Читать книгу Lehren und Lernen mit Humor - Klaus Henning Prof. Dr. sc. nat. Busch - Страница 5
3 Klassische Dramaturgie und ihre Gattungen
ОглавлениеDie Dramaturgie ist so alt, wie sich Menschen bemühten, Geschichten, Märchen und Sagen so zu erzählen, dass die Zuhörer dem Dargebotenen gefesselt folgten. Neben der spannenden Unterhaltung wurden stets mit den Erzählungen auch Lebenserfahrungen vermittelt und Gruppennormen sowie Werte gefestigt.
Aus den Erfahrungen vieler Generationen lassen sich grundsätzliche Regeln und Gesetzmäßigkeiten für ein wirkungsvolles, dramatisches „Erzählen“ (im weitesten Sinne) ableiten.
Als Dramaturgie werden im Rahmen dieses Buches
die Lehre von Wesen, Wirkung und Formgesetz des Dramas sowie die Anleitungen zum Verfassen oder zum Verständnis von dramatischen Texten verstanden.
Das Drama ist eine literarische Gattung, die sowohl Texte im Theater, in der Oper, im Spielfilm, im Hörspiel als auch einige Arten vorgetragener Texte einschließt.
Die Handlung kann in Akte und Szenen untergliedert sein.
Bei der Entwicklung der klassischen Dramaturgie (von griechisch dramaturgein) und deren schriftlichen Darstellung spielt der griechische Gelehrte Aristoteles eine besondere Rolle. (Mode 1952 )
Er gliederte ein Theaterstück in die drei Akte
• Exposition
• Konfrontation
• Auflösung
Von Gustav Freytag wird die dramatische Handlung in folgende Aktstruktur gegliedert:
1 Akt Exposition
2 Akt steigende Handlung
3 Akt Höhepunkt
4 Akt fallende Handlung
5 Akt Lösung des Konfliktes (Freytag 2012)
Der erste Akt enthält die Einleitung, der zweite die Steigerung, der dritte den Höhepunkt, der vierte die Umkehr, der fünfte die Katastrophe.
Damit erhält das Drama einen pyramidenförmigen Aufbau:
Die Handlung steigt vom in der Exposition dargestellten Konflikt (Widerspruch) bis zur „Zuspitzung“ im Höhepunkt und fällt dann zur Lösung des Konfliktes als Katastrophe oder „Happy End“ ab.
Diese Struktur begleitet uns nicht nur in vielen Formen der Literatur - sondern auch in der darstellenden Kunst und in allem schöpferischen Denken und Handeln der Menschen, bei dem es um die Lösung von Konflikten und Widersprüchen geht.
Die Form des Dreiecks (der Pyramide) wird uns – neben der Dramaturgie – anlog auch in den Abschnitten Pädagogik, Kreativität und Humor begegnen und deutet damit auf die Verwandtschaft aller schöpferischen Prozesse hin.
Die folgende Abbildung spiegelt diesen Aufbau prinzipiell wider.
Dramaturgie im Schauspiel und im Film
Neben den klassischen Arten des Schauspiels, der Tragödie und der Komödie, gehört auch das Kabarett zum Sprechtheater. Allen Stücken ist gemeinsam, dass Texte durch Sprache, Gestik und Mimik vorgetragen werden.
Bei der Tragödie handelt es sich um ein Schauspiel, das tragisch verläuft und oft in einer Katastrophe oder mit dem Tod der Hauptfigur endet.
Eine Komödie soll die Zuschauer erheitern und sie zum Lachen bringen. Die Komödie führt im Allgemeinen zum „Happy End“.
Die Kombination von Tragödie und Komödie führt zur Tragikomödie.
Es ist durchaus interessant, beim Betrachten eines Filmes dessen dramaturgische Struktur zu analysieren – leider geht dabei der Genuss an der Handlung teilweise verloren.
Dramaturgie in Mythen
Mythen sind Geschichten, in denen – ähnlich wie in Sagen und Märchen – interessante und häufig rätselhafte Ereignisse oder Vorgänge dargestellt werden.
Mythen entspringen den uralten Erlebnissen, Erfahrungen und Weisheiten des Volkes. Sie wurden von Generation zu Generation mündlich weitergetragen, bevor sie aufgeschrieben wurden. Bei der Weitergabe haben die jeweils aktuellen Weltanschauungen und herrschenden Ideologien spürbar ihre „Spuren“ hinterlassen.
Die folgenden zwei Beispiele für die in Mittel- und Nordeuropa verbreiteten Mythen handeln vom Zauberer Merlin und von der Göttin Holla.
Der Druide und Zauberer von Camelot Merlin begeistert in zahlreichen Büchern und Filmen seine Leser und Zuschauer. Lange Zeit wurde darüber spekuliert, ob Merlin eine Erfindung der Geschichtsschreibung sei. Es ist das Verdienst des Historikers und Schriftstellers Nikolai Tolstoy, der nach gründlicher Recherche der tausendjährigen Merlin-Tradition in dem Buch „Auf der Suche nach MERLIN“ zur Aufklärung dieses Mythos beigetragen hat. (Tolstoi 1997)
Die germanische Göttin Holla ist unter mehreren Namen bekannt: Holle, Holda, Hulda und Brechta. Nach Meinung von Historikern wird sie als die Muttergöttin der Jungsteinzeit angesehen und galt im Volksglauben als eine Haus-, Schutz- und Heilungsgöttin. Daher galt der Holunderbusch (Hollerbusch) früher als die „bäuerliche Hausapotheke“.
Über wie viele Jahrhunderte lang Mythen im Volke leben, lässt sich am folgenden Kinderreim erkennen.
„Ringel, Ringel, Reihe,
wir sind der Kinder dreie.
Wir sitzen unterm Hollerbusch
und machen alle husch, husch, husch.“
Nach der Christianisierung war es durchaus nicht ungefährlich, unter dem Hollerbusch zu beten.
Dramaturgie in Balladen
In den vergangenen Jahrhunderten waren die Bänkelsänger auf den mittelalterlichen Märkten und auf Volksfesten die Vortragenden von häufig schauerlichen Geschichten mit Tod und Liebe. Das Geschehen wurde mit meist bunten Bildtafeln veranschaulicht, auf denen die jeweils besungenen Ereignisse eindrucksvoll dargestellt waren.
Die Quellen der mitteleuropäischen Balladen reichen bis zu den germanischen Heldenliedern zurück. Besonders mit Goethe und Schiller erlebte die Ballade einen neuen Höhepunkt. Im sogenannten Schiller-Goethe‘schen Balladenjahr 1797 entstanden mehrere Balladen. (Berger 1965)
In der Struktur der Ballade finden sich die Grundzüge der klassischen Dramatik wieder.
Exposition
Löwengarten mit König Franz mit Damen und den Großen der Krone
Steigende Handlung
…und er winkt mit dem Finger, auftut sich der Zwinger,
und hinein ein Löwe tritt.
Und der König winkt wieder … Da rennt mit wildem Sprunge ein Tiger hervor.
Und der König winkt wieder. Da speit das doppelt geöffnete Haus zwei Leoparden aus.
Da fällt von des Altans Rand ein Handschuh zwischen den Tiger und den Leun mitten hinein.
Fräulein Kunigund: “Herr Ritter, ist Eure Lieb so heiß, ei, so hebt mir den Handschuh auf.“
Höhepunkt
Und der Ritter in schnellem Lauf steigt hinab in den furchtbaren Zwinger. und aus der Ungeheuer Mitte nimmt er den Handschuh mit keckem Finger.
Fallende Handlung
Und mit Erstaunen und mit Grauen Sehens die Ritter und Edelfrauen.
Und gelassen bringt er den Handschuh zurück.
Da schallt ihm Lob aus jedem Munde, aber mit zärtlichem Liebesblick – Er verheißt ihm sein nahes Glück – empfängt ihn Fräulein Kunigunde.
Lösung des Konfliktes
„Den Dank, Dame, begehr ich nicht!“
…Und verlässt sie zur selben Stunde.
Dramaturgie in Sagen
Sagen sind relativ kurze Erzählungen, die auf mündlichen Überlieferungen beruhen und häufig mit phantastischen Elementen verbunden sind. Die Verknüpfung mit konkreten Orten, Personen und historischen Ereignissen gibt ihnen den Anschein von Glaubwürdigkeit.
Obwohl die Sagen über keine einheitliche Struktur verfügen und sich im Laufe der Zeit - ähnlich wie auch die Mythen und Märchen – verändern, nutzen sie Elemente, die eine Spannung aufbauen und Werte sowie Normen
vermitteln.
Durch die Arbeit der Brüder Grimm wurde mit den „Deutschen Sagen“ eine umfangreiche Sammlung geschaffen und erhalten. (Grimm, Jacob und Grimm, Wilhelm 2011)
Sagen bilden gegenwärtig eine breite Grundlage für Romane und Filme.
Dramaturgie in Märchen
Märchen sind Erzählungen, die auf den mündlichen Überlieferungen vieler Völker beruhen. Auch in die deutschen Märchensammlungen sind u.a. die Geschichten der Hugenotten, der Araber und der Nordeuropäer eingeflossen.
Die Märchen beziehen phantastische Elemente ein und beziehen sich in der Regel nicht auf konkrete Orte und Personen. Vielmehr sind in ihnen Zwerge, Hexen, Zauberer, Tiere und Feen anzutreffen. Auch Pflanzen werden in die Märchen einbezogen. Folke Tegetthoff bringt dem Leser die geheimen Kräfte von Kräutern in seinem Buch „Kräutermärchen“ unterhaltsam nahe. (Tegetthoff 2001)
Zwischen den Formulierungen „Es war einmal …“ und „Wenn sie nicht gestorben sind ...“ werden nach mehreren Abenteuern die Guten belohnt und die Bösen bestraft.
Da die Märchen ein sehr prägendes und einprägsames Mittel der Bildung und Erziehung bereites in früher Kindheit sind, werden die Märchen häufig den jeweilig bestimmenden Normen und Werten der Gesellschaft angepasst. Aus Göttern können dann leicht Dämonen und aus dem Glauben kann Aberglaube werden.
Die Struktur von Märchen wird bei „Frau Holle“ deutlich. Die Handlung ist in das parallele Verhalten und Erleben der beiden Mädchen, der faulen eigenen Tochter und der fleißigen Stieftochter, gegliedert.
Der dramatische Verlauf erfolgt in den Stufen:
Aufsteigende Entwicklung mit
dem Fallen der Spule in den Brunnen,
dem Sprung in den Brunnen,
dem Erwachen auf einer Wiese,
dem Verhalten am Backofen,
dem Schütteln des Apfelbaumes und
dem Aufschütteln der Federbetten bis es auf der Erde schneit.
Als Höhepunkt steht der Wunsch nach Heimkehr.
Als fallende Handlung mit Steigerung zur letzten Spannung stehen
einerseits das glückliche Ende mit dem Gold als Belohnung für die Fleißige beim Durchschreiten des Tores und
andererseits die Tragödie für die Faule (Überschütten mit Pech) als Bestrafung.