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Liam - Ihre Flucht
ОглавлениеSie war eindeutig nervös. Keinem würde die kleine Geste auffallen, doch mir fiel es sofort auf. Während die Reden geschwungen wurden, tippte sie immer wieder mit dem kleinen Finger an das Champagnerglas. Normalerweise könnte man meinen, dass sie einfach nur genervt war, doch dafür kannte ich sie mittlerweile zu gut. Sie war nie genervt. Egal wie lang das langweiligste Gespräch ging, sie behielt immer die Fassung. Nur heute nicht. Irgendetwas lag in der Luft und ich musste mich mit Sophia herumschlagen.
Für das verwöhnte Töchterlein waren solche Veranstaltungen nämlich ein Krampf und sie zeigte es auch offen. Es war erstaunlich, dass Abigail und sie Schwestern waren, denn die beiden waren grundverschieden. Am Alter konnte es nicht liegen, denn ihre große Schwester war gerade einmal fünf Jahre älter … und noch Jungfrau, was mich für eine Sekunde ablenkte. Der Applaus holte mich sofort wieder in die Wirklichkeit und endlich begann der lockere Teil des Abends. Wobei ich wusste, dass nur noch eine Stunde geplant war, hierzubleiben. Ich folgte Sophia in angemessenen Abstand und warf immer wieder ein Auge auf Abi. Sie schlenderte durch den Raum, doch mittlerweile konnte ich ihre Anspannung mit Händen greifen.
Was hatte diese Frau nur vor?
»Los Liam, ich will noch etwas essen, bevor Dad meint, wir müssen wieder zurück in den goldenen Käfig«, plapperte Sophia los und ich musste ihr notgedrungen folgen.
Sie brauchte unendlich lange, bis sie endlich ihr Essen ausgesucht und auf den Teller geschaufelt hatte. In der Zeit konnte ich keinen Blick auf Abi werfen, denn das Buffet befand sich in einem angrenzenden Raum.
Über Funk setzte ich mich mit Hank in Verbindung. »Siehst du Abigail noch im Raum?«
Einige Zeit Stille, dann meldete sich die Stimme von ihm in meinem Ohr. »Negativ. Ich kann sie nicht entdecken. Sie wird sicher in einem der anderen Räume sein.«
Verflucht, ich ging eher davon aus, dass sie diesmal eine Dummheit beging.
»Hank, komm hierher und pass auf Sophia auf. Mein Gefühl sagt mir, dass Abigail nicht in einem der anderen Räume ist.«
»Scheiße Mann, meinst du, sie wurde entführt?«
»Nein. Eher dass sie abgehauen ist.«
Das leise Ächzen, das Hank von sich gab, konnte ich nur zu gut verstehen. Bekam William das spitz, wäre die Hölle los. Als ich den Weg in den großen Saal einschlug, war Hank schon zur Stelle und übernahm Sophia.
Wo konnte dieses Biest nur hin sein? Blitzschnell checkte ich die Möglichkeiten und entschied mich für den Weg nach hinten raus.
Auf leisen Sohlen schlich ich durch den Garten und tatsächlich sah ich ziemlich weit hinten am Grundstück eine Gestalt an der Hecke entlang huschen. Als ich an einem Pavillon vorbeikam, entdeckte ich das Handy und ein Stück von Abis Kleid und schüttelte den Kopf. Sie war tatsächlich dabei, abzuhauen.
Ich beschleunigte meine Schritte und sah gerade noch, wie sie durch einen Spalt in der Hecke verschwand. Fuck! Bis ich da war, war sich sicher über alle Berge, sollte dort jemand auf sie warten.
Das letzte Stück sprintete ich zum Loch und erstarrte, als ich mich hindurchgequetscht hatte. Zwei Typen lagen stöhnend auf dem Boden, einer kam von hinten angerannt. Abi war dagegen auf dem Weg zu einem Auto und riss schon die Türe auf. Ich fackelte nicht lang und rannte zu ihr, riss die Beifahrertür auf und ließ mich auf den Sitz gleiten.
Sie reagierte nur eine Millisekunde auf mich, dann stand ihr Entschluss fest und sie gab Gas, was dem Typen hinter uns, der mittlerweile eine Waffe gezogen hatte, den Kies in die Fresse schleuderte. Wow, sie war wirklich geschickt.
Wobei ich das direkt nach der ersten Kurve, die ich im stockdunkel nicht gesehen hatte, revidierte und sie im Affentempo hineinschlitterte. Heilige Scheiße, die würde uns noch umbringen.
Als wir eine Straße erreichten und sie endlich das Licht anschaltete, zog ich meine Waffe, was sie völlig unbeeindruckt ließ. Sie musste die Flucht lange Zeit geplant haben und sie zog ihr Ding durch.
Nachdem sie unsere Verfolger abgeschüttelt hatte und mal wieder ohne Licht einen Weg entlang brauste, den man nicht erkennen konnte, reichte es mir. »Wenn du nicht augenblicklich das verdammte Auto anhältst, oder zumindest langsamer wirst, schieß ich dir ins Knie.« Und das meinte ich verdammt ernst.