Читать книгу Die Kunst der verantwortungsvollen Führung - Klaus M. Leisinger - Страница 8

Оглавление

1 Einleitung und Hintergrund

1.1 Das Unbehagen der Menschen in modernen Gesellschaften

Vieles deutet darauf hin, dass in unserer westlichen Gesellschaft alte Gewissheiten ins Wanken geraten: Gesellschaftliche, politische, soziale und ökologische Probleme scheinen komplexer und größer denn je. Die individuellen, institutionellen und nationalen Einflussmöglichkeiten auf Lösungen scheinen geringer. Immer mehr Menschen fürchten, dass alles, worauf sie für ihre Wohlfahrt und die ihrer Familie hingearbeitet haben, vernichtet wird. Angst vor drohenden Veränderungen und Zweifel daran, ob die heutigen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Probleme noch mit dem traditionellen Paket von Demokratie und Marktwirtschaft bewältigt werden können, schafft neue politische Realitäten. Selbst in den USA, einem Musterland des Kapitalismus, unterstützen nur noch weniger als die Hälfte der 18- bis 29-Jährigen den Kapitalismus, zumindest nicht in der Erscheinungsform, die sich während der letzten zwanzig Jahre ausgeprägt hat.7

Die Mehrheit der Deutschen (55 %) blickt eher mit Angst als mit Zuversicht in die Zukunft. Besonders pessimistisch ist die mittlere Generation (35- bis 54-Jährige); 83 Prozent dieser Befragten rechnen mit schlechteren Zeiten.8 Viele Erwerbstätige befürchten, ihren Lebensstandard nicht halten zu können. Auch die große Mehrzahl der befragten Menschen anderer «reifer» Industrieländer (OECD-Länder wie Frankreich, Großbritannien oder Japan) glaubt nicht, dass es ihnen in fünf Jahren besser gehen wird. Gemäß einer Umfrage des Wall Street Journal (Juli 2016) sind 73 % der US-Amerikaner der pessimistischen Ansicht, das Land entwickle sich in eine falsche Richtung.9 Ängste dieser Art werden von denjenigen politischen Lagern instrumentalisiert, die sich von einer Abschottung der Nationen die Sicherung aller Besitzstände erhoffen.10

Hinzu kommen Skandale: Unternehmen, darunter einstige Leuchttürme des Aufschwungs, werden bei Betrügereien und Schmiergeldzahlungen erwischt. Firmenchefs werden bei illegalem Handeln ertappt, gestürzt, stehen vor Gericht und verlieren Ehre und Ansehen. Topmanager, die ihre hohen variablen Vergütungen wortreich mit der gewaltigen Dimension ihrer Verantwortung sowie den hohen, mit ihrer Position verbundenen Risiken rechtfertigen, bestehen auch nach offenkundig gewordenen Fehlleistungen auf der Zahlung von Erfolgsprämien, so als wäre nichts geschehen. All das schafft Unbehagen, wenn nicht gar Zorn, verbreitet Unsicherheit und Misstrauen. Wenn ein Vorstand eines großen Unternehmens nach 11 Monaten Arbeit eine Abfindung von 12 Millionen Euro bekommt und eine Reinigungskraft im selben Konzern nach 40 Jahren Arbeit nicht von ihrer Rente leben kann, läuft etwas Prinzipielles falsch. Eine kapitalistische Wirtschaftsordnung, die solche Verhaltensweisen zulässt, untergräbt die eigene Vertrauenswürdigkeit.

Das ist schade, denn erfolgreiche Wirtschaftsunternehmen sind gesellschaftlich enorm wertvoll: Menschen arbeiten zusammen, um wichtige Güter und Dienstleistungen herzustellen und anzubieten. Erfolgreiche Unternehmen stellen neuartige Dienstleistungen zur Verfügung, die das Leben von Menschen leichter machen. Erfindungen und Innovationen helfen, Probleme zu lösen, die für unsere Vorfahren unlösbar waren. Durch Unternehmen und Zulieferbetriebe werden Arbeitsplätze geschaffen, Löhne sowie Gehälter bezahlt und Gewinne erwirtschaftet. Ebenso werden Steuern abgeführt, die das Gemeinwesen in die Lage versetzen, seine Aufgaben zu erledigen. Und schließlich werden Beiträge für Sozialabgaben sowie Versicherungsprämien bezahlt. Das sind alles Leistungen, die aus sozialethischer Sicht höchst positiv zu bewerten sind. Ein erfolgreicher Wirtschaftssektor und darin tätige, florierende Unternehmen sind zwar für eine Gesellschaft nicht alles11, doch ohne erfolgreiche Unternehmen gibt es keinen Wohlstand. Stagnierende oder gar scheiternde Gesellschaften sind in niemandes Interesse – im Gegenteil: Sie verursachen in den betroffenen Ländern großes menschliches Leid und, z. B. durch Migration, darüber hinaus weitere Probleme an anderen Orten.

Es wäre also zu erwarten, dass insbesondere in marktwirtschaftlich organisierten und demokratisch gestalteten Industriegesellschaften die Menschen Unternehmen und ihr Wirken wertschätzen. Das aber ist nicht der Fall. Seit vielen Jahren empfinden Menschen in modernen Gesellschaften gegenüber großen Unternehmen eine nur diffus beschreibbare, aber wachsende Antipathie. Knapp die Hälfte der Menschen in Industrie- und Schwellenländern ist nicht der Ansicht, dass (große) Unternehmen im besten Interesse der Gesellschaft arbeiten. Je höher der Grad der wirtschaftlichen Entwicklung eines Landes, desto größer die Skepsis.12 Nach einer im Juli 2016 weltweit durchgeführten Erhebung von GlobeScan13 vertrauen

• 48 % der Befragten wissenschaftlichen und akademischen Institutionen;

• 30 % Nichtregierungsorganisationen (NGOs);

• 25 % großen karitativen Organisationen;

• 16 % den Vereinten Nationen (UNO);

• 12 % den nationalen Unternehmen in ihren jeweiligen Ländern;

• 1 % den jeweiligen nationalen Regierungen und

• 0 % international tätigen Unternehmen.

Die Daten des 2017 Edelman Trust Barometer14 zeigen ein ähnliches Bild: Auf die in 28 Ländern gestellte Frage, welcher Institution sie vertrauen, das Richtige zu tun («to do what is right»), nennen 53 % der Menschen «Nichtregierungsorganisationen», 52 % nennen «Business» und 43 % «Medien» sowie 41 % «Regierungen».

Mit Ausnahme für wissenschaftlich akademische Institutionen und Nichtregierungsorganisationen nahm das Vertrauen in den meisten Industrieländern in den letzten Jahren ab. Menschen mit niedrigen Einkommen fühlen sich von der positiven wirtschaftlichen Gesamtentwicklung ausgeschlossen und vertrauen Unternehmen und Staat weniger als Menschen mit hohem Einkommen. Zunehmende Einkommensdisparitäten verstärken die Abnahme des Vertrauens in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft.

Trotz dieses Unbehagens trauen es die meisten Menschen eher den Unternehmen als den Regierungen und Nichtregierungsorganisationen zu, die in Zeiten der Veränderung und des Umbruchs auftauchenden Herausforderungen zu bewältigen. Achtzig Prozent der Befragten sind der Ansicht, dass die Wirtschaft die anstehenden Probleme (z. B. im Kontext der Agenda 2030 für Nachhaltige Entwicklung15) am besten lösen könne.16 63 % der Befragten meinen allerdings, die Regierungen (denen sie noch weniger trauen!) müssten den Unternehmen vermehrt mit gesetzlichen Forderungen auf die Sprünge helfen.

Es gibt unfassbare Beispiele zynisch-kriminellen Handelns.17 Und es gibt Lug und Betrug, selbst bei deutschen Großunternehmen mit signifikanter Staatsbeteiligung. Der Mangel an Vertrauen geht jedoch meiner Ansicht nach weniger auf bekannt gewordene Skandale zurück18, sondern überwiegend auf ein Auseinanderklaffen zwischen dem, was die Menschen einer Gesellschaft erwarten und dem, was das Management von Unternehmen «liefert». Die meisten Menschen in Industrie- und Schwellenländern erwarten, dass Führungspersönlichkeiten in Unternehmen ihre Verantwortung breiter definieren und vermehrt die Interessen gesellschaftlicher Anspruchsgruppen jenseits des Finanzsektors berücksichtigen.19 Etwa 87 % der Befragten in Industrie- und Schwellenländern sind der Ansicht, Unternehmen sollten hinsichtlich ihrer Ziele «mindestens das gleiche Gewicht auf gesellschaftliche Angelegenheiten» legen; nur 28 % der Befragten sind der Ansicht, Unternehmen kämen ihrer Verantwortung in dieser Hinsicht nach.20

Vertrauen – hier definiert als ein im Voraus gewährtes Zutrauen, dass die Handlungs- und Verhaltensweisen anderer Menschen oder Institutionen den eigenen Erwartungen entsprechen – wirkt wie Öl in einer schwer laufenden Maschine: Der Glaube an die Redlichkeit der anderen und das «Sich-Verlassen-Können» auf deren Handlungsweisen in Übereinstimmung mit gemeinsamen Werten erlauben eine Reduktion von Komplexität. Man muss nicht ein Heer von Anwälten und Sorgfaltsprüfern beschäftigen, um alle Details vertraglich abzusichern und sämtliche Vorsichtsmaßnahmen einzubauen, um so Übervorteilung möglichst auszuschließen. Man darf erwarten, dass – bei allen verbleibenden Unsicherheiten, die immer mit zukünftigem Handeln verbunden sind – die «andere Seite» das in sie gesetzte Vertrauen durch entsprechendes Handeln rechtfertigt. Für Francis Fukuyama ist Vertrauen eine Conditio sine qua non für den Erfolg moderner Gesellschaften.21

Für Unternehmen ist Vertrauen nicht nur nützlich, sondern «Wert»-voll im eigentlichen Sinne: Menschen, die einem Unternehmen vertrauen, kaufen seine Produkte und Dienstleistungen (68 %), empfehlen diese Freunden und Kollegen (59 %), teilen ihre positive Beurteilung anderen mit (41 %), verteidigen die Firma gegen Kritik (38 %), sind auch bereit, (etwas!) höhere Preise zu bezahlen (37 %) und seine Aktien zu kaufen (18 %).22

Eine Ernst & Young-Studie legt ein noch größeres, internes Problem offen: Nicht einmal mehr die Hälfte der eigenen Angestellten hat Vertrauen in das eigene Unternehmen.23 Analysiert man die Faktoren, welche nach Ansicht derselben Befragten Vertrauen schaffen (z. B. «treats me with respect», «behaves ethically» und «communicates openly / transparently»), werden die Führungsdefizite offenbar. Wo kein Vertrauen herrscht, ist weniger Loyalität zu erwarten, muss mehr kontrolliert und kann weniger delegiert werden.

Das gesellschaftliche Unbehagen insbesondere gegenüber großen und international tätigen Unternehmen ist nicht neu. Es hat sich jedoch verfestigt und ein Ausmaß angenommen, das nicht so einfach in politische «links»- «rechts»-Schubladen geworfen und auch sonst keinen eng definierten Interessenkategorien zugeordnet werden kann. So diagnostizierte schon vor Jahren die Harvard Business Review (HBR), also das Journal, das von vielen Managern als «Zentralorgan» betriebswirtschaftlicher Klugheit angesehen wird, dass gesellschaftliches Vertrauen in die Wirtschaft ausgehen würde.24 Die HBR gab Topmanagern den therapeutischen Rat, zu tun, was sie können, um das Vertrauen der Stakeholder wieder zu erlangen und effektiver ihre Beziehungen mit ihnen zu pflegen.25

Die Harvard Business Review verlangte nach der Finanzkrise von 2007ff einen Reformprozess, der ganz oben beginnen sollte: Unternehmensführer müssen der Zivilgesellschaft glaubwürdig vermitteln, dass sie die gesellschaftlichen und politischen Bedenken in Bezug auf die Vergütung von Führungskräften, ihr Risikomanagement, die Pflichten von Aufsichtsräten und die Behandlung von Mitarbeitern, die entlassen werden, ernst nehmen. Vertrauen zurück gewinnen bedeutet auch, sich von der Idee zu verabschieden, dass das einzige Managementziel sei, den Shareholder Value zu steigern.26 Es deutet wenig darauf hin, dass dieser Rat befolgt wurde.

So ist es denn auch nicht wirklich überraschend, dass um die Glaubwürdigkeit von Topmanagern sehr schlecht steht: nur 37 der von Edelman Befragten halten CEOs für glaubwürdig.27 Dass die Führungskräfte von Regierungen mit 29 % noch schlechter abschneiden, ist kein Trost – die mit der Agenda 2030 anstehenden gesellschaftlichen Reformen erfordern robustes Vertrauen in Wirtschaft und Politik.

Die Harvard Business Review war mit ihrer Kritik nicht alleine: Im Januar 2012 publizierte die Financial Times, ebenfalls völlig unverdächtig in Bezug auf systemerschütternde Kapitalismuskritik, eine Reihe von Artikeln unter dem Titel «Capitalism in Crisis».28 Darin wurde Wirtschaftswachstum als bedeutungslos charakterisiert, es sei denn, es hat eine umfassende, positive soziale Wirkung. Die Financial Times diagnostizierte als Folge der Nichterfüllung öffentlicher Erwartungen eine Abnahme der gesellschaftlichen Akzeptanz. Der Economist – auch dies kein linkes Kampfblatt – schloss sich dem kritischen Tenor an und schlussfolgerte: «The era of free market triumphalism has come to a juddering halt […]».29 Solche Aussagen sollten eigentlich bei allen, die in einer marktwirtschaftlichen Ordnungspolitik und freiem Unternehmertum die wesentlichen Antriebskräfte für den Wohlstand westlicher Gesellschaften sehen, Alarm und Ursachenforschung sowie Gegenmaßnahmen auslösen.

Ob «Business» im besten Interesse der Gesellschaft arbeitet oder nicht, bestimmen nicht abstrakte Körperschaften, sondern konkrete Menschen, die in Unternehmen arbeiten – ganz besonders jene, die Führungsverantwortung tragen. Daher ist das zum Ausdruck gebrachte Misstrauen gegenüber Unternehmen in Wahrheit ein explizites Misstrauensvotum gegen das Führungspersonal von Unternehmen.

1.2 Die gesellschaftliche Wahrnehmung von Führungskräften der Wirtschaft

Es gibt Menschen, die schon bei der Formulierung des Themas «ethische Verantwortung von Führungskräften in Unternehmen» stocken, weil ihrer Ansicht nach sich gegenseitig ausschließende Begriffe in einen Zusammenhang gebracht werden. Entweder rede man von ethischer Verantwortung oder von Topmanagern. Zum Beleg der Richtigkeit ihrer Sicht der Dinge verweisen sie auf eine lange Liste von Beispielen, welche die Schlussfolgerung nahelegen, Menschen in der Führungsetage von Unternehmen betreiben unzivilisierten Kapitalismus auf Kosten von Sozial- und Naturkapital30 und profitieren durch deren Externalisierung über kurzfristige Bonus-Systeme persönlich.

Heute bringt Topmanagern (CEOs) nicht einmal mehr die Hälfte aller befragten Menschen in 27 Industrie- und Schwellenländern das Vertrauen entgegen, im besten Interesse der Gesellschaft zu arbeiten. Die dafür angeführten Gründe sind «zu großer Fokus auf kurzfristige finanzielle Resultate», «ungenügende Berücksichtigung langfristiger Auswirkungen» und «ungenügende Schaffung von Arbeitsplätzen». Die Interessen der Wirtschaftseliten werden als abgekoppelt von denen der Gesamtbevölkerung gesehen. In den Erwägungen und Entscheidungen des Führungspersonals großer Unternehmen spielen, so das Urteil der interviewten Menschen, die sozialen und ökologischen Erwartungen der Gesellschaft keine Rolle31; weitverbreitet sei eine «Mentalität der Selbstbedienung» durch Boni, die mit den tatsächlich erbrachten Leistungen wenig zu tun haben.32

Die größten Diskrepanzen zwischen dem, was Menschen moderner Gesellschaften von Topmanagern erwarten, und den tatsächlichen Handlungs- und Verhaltensweisen liegen bei den Themen «Integrität» und «gesellschaftliches Engagement». Als Voraussetzungen dafür, dass Unternehmen als im besten Interesse der Gesellschaft arbeitend wahrgenommen werden, erwarten33

• 50 % der Befragten von Führungskräften, dass sie in hohem Maße ethische Verhaltensweisen praktizieren. Nur 24 % empfinden, das sei der Fall. – Eine Diskrepanz von 26 %;

• 53 % der Befragten von Führungskräften, dass sie bei der Bewältigung von Problemen oder Krisen verantwortungsvoll handeln. Nur 33 % empfinden, das sei der Fall. – Eine Diskrepanz von 20 %;

• 50 % der Befragten von Führungskräften, dass sie transparent und offen handeln. Nur 24 % empfinden, das sei der Fall. – Eine Diskrepanz von von 26 %;

• 52 % der Befragten von Führungskräften, dass sie ihre Mitarbeiter gut behandeln. Nur 25 % stellen das in der Praxis fest. – Eine Diskrepanz von 27 %;

• 50 % der Befragten von Führungskräften, dass sie auf Kundenbedürfnisse und deren Rückmeldung hören. Nur 25 % empfinden, das sei der Fall. – Eine Diskrepanz von 25 %.

Im Diskurs über Anspruch und Wirklichkeit in Bezug auf die Berücksichtigung ethischer Normen im Geschäftsalltag ist die individuelle Verantwortungsfähigkeit und die persönliche moralische Pflicht des Führungspersonals, nach bestem Wissen und Gewissen zu handeln, zu sehr in den Hintergrund getreten. Gouvernanz- und Wertemanagement-Prozesse sind weiterhin wichtige Bestandteile ethisch reflektierter Unternehmensführung. Mit Wertemanagement und dem bekannten Werkzeugkasten34 guter Corporate Governance können jedoch lediglich die Eintrittswahrscheinlichkeit illegitimen Handelns vermindert sowie schuldhafte Verstöße gegen Gesetze und interne Regeln früher erkannt und korrigiert werden. Defizite bei der Individualmoral von Management und Belegschaft werden dadurch nicht behoben. Hier aber liegt der Dreh- und Angelpunkt.

Auch Menschen in Führungspositionen von Unternehmen sind – falls sie nicht als seelenkranke «Systemagenten»35 in ihrer personalen Beschaffenheit verkümmert sind und psychiatrischer Hilfe bedürfen – in erster Linie ganz «normale» Menschen. Als solche haben sie die Fähigkeit, normativ Richtiges von Falschem zu unterscheiden, mit Intelligenz und guten Gründen rational zu entscheiden sowie unterschiedliche Güter gegeneinander abzuwägen. Darüber hinaus haben sie eine moralische Vorstellungsgabe36, die ihnen erlaubt, komplexe Probleme in spezifischen Kontexten auf eine möglichst sozialkompetente und lebensfreundliche (biophile) Weise zu lösen.

Pico della Mirandola hat diesen Sachverhalt vor über 500 Jahren in einer unübertrefflichen Weise so formuliert: Der Mensch ist als «Bindeglied zwischen den Kreaturen, enger Freund der hohen Wesen und König der niedrigen, der Interpret der Natur durch die Schärfe seiner Sinne, durch die fragende Neugier seines Verstands und durch das Licht seiner Intelligenz» das wunderbarste Geschöpf der Welt. Und, Pico lässt das Gott sagen, der Mensch habe die Entscheidungsfreiheit so zu werden, wie er möchte:

«Die Natur der übrigen Geschöpfe ist fest bestimmt und wird innerhalb von uns vorgeschriebener Gesetze begrenzt. Du sollst dir deine [Welt37] ohne jede Einschränkung und Enge, nach deinem Ermessen, dem ich dich anvertraut habe, selber bestimmen. Ich habe dich in die Mitte der Welt gestellt, damit du dich von dort aus bequemer umsehen kannst, was es auf der Welt gibt. Weder haben wir dich himmlisch noch irdisch, weder sterblich noch unsterblich geschaffen, damit du wie dein eigener, in Ehre frei entscheidender, schöpferischer Bildhauer dich selbst zu der Gestalt ausformst, die du bevorzugst. Du kannst zum Niedrigeren, zum Tierischen entarten; du kannst aber auch zum Höheren, zum Göttlichen wiedergeboren werden, wenn deine Seele es beschließt.»38

Dem ist auch im 21. Jahrhundert nichts hinzuzufügen. Jeder von uns – und somit jede Führungspersönlichkeit in Wirtschaft, Gesellschaft und Politik – ist in allem, was er oder sie tut, ein im Sinne Picos frei entscheidender, schöpferischer Bildhauer. Jeder kann das tun, wovon er oder sie im Innersten weiß, dass es richtig ist. Diese individuelle moralische Verantwortung kann nicht auf andere oder hinderliche Umstände abgewälzt werden. Verantwortungsethik, das ist zumindest meine feste Überzeugung, ist bei Menschen, deren Handeln Auswirkungen auf das Leben anderer Menschen hat, unendlich viel wichtiger als eine Gesinnungsethik fortwährend steigender Quartalsergebnisse.39 Die Übernahme persönlicher Verantwortung für die moralische Qualität eigenen Handelns und Verhaltens ist auch für Führungspersönlichkeiten in Unternehmen in erster Linie eine Frage des Verständnisses ihrer eigenen menschlichen Würde.

Das mag idealistisch klingen, ist es aber meiner Erfahrung nach nur vordergründig: Illegitimes Handeln zu Gewinnzwecken nicht mitzumachen, obwohl andere auf diese Weise entstehende Gelegenheiten zum kurzfristigen Vorteil nutzen, birgt zwar das Risiko, dass im Vergleich zu anderen Unternehmen der eigene Umsatz und Gewinn kurzfristig leidet. Dies kann auch (kleinere!) negative Auswirkungen auf den persönlichen Jahresbonus haben. Allerdings: Gefahren für die eigene Gesundheit oder gar das eigene Leben sind damit nicht verbunden. Ethisch begründete Verweigerung der Verletzung der Rechte und Würde heute oder zukünftig lebender Menschen ist daher auch im geschäftlichen Kontext zumutbar – für die seelische Gesundheit sogar besser. Da nur seelisch gesunde Menschen Verantwortung für Entscheidungen, deren Konsequenzen das Leben anderer berührt, übernehmen sollten, lohnt ein Rückgriff auf das Gedankengut Erich Fromms, dem großen deutsch-amerikanischen Psychoanalytiker, Philosophen und Sozialpsychologen.

Um den Kontext der Auseinandersetzung mit normativen Geboten im Geschäftsleben herzustellen, werden zunächst kurz die prinzipiellen Konturen des gegenwärtigen unternehmensethischen Diskurses skizziert.

1.3 «Ethik des geschäftlichen Tuns» als prinzipiengeleitetes Nachdenken über integres Handeln von Führungskräften

Die intellektuelle Auseinandersetzung über das, was verantwortungsvolles Gewinnstreben im globalen Wettbewerb sein soll, läuft weltweit seit vielen Jahren auf vielfältige Weise und mit unterschiedlichen Denkansätzen.40 Wichtige Denkanstöße kommen auch aus dem deutschsprachigen Raum.41 Bei der Umsetzung anerkannter Normen in gewinnorientiertes Handeln gibt es zwar, je nach ethischer Theorie, unterschiedliche Begriffe und Prioritäten – immer aber geht es um die Beantwortung der klassischen Fragen, die Immanuel Kant in seiner Kritik der reinen Vernunft stellte:42

• Was kann ich (als verantwortungsvolle Führungspersönlichkeit) wissen?

• Was soll ich tun?

• Was darf ich hoffen?

Diese Fragen gelten auch und erst recht unter Zeitdruck, bei Ressourcenknappheit und internationalem Wettbewerbsdruck. Um sicherzustellen, dass gewinnorientiertes betriebliches Handeln eine möglichst hohe ethische Qualität hat, bzw. – als minima moralia – Unternehmensgewinne nicht unter Inkaufnahme von Menschenrechtsverletzungen, irreparabler Kollateralschäden für heute und zukünftig lebende Menschen sowie für Natur- und Sozialkapital erzielt werden, ist Handeln auf (mindestens43) zwei Ebenen erforderlich: auf der organisatorischen Ebene (Unternehmens- oder Gouvernanz-Ethik44) sowie auf der persönlichen Ebene der Mitarbeiter, insbesondere derjenigen mit Führungsverantwortung. Die persönliche Dimension ist die wesentliche, denn auch die Struktur und Stringenz ethischer Erwägungen auf der organisatorischen Ebene wird von Menschen determiniert. Allerdings wird ein durch humanistische Ethik (die Frommsche Ethik) inspirierter Manager in einer Organisation, die seine Beweggründe und Anliegen durch entsprechende Anreiz- und Kontrollstrukturen unterstützt, größere Breitenwirkungen entfalten können. Daher zuerst ein paar Bemerkungen zum Sachverhalt Unternehmens- bzw. Gouvernanz-Ethik.

1.3.1 Unternehmensethik: Die Organisation als moralischer Akteur

Unternehmen sind als juristische Personen Träger einer Vielzahl von Rechten, Pflichten und Erwartungen. Sie werden, insbesondere in modernen Gesellschaften, aufgrund ihrer Fähigkeit, personelle (intellektuelle und moralische), finanzielle, technische und organisatorische Ressourcen zu aktivieren, zusammenzuführen und für das Erreichen der gesetzten Ziele einzusetzen, an einem anspruchsvollen Zurechnungsraster gemessen. So wie der Körper eines Menschen letztlich zwar aus der Vielzahl seiner Zellen zusammengesetzt ist und doch der Mensch unendlich viel mehr darstellt als die Summe der Eigenschaften seiner Körperzellen, verhält es sich auch mit Unternehmen und seinen Mitarbeitern. Unternehmen sind in der Lage, simultan Verschiedenes mit gleicher Aufmerksamkeit zu tun. Sie können sich neben ihrem operativen Handeln z. B. auch an der Konstituierung, Modifizierung und diskursiven Begründung ihrer handlungsleitenden Normen beteiligen. Individuen wären damit überfordert, simultan Verschiedenes mit gleicher Aufmerksamkeit und Qualität zu tun.

Eine wichtige Voraussetzung für ethisch akzeptables institutionelles Handeln ist, dass alle nur denkbaren organisatorischen Voraussetzungen dafür geschaffen und Managementprozesse eingeführt werden, illegitimes Handeln als solches zu definieren und zu entmutigen. Konkret bedeutet dies, dass moralische Werte und normative Regeln in alle relevanten Führungsgrundsätze, Entscheidungs- und Managementprozesse eingebaut werden. Beispiele dafür sind personenbezogene Handlungsund Verhaltensrichtlinien für sensible Bereiche sowie normative und verantwortungssensitive Kriterien bei der Festlegung individueller Leistungsziele. Mitarbeiterbeurteilungen, Bonusfestlegungen und Beförderungskriterien sowie due diligence Prozesse bei Akquisitionen und Fusionen müssen entsprechend angereichert werden.45 Auf diese Weise wird für alle Mitarbeiter im Unternehmen, aber auch für die wichtigsten Zulieferer, erkennbar, welche der aus einer unendlichen Anzahl theoretisch möglicher Handlungsweisen im Unternehmen als legitim und erwünscht betrachtet werden und welche nicht. Da «moralisch richtiges» Handeln über normativ angereicherte Beurteilungs- und Bonussysteme belohnt wird, bestehen Anreize, entsprechend zu handeln. Auf diese Weise wird Garret Hardins «Kardinalgesetz» Rechnung getragen: Never ask a person to act against it’s own self-interest46. Die «Guten» sind bei richtigen Anreizsystemen nicht mehr die «Dummen».

Den meisten Entscheidungen, die innerhalb einer Institution getroffen werden, wohnt zwar ein Element der Fremdbestimmung inne, weil Unternehmenskulturen, Firmenphilosophien oder Vorbilder handlungsund verhaltensnormierend wirken. Menschen handeln im beruflichen Kontext häufig anders als im privaten. Erich Fromm würde dies auf psychische Reaktionsmuster aufgrund von Anpassungsleistungen zurückführen. Dennoch handelt eine Organisation niemals nur als abstrakte juristische Einheit, sondern immer durch die Vielzahl der auf den verschiedenen hierarchischen Ebenen arbeitenden Menschen. Unternehmen können auch im Kontext der anstehenden Nachhaltigkeitsprobleme nur lernen, wenn Mitarbeiter auf allen Ebenen lernen.47

Es sind also nicht abstrakte Wirtschaftssysteme oder anonyme Kapitalgesellschaften, die über die moralische Qualität des erwünschten Handlungs- und Verhaltensportfolios eines Unternehmens entscheiden, sondern individuelle Menschen. Nur Menschen haben die Gabe der ethischen Reflexion und moralischen Vorstellungskraft, innerhalb der vorgegebenen Spielregeln mit integren und klugen Spielzügen erfolgreich zu sein.48 Soziale Systeme wie «die Wirtschaft» oder Subysteme wie «das Unternehmen» können per se nur begrenzt moralisch oder unmoralisch sein. Moralische Leistungen oder Moralversagen werden von Menschen, ihrer Persönlichkeit, ihren Werteorientierungen und ihrem Handeln und Verhalten in Systeme hineingebracht. Damit sind wir bei den individuellen Menschen und ihrer «ethischen Musikalität».

1.3.2 Individualethik: Der Mensch als moralischer Akteur

Nur wenn Verantwortung einzelnen Menschen zugerechnet und abverlangt wird, können ethische Erwägungen Wirkung entfalten. Mitarbeiter auf allen Ebenen eines Unternehmens haben Fachwissen, berufliche Erfahrung und soziale Kompetenz. Und sie haben ihre eigene menschliche Würde, die sie durch die Qualität ihrer Handlungen wahren wollen. Träger von Führungsverantwortung sind besonders verpflichtet, beim Umgang mit Dilemmata verantwortungsethische Güterabwägungen vorzunehmen und nicht nur anhand kurzfristiger betriebswirtschaftlicher Erfolgskriterien zu entscheiden.49

Da Mitglieder des Topmanagements die prinzipiellen Weichen für eine integre Unternehmenskultur stellen, sind sie für die ethische Qualität der Geschäftsangelegenheiten rechenschaftspflichtig und die zentralen Ansprechpartner. Da ihre Entscheidungen nicht nur die für Finanzanalysten wesentlichen Variablen beeinflussen, sondern auch das Leben anderer Menschen sowie die Tiefe des ökologischen Fußabdrucks des Unternehmens, müssen sie sich nicht nur an betrieblichen Erfolgsmaßstäben messen lassen, sondern auch an der Art und Weise ihres Zustandekommens. Es kommt nicht mehr nur darauf an, was ein Unternehmen herstellt, sondern auch darauf, was es wertemäßig darstellt.

Die Menschen in der obersten Führungsschicht des Unternehmens entscheiden darüber,

• welche Werte im Unternehmen als nicht verhandelbare Grundlage für praktisches Handeln Geltung haben, – und noch wichtiger: sie leben sie in der Praxis wirkungsmächtig vor;

• wie umfassend die Unternehmensmission und der Unternehmenszweck definiert werden, z. B., ob lediglich die kurzfristige betriebswirtschaftliche Sphäre des Handelns, also das Finanzkapital, bedeutungsvoll ist oder auch Sozialkapital, Naturkapital und Menschenwürde Eingang in Entscheidungsprozesse finden;

• welche normativen Standards in Handlungs- und Verhaltenskodizes erfasst und operationalisierbar formuliert werden;

• welche Unternehmensrichtlinien für das Handeln in sensiblen Bereichen definiert sind, ob ihre Einhaltung routinemäßig überprüft wird – und Verstöße auch im Falle positiver Geschäftsauswirkungen bestraft werden, sowie

• ob bei Personalauswahl-, Zielsetzungs-, Mitarbeiterbeurteilungs- und Beförderungsprozessen neben den wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und technischen auch normative Kriterien eine ernst zu nehmende Rolle spielen.

Die Ergebnisse der Arbeiten in dieser Hinsicht haben eine größere gesellschaftliche Akzeptanz, wenn der Grundsatz von Jürgen Habermas berücksichtigt wird: «Was alle angeht, soll auch von allen (mit-) entschieden werden». Die Akzeptanz von Entscheidungen, die im engsten Kreis fallen, ist – auch wenn die Entscheidungen sich als richtig herausstellen – wegen des a priori mangelnden gesellschaftlichen Vertrauens meist niedriger.

Weil Führungspersönlichkeiten (und «normale» Mitarbeiter) auch mit illegitimem Handeln kurzfristig eindrückliche Gewinne erwirtschaften und somit vermeintlich «gut» aussehen können, gehören für professionell geführte Unternehmen Mindestabstände zwischen Beförderungen sowie «Clawback»-Vorkehrungen50 für Boni zur Normalität. Die Tatsache, dass die seriöse Behandlung ethischer Sachverhalte (ein Minimum an Theorie und ein Maximum an realistischen Fallstudien) einem Unternehmen Vorteile bringt, ist seit langem bekannt.51

Ein letzter Punkt: Bei aller Wichtigkeit und Wünschbarkeit normativ geleiteten Handelns wäre es naiv, das moralische Wollen der Führungskräfte vom Können unter den vorgegebenen und für alle geltenden Regeln völlig zu entkoppeln. Der Markt muss eingebunden sein in ein geeignetes und glaubwürdiges System von Regeln: Stimmen die institutionellen Rahmenbedingungen, dann liegt ethisch akzeptables Handeln im Eigeninteresse und erfordert keinen moralischen Heroismus.52 Verantwortungsethisch motivierte Leistungen über das in einem spezifischen Land gesetzlich und regulatorisch Verlangte hinaus verursachen – zumindest kurzfristig53 – immer Mehrkosten, meistens Wettbewerbsnachteile und daher ceteris paribus niedrigere Gewinne: Ethisch reflektiertes Handeln lohnt sich zwar auf lange Frist, kurzfristig ist es aber nicht zum Nulltarif zu haben.

Außerdem: Längst nicht alles, was – insbesondere in einkommensschwachen Ländern und in solchen mit schlechter Regierungsqualität – legal ist, ist auch legitim.54 Wo unzureichende menschenrechtliche, soziale und ökologische Standards die Voraussetzung für «schwarze Zahlen» sind, wäre der Gesellschaft durch eine Betriebsschließung mehr gedient. Meine Management-Erfahrung in Afrika südlich der Sahara lehrte mich jedoch, dass es auch unter solchen Bedingungen möglich ist, ethisch akzeptabel und wirtschaftlich erfolgreich zu arbeiten. Es gibt auch einen von Thomas Donaldson und Thomas Dunfee erkannten moralischen Freiraum («moral free space»55) – man muss ihn nur sehen und nutzen wollen.56 Wenn komplexe betriebliche Probleme unter den spezifischen Bedingungen eines Marktes auch beim besten Willen nicht auf ethisch akzeptable Weise lösbar sind, gehört zum Handlungsportfolio verantwortungsethisch agierender Führungspersönlichkeiten neben der resignierten Anpassung an falsche Strukturen (loyalty), der Möglichkeit, sich aktiv und hörbar für veränderte Rahmenbedingungen einzusetzen (voice), auch die Möglichkeit des «Exit».57 Dafür aber braucht es auch persönlichen Mut, mit den Konsequenzen zu leben – Persönlichkeiten mit Charakter.

Es gibt für mich keinen Zweifel, dass die Persönlichkeit und der Charakter von Führungskräften eine herausragende und in der Hauptströmung des unternehmensethischen Diskurses eine heute unzureichend gewürdigte Rolle spielen.58 Zum Sachverhalt Persönlichkeit und Charakter hat Erich Fromm wesentliches Gedankengut beigetragen, auf das zurückzugreifen sich lohnt.

7 Kendtior, S. (2016). Hier ist darauf hinzuweisen, dass sich hinter dem Begriff «Kapitalismus» eine gewaltige Interpretationsbreite versteckt. Sie umfasst alles zwischen dem von Karl Marx und Friedrich Engels im 19. Jh. gegeißelten «Manchester-Kapitalismus» bis zur «Sozialen Marktwirtschaft» der heutigen Bundesrepublik, die von Sahra Wagenknecht ebenfalls als Kapitalismus bezeichnet und ideologisch kritisiert wird. Siehe Wagenknecht, S. (2016).

8 Umfrage des Meinungsforschungsinstituts GfK im Auftrag der Hamburger BAT Stiftung für Zukunftsfragen, siehe Stiftung für Zukunftsfragen (2015).

9 Zitner, A. (2016).

10 Auf dem Hintergrund sozialer Abstiegsängste bzw. empfundener Verteilungsprobleme wird die anthropologische Konstante «Angst vor allem Fremden» im Kontext der auf Deutschland zuströmenden Völkerwanderung zusätzlich verstärkt; einige der Gründe für Donald Trumps Wahlsieg gehören in dieselbe Kategorie.

11 Die Wirtschaft ist ein gesellschaftliches Teilsystem neben anderen (z. B. Politik, Recht, Wissenschaft, Religion). Zum Sachverhalt der funktionalen Differenzierung moderner Gesellschaften Siehe Luhmann, N. (1984).

12 GlobeScan (2016a).

13 GlobeScan Global Webinar (2016): Slide 12.

14 Edelman Trust Barometer Global Report (2017): Slide 10.

15 Vereinte Nationen (2015).

16 Edelman Trust Barometer (2016).

17 So berichtet z. B. die Frankfurter Allgemeine Zeitung, dass das Management der Erzkonzerne BHP Billiton und Vale lange vor dem katastrophalen Dammbruch von der Gefahr der darauf folgenden, für mindestens 19 Menschen tödlichen, giftigen Schlammlawine gewusst haben, die Steigerung der Produktion jedoch über die Sicherheit gestellt hätten. FAZ (2016): 25. Die Betrügereien im Zusammenhang mit der Dieselaffaire deutscher Autounternehmen, geschweige denn die neu auftauchenden Kartellvorwürfe (Der Spiegel Nr. 30) sind letztlich nicht einmal rational erklärbar.

18 Nach DUDEN bedeutet der Begriff Skandal «Geschehnis, das Anstoß und Aufsehen erregt». Wären solche Geschehnisse alltägliche Normalität, wären sie zwar noch immer ärgerlich, aber eben kein Skandal.

19 GlobeScan (2016b). Das ist alles andere als eine neue Entwicklung; siehe Clark, J. M. (1916): 209–229.

20 Edelman Goodpurpose Study (2012): Slide 17.

21 Fukuyama, F. (1996): 11.

22 Edelman Trust Barometer (2016).

23 EY (2016).

24 Beinhocker, E., I. Davis und L. Mendonca (2009).

25 «The strategic imperative for most companies is to do what they can to regain the trust of stakeholders and to more effectively manage relationships with them. This starts at the top.» Siehe Beinhocker, E., I. Davis und L. Mendonca (2009): 57 f.

26 «The strategic imperative for most companies is to do what they can to regain the trust of stakeholders and to more effectively manage relationships with them. This starts at the top. Corporate leaders need to demonstrate to civil society that they understand popular and political concerns related to executive compensation, risk management, board oversight, and the treatment of employees facing layoffs. Regaining trust also means dispensing with the view that the only objective of management is to increase shareholder value.» Siehe Beinhocker, E., I. Davis und L. Mendonca (2009): 57 f.

27 Edelman Trust Barometer Global Report (2017): Slide 16.

28 Siehe Financial Times (2012). Unter gleichem Titel und mit einer vergleichbaren Botschaft erschien in Foreign Affairs im Juli/August 2016 eine Analyse von Blyth, M. (2016).

29 Wooldridge, A. (2012).

30 Z. B. Dönhoff, M. (1999); siehe auch Helmut Schmidts Reflektionen über «Raubtierkapitalismus» im ZEIT Forum Politik (21.09.2008). «Kapitalismus» ist hier Ideologie-neutral definiert als eine Wirtschaftsform, in der Eigentumsrechte an Kapital inkl. Produktionsmittel bestehen und deren Steuerungsmechanismus der Markt ist.

31 Edelman Trust Barometer (2016).

32 Kaiser, T. und H. Zschäpitz (2016): 33 ff.

33 Edelman Trust Barometer (2016): Slide 37.

34 Siehe dazu: Wieland, J. (2004) sowie Wieland, J. et al. (Hrsg.) (2014).

35 Rupert Lay ist der Vater dieser Wortschöpfung und beschreibt diese Menschen als Personen, die nicht mehr eigenverantwortlich nach Maßgabe ihrer primären und somit auch kritischen Tugenden (z. B. Konfliktfähigkeit, Fähigkeit zum kreativen Ungehorsam) verantwortlich handeln, sondern sich möglichst pflegeleicht den Imperativen der jeweiligen Institution (Unternehmen, Kirchen, Behörden, Gewerkschaften) anpassen, selbständiges Denken und Urteilen aufgeben, um mögliche Reibungsverluste zu minimieren sowie durch vorauseilenden Gehorsam potentielle Vorteile für sich zu generieren. Der systemimmanente vorgegebene Zweck bzw. die vorherrschende Ideologie definiert, was im Sinne einer geschlossenen Moral «richtig» ist – güterabwägende Reflexion ist unter solchen Bedingungen ein Störfaktor. Wozu dies führen kann, hat Stanley Milgram in seinen Experimenten vorgeführt; siehe Milgram, S. (1992). Die systemische Zurechnung der Handlungsmoral entlastet die individuellen Systemagenten von ihrer personalen Verantwortung. Der zu zahlende Preis für die Übernahme sekundärer Tugenden ist ein emotionales und soziales Verkümmern. Systemagenten halten es für ethisch akzeptabel, was dem System nützt (oder zu nützen scheint). Siehe dazu Lay, R. (1990): 40 ff.

36 Siehe dazu Werhane, P. H. (1999) sowie Werhane, P. H. und B. Moriarty (2015).

37 Ergänzung des Verfassers.

38 Pico della Mirandola, Giovanni (1468): 10 f. Papst Franziskus hat über 500 Jahre später an der UNO Generalversammlung 2015, seinen Vorgänger Papst Paul VI. zitierend, ähnlich argumentiert: «Die Gefahr kommt weder vom Fortschritt, noch von der Wissenschaft; diese können, wenn sie in rechter Weise genutzt werden, viele schwere Probleme lösen, die die Menschheit bedrängen. Die wahre Gefahr liegt im Menschen, der über immer mächtigere Mittel verfügt, die fähig sind, sowohl in den Ruin als auch zu größten Errungenschaften zu führen.» Siehe Radio Vatikan (25.09.2015).

39 Siehe dazu den auch heute noch hochaktuellen Aufsatz von Max Weber aus dem Jahre 1919 zum Thema «Politik als Beruf» in: Weber, M. (1919): 505–560.

40 Einen guten Überblick über die Theorie geben Crane, A. und D. Matten (2010). Über die praktische Anwendung der Theorie siehe Crane, A. et al. (Eds.) (2009).

41 Siehe dazu van Aaken, D. und Ph. Schreck (Hrsg.) (2015).

42 Kant, I. (1781/1968): 677.

43 Über der «Wirtschaftsethik» gibt es noch eine «Meta-Ebene», auf der eine normative Bewertung von wirtschaftlichen Systemen bzw. ordnungspolitischen Ansätzen stattfindet. Auf dieser Ebene wird untersucht, auf welche anreizkompatible Weise normative Ideale in komplexen, ausdifferenzierten Volkswirtschaften und bei globalisierten Wettbewerbsbedingungen zur Geltung gebracht werden können. Siehe dazu Suchanek, A. (2015). Als kurze Einführung siehe Springer Gabler Verlag (Hrsg.), Gabler Wirtschaftslexikon, Stichwort: Wirtschaftsethik, online im Internet: http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Archiv/1883/wirtschaftsethik-v7.html.

44 Siehe dazu Wieland, J. (2007).

45 Leisinger, K. M. (2016c): 111–122.

46 Übers. d. Verf.: «Verlange nie von einer Person, gegen ihr Eigeninteresse zu handeln.» Hardin, G. (1977): 2.

47 Senge, P. et alia (2008).

48 Dazu von Broock, M. (2012).

49 Siehe Leisinger, K. M. (2010): 48–75. Siehe auch KPMG (Hrsg.) (2014): 63 % der Befragten sehen die Ursache für wirtschaftskriminelle Handlungen ausschließlich bzw. eher in menschlichen Faktoren (wie zum Beispiel finanzielle Motivation oder Rechtfertigungsmöglichkeiten) als in technischen Fähigkeiten oder mangelnden Kontrollen. Interessanter- und widersprüchlicherweise wird dem «Tone at the Top» lediglich geringe Bedeutung eingeräumt. Mehr als 80 % der Befragten halten fehlende Vorbilder in der Geschäftsführung für wenig relevant. Nach neuesten Untersuchungen ist der «Tone at the Top» neben angemessenen Risikoanalysen und Schulung jedoch der wichtigste Faktor für gute Ergebnisse beim Compliance Management. Siehe Konstanz Institut für Corporate Governance (2017).

50 Siehe dazu https://en.wikipedia.org/wiki/Clawback.

51 Sharp Paine, L. (1991).

52 Siehe dazu Homann, K. (2014) sowie Suchanek, A. (2015). Das «Drei-Ebenen-Schema» mit Spielzügen, Spielregeln und Spielverständnis entlässt den einzelnen Menschen keineswegs aus seiner individuellen moralischen Verantwortung und der Notwendigkeit, sein moralisches Urteilsvermögen zu schulen – es bindet ihn ein.

53 Der sogenannte «Business Case» verantwortungsvollen Handelns und Verhaltens ist meiner Meinung nach nachweisbar, hängt aber von vielen Unwägbarkeiten ab und tritt auch dann nur mit zeitlicher Verzögerung ein. Siehe dazu Leisinger, K. M. (2016): 190 ff.

54 Siehe dazu Public Eye/Erklärung von Bern (2016).

55 Moralischer Freiraum ist ein Schlüsselbegriff in der Theorie des integrativen Gesellschaftsvertrags (Integrative Social Contract Theorie – ISCT). Die Urheber dieser Theorie Thomas Donaldson und Thomas W. Dunfee definieren «moral free space» als den Raum, der durch «Hypernormen» begrenzt wird, also denjenigen grundlegenden Prinzipien, denen alle anderen Normen niedrigerer Ordnung unterliegen, um somit an die Wurzel dessen zu kommen, was für die Menschheit ethisch ist (im dienenden Sinne).

56 Donaldson, Th. und Th. W. Dunfee (1999): 83 ff.

57 Zu den Möglichkeiten, mit der heiklen Situation sich verschlechternden Rahmenbedingungen umzugehen, siehe Hirschman, A. O. (1970).

58 Die Unterscheidung zwischen Führungskräften und Führungspersönlichkeiten wurde erstmalig und mehrfach von Rupert Lay vorgetragen, zuletzt in: Lay, R. (2000): 191. Ulf Posé übernimmt in seinem neuen Buch auch diese Unterscheidung, siehe Posé, U. (2016).

Die Kunst der verantwortungsvollen Führung

Подняться наверх