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Teil 1 Die elementaren Geistigen Gesetze
Оглавление»Es gibt nur zwei Dinge, die unendlich sind: Das Universum und die Dummheit des Menschen ... und beim Universum ist man sich noch nicht sicher ...« (Albert Einstein)
Selbstverständlich können Sie denken, was immer Sie wollen. Mein Vorschlag für ein Leben, das Sie selbst weitgehend in der Hand haben und gestalten können, ist die Verinnerlichung und das Befolgen der folgenden Geistigen Gesetze oder ›Prinzipien‹, die ich zunächst einmal nur erkläre, damit Sie sie dann beim Weiterlesen immer wiederfinden werden. So kann dieses Buch einem aufmerksamen Leser auch ein Arbeitsbuch auf seinem ganz persönlichen Weg zur Erleuchtung sein.
Die italienische Renaissance war ein fruchtbarer Nährboden für die Synthese platonischer Ideen und spätantiker okkulter Philosophien.
So ist zum Beispiel die umfangreiche Zahlenmystik in der Alchemie auf das Einfließen der Kabbala in den Neuplatonismus zurückzuführen. Den ›elementaren‹ Grundstein zur spirituellen Suche nach dem Stein der Weisen aber legte die Tabula Smaragdina.
Sie spielte seit Jahrhunderten bereits eine zentrale Rolle und wurde Hermes Trismegistos, dem dreimal großen Hermes, einem mystischen Weisen aus Ägypten, zugeschrieben, welcher schon Platon maßgeblich beeinflusst haben soll. Hermes soll vor oder zu Moses Zeit gelebt haben, daher galten im alchemistischen Umfeld die hermetischen Texte als gleichwertig mit der Genesis - also auch mit der biblischen Schöpfungsgeschichte und den Zehn Geboten.
Große Gelehrte wie Paracelsus und der Neuplatoniker Marsilio Ficino, dem wir die Übersetzung des ›Corpus Hermeticum‹ ins Lateinische und damit die Verbreitung der hermetischen Lehren im Abendland verdanken, wussten um die Bedeutung dieser universellen Lehre für den Menschen. Angeblich wurde dieses Wissen im Grab des Hermes gefunden.
Schon in der Antike sahen viele Gelehrte den Hermes Trismegistos als jemanden an, der die Menschen belehrt und geheimnisvolle Bücher verfasst habe. Ferner entstand durch die Vermischung griechischer und ägyptischer Anschauungen eine große Anzahl von Schriften, welche ihm zugeschrieben wurden und teilweise noch erhalten sind, darunter eben die Tabula Smaragdina, die die sieben Hermetischen Axiome enthält und die das Zusammenwirken des gesamten Universums erklärt. Diese wurden auch als das ›Kybalion‹ bekannt. Hermes Trismegistos galt ebenso als Erfinder der Alchemie und der Magie, wie die Bezeichnung ›Hermetische Kunst‹ für Alchemie belegt.
Als Bewahrer der altägyptischen Legenden um Hermes Trismegistos wirkten griechische Gelehrte bis zur Eroberung Konstantinopels 1453 durch die Türken. Auch im Judentum wurden Teile davon weitergegeben - zwar nicht im Talmud, wohl aber in der Kabbala und insbesondere im Sohar. Auch im Islam fanden diese griechisch-ägyptischen Anschauungen Eingang und blieben dort in mehrfachen Fassungen und vermischt mit anderen Traditionen lange erhalten.
Vom alten Ägypten aus ging das Wissen in den arabischen Raum und wurde über Córdoba aber auch über Harran, der Stadt Abrahams, in das Europa des ersten Jahrtausends gebracht. Durch den Absolutheitsanspruch der katholischen Kirche jedoch wurde die Lehre der Hermetik – und die damit verbundene Lehre der Magie – als teuflisch bezeichnet: Die katholische Kirche konnte und wollte es nicht zulassen, dass es Weisheiten und Wahrheiten außerhalb ihrer eigenen Organisation gab. Der erste Einschnitt in dieser Richtung erfolgte 325 auf dem Konzil von Nicäa, wo die Reinkarnationslehre aus dem Kontext der Bibel gestrichen wurde. Ein zweiter Einschnitt erfolgte 1227, als die Astrologie als ›teuflisch‹ gebannt wurde. Aufgrund dieses Verhaltens seitens der katholischen Kirche wagten viele Weise und Gelehrte nicht mehr, ihr Wissen um die hermetische Lehre offen darzulegen, sondern ›versiegelten‹ es buchstäblich – woraus sich die Bezeichnung ›etwas ist hermetisch verschlossen‹ entwickelte.
Und dies sind die sieben Hermetischen Axiome:
1. Ein Schöpfergeist ist die Quelle des Lebens. Dieses Prinzip enthält die Wahrheit: ›Alles ist Geist.‹ Es besagt, dass das All die substanzielle Realität ist, welche allen äußerlichen Manifestationen und Erscheinungen zugrunde liegt, die wir unter den Bezeichnungen ›materielles Universum‹, ›Erscheinungsformen des Lebens‹, ›Materie‹, ›Energie‹ kennen, kurz allem, was für unsere materiellen Sinne in Erscheinung tritt, dass alles materialisierter Geist ist, der selbst unerkennbar und unerklärbar ist, der aber als universal und schöpferisch angesehen und gedacht werden kann.
Das erklärt auch, dass die ganze Erscheinungswelt oder das Universum eine geistige Schöpfung des Alls ist, unterworfen den Gesetzen aller geschaffenen Dinge, und dass das Universum als Ganzes und auch in seinen Teilen seine Existenz dem Geist verdankt. Ebenso wie auch unser Leben.
Dieses Prinzip erklärt, indem es die geistige Natur des Universums festlegt, alle verschiedenen geistigen und seelischen Phänomene, die die öffentliche Aufmerksamkeit in so großem Maße beschäftigen und die ohne solche Erklärung unverständlich sind und sich einer wissenschaftlichen Behandlung entziehen. Das Verständnis dieses großen Hermetischen Prinzips der Geistigkeit befähigt den Menschen, die Gesetze des geistigen Universums leichter zu begreifen und sie zu seinem Wohlbefinden und Vorwärtskommen anzuwenden. Damit ist er in der Lage, die großen Geistigen Gesetze verständnisvoll anzuwenden, anstatt ihre Anwendung dem Zufall zu überlassen. Mit dem Hauptschlüssel in der Hand kann jeder die vielen Tore des geistigen und psychischen Tempels des Wissens öffnen und ihn frei und verständnisvoll betreten. Dieses Prinzip erklärt die wahre Natur von ›Energie‹, ›Kraft‹, ›Stoff‹ und warum und wie alles der Herrschaft des Geistes unterworfen ist.
Vor langer Zeit schrieb einer der hermetischen Meister: »Derjenige, der die Wahrheit der geistigen Natur des Universums begreift, ist weit auf dem Wege zur Meisterschaft fortgeschritten.«
Der Geist ist also der Schöpfer aller Dinge. Alles, was Sie in Ihrer Umgebung, in Ihrem Heim und in der Welt sehen können, jeder Gegenstand Ihres Haushaltes, Ihr Auto, die Straße, durch die Sie fahren, die Häuser – kurz alles, was von Menschen geschaffen wurde – war irgendwann einmal zunächst in der geistigen Vorstellung vorhanden. Wenn Sie wissen, dass Sie der Schöpfer Ihrer Welt sind, können und brauchen Sie sich nicht mehr vor der Verantwortung zu drücken. Selbst die großen Dinge wie Frieden oder die Erhaltung der Umwelt, die man scheinbar alleine nicht verändern kann, beginnen beim Individuum selbst.
2. Jede Ursache hat ihre Wirkung; jede Wirkung hat ihre Ursache; alles geschieht gesetzmäßig. Zufall ist nur der Name für ein unbekanntes Gesetz. Es gibt viele Ebenen der Ursächlichkeit, aber nichts entgeht dem Gesetz. Mit der ›Schwarz-Weiß-Brille‹ werden Sie dieses Gesetz nicht entdecken.
Das Prinzip besagt: Alles geschieht gesetzmäßig, nichts ereignet sich zufällig, es gibt keinen Zufall. Es gibt verschiedene Ebenen von Ursache und Wirkung, die höheren beherrschen die niederen Ebenen und nichts kann völlig dem Gesetz entgehen. Beispiele für so genannte Zufälle finden Sie im Kapitel über Zufall. Diejenigen, die dieses Prinzip verstanden haben und danach leben, verstehen die Kunst, sich über die gewöhnliche Ebene von Ursache und Wirkung zu erheben. Indem sie sich geistig auf eine höhere Ebene erheben, werden sie Ursache statt Wirkung. Solche Menschen werden nicht mehr von äußeren Ursachen wie Figuren auf dem Schachbrett des Lebens bewegt, sondern haben Selbstbeherrschung erlangt und werden Spieler statt Figur. Sie haben gelernt, das Spiel des Lebens zu spielen, anstatt dass mit ihnen gespielt wird und sie durch einen anderen Willen oder durch ihre Umgebung bewegt werden. Wer diesen Gedankengang zu Ende denkt und das Erkannte anwendet, verfügt über einen unermesslichen Reichtum an hermetischem Wissen.
3. Die Dinge hängen über Analogien zusammen: wie oben, so unten; wie innen, so außen; wie im Großen, so im Kleinen. Dieses Prinzip enthält die Wahrheit, dass es zwischen den Gesetzen und Erscheinungsformen der verschiedenen Ebenen des Seins und Lebens eine Entsprechung gibt. Der alte hermetische Grundsatz lautete: ›Wie oben, so unten; wie unten, so oben.‹ Und das Begreifen dieses Prinzips gibt einem die Mittel an die Hand, manchen Widerspruch zu lösen und manch verborgenes Geheimnis der Natur zu lüften. Es gibt Ebenen jenseits unseres Wissens, aber wenn wir das Prinzip der Entsprechung auf sie anwenden, können wir vieles verstehen, was sonst unbegreiflich für uns wäre.
Dieses Prinzip tritt auf den verschiedenen Ebenen des materiellen, geistigen und rein geistigen Universums in Anwendung und Erscheinung – es ist ein universales Gesetz. Die alten Hermetiker (Anhänger der hermetischen Lehre) betrachteten dieses Prinzip als eines der wichtigsten geistigen Werkzeuge, mit denen der Mensch die Hindernisse beiseite räumen konnte, die das Unbekannte dem Blick entzogen. Wie die Kenntnis des Prinzips der Geometrie den Menschen befähigt, weit entfernte Sonnen und ihre Bewegungen – in seinem Observatorium sitzend – zu erkennen, so befähigt die Kenntnis des Prinzips der Entsprechung den Menschen, verständnisvoll vom Bekannten zum Unbekannten seine Schlüsse zu ziehen.
4. Gleiches hängt mit Gleichem zusammen und verstärkt sich, Ungleiches stößt sich ab. Nichts ist in Ruhe, alles bewegt sich, alles ist in Schwingung.
Tatsachen, denen die moderne Wissenschaft beipflichtet und die jede neue wissenschaftliche Entdeckung bestätigt. Und doch war dieses hermetische Prinzip schon vor Tausenden von Jahren von den alten Meistern verkündet worden. Dieses Prinzip besagt, dass alle Unterschiede zwischen den verschiedenen Manifestationen des Stoffes, der Energie, der Gedanken und sogar des Geistes im weitesten Sinne von den verschiedenen Graden der Schwingung abhängen.
Vom reinen Geist bis hinunter zur gröbsten Form der Materie ist alles in Schwingung – je höher die Schwingungszahl, desto höher ihre Position auf einer gedachten Skala. Die Schwingung des Geistes hat einen so unendlichen Stärkegrad und eine solche Schnelligkeit, dass sie sich praktisch in Ruhe befindet – genauso wie ein sehr schnell rotierendes Rad bewegungslos zu sein scheint. Am anderen Ende der Skala finden sich die groben Formen der Materie, deren Schwingungen so langsam sind, dass auch sie in Ruhe zu sein scheinen.
Zwischen diesen Polen gibt es Millionen über Millionen verschiedener Grade von Schwingung. Vom Körperlichen im Elektron, Atom und Molekül bis hin zu Welten und Universen ist alles in schwingender Bewegung. Dies ist auch auf den Ebenen von Energie und Kraft – die nur verschiedenartige Grade von Schwingung sind – wahr, ebenso auf den geistigen Ebenen – deren Zustände von der Schwingung abhängen – und schließlich auf den rein geistigen Ebenen. Das Verständnis dieses Prinzips befähigt Sie‚ Ihre eigenen geistigen Schwingungen zu beherrschen.
Die Meister wenden dieses Prinzip auch in verschiedener Weise an, um Naturphänomene zu überwinden. So ging Jesus über Wasser.
Ich selbst habe auf einer Indienreise Folgendes erlebt: In der Nähe von Bombay lebte eine alte Frau in einem Dornbusch. Von ihr hieß es, sie sei eine erleuchtete spirituelle Meisterin und Heilerin. Mit einigen Freunden besuchte ich diese Frau, deren Namen ich inzwischen vergessen habe. Viele Leute waren dort versammelt und hörten ihren Ausführungen zu, die wir nicht verstanden, da sie Hindi sprach. Sie verbot allerdings, sie zu fotografieren, was auch auf einem Schild in englischer Sprache stand. Heimlich taten wir es aber dennoch, weil es wirklich faszinierend war, wie sie dort lebte. Als wir in Deutschland unsere Fotos vom Entwickeln abholten, war zwar der Dornbusch auf den Bildern, kein einziges Foto zeigte aber die Frau.
»Derjenige, der das Prinzip der Schwingung versteht, hat das Zepter der Macht ergriffen«, schrieb einer der alten Meister.
5. Alles unterliegt einem Kommen und Gehen, alles hat Gezeiten. Alles fließt aus und ein, alle Dinge steigen und fallen, das Schwingen des Pendels zeigt sich in allem; der Ausschlag des Pendels nach rechts ist das Maß für dessen Ausschlag nach links.
Dieses Prinzip enthält die Wahrheit, dass sich in allem eine abgemessene Bewegung zeigt, hin und her; ein Hin- und Zurückfließen, eine pendelgleiche Bewegung, eine gezeitengleiche Ebbe und Flut, ein hoher und ein niedriger Stand, und zwar immer zwischen den beiden Polen, die gemäß dem Prinzip der Polarität bestehen, das soeben beschrieben wurde. Es gibt immer eine Aktion und eine Reaktion, ein Vorwärtsschreiten und ein Zurückgehen, ein Steigen und ein Fallen. Dies gilt für die Geschehnisse des Universums, die der Sonnen, der Welten, der Menschen, Tiere, des Geistes, der Energie und der Materie.
Dieses Gesetz offenbart sich im Entstehen und Vergehen von Welten, im Aufstieg und Untergang von Nationen, im Leben aller Dinge und auch in den geistigen Zuständen der Menschen. Im Hinblick auf letztere finden die Hermetiker das Verständnis dieses Prinzips ganz besonders wichtig. Wenn Sie dieses Prinzip erkannt haben, können Sie lernen, es auszunutzen, statt von ihm ausgenutzt zu werden. Auf dieser und ähnlichen Methoden beruht die Kunst der Hermetiker. Der hermetische Meister polarisiert sich selbst an dem Punkt, wo er zu ruhen wünscht, und dann neutralisiert er den rhythmischen Schwung des Pendels, der ihn sonst zum anderen Pol hintragen würde. Alle Menschen, die ein gewisses Maß an Selbstbeherrschung erreicht haben, tun dies bis zu einem gewissen Grade mehr oder weniger unbewußt, der Meister aber tut das bewusst und unter Anwendung seines Willens und erreicht damit eine Gewichtigkeit und geistige Festigkeit, die nahezu unmöglich erscheint.
6. Alles besitzt jeweils ein Paar von Gegensätzen oder Polen; Gleich und Ungleich ist dasselbe; Gegensätze tragen nur entgegengesetzte Vorzeichen.
Alles ist zwiefach, alles hat zwei Pole; Gleich und Ungleich ist dasselbe; Gegensätze sind identisch in der Natur, nur verschieden im Grad; Extreme berühren sich; alle Wahrheiten sind nur halbe Wahrheiten; alle Widersprüche können miteinander in Einklang gebracht werden.
Dieses Prinzip enthält folgende Wahrheit: ›Alles ist zweifach; alles hat zwei Pole; alles hat sein Paar von Gegensätzlichkeiten.‹ Es erklärt die alten Paradoxe, die so viele in Erstaunen versetzt haben und die folgendermaßen aufgestellt wurden: These und Antithese sind identisch in der Natur; Gegensätze können in Einklang gebracht werden; Extreme berühren sich; alles ist und ist nicht zu gleicher Zeit; alle Wahrheiten sind bloß halbe Wahrheiten; jede Wahrheit ist zur Hälfte falsch; jedes Ding hat zwei Seiten.
Dieses Prinzip besagt, dass in allem zwei Pole sind oder gegensätzliche Aspekte und dass die Gegensätze in Wirklichkeit nur die Extreme ein und desselben Dinges sind mit verschiedenen Graden dazwischen. Beispielsweise Hitze und Kälte, obgleich ›Gegensätze‹, sind in Wirklichkeit dasselbe, der Unterschied besteht lediglich in den verschiedenen Graden desselben Dinges.
Betrachten Sie ein Thermometer und schauen Sie, ob Sie entdecken können, wo die ›Hitze‹ aufhört und die ›Kälte‹ beginnt. Es gibt nicht so etwas wie ›absolute Hitze‹ oder ›absolute Kälte‹, die beiden Ausdrücke ›Hitze‹ und ›Kälte‹ bezeichnen lediglich verschiedene Grade desselben Dinges und dieses ›eine Ding‹, das als ›Hitze‹ bzw. ›Kälte‹ in Erscheinung tritt, ist nur eine Form, ein Grad der Schwingung. So stellen ›Hitze‹ und ›Kälte‹ nur die beiden Pole dessen dar, was wir ›Wärme‹ nennen – und die Erscheinungen, die sich daraus ergeben, sind nur Manifestationen des Prinzips der Polarität.
Wo hört die Dunkelheit auf und beginnt das Licht? Was ist der Unterschied zwischen ›groß‹ und ›klein‹, zwischen ›hart‹ und ›weich‹, zwischen ›schwarz‹ und ›weiß‹, zwischen ›scharf‹ und ›stumpf‹, zwischen ›laut‹ und ›leise‹, zwischen ›hoch‹ und ›niedrig‹, zwischen ›positiv‹ und ›negativ‹? Das Prinzip der Polarität erklärt diese Widersprüche – und kein Prinzip kann es ersetzen.
Dasselbe Prinzip wirkt auf der geistigen Ebene. Lassen Sie mich das Gesagte anhand des Beispiels von Liebe und Hass verdeutlichen: Liebe und Hass sind für uns extreme Begriffe für zwei augenscheinlich völlig unterschiedliche geistige Zustände. Und doch stellen auch sie nur Grade eines einzigen Zustandes dar, denn zwischen den beiden Extremen kennen wir auch einen ›mittleren Punkt‹, von dem ausgehend wir Ausdrücke wie ›Zuneigung‹ und ›Abneigung‹ gebrauchen. Zwischen diesen ›Graden‹ besteht ein solch allmählicher und fließender Übergang, dass wir manchmal unsicher werden und nicht wissen, ob wir ›gern mögen‹ oder ›nicht mögen‹ oder ob vielleicht keine von beiden Aussagen zutrifft. Bei alldem handelt es sich demnach lediglich um Grade derselben Sache, was bei näherem Hinsehen erkennbar wird. Und was von den Hermetikern für noch wichtiger gehalten wird: Es ist sogar möglich, die Schwingungen von Hass in Schwingungen von Liebe zu verwandeln, bei sich wie bei anderen.
Sicher haben auch Sie schon persönliche Erfahrungen mit dem unfreiwillig schnellen Übergang von Liebe in Hass und umgekehrt gemacht. Und Sie werden daher die Möglichkeit erkennen, dass dies durch Einsatz des Willens bewirkt werden kann, durch Anwendung der hermetischen Formeln. ›Gutes‹ und ›Böses‹ sind nur die Pole ein und desselben Dinges, und der Hermetiker versteht die Kunst, Böses in Gutes zu verwandeln durch Anwendung des Prinzips der Polarität. Kurz, die ›Kunst der Polarisation‹ ist ein Teil der ›geistigen Alchemie‹, gekannt und angewandt von den alten und neuen Meistern. Das Verständnis dieses Prinzips befähigt einen Menschen, seine eigene Polarität zu ändern sowie die von anderen.
Und zeigt uns nicht auch unsere Erde dieses Prinzip durch ihre zwei Pole, zwischen denen alles liegt?
7. Alles hat männliche und weibliche Prinzipien. Sie offenbaren sich auf allen Ebenen.
Diesen Prinzipien begegnen wir nicht nur auf der physischen, sondern auch auf der geistigen Ebene. Auf der physischen Ebene offenbart sich das Prinzip als Geschlechtlichkeit und auf den höheren Ebenen nimmt es höhere Formen an, aber das Prinzip bleibt immer dasselbe. Keine Schöpfung physischer, geistiger oder rein geistiger Art ist möglich ohne dieses Prinzip. Das Verständnis dieses Gesetzes wirft Licht auf manche Frage, die die Menschen in Erstaunen versetzt hat. Dieses Prinzip arbeitet stets nach den Gesetzen der Schöpfung im Wechselspiel zwischen Entstehen und Vergehen, Leben und Tod. Wir finden es in unserem Ein- und Ausatmen, in Ebbe und Flut, in den Jahreszeiten mit dem Blühen und Vergehen der Pflanzen. Wir finden es im Rhythmus der Tage im Wechsel zwischen Sonne und Mond.
Harmonie und Ausgleich zwischen diesen beiden Kräften sind in der chinesischen Philosophie ein zentraler Punkt und als die Elemente Yin (weiblich-passiv) und Yang (männlich-aktiv) bekannt.
Auch in der traditionellen chinesischen Medizin finden wir diese Prinzipien wieder. Yang steht dort für die Fülle und Hitze, Ying für Leere und Kälte. Wenn man die Philosophie der geistigen und rein geistigen Schöpfung, Zeugung und Wiedererzeugung verstehen will, muss man dieses hermetische Prinzip kennen. Es enthält die Lösung vieler Mysterien des Lebens. Die größte Kraft, die diese Welt so sein lässt, wie sie uns erscheint, ist Bewusstsein.
Zu Beginn der meisten Bibelübersetzungen steht: ›Am Anfang war das Wort, und aus dem Wort wurde Fleisch‹, was nichts anderes meint, als dass jeder Gedanke die Tendenz hat, sich zu materialisieren.
Vor jedem Wort muss aber ein Gedanke stehen, denn das Wort ist ja bereits der materialisierte Gedanke, der wiederum Bewusstsein voraussetzt.
Wenn man das weiß und befolgt, schützt man sich vor unbewussten Äußerungen. Wie oft sagen Sie: ›Das habe ich ja nicht so gemeint.‹ Das mag zwar stimmen, aber die Macht, die alles erschaffen kann, hat nicht die Aufgabe, zu kontrollieren und zu bewerten, sondern eben nur die Aufgabe, zu materialisieren.
Diese Energie ist die stärkste Kraft im gesamten Universum und gilt für den Makrokosmos wie für den Mikrokosmos. Vielleicht ist diese Kraft so groß, weil sie nicht denkt, sondern nur ausführt.
Es gibt zwei wichtige Instanzen in Ihnen.
Den Denker – er kann denken, was er will – und den Beweisführer – er wird alles daransetzen, Beweise für die Richtigkeit des Denkens zu erbringen. Die neuere Hirnforschung ist zwar dabei zu beweisen, dass wir in Wirklichkeit gar nicht denken, aber ich lade Sie ein, davon auszugehen, dass wir es manchmal doch tun. Was immer der Denker also denkt, wird der Beweisführer beweisen. In der Psychologie nennt man dieses Phänomen in Anlehnung an die griechische Mythologie den ›Pygmalion-Effekt‹.
Einst lebte auf Zypern ein großartiger Bildhauer mit Namen Pygmalion. Er beschloss, sich ganz und gar seiner Kunst zu widmen, da er keine Frau finden konnte, die seiner Vorstellung von Schönheit entsprach. Bald darauf hatte er in seinem Atelier ein Stück sehr reinen weißen Marmors, aus dem er eine wunderschöne Frau formte – eine Gestalt, die all das verkörperte, was er für schön hielt. Pygmalion war so ergriffen von seiner eigenen Schöpfung, dass er die Göttin Aphrodite bat, ihm bei der Suche nach einer Frau zu helfen, deren Schönheit seiner Skulptur ebenbürtig war. Aphrodite wusste, dass nur die Statue selbst Pygmalion genügen würde, und so hauchte sie dem Marmor das Leben ein, nach dem Pygmalion so glühend verlangte. Pygmalion nannte sie Galatea und heiratete seine eigene Schöpfung.
Die Geschichte des Pygmalion wurde von Ovid, einem der bedeutendsten römischen Schriftsteller der Nachwelt überliefert.
Sie finden sie aber auch in der moderneren Fassung zum Beispiel in dem Musical ›My fair Lady‹ wieder.
Professor Higgins, der sich mit Phonetik beschäftigt, trifft auf dem Blumenmarkt in London die Blumenverkäuferin Eliza Doolittle, die ihn wegen ihrer kraftvoll-vulgären Sprache fasziniert und gleichzeitig abstößt. Er überredet sie, sein Sprachlabor aufzusuchen und verspricht dort, ihr den Weg zu den besten Kreisen zu bahnen, wenn sie bei ihm Sprachunterricht nähme. Sie müht sich mit nur mäßigem Erfolg ab und provoziert bei dem von Higgins inszenierten Versuch, die nur oberflächlich angelernte ›feine Lebensart‹ beim Pferderennen in Ascot den Leuten vorzuführen, einen Skandal. Higgins findet trotzdem immer mehr Gefallen an seinem ›Objekt‹. Auf dem Diplomatenball im Buckingham Palace kann sie sich aber beweisen, obwohl ein Phonetiker anwesend ist, der für Geld die wahre Herkunft von Personen errät. Er denkt allerdings wegen ihres reinen Englisch, dass sie eine Ungarin mit königlichem Blut sei. Am gleichen Abend beglückwünschen sich Higgins und Colonol Pickering, aber keiner beglückwünscht Eliza.
Sie jedoch sagt dem Professor sehr deutlich, wie sehr sie sich vorgeführt und erniedrigt fühlt und verschwindet am nächsten Morgen. Professor Higgins fordert Eliza erfolglos auf, zurückzukommen, dann erst versteht er: Er vermisst sie, weil er sie trotz der großen Unterschiede zwischen sich und ihr gelernt hat als Person zu schätzen, sogar zu lieben. Professor Higgins hatte, wie auch Pygmalion, versucht, eine Frau vollkommen nach seiner Vorstellung zu schaffen, glücklicherweise aber noch die ›Kurve bekommen‹.
Wir sehen an diesen Beispielen, dass man keinen anderen Menschen nach seinen eigenen Idealvorstellungen formen kann.
Viele Beziehungen scheitern an diesem Irrglauben. Aber es gibt eine gute Nachricht: Sich selbst kann man sehr wohl verändern. Die Sozialwissenschaftler Ellen Key, Robert King-Merton und Robert Rosenthal haben sich intensiv mit diesem Phänomen beschäftigt und teils spektakuläre Versuche unternommen.
Es gab unter anderem ein Schulexperiment, in dem mehreren Lehrern einer für sie neuen Klasse gesagt wurde, mit wem sie es in der nächsten Zeit zu tun haben würden. Die Klasse wurde ihnen gegenüber aufgeteilt in die sehr motivierten intelligenten und in die eher faulen oder dummen Schüler.
Tatsache aber war, dass diese Einteilung rein willkürlich vorgenommen worden war, was die neuen Lehrer natürlich nicht wussten.
Das Ergebnis beeindruckte sogar die Versuchsleiter. Beim nächsten Zeugnis waren die Noten der vermuteten guten Schüler besser, die der angeblich schlechten Schüler schlechter. Die Schüler hatten sich also ›erwartungsgemäß‹ verhalten, und die Lehrer hatten wiederum darauf reagiert.
Das Erstaunlichste beim Pygmalion-Effekt ist also, dass sich die Menschen in Ihrer Umgebung so verhalten werden, wie es Ihrer Einstellung entspricht. Glauben Sie das nicht?
Machen Sie doch einmal den folgenden Versuch: Gehen Sie an einem beliebigen Tag aus dem Haus mit der Einstellung, dass Sie liebenswert und erfolgreich sind und viele gute Begegnungen haben werden. (Das müssen Sie aber wirklich glauben, versprochen?)
An einem anderen Tag denken Sie das Umgekehrte. Ich wette mit Ihnen, dass Sie den zweiten Versuch nach kurzer Zeit abbrechen werden – es sei denn, es spiegelt Ihre normale Haltung wider. Der Engländer Sir Francis Galton brach den Versuch jedenfalls ab, nachdem er von Passanten angerempelt und beschimpft worden war.
Er war im Selbstversuch eines Morgens aus dem Haus gegangen mit dem Glaubenssatz: ›Ich bin der meist gehasste Mann Englands.‹
Sie erleben Ihr Leben so, dass es Ihrem Glauben Recht gibt. Wie ein Radio empfangen Sie das, worauf Sie eingestellt sind. Sie empfangen das, mit dem Sie in Resonanz sind. Seien Sie mutig, und drehen Sie an dem Einstellknopf!
Unsere Welt ist unendlich bunt und vielfältig. Unermesslich viele einzelne Teile ergeben die gesamte Welt, und alles ist miteinander verwoben, niemand ist eine Insel.
Glauben Sie das auch? Wenn nicht, tun Sie so, als würden Sie es glauben. Es ist längst eine wissenschaftlich erwiesene Tatsache, dass sich der Mikrokosmos vom Makrokosmos kaum unterscheidet.
Dass jede ihrer Millionen Zellen die Informationen des gesamten Organismus in sich trägt – und vieles darüber hinaus. Das hieße also, dass die gleiche bunte Vielfalt in Ihnen ist.
Jesus sagte einmal: »In meines Vaters Haus sind viele Räume.« Das Haus Gottes auf dieser Erde sind Sie. Sie sind der lebendige Tempel Gottes. Das zu wissen, ist wichtig.
Lassen Sie mich an dieser Stelle den Talmud zitieren:
Achte auf deine Gedanken, denn sie werden Worte.
Achte auf deine Worte, denn sie werden Handlungen.
Achte auf deine Handlungen, denn sie werden Gewohnheiten.
Achte auf deine Gewohnheiten, denn sie werden dein Charakter.
Achte auf deinen Charakter, denn er wird dein Schicksal.
Ist es nicht erstaunlich, dass ein solch altes Wissen, das sich seit Jahrtausenden durch alle Weisheitslehren zieht und auch noch die nächsten Tausend Jahre wahr sein wird, heute so wenig öffentliche Beachtung erfährt?