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CH: Confoederatio Helvetica

Wie mögen sich die Nachbarn jenseits der schweizerischen Landesgrenzen das Autokennzeichen „CH“ und neuerdings das E-Mail-Kennzeichen „ch“ verdolmetschen? Die im Norden denken da wohl am ehesten an einen gutturalen Urlaut des Schweizer Dialekts. Es ist ja auch kaum zu erraten. Hier hat die Schweizerische Eidgenossenschaft gut föderalistisch und zugleich gut europäisch keiner ihrer vier Landessprachen Deutsch und Französisch, Italienisch und Rätoromanisch, sondern der alten Landessprache aller dieser Nachbarländer die Ehre gegeben; in diesem änigmatischen „CH“ verbirgt sich eine ehrwürdige lateinische Confoederatio Helvetica.

Wer nun im guten alten Georges, diesem zweibändigen „Ausführlichen lateinisch-deutschen Handwörterbuch“, unter dem Stammwort foedus nachschlägt, stößt dort zunächst auf ein Adjektiv mit mehr widerwärtigen Bedeutungen, als die Hydra Köpfe hatte: „garstig, widrig, ekelhaft, hässlich, scheußlich, abscheulich, greulich, grauenhaft, grässlich, schimpflich, verächtlich, entsetzlich“. Eine „Konföderation“, der „Föderalismus“ zwölffach garstig, widrig etc.? Das kann doch nicht sein, und das ist auch nicht so. Gleich darunter in der Lexikonspalte folgt dann noch ein völlig gleichlautendes Substantiv foedus mit dem Genitiv foederis, sächlichem Geschlecht und der bündigen Bedeutung „Bündnis, Bündnisvertrag; Freundschaftsbund, Liebesbund“, und glücklicherweise haben diese beiden Wörter namens foedus nichts, aber auch gar nichts miteinander zu tun. Auch die lateinische Sprache hat ihre unliebsamen Namensvettern.

Die römische Republik regelte ihre Beziehungen zu den verbündeten Städten im engeren Latinischen und im weiteren Italischen Städtebund durch eine Vielzahl solcher foedera, solcher „Bündnisverträge“. Darin ging es um Stadtverwaltung und Gerichtsbarkeit, Münzhoheit und Handelsrechte, Eheschließung und Bürgerrechte, die Stellung von Truppen und Schiffen, allerlei Warenlieferungen für das römische Heer und Dienstleistungen für durchreisende Magistraten. Neben einem sogenannten foedus aequum, einem „Bündnis zu gleichem Recht“, sozusagen auf gleicher Augenhöhe, gab es da ein nie so offen benanntes foedus iniquum, bei dem Rom die Augen um einiges höher hatte, und zum Ritual des Bündnisschlusses gehörte eine harte Selbstverfluchung für den Fall eines Vertragsbruchs.

Aber das Beste stand nicht im Vertrag, sondern in dem Wort selbst. In seiner Schrift „Über die lateinische Sprache“ bezeugt der gelehrte Varro neben der geläufigen Lautgestalt foedus noch ein altes feidus alias fidus, und hier kommt nach jenem zwölffach garstigen Namensvetter noch eine höchst schätzenswerte Stammverwandte in den Blick: Das foedus, das „Bündnis“, ist gleichen Stammes mit der lateinischen fides, der „Treue“. Jedem römischen Bündnisvertrag war die Bündnistreue in den Titel geschrieben, und ein alter Römer hat aus dem feierlich geschlossenen foedus die darin feierlich beschworene fides wohl noch herausgehört. Ein Wortspiel des altrömischen Dichters Ennius deutet auf die Wortverwandtschaft: „Accipe daque fidem foedusque feri bene firmum ...“, „Nimm an und gib Treue und schließ ein grundfestes Bündnis ...“ Entsprechend waren die Bronzetafeln mit diesen Bündnisverträgen seit alters im Heiligtum der Fides Populi Romani, der „Treue des römischen Volkes“, auf dem Kapitol aufgestellt.

Zu einer foederatio im Sinne eines „Bündnisschlusses“ und schließlich einer vollends eng „zusammen“-geschlossenen confoederatio, wie sie heute im lateinischen Namen der Schweizerischen Eidgenossenschaft, des „Helvetischen Bundesstaates“, und so auf jedem Fünffränkler, jedem Zehn- und Zwanzigräppler figuriert, ist es erst in der Spätantike gekommen. Das einfache foedus ist geläufiger geblieben; so treu, wie es dem Wort entspricht, hat es im „Föderalismus“ seine ursprüngliche staatsrechtliche Bedeutung bewahrt. In dem Ländernamen „Bundesrepublik Deutschland“ erscheint es in deutscher Übersetzung, in der englischen Namensform „German Federal Republic“ wieder in seiner angestammten Gestalt. In der geläufigen Abkürzung „FBI“ für das US-amerikanische „Federal Bureau of Investigation“ gibt sich dieses foedus ein konspirativ verdecktes Stelldichein, und selbst in der „FIFA“, der „Fédération Internationale de Football Association“, gilt erst das zweite „F“ dem Fußball und das erste der Fédération.

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