Читать книгу The Crow Chronicles - Kira Beauchamp - Страница 7
JEWEL
Оглавление“In Deckung!”, erklang ein Ruf von irgendwo zwischen den einzelnen verfallenen Teilen der Ruine, in der wir unser nächstes Nachtlager aufgeschlagen hatten.
“Deckung, rasch!”, Noch einmal der warnende Ruf und ich blickte mich sofort alarmiert um, während meine linke Hand wie ferngesteuert zu dem Messer in meinem Gürtel wanderte. Obwohl ich nichts erkennen konnte, das mir einen Grund zur Sorge geliefert hätte, vertraute ich sofort auf die Stimme meines Bruders, wandte mich ab und schlich geduckt zur großen Mauer, die an wenigstens drei Seiten ein wenig Schutz bot. Dahinter waren auch Neas und noch zwei weitere unserer Leute bereits hin gekauert, während sie genau wie ich neugierig umher spähten. Erst im letzten Augenblick kam ich dazu, in die Luft zu schauen. Da war der Schatten allerdings bereits über uns und als ich den Kopf in den Nacken legte, war es bereits zu spät. Ich spürte einen stechenden Schmerz in meiner Schulter, hörte zeitgleich Neas und irgendwo in der Ferne unsere einzige andere, weibliche Gefährtin aufschreien.
“Krähen!”, schrie ich, während mir diese Anstrengung beinahe komplett die Luft abschnürte. Geduckt rannte ich davon, an den Rand der Ruinenanlage, wo ich einen Kerkereingang entdeckt hatte. Er würde mir gegen Angriffe aus der Luft ein wenig mehr Schutz bieten. Erst jetzt konnte ich meiner Schulter einen kurzen Blick zuwerfen. Obwohl der Schmerz mich noch immer stark einschränkte, atmete ich erleichtert auf, als ich den zerfetzten Stoff meines Umhangs zur Seite schob. Die Krähe hatte mich zwar mit dem Schnabel, nicht aber den Krallen getroffen, sodass eine große Wunde in meiner Schulter klaffte, aber die Ränder nicht ausgerissen waren, wie bei einer Krallenverletzung. So besaß ich wenigstens die Chance auf eine schöne Heilung - sofern ich das hier überlebte.
Aus meinem Versteck beobachtete ich, dass es sich bei unseren Angreifern nur um zwei Krähen handeln musste, die allerdings unter meinen Brüdern starke Verluste verursachten. Meine Schwester hatte ich seit ihrem ersten Schrei nicht wieder gesehen. Große Sorge breitete sich in meinem Magen aus und überdeckte den Schmerz in meiner Schulter. Da ich immer noch mein Messer umklammert hielt, zog ich mit der freien Hand mein anderes Messer aus dem Gürtel. Damit würde ich größere Erfolge erzielen als mit dem unhandlichen Schwert, dem die Krähen leicht ausweichen konnten.
Die übliche Angst vor einem Kampf stellte sich bei mir ein und ich atmete tief ein und wieder aus, bevor ich kurz und heftig die Augenlider aufeinander presste und dann aus meinem Versteck stürmte. Mit lauten Schreien machte ich die Krähen auf mich aufmerksam. Ich schloss die Augen, als ich sah, dass an ihren Krallen und Schnäbeln Hautfetzen hingen. Stücke meiner Brüder und wohl auch meiner Schwester. Später würde ich um sie trauern, doch jetzt wandelte ich all meine Energie in entfesselte Wut. Wut, die mich schneller, besser und furchtloser kämpfen lassen würde. So hatte ich es gelernt und so hatte ich bisher aus jedem Kampf mit meinem Leben davonkommen können.
“Nehmt das, ihr Biester!”Ich hob die Messer und stach wahllos auf die beiden schwarzen Leiber ein. Sie schimmerten leicht bläulich und wahrscheinlich hätte ich sie schön gefunden, wenn sie nicht schon seit über einem Jahrzehnt meine Gegner in einem gnadenlosen Krieg gewesen wären. So sah ich nicht ihre Schönheit, sondern das einzige was ich sah, war Wut und Schmerz. Rot. Warum mir gerade ausgerechnet jetzt diese Farbe in den Sinn kam, hätte ich nicht sagen können, aber die ganze Welt schien plötzlich in tiefes Rot getaucht und als ich einen kurzen Augenblick innehielt, sah ich, dass auch mein gesamtes Gewand, meine Hände und meine Haare in Blut getaucht und rot verfärbt waren. Die eine Krähe schien deutlich schwächer zu werden, während die andere unermüdlich himmelwärts flog und dann auf mich herab stieß. Ich wehrte mit den beiden Messern so gut ich konnte die immerwährenden Angriffe ab, während ich dabei die Kampfschreie der Krähen im Ohr hatte. Während mich zuvor noch Angst beschäftigt hatte, war ich jetzt erstaunlich ruhig und gelassen. Dann wurde ich erneut getroffen, diesmal am Arm, zum Glück aber demselben wie schon zuvor. Nun konnte ich nur noch mit links zustechen und die Angriffe abwehren, doch ich hatte inzwischen beiden Krähen ebenfalls gefährliche Wunden beigefügt. Eine von ihnen konnte sich nicht mehr in die Lüfte bewegen und stand mir nun gegenüber. Ich behielt sie so gut wie möglich im Auge, das Messer nach oben gerichtet, um auch die zweite, noch fliegende Krähe, abzuwehren. Meinen rechten Arm ließ ich kraftlos herunter baumeln, die beiden Wunden und zahlreiche Kratzer pochten und schmerzten inzwischen stark. Die Wunde am Arm musste außerdem auch einen Muskel beschädigt haben, da es mir schwer fiel, den Arm auch nur einige Zentimeter anzuheben.
Die Krähe in der Luft stürzte erneut hinab, doch diesmal nicht in einem steilen Winkel senkrecht wie bisher sondern sie flog flach über mich hinüber. Diesen fatalen Fehler nutzte ich sofort aus und stieß mich mit aller Kraft vom Boden ab, das Messer gerade nach oben gerichtet. Ich spürte den Widerstand, als das Messer auf lebendiges Fleisch traf und der Ruck, als es einen Augenblick im Gewebe der Krähe stecken blieb, riss mich von den Füssen. Ein irrer Schrei, so wenig menschlich wie die Kreatur, die mich angriff, ließ mein Trommelfell beinahe platzen. Ich sah das rote Blut, das aus der Wunde im Leib der Krähe hinaus sprudelte. Sie erhob sich in die Lüfte und war mit einigen kräftigen Flügelschlägen verschwunden. Erschöpft drückte ich eine Hand auf meine Wunden, das Messer lag neben mir, als ich realisierte, dass ich ganz alleine war mit der verwundeten Krähe, die mir gegenüber stand und so aussah, als würde sie sich mit letzter Kraft auf den Beinen halten. Doch in den gelben Augen entdeckte ich auch noch etwas anderes: Wut und Entsetzen. Einen Augenblick lang hatte die Krähe am Boden derjenigen, die ich soeben verletzt hatte, angstvoll nachgeschaut und es war etwas in ihren Augen gewesen, das verraten hatte, wie eng verbunden sich die beiden Angreifer sein mussten. Ich ließ mich davon nur einen kurzen Augenblick aus dem Konzept bringen und als sich die Krähe vor mir wütender und heftiger als zuvor auf mich stürzte, hielt ich das Messer bereits wieder in der Hand. Ich traf ziemlich sofort, allerdings eher schlecht. Als die Krähe mit dem Schnabel nach mir stieß, ritzte ich eine tiefe Wunde in die schwarze Wange und die Federn stoben nach allen Seiten davon. Entsetzt und mit einem Schmerzenslaut taumelte der Vogel zurück, kam erst einige Schritte von mir entfernt wieder zum Stehen. Ein kleines Rinnsal aus Blut lief ihm ins glänzende Brustgefieder, während er mich abschätzend musterte. Dann veränderte sich sein Gesicht urplötzlich, erst sah es so aus, als ob die Krähe zu weinen beginnen würde. Dann wurde auch der Leib schmaler, der ganze Vogel kleiner, bis plötzlich ein Mann mit rabenschwarzem Haar vor mir stand. Ich staunte und ließ meinen Messerarm sinken. Über die Wange des Mannes verlief eine tiefe Wunde, beigefügt von einem Messer. Meinem Messer. Ich ertappte mich dabei, wie ich den Mund offen stehen ließ und schloss ihn rasch wieder, als ich es realisierte.
Diese Krähe war ein Mann? Nun wurde mir einiges klarer. Bisher hatten wir immer nur gegen diese schwarzen Ungeheuer gekämpft, aber jetzt wurde verständlich, warum diese solche Burgen bewohnten und solche Waffen mitführten, Pferde besaßen und Schlachtpläne schmiedeten, die ihr Volk so manches Mal ins Elend geführt hatten. Warum hatte mir nie jemand gesagt, dass in diesen Vögeln genauso menschliche Körper steckten wie in meinem eigenen Volk, wenn es seine steinerne Hülle ablegte? Ich war ziemlich perplex ob dieser Tatsache und diesen Fakt nutzte der Krähenmann gnadenlos aus. Er erhob die Faust gegen mich, während ein ächzendes Geräusch aus seinem Mund kam. Sein ganzer Körper war übersät mit tiefen und gefährlich wirkenden Wunden. Ganz sicher musste er höllische Schmerzen leiden, aber die Wut in seinen immer noch gelben Augen loderte unverändert. Sie war es, die ihn dazu antrieb, wie ein Irrer auf mich los zu stürmen und mir einen heftigen Kinnhaken zu verpassen. Mein Kopf wurde nach hinten geschleudert und kurz bevor mir komplett schwarz vor Augen wurde, stieß ich mein Messer nach vorne. Obwohl ich längst blind war vor Schmerz, der in meinem Schädel tausendfach wieder hallte, traf ich mit der Klinge auf Widerstand und erntete ein Röcheln meines Gegenübers. Ich sah nicht mehr, was ich traf, sondern sackte selber zusammen wie eine leere Papiertüte.