkeit liegt darin, abgespaltene Inhalte nicht als eigene wahrnehmen zu können.
Die Verbundenheit verbindet mit Aspekten der eigenen Geschichte oder des Ahnenfelds, ohne sich um unser Tagesbewusstsein zu kümmern. Es ist diesen Gefühlsanteilen auch völlig egal, ob sie verstanden werden.
Sie fühlen sich wohl dabei, unerkannt und ausgegrenzt zu sein, denn genauso war es ja „damals“ auch. Eine blinde Solidarität mit Erlebnissen und vor allem den Gefühlen dieser Erlebnisse findet hier statt.
Selbstverständlich ist auch möglich, dass man von den Aussagen einer Orchideen-Karte sofort tief berührt wird. Schließlich hat sich manch einer schon länger mit Gefühlen und Geschehnissen des jeweiligen Themas beschäftigt.
Die Individualität, die jeder Mensch entwickelt hat, erzählt von den Verbundenheiten, die wir in uns tragen. Nicht immer tragen sie zu einem glücklichen Leben bei, im Gegenteil sind es genau diese Punkte, an denen wir uns reiben, die Probleme verursachen und uns vorwärts treiben. Alle glückbringenden Verbundenheiten der Vergangenheit sind uns völlig selbstverständlich, dazu sagen wir gerne „Ich“. Und sie sind wohl auch das Kapital, mit dem wir „den unbedeutenden kleinen Rest, der sich Schicksal nennt“, bewältigen.
Verbindlichkeiten lösen sich durch Vertragserfüllung auf. Bis dass der Tod euch scheidet ist ein schönes Beispiel für altmodische Eheschließungen, die ja durchaus ohne innere Verbundenheit zur Existenzsicherung ganzer Völker jahrhundertelang funktionierten. Heute setzt man in unserer Kultur an diese Stelle einen Ehevertrag, der die gleiche Funktion hat.
Aber wie löst man eine Verbundenheit auf?
Abschied ist das Werkzeug der Auflösung. Es steht jedem Wesen frei zur Verfügung. Abschied geschieht immer im Herzen und ist mit tiefem Gefühl verbunden. Nicht zwangsläufig mit traurigem oder schwierigem Gefühl, aber immer mit einem deutlichen Gefühl.
Schwieriger als ein trauriger Abschied wäre zum Beispiel ein Gefühl der Erleichterung. Sich selbst einzugestehen, dass man erleichtert über eine beendete Verbundenheit ist, gehört zu den fortgeschrittenen Abschieden. Es ist auch gesellschaftlich nicht so anerkannt.
Kann es auch einen freudigen Abschied geben?
Selbstverständlich, aber dann existieren wahrscheinlich bereits andere Verbundenheiten, auf die man sich freut.
Erster Schritt im Prozess der Beendigung einer ungewünschten Verbundenheit ist die Erkenntnis und das Wahrnehmen der Existenz einer solchen Bindung. Die meisten negativen Verbundenheiten sind uns ja, wie gesagt, gar nicht bewusst. Die Wahl einer Orchideen-Karte zu einer bestimmten Frage weist die Richtung, in der man nach einer - den Fortschritt begrenzenden - Verbundenheit suchen sollte.
Wenn dann zum Beispiel der Kleinblütige Frauenschuh von Überanstrengung spricht, obwohl ich eigentlich etwas über meinen beruflichen Weg erfahren möchte, geht es nicht einfach nur um die Wahrnehmung einer - vielleicht vorhandenen - beruflichen Überlastung. Vielmehr erzählt diese Orchidee von einer inneren Verbundenheit zu Erlebnissen und Erfahrungen meiner Vorfahren mit diesem Thema des beruflichen Wegs.
Sei es über die genetische/epigenetische Vererbung, sei es als Erfahrung in der eigenen Kindheit, jedenfalls existiert eine Verbundenheit zu einem Verlust der Zugehörigkeit, im Falle einer beruflichen Frage wahrscheinlich ein Arbeitsplatzverlust, den ein Mitglied der Familie erfahren hat und der sich tief in das Gefühlsleben eingeprägt hat. Sobald ich nun mit meinem Leben einen ähnlichen Weg anstrebe, werden sich die „alten“ Gefühle als Geschehnisse rund um mich herum präsentieren. Es hängt einzig von mir als lebendiger Person ab, wie ich Ereignisse meines Lebens beurteile. Kann ich gelassen reagieren und löst sich eine Situation wieder auf? Oder „triggert“ meine Umgebung die unbewussten Verbundenheiten und in mir bauen sich ganz ähnliche Gefühle auf - wobei die äußeren Situationen natürlich der Gegenwart angepasst sind.
Ein guter Indikator für eine ungesunde Verbundenheit ist immer das Gefühl von fehlender Wahlmöglichkeit. Eigentlich gibt es nämlich immer eine Wahlmöglichkeit, sie dringt nur nicht bis zu unserem Bewusstsein durch. Wir sind im wahrsten Wortsinn „gefangen“ in der Verbundenheit.
Wenn ich als lebende Person in der Lage bin, die damals verdrängten Gefühle heute zu verstehen und mitzufühlen, ohne Urteil!, werden sie sich verabschieden. Freiwillig. Dann entsteht automatisch eine neue Verbundenheit, im Fall des Frauenschuhs eine Verbundenheit im Loslassen. Loslassen der Anstrengung und der Vorspiegelung falscher Verhältnisse zum Beispiel. Das Unterbewusstsein registriert die entstandene Ruhe und sortiert alle vergangenen Erfahrungen im Archiv ein. Sie müssen nicht mehr wiederholt werden.