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Liebe und Tod der Kinder (S. 44–80)

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Vrenchen verschweigt hartnäckig, wie es zu Martis Verletzung gekommen ist, sodass Salis Schuld unentdeckt bleibt. Nachdem sie fast zwei Monate lang den Vater aufopferungsvoll gepflegt hat, weist man ihn auf Gemeindekosten in eine geschlossene Marti zu den GeistesgestörtenAnstalt in der Hauptstadt des Landes ein, wo Marti den Rest seines Lebens verbringen muss; denn Haus und Hof sind überschuldet und müssen geräumt werden.

Als schließlich Vrenchen den Vater auf dessen letzter Reise begleitet hat, verbringt sie erstmals mit Sali den Abend in dem heruntergekommenen Sali zu Hause bei VrenchenHaus, das das Mädchen nur noch zwei Tage bewohnen darf. Wie vor zwölf Jahren draußen auf dem verwilderten Acker schlafen beide Kinder friedlich nebeneinander ein, nur dieses Mal nicht in der mittäglichen Septembersonne, sondern abends auf dem warmen Küchenofen, dem einzigen Gegenstand, der in dem bereits leer geräumten Haus noch Wärme spendet. Den beiden unglücklich Verliebten wird während ihres Beisammenseins aber völlig klar, dass Salis Tat und deren Folgen eine gemeinsame Zukunft endgültig verstellt haben, sodass eine Trennung für immer unumgänglich ist.

Was Sali und Vrenchen sich schließlich zugestehen, ist ein einziger Gemeinsamer SonntagSonntag, an dem sie alles das durchleben möchten, was einem Liebespaar sonst in einer langen glücklichen Brautzeit vergönnt ist. Wie vor zwölf Jahren ist auch dieser Tag wiederum ein sonniger Herbsttag, an dem nun frühmorgens Vrenchen zusammen mit Sali das elterliche Anwesen verlässt, sodass sie von jetzt an ohne Unterkommen ist. Auch Sali nimmt in einer eigenartigen Stimmung von zu Hause Abschied. Zudem hat er tags zuvor noch seine Uhr mitsamt Kette versetzt, auf Vrenchens Wunsch ein Paar Tanzschuhe für das Mädchen besorgt, und so ziehen beide, einem glücklichen Brautpaar gleich, übers Land. Sie haben nur einen Wunsch: ein einziges Mal glückselig miteinander tanzen zu können, bevor sie dann auseinandergehen wollen.

Nach einem feinen Frühstück in einem Landgasthof essen sie als ein angesehenes Auftreten als HochzeitspaarBrautpaar im nächsten Ort zu Mittag und besuchen die Kirchweih in einem dritten Dorf, wo Sali ein kleines Lebkuchenhaus für seine heimatlose Vrenchen ersteht und die beiden Kinder auch noch heimlich Ringe füreinander erwerben. Da die Festbesucher sie aber bald als die Nachkommen der zwei verfeindeten und verkommenen Bauernfamilien erkennen, Vertreibungfliehen sie verschämt und verstört vor den sie umringenden Gaffern.

Stattdessen besuchen sie ein halbverfallenes Wirtshaus, das sogenannte Im ParadiesgärtleinParadiesgärtlein, in dem armes und fahrendes Volk auf seine eigene Art den Festtag verbringt. Hier spielt auch der schwarze Geiger zum Tanz auf. Zur Überraschung von Sali und Vrenchen empfängt er sie sogar freundlich und nimmt sich ihrer an, sodass sie beginnen, sich unter seiner Obhut wohl zu fühlen, und nun endlich so viel tanzen können, wie sie wollen.

Spät abends veranstaltet dann der schwarze Geiger mit beiden eine Trauungszeremonie nach Art der Heimatlosen und führt sie in einem närrisch ausgelassenen Nächtlicher HochzeitszugHochzeitszug über Felder und durch Dörfer. In der Dunkelheit des zu Ende gehenden Sonntags ziehen Sali und Vrenchen wie im Rausch noch einmal an dem Unglücksacker vorüber, der ihr Zusammensein auf Dauer unmöglich gemacht hat. Das verführerische Angebot des schwarzen Geigers, es den Heimatlosen nachzumachen und in deren Gemeinschaft eine wilde Ehe zu führen, lehnen die beiden Bauernkinder aber entschieden ab. Unbemerkt verlassen sie die außer Rand und Band geratene Gesellschaft.

Der nahe Fluss, dessen Wasser ihnen wie ihr erhitztes Blut in den Ohren rauscht, zieht jetzt Sali und Vrenchen unwiderstehlich in seinen Bann. Beide erfasst gleichermaßen ein leidenschaftliches Verlangen, augenblicklich Hochzeit zu halten und dann in den Tod zu gehen. So tauschen sie als Zeichen ihrer Verbundenheit die auf der Kirchweih füreinander gekauften Ringe und machen ein am Ufer liegendes Heuschiff zum Hochzeitsnacht und FreitodBrautbett. Da Sali es zuvor losgebunden hat, treibt es die ganze Nacht über langsam flussabwärts in Richtung Stadt. Am frühen Morgen gleiten sie in das herbstlich kalte Wasser hinab und ertränken sich eng umschlungen.

ZeitungsmeldungZeitungsmeldungen berichten über den Tod der beiden Bauernkinder, nicht ohne den zunehmenden Verfall von Sitte und Moral, der hinter der Liebesnacht und dem doppelten Freitod stehe, anzumahnen.

Romeo und Julia auf dem Dorfe von Gottfried Keller: Reclam Lektüreschlüssel XL

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