Читать книгу 70/71 - Klaus-Jürgen Bremm - Страница 10
Bis zum ersten Schuss Paris 1867 – Das Zweite Kaiserreich noch einmal als Mittelpunkt Europas
Оглавление»Niemals hat sich das universelle Wohlwollen Frankreichs, trotz Sadowa, deutlicher manifestiert als in der großen Ausstellung von 1867, jenem herausragenden Fest, das Paris ganz Europa gab. Welche Aufnahme bereiteten wir unseren Gästen? Welches blinde Vertrauen zeigten wir ihnen? Welche Gastfreundschaft? Wir rissen Tore und Mauern nieder, damit diese Stadt die Welt empfangen, ja sogar umarmen konnte, und der Geist der Brüderlichkeit bewog einen Dichter sogar zu sagen: Paris ist mehr als nur eine Stadt. Trete ein, Menschheit! Diese Stadt gehört Dir.«
Jules Michelet, La France devant l’Europe, Januar 18711
Im April 1867 öffnete die Pariser Weltausstellung ihre Pforten. Es war bereits das zweite Großereignis im neuen Zeitalter der industriellen Revolution, das nach der Ausstellung von 1855 in der Seinemetropole stattfand. Nach dem Willen Napoleons, ihres obersten Schirmherren, sollte die Exposition universelle eine Schau der Superlative werden. Mit einer gigantischen Mischung aus modernster Technik und Kulturleistungen aller Kontinente wollte sich das Zweite Kaiserreich den Besuchern als Speerspitze einer sich anbahnenden Weltzivilisation präsentieren. Frankreich beanspruchte dann auch mit seinen Exponaten beinahe die Hälfte der Ausstellungsfläche und versuchte in sämtlichen Kategorien seine Überlegenheit gegenüber der übrigen Welt zu dokumentieren.2
Als 1863 mit den Vorbereitungen begonnen worden war, schien Frankreichs Vorrangsanspruch durchaus nicht abwegig. Das Zweite Kaiserreich war damals noch die unbestrittene Vormacht auf dem europäischen Kontinent. Napoleon, der Parvenü und Umstürzler, der nach seinem zweiten gescheiterten Putsch von 1840 sechs Jahre in der nordfranzösischen Festung Ham hatte verbüßen müssen, stand auf Augenhöhe mit den alten Kaiserhäusern Österreichs und Russlands. Seine Armee hatte im Krimkrieg gesiegt und 1856 auf dem Pariser Friedenskongress gemeinsam mit Großbritannien der russischen Kriegsflotte die Passage durch die Dardanellen gesperrt. Mit Frankreichs militärischer Hilfe war 1859/61 das Königreich Italien entstanden und im fernen Mexiko kämpften 1863 noch 40.000 Franzosen um die Errichtung eines neuen Kaiserreiches, an dessen Spitze ausgerechnet ein Habsburger stehen sollte.3 In Europa schien keine wesentliche politische Veränderung gegen den Willen Frankreichs möglich. Preußen, das bis dahin unter Mühen seinen Großmachtstatus hatte wahren können, war in den Augen Napoleons – kaum anders als das neue Italien – nur ein politischer Protegé und wurde auch gönnerhaft das »Piemont des Nordens« genannt.
Bei der feierlichen Eröffnung der Ausstellung am 1. April 1867 erstrahlte ein durch Baron Georges Eugène Haussemann verwandeltes Paris im neuen Glanz. An der Stelle seiner mittelalterlichen Gassen teilten nun bis zu 30 Meter breite Boulevards, von Alleebäumen und prächtigen Bürgerhäusern flankiert, die Innenstadt zwischen Gare de l’Est, dem Place de la Concorde und dem Place de la Bastille. Doch mit seiner erneuerten Nationalbibliothek und seiner soeben vollendeten Oper war Paris schon die Kapitale eines vergehenden Imperiums. Innerhalb von nur vier Jahren hatten sich die Machtverhältnisse auf dem Kontinent entschieden gewandelt. Der verachtete preußische Militärstaat, mit seinem angeblichen Untertanengeist und seiner Pedanterie für die feinen Pariser der Inbegriff aller Kulturlosigkeit, war unter der Führung seines anfangs unterschätzten Ministerpräsidenten Otto von Bismarck in die erste Reihe des europäischen Staatensystems vorgerückt. Frankreich sah sich plötzlich zu einer nachrangigen Macht deklassiert. Die Inbesitznahme der seit 1848 umstrittenen Herzogtümer Schleswig und Holstein durch Preußen und Österreich war 1864 nur der Eröffnungscoup gewesen. Zwei Jahre darauf hatte der aufstrebende Hohenzollernstaat den vormaligen österreichischen Alliierten auf den Schlachtfeldern Böhmens in nur sechs Wochen militärisch gedemütigt und seine Grenzsteine bis zur Mainlinie vorverlegt. Den nach dem Sturz Napoleons I. im Jahre 1815 errichteten Deutschen Bund hatte Bismarck kurzerhand aufgelöst und Österreich mit seinen deutschsprachigen und böhmischen Gebieten aus Deutschland verdrängt. Damit war der alte preußisch-österreichische Dualismus, der seit der Epoche des großen Friedrich das Verhältnis beider Mächte vergiftet hatte, zugunsten Preußens entschieden. Hilflos hatte Frankreich dem beängstigenden Aufstieg seines vermeintlichen Schützlings zusehen müssen, ohne für dessen ungeheure Machtzuwächse auch nur die geringste Kompensation erhalten zu haben.
Preußens überraschender Sieg bei Königgrätz am 3. Juli 1866 hatte Frankreichs Politik fast ebenso stark erschüttert wie das damals tatsächlich geschlagene Österreich. Das politische Paris war so konsterniert, dass Presse und Öffentlichkeit fassungslos den böhmischen Schlachtort unter dem Namen »Sadowa« als eigene Niederlage bilanzierten. Damit hatten die Demütigungen der Grande Nation allerdings noch kein Ende.
Noch während im April 1867 die ersten von insgesamt elf Millionen Besuchern über das riesige Ausstellungsgelände auf dem Pariser Marsfeld flanierten, hatte Napoleons dilettantischer Versuch, mit dem Erwerb Luxemburgs doch noch den dringend benötigten Prestigegewinn zu erzielen, Europa in eine schwere politische Krise gestürzt.
Das Kaiserreich sah sich der Lächerlichkeit preisgegeben und begann sogar zu rüsten. In preußischen Offizierkreisen machte schon das Wort vom Krieg die Runde4 und Helmuth von Moltke plädierte als Chef des Generalstabes für ein rasches Zuschlagen. Bismarck aber hatte in dem Streit um Luxemburg keinen ausreichenden Grund für einen Waffengang mit dem Zweiten Kaiserreich gesehen und war dem Vorschlag der britischen Regierung gefolgt, die Zukunft des kleinen Landes, das bis 1866 Teil des Deutschen Bundes gewesen war und immer noch dem Zollverein angehörte, auf einer internationalen Konferenz in London zu klären. Am 11. Mai 1867 unterzeichneten die Teilnehmer einen Vertrag, der das Großherzogtum zu einem souveränen und neutralen Staat erhob. Zur französischen Gesichtswahrung hatte Bismarck sich in London sogar bereit erklärt, die preußische Garnison abzuziehen, und der Schleifung der alten Luxemburger Bundesfestung zugestimmt. Das war allerdings das äußerste Entgegenkommen an Napoleon, das der preußische Ministerpräsident gegenüber der gereizten öffentlichen Meinung in den deutschen Staaten noch vertreten konnte.
»Vue officielle à vol d’oiseau de l’exposition universelle de 1867« – zeitgenössische Lithografie des Ausstellungsgeländes aus der Vogelschau.
Anfang Juni 1867 machte sich Bismarck in angespannter Stimmung an der Seite seines Monarchen auf den Weg, das Pariser Spektakel zu besuchen. Sein Erscheinen in einer Kürassieruniform erregte an der Seine viel Aufsehen, allerdings auch den Spott der zahlreich nach Paris gereisten preußischen Offiziere. Bismarcks erst im Vorjahr erfolgte Ernennung zum Generalmajor und Chef des 7. Landwehr-Kavallerie-Regiments nahm man in militärischen Kreisen nicht wirklich ernst. Seine martialische Gardarobe mochte vielleicht auch dazu gedient haben, mögliche Attentäter abzuschrecken, denn er fürchtete, wie er der Baronin Hildegard von Spitzemberg kurz vor seine Abreise aus Berlin vertraulich mitgeteilt hatte, dass ihm in Paris etwas zustoßen könne. Angeblich hatte er deswegen sogar ein Testament verfasst. Jedenfalls rechnete der Ministerpräsident seitens der Franzosen mit einer schlechten Behandlung.5 Während der ebenfalls mitgereiste Helmuth von Moltke in einem schauerlich wirkenden schwarzen Habit die Forts von Paris, damals die größte Festung der Welt, in Augenschein nahm, dürfte Bismarck in der Sektion der Essener Firma Krupp mit besonderer Genugtuung das imposante Belagerungsgeschütz aus Stahl betrachtet haben. Die französische Presse sprach ehrfurchtsvoll vom »Mammut« oder dem »Leviathan« unter den Kanonen6 und der preußische Ministerpräsident, der sich entgegen seiner Befürchtung in Paris sogar einer gewissen Popularität erfreute,7 wird vielleicht bei ihrem Anblick schon eine Ahnung gehabt haben, dass das von sich eingenommene Pariser Publikum noch einmal in besonderer Weise mit dieser Kriegsmaschine aus Preußens berühmtester Stahlschmiede Bekanntschaft würde schließen müssen.
Nach dem Willen Napoleons hatte die Pariser Weltausstellung die Bühne zu einem großen Monarchentreffen werden sollen, wobei unter der Schirmherrschaft Frankreichs analog zur großen Friedenskonferenz von 1856 über eine Regelung der wichtigsten europäischen Fragen verhandelt werden konnte. Von der Rolle des Gastgebers und europäischen Vermittlers versprach sich der Kaiser internationale Anerkennung und eine innere Stabilisierung seines erodierenden Regimes. Napoleon ließ sogar ein Ölgemälde anfertigen, das ihn im Kreis der wichtigsten europäischen Potentaten zeigte. Der Kaiser reitet darauf einen Schimmel, zur Linken flankiert von Zar Alexander II., Sultan Abdul Aziz und König Leopold II. von Belgien, zu seiner Rechten sind Kaiser Franz Joseph I. von Österreich, Wilhelm I. und König Luis von Portugal zu erkennen.8 Eigenartigerweise fehlt auf dem Bild Queen Victoria, die noch 1855 begeisterter Gast der ersten Pariser Weltausstellung gewesen war, nun aber schon im Mai ihren ältesten Sohn Albert, den Prince of Wales und späteren König Edward VII., in die französische Hauptstadt entsandt hatte. Tatsächlich war das pompöse Gemälde von Charles Porion eine Fiktion. Das große Monarchentreffen, das sich nach der Idee Napoleons beinahe beiläufig am Rande der Ausstellung hätte konstituieren sollen, hat tatsächlich niemals stattgefunden. Kaum ein Jahr nach dem Krieg in Böhmen war an ein direktes Treffen von österreichischem Kaiser und preußischem König ohnehin nicht zu denken. Zudem hassten Bismarck und Wiens leitender Minister Friedrich Ferdinand Graf von Beust einander aus tiefster Seele. Lediglich der russische Zar besuchte, begleitet von seinem obersten Minister Alexander Gortschakov, zeitgleich mit den Preußen die französische Hauptstadt.
»Die Krupp’sche Riesenkanone« – zeitgenössischer Holzstich aus einer Serie mit Motiven der Weltausstellung.
»Les Souverains venus à Paris en 1867 pour l’exposition universelle«. Gemälde von Charles Porion (1814–1908).
Alexander II. stand allerdings nicht der Sinn nach hoher Politik und langatmigen Konferenzen. Gleich nach Überqueren der französischen Grenze hatte er sich eine Loge für Jacques Offenbachs neue Operette »Die Großherzogin von Gerolstein« reservieren lassen.9 Zu einem Vergnügen wurde seine Reise nach Paris dennoch nicht. Das Pariser Publikum verübelte dem Zaren die Unterdrückung der Polen, die sich 1863 ein weiteres Mal nach 1830 vergeblich gegen ihre russischen Zwingherren erhoben hatten, und schrie bei jeder Gelegenheit: Vive la Pologne. Als der polnische Freischärler Antoni Berezowski am 6. Juni nach einer Militärparade im Bois de Boulogne mit einer Pistole zwei Schüsse auf den in Begleitung Napoleons zurückreitenden Alexander abgeben konnte, blieben beide Herrscher zwar unverletzt, doch die festliche Stimmung war endgültig dahin. Die Bemerkung Napoleons, der um Kaltblütigkeit bemüht war, man habe nunmehr gemeinsam im Feuer gestanden und sei dadurch zu Waffenbrüdern geworden,10 konnte Alexanders Unmut über die ungestörten Umtriebe polnischer Exilanten in der französischen Kapitale kaum mildern. Auch dürfte sie den Zaren in politischer Hinsicht wenig befriedigt haben. Denn Frankreich war weit davon entfernt, der Waffenbruder Russlands zu sein und den Zaren etwa bei seinen Ambitionen auf dem Balkan gegen den Rivalen Österreich unterstützen zu wollen. Nicht einmal ein Entgegenkommen in der Dardanellenfrage hatte ihm Napoleon angedeutet. Verstimmt über die unverhohlene Ablehnung des Pariser Publikums verließ der Zar bereits fünf Tage später die Stadt, in der er beinahe ums Leben gekommen war. Kurz darauf machten sich auch die Preußen am 14. Juni auf den Heimweg. König Wilhelm zeigte sich, obwohl bei allen öffentlichen Kundgebungen vom hauptstädtischen Publikum hartnäckig geschnitten, stets vergnügt und nach der Schilderung des Rittmeisters Alfred Graf von Schlieffen sogar mit einem Ausdruck von anrührender Güte. Selbst bei der Verabschiedung durch Napoleon am Bahnhof rief die Menge zur Brüskierung des hohen preußischen Gastes wie besinnungslos: Vive l’empereur.11 Als beide Monarchen sich das nächste und letzte Mal am 2. September 1870 in dem Schlösschen Bellevue bei Frenois oberhalb der Maas wiedersahen, war das Ende des Zweiten Kaiserreichs bereits besiegelt.
Dass König Wilhelm und sein kaiserlicher Neffe Alexander ihre guten Beziehungen in der Seinemetropole noch einmal bekräftigen konnten, lag weniger an den gegen sie beide gerichteten Schmähungen der Pariser. Das russisch-preußische Einvernehmen verdankte sich vor allem der schlichten Tatsache, dass St. Petersburg und Berlin, anders als die übrigen europäischen Mächte, keine ernsthaften Interessengegensätze trennten.
Gemeinsam beherrschten beide Mächte das 1815 erneut geteilte Polen, gemeinsam hatte man Österreich zum Rivalen und gemeinsam schien man für ein konservatives Politikmodell zu stehen, das als Bollwerk gegen den wachsenden Einfluss des politischen Liberalismus dienen sollte. Zwar kostete dies Preußen die Sympathien der Briten, die sich viel auf ihr parlamentarisches Regierungssystem zugutehielten, doch besaß die von den Liberalen gestellte britische Regierung weder die Mittel noch überhaupt den Willen, den Preußen auf dem Kontinent energisch Einhalt zu gebieten. Europa war für Großbritannien, das traditionell weltweite Ambitionen verfolgte, längst nur noch einer von vielen politischen Schauplätzen. Der Aufstieg der Vereinigten Staaten, die soeben Alaska erworben hatten und damit die kanadische Westküste in die Zange nahmen, bereitete London weitaus mehr Kopfzerbrechen als Preußens Machtzuwächse in Norddeutschland. 1862 hatte Bismarck die britische Hauptstadt besucht und war mit den maßgeblichen Politikern des Inselreiches zusammengekommen, nur um am Ende erstaunt zu bilanzieren, dass Männer wie Palmerston, Russel oder Disraeli mehr über China oder die Türkei wussten als über Preußen.12 Trotz aller Kritik an Bismarcks rüden Methoden und seiner antiliberalen Grundhaltung sah London in dem so überraschend erstarkten Preußen eher den neuen Garanten des Status quo auf dem Kontinent, mit dem sich das unruhige Frankreich besser unter Kontrolle halten ließ. Selbst die zukünftige Vereinigung des Norddeutschen Bundes mit den süddeutschen Staaten wollte Außenminister George William Villers, der vierte Lord Clarendon, akzeptieren, solange Preußen versprach, diese Entwicklung nicht ungebührlich zu forcieren. Bismarck durfte also weiterhin von jener günstigen politischen Konjunktur profitieren, die seit dem Ende des Krimkrieges das Abrücken der beiden europäischen Flügelmächte Großbritannien und Russland von der Mitte Europas eröffnet hatte.13
Dagegen drohte für Napoleon die politische Bilanz der Weltausstellung mehr als dürftig auszufallen. Nur wenige Wochen nach der vorzeitigen Abreise des Zaren hatte ein neuerlicher Schlag den politischen Horizont des Zweiten Kaiserreiches weiter verdüstert. Am 19. Juni 1867 war im fernen mexikanischen Querétaro Erzherzog Ferdinand Max, der Bruder des österreichischen Kaisers, von den siegreichen Republikanern auf Befehl des Präsidenten Benito Juarez standrechtlich erschossen worden. Es war Napoleons Idee gewesen, den Habsburger als Kaiser Maximilian von Mexiko zu inthronisieren, um damit den französischen Einfluss in Mittelamerika zu stärken. Das Projekt aber hatte die Kräfte Frankreichs rasch überfordert, und als nach dem Ende des Amerikanischen Bürgerkrieges Napoleon seine Truppen auf Druck der siegreichen Unionsregierung zurückziehen musste, war das Schicksal des mexikanischen Kaiserreiches besiegelt. Der gewaltsame Tod des im Stich gelassenen Erzherzogs verletzte die Eitelkeit der Grande Nation mehr, als es Bismarcks politische Winkelzüge je vermocht hätten. Jeder konnte sehen, dass der Neffe des großen Korsen inzwischen ohne Fortune agierte. Gleichwohl schien der fatale Ausgang des überseeischen Abenteuers Napoleons die Beziehungen zu Wien nicht getrübt zu haben. Beiden Höfen war inzwischen bekannt, dass der Erzherzog es abgelehnt hatte, sich seiner Gefangennahme durch eine bis zuletzt mögliche Flucht zu entziehen. So konnte das Pariser Publikum Maximilians Ende vor dem Peloton der Juaristen als durchaus selbst gewählt betrachten. Unbeschwert tanzte es im erstmals elektrisch beleuchteten Garten der österreichischen Botschaft zu den Klängen der Strauss’schen Walzer, die von dem nach Paris angereisten Meister selbst dirigiert wurden.14
Derweil war Napoleon im August 1867 nach Salzburg gereist. Offiziell, um Kaiser Franz Joseph zu kondolieren, tatsächlich aber ging es um europäische Politik und um die Eindämmung Preußens, an der beiden Kaiserreichen in gleicher Weise gelegen war. Keine Einigkeit bestand zwischen beiden Mächten jedoch über den einzuschlagenden Weg. Habsburg konnte unmöglich daran mitwirken, als Preis für die Wiederherstellung seiner alten Position in Deutschland den Franzosen deutschsprachige Gebiete am Rhein zu überlassen. Dies hätten weder die deutschen Untertanen des Kaisers noch die Ungarn gebilligt, die nach dem großen Ausgleich von 1867 an dem Wiederaufleben einer habsburgischen Deutschlandpolitik ohnehin kein Interesse hatten. Napoleon wiederum konnte keinen Vorteil darin sehen, sich an der Seite Österreichs in einen möglichen Balkankonflikt gegen Russland verwickeln zu lassen. Gleichwohl riss der Gesprächsfaden zwischen beiden Mächten nicht ab und im Oktober, wenige Wochen vor dem Ende der siebenmonatigen Ausstellung, erwies endlich auch der habsburgische Kaiser der Seinemetropole seine Referenz. Die neuerliche Begegnung der beiden Monarchen zeigte aber nur, dass sich die Kluft zwischen beiden Mächten nicht geschlossen hatte. Einmal mehr erwies sich Napoleon als die »Sphinx von der Seine«, die sich nun wieder Russland anzunähern schien. Jedenfalls war seine Zusage von Salzburg, zusammen mit Habsburg gegen die Unabhängigkeitsbestrebungen der Balkanvölker für die Integrität des Osmanischen Reiches einzutreten, plötzlich kein Thema mehr.15 Irritiert verließen die Österreicher die Hauptstadt Frankreichs, die sich nun beeilte, wieder zur Tagesordnung überzugehen.
Nach dem Ende der großen Ausstellung entfernte ein Heer von Arbeitern in atemberaubender Schnelligkeit ihre prächtigen Pavillons, Verkaufsbuden und Kioske. Innerhalb von nur 24 Stunden erinnerte kaum noch etwas an das zentrale Ereignis des Jahres und vielen Parisern erschien das rasche Verschwinden der Ausstellung auf dem Marsfeld wie ein Unheil verkündendes Symbol. Würde nicht eines Tages auch das jetzt noch einmal so prächtig erstrahlte Kaiserreich ganz plötzlich von der Bildfläche verschwunden sein?16 Politisch stand Napoleon mit leeren Händen da und nichts signalisierte wohl den Niedergang des Zweiten Kaiserreiches so sehr wie das Gefecht von Mentana bei Rom. Dort hatte am 3. November 1867, am selben Tag, an dem in Paris die Weltausstellung mit einem satten Überschuss von drei Millionen Francs endgültig ihre Pforten schloss, ein französisches Kontingent eine 3000 Mann starke Freischärlertruppe unter dem legendären Guiseppe Garibaldi zerschlagen, die den von Frankreich garantierten Kirchenstaat hatte besetzen wollen. Das Scharmützel von Mentana war zwar der letzte militärische Erfolg des Zweiten Kaiserreiches, doch dass Garibaldi es überhaupt gewagt hatte, Frankreich in dieser Form herauszufordern, verdeutlichte bereits dessen gewaltigen Prestigeverlust in Europa.17