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3. Kapitel

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„Ach du heiliger Holzapfel!“ Manette blieb abrupt stehen, als sie sich zusammen mit den anderen dreien dem Campingplatz näherte. „Was um alles in der Welt geht hier denn vor?“

Der Campingplatz sah chaotisch aus. Die Neuankömmlinge waren dabei, sich einzurichten. Alle waren schwer beschäftigt, abgesehen von Bengt, der es sich in einem Liegestuhl bequem gemacht hatte. Die einzigen, die anscheinend alles im Griff hatten, waren die Finnen. Sie stellten das Vorzelt, das Verandazelt und so weiter auf, als hätten sie nie etwas anderes getan.

Der Trabifahrer und seine Frau waren dabei, ein Zelt in der

Größe einer Hundehütte aufzubauen, und das schien ihnen kaum zu bewältigende Probleme zu bereiten. Nach den Mühen mit ihrem Auto müßte das doch fast eine Erholung für sie sein, meinte Anders.

Die norwegische Fahrradfamilie sah hingegen aus, als ob sie am liebsten alles einfach hingeschmissen hätte. Sie hatten den Anhänger ausgepackt, und Zeltbahnen, Stangen, Pflöcke und Leinen lagen in einem undurchschaubaren Wirrwarr durcheinander.

„Es sieht aus, als wollten die einen Zirkus aufbauen“, kicherte Stina.

„Jedenfalls sind die Clowns schon da“, kommentierte Louis trocken.

„Kommt, laßt uns lieber abhauen“, schlug Manette vor. „Entweder prügeln die sich gleich. Oder die kommen auf die Idee, daß wir ihnen helfen könnten.“

Die norwegische Dame sah aus, als wäre sie kurz vorm Heulen, der Sohn gab gute Ratschläge, und dem Vater war anzusehen, daß er den beiden wohl am liebsten eins auf die Nase gegeben hätte.

„Och, das ist doch saulustig, hier zuzugucken“, widersprach Louis. „Ich gehe jedenfalls nicht.“

Er hatte das norwegische Mädchen entdeckt, das sich schlauerweise ein Stück von seinen Eltern entfernt hatte. Sie schien in seinem Alter zu sein, und jetzt, wo sie endlich den Fahrradhelm und die Schwimmweste abgelegt hatte, fand Louis, daß sie doch eigentlich ganz niedlich aussah.

Per kam mit seiner Angelrute den Strandweg hinauf und blieb bei dem finnischen Campingwagen stehen.

„Ich freß meine Angel, wenn das nicht Claes ist. Hey, Claes, schön, dich zu sehen!“

„O Mann, Wahnsinn, das ist wirklich Claes!“ rief Manette überrascht. „Er hat einen neuen Caravan!“

„Und ’ne neue Frau“, fügte Anders trocken hinzu.

„Ich habe gewußt, daß er sich hat scheiden lassen“, erklärte Manette. „Deshalb dachte ich, er würde dieses Jahr gar nicht kommen.“

„Wieso, man kann doch Ferien machen, auch wenn man geschieden ist“, sagte Stina.

„Hoffentlich hat er seine Kinder dabei, damit Louis jemanden zum Spielen hat“, sagte Manette.

„Ja, und das hier ist Märta“, erklärte Claes stolz und schubste sie leicht auf Per zu. „Meine neue Frau ... oder Partnerin, wie man so sagt.“

„Ja, dann hallo und herzlich willkommen.“ Per gab Märta die Hand.

„Die sind nicht verheiratet“, flüsterte Stina.

„Und was ist mit den Kindern?“ fragte Per. „Sind sie mitgekommen?“

„Nee“, antwortete Claes. „Die sind mit Marianne bei ihrer Großmutter auf den Schären. Da haben sie eine Insel ganz für sich allein.“

Manette sah Stina an und verdrehte die Augen. „Wie gräßlich“, flüsterte sie. „Stell dir nur mal vor! Die ganzen Ferien allein mit den Greisen und Louis auf einer öden Insel. Ich würde ja sterben!“

„Und wer ist der Knirps da?“ fragte Per. „Ist das deiner?“ Er schaute Märta fragend an.

„Ja, das ist Märtas. Er heißt Henrik“, sagte Claes und fügte erklärend zu: „Märta versteht nicht so gut dänisch, aber sie wird’s noch lernen.“

„Und Bengt ist auch gekommen“, rief Per, als er Bengt im Liegestuhl entdeckte. Er winkte Claes und Märta zu und ging auf Bengt zu, der dösig zu ihm aufblickte.

„Wo nette Leute sind, kommen nette Leute hinzu“, sagte Per. „Tag auch, Bengt. Und natürlich willkommen.“

„Oh, hallo Per, long time no see. Wie geht’s dir? Wie läuft das Malergeschäft?“

„Ach, überhaupt nicht! Es kommt gar nicht in Schwung, aber daran will ich weder denken noch drüber reden – jetzt habe ich Urlaub. Und wie stellt’s mit dir?“

„Na, so lala, man kann’s aushalten.“

Per schüttelte den Kopf. „Daß man davon leben kann, herumzufahren und alte Klappergäule zu knipsen, das geht über meinen Verstand.“ Er nickte zu Claes und Märta hinüber. „Hast du Claes’ neuen Wohnwagen gesehen? Nicht schlecht, was? Das ist vielleicht ein Palast.“

„Der Palast hat wahrscheinlich eher Macht über den Mann als umgekehrt“, erwiderte Bengt trocken. Er schaute zu den Norwegern hinüber. „Und unsere norwegischen Brüder und Schwestern haben anscheinend über gar nichts Macht.“

Per drehte sich um und warf einen Blick aufs Schlachtfeld.

„Denen müssen wir wohl mal unter die Arme greifen“, meinte er.

Bengt schüttelte den Kopf und warf ihm einen trägen Blick zu. „Laß die arbeiten, die dazu geschaffen sind“, erwiderte er und gähnte. „Ich glaube, ich gehe lieber rein und hau’ mich für ’ne halbe Stunde aufs Ohr.“

„Das sieht dir ähnlich“, sagte Per mit leichtem Vorwurf in der Stimme.

„Stimmt“, grinste Bengt und verschwand in seinem Wohnmobil, während Per zu den Norwegern ging.

„Hallo“, sagte er. „Ich heiße Per. Braucht ihr Hilfe?“

Der Norweger sah erleichtert aus, obwohl es ihm auch ein wenig peinlich war. „Ja, hast du denn Ahnung von so was?“ fragte er.

„Ja, wir hatten selbst ein Zelt, ehe wir uns den Wohnwagen angeschafft haben“, erklärte Per, der bereits dabei war, Ordnung ins Chaos zu bringen.

„Wir machen es das erste Mal, aber wir haben zu Hause im Garten geübt“, sagte der Norweger. „Ich heiße übrigens Tore, und das ist Åse, meine Frau.“

Per nickte und drehte sich halb um. „Hey, Manette, kannst du nicht eben mal helfen?“ rief er über die Schulter.

Er erhielt keine Antwort und sah sich verblüfft um.

„Das ist ja komisch“, meinte er. „Sie waren doch gerade noch da.“

Aber Manette, Stina und Anders hatten es geschafft, sich unsichtbar zu machen. Sobald sie außer Hörweite waren, prusteten beide Mädchen los.

„Erst waren sie da und dann nicht mehr!“ lachte Stina. „Aber das war in letzter Sekunde!“

„Hab’ ich doch gesagt“, kicherte Manette, als sie endlich wieder Luft bekam, „nur gut, daß wir noch abhauen konnten, sonst hätten wir diesen blöden Norwegern noch helfen müssen.“

„Es fehlte nur noch, daß sie ihre Sicherheitshelme beim Zeltbau aufsetzen“, meinte Stina.

„Aber der Junge war eigentlich ganz süß“, sagte Manette nachdenklich.

„Mh, ja“, Stina nickte. „Ganz brauchbar.“

Anders schaute sie kopfschüttelnd an. „Habt ihr eigentlich nichts anderes im Kopf?“

„Als was?“ fragte Manette.

„Als Jungs!“

„Nee“, antwortete Stina, „du vielleicht?“

„Ich habe jedenfalls keine Jungs im Kopf“, schnaubte Anders.

„Da siehst du’s selbst“, nickte Manette.

„Was sehe ich?“

„Daß du an Mädchen denkst“, meinte Manette. Stina und sie fingen wieder an zu kichern. Anders warf ihnen einen resignierten Blick zu. „Oh, beim Jupiter, was seid ihr ...“ „Süß?“ unterbrach Stina ihn.

„Das wollte ich ja nicht gerade sagen.“

„Na, ich glaub’ schon.“ Manette sah ihn einschmeichelnd an. „Du bist doch ganz scharf auf uns, gib’s nur zu. Und wenn wir so süß sind, dann kannst du uns doch ein Eis spendieren.“ „Na gut, abgemacht. Aber nicht, weil ihr so süß seid, sondern weil ich so nett bin.“

Sie schlenderten durch das Dorf zum Laden. Dort bekam Anders das Eis gratis.

„Seid ihr über Varberg-Grenå gekommen?“ fragte Manette Stina.

„Nee, Göteborg-Kiel.“

Anders sah sie verblüfft an. „Das ist aber ein Umweg.“

„Ja, aber Bengt sollte da irgendwas besorgen. Und damit konnten wir zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen, meinte er. Urlaub machen und irgendwelche Geschäfte erledigen. Was er so Ferien nennt. Er ist die ganze Zeit irgendwo rumgerannt, und ich saß zwei Tage lang mutterseelenallein im Hotel und habe vor mich hin geglotzt. Der Mann kann gar keine Ferien machen. Nur hier. Das sagt er selbst auch. Er behauptet, hier ist es so stinklangweilig. Deshalb ist das hier der einzige Ort der Welt, wo er sich entspannen kann. In Wahrheit kann er es nicht aushalten, einfach nur stillzusitzen.“

„Damit habe ich keine Schwierigkeiten“, grinste Manette. „Ich finde es wunderbar, einfach nur so herumzutrödeln. Aber meinen Eltern geht es ähnlich wie Bengt. Die ersten Urlaubstage finden sie sich überhaupt nicht zurecht. Sie meckern und schimpfen und schreien sich an, aber wenn dann ein paar Tage um sind, dann haben sie ihren Rhythmus gefunden, und dann läuft’s gut.“

„Oh, diese Erwachsenen!“ seufzte Stina und zuckte mit den Schultern.

„Hoffentlich werden wir nicht mal so, was?“

„Niemals!“ lachte Stina.

Während die Großen sich aus dem Staub gemacht hatten, war Louis unbemerkt auf den Platz der Norweger geschlichen. Er tat so, als sähe er das Mädchen überhaupt nicht, das sich ein wenig zurückgezogen hatte, aber als er endlich genügend Mut geschöpft hatte, um sie anzusehen, streckte sie ihm blitzschnell die Zunge raus. So schnell, daß Louis gar nicht sicher war, ob sie es wirklich getan hatte. Er wartete eine Weile, bevor er wieder zu ihr hinübersah, und jetzt gab es keinen Zweifel mehr. Die dumme Göre stand wirklich da und streckte ihm die Zunge raus. Louis zog eine fürchterliche Grimasse, und das Mädchen machte auch eine. Louis ging etwas näher, wobei er noch schrecklichere Grimassen zog. Jedesmal, wenn das Mädchen die Zunge rausstreckte, machte Louis Fratzen. Aber als er fast bei ihr angekommen war, begannen beide gleichzeitig zu grinsen, und kurz darauf verschwanden sie zusammen in den Büschen und schlichen sich zum Strandweg.

„Wie heißt du?“ fragte das Mädchen.

„Louis. Und du?“

„Berit.“

„Wie lange bleibt ihr hier?“

„Vierzehn Tage, vielleicht auch drei Wochen.“

„Toll. Dann kann ich dir was zeigen.“

„Was denn?“

„Alles mögliche. Die ganze Insel.“ Louis breitete die Arme aus.

„Kennst du denn die ganze Insel?“

„Ja, klar. Pst!“ Louis zog Berit in die Hocke, so daß sie von den Büschen verdeckt waren.

„Was ist los?“

„Da“, sagte Louis nur und deutete auf den Weg.

Ein Stück von ihnen entfernt kam ein Mann den Strandweg mit einer Sense über der Schulter entlang. Jetzt, wo die Dunkelheit einsetzte, zeichnete sich seine Silhouette dunkel gegen den hellen Abendhimmel ab.

„Wer ist das?“ fragte Berit etwas unsicher.

Louis sah sie mit großen Augen an und sprach mit tiefer Stimme: „Das ist der Sensenmann! Das ist der Tod, der unterwegs ist, um ...“

Berit erschauerte. „Iih, sag nicht so was. Das ... das ist so unheimlich.“

Sie kroch unruhig weiter ins Gebüsch, als der Mann mit der Sense näher kam.

Louis war so begeistert von sich selbst und dem Eindruck, den er auf sie gemacht hatte, daß er am liebsten seinen Spaß weitergetrieben hätte, aber nichtsdestotrotz wollte er ihr nicht zuviel Angst einjagen, deshalb grinste er beruhigend: „Nein, das stimmt nicht. Das ist nur einer der Ferienhausbesitzer, der beim blöden Alfred war, um seine Sense schleifen zu lassen.“

Im gleichen Augenblick raschelte es in den Büschen hinter ihnen. Berit zuckte zusammen. „Hast du das gehört? Da war was! Direkt hinter uns.“

„Das war bestimmt nur ein Kaninchen“, meinte Louis.

Sie drehten sich vorsichtig um und spähten umher. In dem Moment tauchte Henrik auf, starrte sie an und zielte mit seiner elektronischen Laserpistole auf sie.

„Komm“, sagte Louis und zog Berit mit sich auf den Weg. „Das ist nur diese idiotische finnische Nervensäge. Mit dem lohnt es sich nicht zu quatschen.“

Henrik verzog sein Gesicht zu einer Fratze und machte in seiner Geheimsprache ein Zeichen. Das sollte bedeuten: „Ihr seid alle beide bescheuert.“

Louis ließ Berits Hand los, als sie den Weg ein Stück gegangen waren. Es war doch zu albern, Hand in Hand mit einem Mädchen zu laufen, obwohl er sich eigentlich ganz gut dabei fühlte.

„Wohin gehen wir?“ fragte Berit.

„Wart’s nur ab“, sagte Louis.

Beide bemerkten nicht, daß Henrik mit seiner Laserpistole ihnen nachschlich, bereit zum tödlichen Schuß.

Und auch nur Henrik sah Bengt, der auf dem Weg zur Kneipe war. Gerade als er hineingehen wollte, hielt ein Auto auf der anderen Straßenseite und hupte. Das war der Arzt. Bengt ging zum Auto und beugte sich durch das offene Seitenfenster hinein, so daß sein Po auf die Fahrbahn ragte. Es schien ihn nicht im geringsten zu stören, daß mehrere Autos an ihm vorbeimanövrieren mußten und ihm dabei fast die Hacken abfuhren. Schließlich nickte er und winkte dem Arzt zu, der in seinem Auto blieb, während Bengt zu einer Telefonzelle ging.

Kurz darauf legte Bengt den Hörer wieder auf und ging zurück zum Auto.

„Geht in Ordnung“, rief er. „Tommy kümmert sich drum. Wollen wir zu ihm rausfahren?“

„Das wäre prima. Wenn du Zeit hast?“

Bengt grinste. „Zeit! Ich habe hier praktisch nichts anderes als Zeit.“

Louis ging zur Eingangstür des Hauses vom alten Alfred. Berit zögerte.

Louis drehte sich zu ihr um. „Nun komm schon!“

Berit sah ihn zweifelnd an. „Das sieht so schmutzig hier aus. Wohnt da überhaupt jemand?“

„Ja, das ist das Haus vom alten Alfred.“

„Der mit der Sense?“ fragte Berit. Sie fühlte sich nicht wohl in ihrer Haut.

„Nein, er schärft nur die Sensen. Nun komm schon rein.“ Berit nahm ihren ganzen Mut zusammen und folgte Louis ins Haus.

„Es ist niemand zu Hause“, stellte sie fest, während sie sich umsah. Die Stube war voll mit allem möglichen Krempel. Zeitungen und Zeitschriften türmten sich in allen Ecken. „Ach du liebe Zeit, wie sieht das hier nur aus!“

„Ist doch egal“, sagte Louis und schob einen Packen Zeitungen zur Seite, so daß er die Schublade einer Kommode aufziehen konnte.

„Darfst du das, wenn er gar nicht da ist?“ fragte Berit. Louis antwortete nicht. Er zog die Schublade ganz heraus und stellte sie auf den Tisch. Darin war eine imposante Sammlung aller möglichen Steine und Versteinerungen. Aber momentan hatte Berit nicht den rechten Sinn dafür.

„Louis, dürfen wir überhaupt hier sein, wenn er nicht da ist?“

„Klar, das macht überhaupt nichts. Er kommt sicher gleich. Ich kenne ihn. Ich bin schon oft hier gewesen. Du hast doch keine Angst, oder?“

„Wie kommst du denn darauf? Natürlich nicht!“

Louis deutete auf einen Stein. „Guck mal, der da. Der ist Trillionen von Jahren alt.“

„Trillionen?“ Berit klang zweifelnd.

„Na, auf jeden Fall Millionen.“

Berit zeigte auf einen Orden an einem abgewetzten Taftband, der mitten in der Sammlung lag. „Und was ist das? Ist das auch Trillionen Jahre alt?“

„Quatsch. Das ist eine Medaille, die Alfred gekriegt hat, weil er mal Schmuggler gewesen ist.“

„Ach, das sagt er bestimmt nur“, meinte Berit. Sie hatte noch nie gehört, daß man einen Orden bekam, weil man schmuggelte. Dafür bekam man Strafen oder kam sogar ins Gefängnis. „Ist er etwas gaga?“

„Total verrückt!“ grinste Louis. Dann besann er sich. „Nee, er ist einfach nur alt. Vielleicht ist er ein bißchen merkwürdig im Kopf, aber ansonsten ist er ganz in Ordnung.“

Sie waren so mit Alfreds Schatz beschäftigt, daß sie Henrik gar nicht bemerkten, der sich mittlerweile bis an Fenster herangeschlichen hatte und mit seiner Laserpistole auf sie zielte.

Peng!

Sie schauten erschrocken hoch in die Richtung, aus der der Krach gekommen war.

„Heiliger Mario, was war das?“ stieß Louis hervor. Er stand auf und ging zum Fenster, aber Henrik hatte sich schon blitzschnell hinter den Johannisbeersträuchern versteckt.

Stina und Manette verabschiedeten sich von Anders beim Laden und gingen vergnügt plaudernd den Strandweg zurück. Als sie fast zu Hause angekommen waren, bog ein Radfahrer aus einem Seitenpfad vom Campingplatz her auf ihren Weg und wäre fast mit ihnen zusammengestoßen.

„Ey, Ey! Paß doch mal ein bißchen auf!“ rief Stina verärgert.

„Das ist ja der alberne Norweger“, flüsterte Manette.

„Du hast deinen Helm vergessen, du Schlaffi!“ rief Stina. „Was Mama wohl dazu sagen wird!“

„Habt ihr Berit gesehen?“

Stina sah ihn prüfend an. „Also, Manette, er ist ohne noch süßer, findest du nicht?“

„Klaro!“

Helge errötete unter den prüfenden Blicken der Mädchen, versuchte aber zu tun, als wenn nichts wäre. „Nun hört mal auf mit dem Blödsinn“, sagte er. „Habt ihr Berit gesehen?“

„Welche Berit?“

„Meine kleine Schwester. Sie ist mit deinem Bruder und diesem kleinen Finnen abgehauen. Habt ihr sie nicht gesehen?“

„Nee, zum Glück nicht“, grinste Manette. „Die sind bestimmt ertrunken. Man darf es jedenfalls hoffen.“

Stina schüttelte energisch den Kopf. „Soviel Glück gibt’s doch nicht am ersten Ferientag.“

Helge sah die beiden verärgert an und setzte sich dann wieder aufs Rad. „Meine Güte, was seid ihr gemein!“

Als er ein Stück weitergefahren war, schaute er sich nach ihnen um, und Stina und Manette winkten ihm zu. Stina sah Manette mit glänzenden Augen an.

„Weißt du was“, sagte sie. „es macht richtig Spaß, ihn zu ärgern.“

Manette nickte, sagte aber nichts.

Er war eigentlich verdammt niedlich.

Und außerdem war sie ganz sicher, daß sie wußte, wo Louis und die anderen waren.

Sie wollte sie lieber suchen, wenn Stina nach Hause gegangen war.

Auf dem Campingplatz fuhr Bengt an ihnen vorbei. Mit seinem großen Wohnmobil nahm er ein bißchen zu schnell die Kurve bei der Einfahrt.

„O weh“, rief Manette. „Das kann nicht gutgehen. Er hat viel zuviel Fahrt drauf.“

„Wo zum Teufel ist er gewesen?“ fragte Stina.

„Hauptsache, er rast nicht ins Zelt der Trabileute“, meinte Manette.

„Das fehlte noch.“

Es gelang Bengt, den Wagen in den Griff zu bekommen und auf seinen Platz zu manövrieren, aber nicht, ohne den Campingwagen von Claes und Märta zu streifen.

Er sprang aus dem Wagen, ging zu ihnen und klopfte an. Märta kam an die Tür.

„Hallo“, sagte Bengt. „Ist was passiert?“

„Womit?“ fragte Märta und ging die Treppe hinunter.

„Ich fürchte, ich habe euren Wagen gestreift, als ich reingefahren bin“, sagte Bengt und hockte sich hin, um den Wohnwagen in der Finsternis zu begutachten. „Aber es ist nichts zu sehen.“

„Dann ist wohl nichts passiert“, sagte Märta. „Ich habe an meinem PC gesessen und gar nichts gemerkt.“

Bengt warf ihr einen interessierten Blick zu. „Du hast einen PC mit?“

„Ja“, antwortete Märta mit einem Lächeln. „Ohne kann ich kaum leben.“

„Wollen wir Karten spielen?“ fragte Manette, als sie vor dem Wohnmobil standen. Sie hoffte, daß Stina nein sagen würde, weil sie nach Louis und Berit suchen wollte.

Stina gähnte. „Nicht heute abend. Ich muß ins Bett.“

„Na, dann gute Nacht“, sagte Manette. „Wir sehen uns morgen.“

Kurz darauf traf sie Helge im Dorf.

„Hast du sie nicht gefunden?“ fragte sie.

Helge schüttelte den Kopf und sprang vom Fahrrad.

„Ich bin durchs ganze Dorf gefahren. Und am Hafen entlang. Wenn nur nichts passiert ist.“

„Es ist nichts passiert“, beruhigte Manette ihn. „Ich glaub’, ich weiß, wo sie sind. Komm mit!“

Helge stellte sein Fahrrad ab. Sie schlugen den Weg zum alten Alfred ein.

Manette winkte ihn zu sich heran, und gemeinsam schlichen sie bis zum Fenster und spähten in die Stube, in der Berit und Louis die Steinsammlung ansahen, während der alte Alfred seinen Kaffee trank.

„Na, was habe ich gesagt!“ flüsterte Manette triumphierend. „Ich wußte doch, daß sie hier sind. Ich kenne meine Pappenheimer.“

„Was?“ fragte Helge verwirrt.

Manette drehte sich um und lächelte ihm zu. Helge wollte gerade etwas sagen, als ein Schuß aus Henriks Pistole ihn vollkommen aus der Fassung brachte.

„Oh, shit, du kleiner stinkiger Zwergpudel“, rief Manette und sprang in die Johannisbeerbüsche. Henrik rannte in wilder Flucht auf die Straße, aber er kam nicht weit, denn Manette schnappte ihn sich, wie sehr er auch um sich schlug und biß.

„Ey, hilf mir mal mit der wilden Bestie hier“, rief Manette. „Er muß bestimmt auch nach Hause.“ Ohne weitere Umstände warf sie Henrik in Helges Arme. „Ich geh’ rein und hole die beiden anderen.“

„Oh, verflucht, er beißt!“ schrie Helge und ließ Henrik los, der sofort über die Straße rannte, auf den Weg, der zum Campingplatz führte.

„Dieser kleine Vampir“, sagte Helge stöhnend, als Manette mit Berit und Louis im Schlepptau wieder auftauchte. „Er hat mich wirklich gebissen.“

„Glaubst du, daß er wirklich ein Vampir ist?“ fragte Louis interessiert. Er hätte schon immer mal gern einen Vampir getroffen.

„’türlich ist er keiner. Er ist nur ein kleiner, rotzfrecher Bengel, genau wie du“, antwortete Manette.

„Äh ... sehen wir uns morgen?“ fragte Helge ein wenig schüchtern, nachdem Manette und er die Kleinen reingescheucht hatten.

Manette grinste. „Das wird sich wohl kaum vermeiden lassen.“

„Ich meinte ... wollt ihr morgen an den Strand? Du und dieses schwedische Mädchen. Dann könnten wir vielleicht zusammen gehen?“

„Sie heißt Stina. Ja, ich denke schon. Wenn es nicht gerade gießt. Bis dann.“

Der rätselhafte Doppelgänger - Kinder-Krimi

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