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2. Braune Affinitäten: Sympathien für das Dritte Reich im Nahen und Mittleren Osten
ОглавлениеDa man sich im Nahen Osten gleichfalls als Opfer der Pariser Vorortverträge nach dem Ersten Weltkrieg wahrnahm, bewunderte man die Art und Weise, wie Deutschland nach 1933 die „Fesseln von Versailles“ abwarf und eine Renaissance staatlicher Macht zelebrierte. Die wachsende Distanz zu den westlichen Demokratien und den von ihnen importierten Werten – Parlamentarismus und Rechtstaatlichkeit, universalistische Menschenrechte und säkulare Staatsverfassung, Meinungsfreiheit und Pluralismus – bereiteten im Orient den Boden für Autoritarismus und eine mystische Verherrlichung der Nation beziehungsweise des Volkes. Der offen propagierte Antisemitismus des Dritten Reiches und die auf Konfrontation mit den Mandatarmächten steuernde deutsche und italienische Politik bildeten zusätzliche Anziehungspunkte, die die Achsenmächte als potentielle Verbündete für den arabischen Nationalismus erscheinen ließen. Daß Deutschland – im Gegensatz zu Großbritannien, Frankreich und Italien – nie Kolonialmacht im Nahen und Mittleren Osten gewesen war, brachte ihm weitere Pluspunkte ein. Diese Perzeption beförderte nicht nur den Aufstieg islamistisch-fundamentalistischer Bewegungen, sondern auch die Bildung einer Vielzahl paramilitärischer und nach dem Führerprinzip organisierter Parteien, die sich an den europäischen Modellen ausrichteten.1
Insbesondere die Person Hitlers besaß ein hohes Prestige in der arabischen und darüber hinaus in der gesamten islamischen Welt. Seit seiner Machteinsetzung erreichten ihn von dort Lobhudeleien wie diese: „Gott erhalte Sie. Täglich bringe ich meine Gebete für Sie zu Gott. Die Nachricht über die Vaterlandsliebe Ihrer Hoheit verbreitet die besten Gerüche in der ganzen Welt“, schrieb ein Scheich aus Palästina. „Zu jeder Zeit bin ich bereit[,] Ihrer Regierung zu dienen mit 100 reitenden Soldaten. Ich warte auf den Wink Ihrer Hoheit. […] Mögen Sie immer bleiben mein Herr.“2 Und aus Jerusalem erhielt er folgendes Telegramm: „Die arabische Jugend Palästinas bittet höflichst den einzigen Führer Deutschlands[,] den Verkauf der deutschen Schnellerschule samt ihren Ländereien an die Juden zu verhindern, damit dieser Verkauf nicht zur Verjudung des Heil[i]gen Landes beiträgt.“3 Eine irakische Zeitung vermerkte unter der Überschrift: „Der einzig da stehende Mensch in Deutschland“: „Deutschland muß stolz sein auf seinen Führer, und der Irak entbietet Deutschland seine aufrichtigsten Glückwünsche und bewundert die deutsche Nation und ihren Führer.“4 „Ist dieser Mann nicht von Gott berufen? Um das deutsche Volk aus der Falle, die die Juden und ihre verschiedenen Organisationen, die diese im Namen der Menschlichkeit gegründet, zu retten. Diese jüdischen Organisationen, nach außen scheinbaren Segen bringend, verfolgen in Wahrheit vernichtende Ziele“, befand ein Dr. Zeki Kiram und fragte sich, wann auch Arabien erwachen werde: „Jetzt sage ich, Arabien wird erwachen an dem Tage, an dem Gott Arabien einen treuen, an seine Tat glaubenden Mann schickt, der das Volk ruft, wie Hitler das deutsche Volk gerufen hat.“5 In diesem antisemitisch unterfütterten Führerkult zeichneten sich schon früh mögliche Allianzen zwischen Islam und Nationalsozialismus, zwischen arabischem Nationalismus und dem „neuen Deutschland“ ab.
Die Popularität Hitlers nahm nicht ab, sondern gewann noch an Intensität, je näher der Weltkrieg an den Nahen und Mittleren Osten heranrückte. So erschienen seit 1938 Artikel in verschiedenen arabischen Zeitungen, in denen er mit dem Propheten Mohammed gleichgesetzt wurde.6 „Seit Monaten ist die Gesandtschaft von den verschiedensten Seiten darauf hingewiesen worden, daß im ganzen Lande Geistliche auftreten, die zu den Gläubigen von alten geheimnisvollen Weissagungen und Träumen sprechen, die dahin gedeutet werden, daß in der Gestalt Adolf Hitlers der zwölfte Imam von Gott auf die Welt gesandt worden ist“, berichtete Botschafter und SS-Brigadeführer Erwin Ettel Anfang 1941 aus Teheran. „So ist völlig ohne Zutun der Gesandtschaft eine mehr und mehr um sich greifende Propaganda entstanden, die in dem Führer und damit in Deutschland den Retter aus aller Not erblickt. […] Ein Teheraner Bildverleger hat in seinem Verlage Bilder des Führers wie auch Ali’s, des ersten Imams[,] hergestellt. Monatelang hingen diese großen Bilder rechts und links an der Tür zu seinem Geschäft. Jeder Eingeweihte verstand diese Nebeneinanderstellung. Es bedeutet: Ali ist der erste, Adolf Hitler der letzte Imam.“ Die Vorteile dieser Sichtweise lagen für Ettel klar auf der Hand: „Ein Weg, um diese Entwicklung zu fördern, wäre das klare Herausarbeiten des Kampfes Mohammeds gegen die Juden in alter und den des Führers in jüngster Zeit. Verbindet man hiermit eine Gleichsetzung von Briten und Juden, so wird eine außerordentlich wirksame antienglische Propaganda in das schiitische iranische Volk getragen.“7 Nationalsozialistischer Antisemitismus ließ sich so in die Geschichte zurückverlängern, religiös legitimieren und handlungsorientierend für die Gegenwart nutzen.
Als das Deutsche Reich 1940 Frankreich bezwungen hatte, wurde bei Massendemonstrationen in Damaskus, Homs und Aleppo ein neues Lied gesungen, in dem es hieß: „Nie mehr Monsieur, nie mehr Mister/im Himmel Allah, auf Erden Hitler.“8 Und ein Jahr später reimte man dort: „Pourquoi t’enfuir quand l’Allemand approche?/Français à la religion de chien./Qui t’a dit de partir en guerre?/Dieu est au ciel, Hitler est sur la terre.“9 Im Jemen wurde damals nur italienischer Rundfunk gehört,10 und König Ibn Saud von Saudi-Arabien ließ Hitler mitteilen: „Für Deutschlands Führer habe er die größte Hochachtung und Bewunderung.“11 Ägyptens König Faruk sandte ihm im Frühjahr 1941 die Botschaft: „Er sei von starker Bewunderung für Führer und Hochachtung vor dem deutschen Volk erfüllt, dessen Sieg über England er sehnlichst herbeiwünsche. Er sei mit seinem Volk in dem Wunsch vereint, deutsche Truppen möglichst bald siegreich in Ägypten als Befreier von unerträglichem brutalen englischen Joch zu sehen.“12 Zu dieser Zeit waren in den Schaufenstern von Bagdad Hitler-Bilder ausgestellt,13 und der französische Arzt Schrumpf-Pierron in Kairo, der der deutschen Abwehr zuarbeitete, meldete: „In der islamischen Welt wird dem Führer eine übernatürliche Kraft beigemessen. Man ist überzeugt, er hätte einen ‚Djinn‘, d. h. einen dienstbaren Geist, der ihm sagt[,] wie und wann er handeln soll. Außerdem ist er der Prophet gegen die Juden.“14
Doch obwohl Hitler einen überragenden Exportartikel des Dritten Reiches in die arabische Welt darstellte, war eine Übersetzung seines Hauptwerkes „Mein Kampf“ problematisch, da es eine dezidiert antiarabische Passage enthielt. Hitler hatte dort dem „heiligen Krieg“ der Muslime eine höhnische Absage erteilt, das Bündnis mit einer „Koalition von Krüppeln“ abgelehnt und ganz im imperialistischen Kolonialstil festgehalten: „Als völkischer Mann, der den Wert des Menschentums nach rassischen Grundlagen abschätzt, darf ich schon aus der Erkenntnis der rassischen Minderwertigkeit dieser sogenannten ‚unterdrückten Nationen‘ nicht das Schicksal des eigenen Volkes mit dem ihren verketten.“15 Zwar erschien eine vollständige, nach dem Original übertragene arabische Ausgabe von „Mein Kampf“ erst 1960 in Beirut,16 doch mehrere Teilübersetzungen, die wohlweislich auf die inkriminierten Zeilen verzichteten, kursierten schon in der Vorkriegszeit in Ägypten und Marokko, im Irak und im Libanon.17 Eine von deutscher Seite in Angriff genommene Übertragung ins Arabische kam jedoch nicht mehr zustande, obwohl Hitler 1936 sein Einverständnis erklärt hatte, „daß von einer Übersetzung derjenigen Stellen abzusehen sei, die in Anbetracht der heutigen politischen Lage und im Hinblick auf das Empfinden der arabischen Völker für eine Übersetzung nicht geeignet erschein[en]“.18 Auch der Terminus „Antisemitismus“, vor dessen Gebrauch Nahostexperten schon früh warnten, da auch die Araber Semiten seien,19 machte nicht wirklich Probleme; man erklärte schlicht, daß er sich ausschließlich gegen Juden richte.20 Gegenüber Rosenberg, dem Leiter des gleichnamigen Amtes zur Überwachung der weltanschaulichen Schulung und Erziehung der NSDAP, insistierte der Mufti aber trotzdem noch so lange auf einer Ächtung des Begriffs, bis dieser schließlich zusagte, eine entsprechende Anweisung an die Presse zu geben, um so tunlichst den Eindruck zu vermeiden, daß von deutscher Seite „die Araber mit den Juden in einen Topf“ geworfen würden.21 Doch wichtiger als derlei Irritationen war in der arabischen Welt allemal Hitlers symbolischer Wert als Vorkämpfer gegen Juden, Briten und Franzosen.
Bereits im Sommer 1933 wurde ein ägyptischer Journalist von ihm empfangen, und dieser revanchierte sich mit einer Artikelserie, „die erheblich dazu beigetragen hat, das Mißtrauen, das von jüdischer Seite zwischen Ägypten und Deutschland zu säen versucht worden war, wieder zu zerstreuen“.22 Im folgenden Jahr erschien in Kairo die erste Hitler-Biographie, die 1935 bereits unter den Intellektuellen von Fes kursierte; sie schilderte die Beherrschung Deutschlands durch die Juden, gegen die es nur das Mittel ihrer Vernichtung gebe.23 1937 betätigte sich ein hoher ägyptischer Polizeioffizier als „Lobredner der deutschen Polizei“ und warb in Vorträgen dafür, „die Organisation der ägyptischen Polizei dem deutschen Vorbilde möglichst ähnlich zu gestalten“.24 Zu diesem Zeitpunkt wuchs die Keimzelle des modernen Islamismus, die ägyptische Moslembruderschaft, gerade zu einer Massenorganisation heran. Die 1928 von dem Prediger Hassan al-Banna, einem Freund des Mufti, gegründete Bewegung hatte noch 1936 800 Mitglieder gezählt; zwei Jahre später waren es bereits 200 000.25 Motor dieses Aufstiegs war die Mobilisierung für den arabischen Aufstand in Palästina, in der die judenfeindlichen Passagen des Koran26 mit den antisemitischen Kampfformen des Dritten Reiches verwoben wurden und Judenhaß seine Umformung in den Djihad erlebte.27 Boykottkampagnen und gewalttätige Demonstrationen mit der Parole „Juden raus aus Ägypten und Palästina“ waren die Folge.28 Als im Oktober 1938 in Kairo eine islamische Parlamentarierkonferenz „zur Verteidigung Palästinas“ stattfand, verteilte man antisemitische Traktate, darunter arabische Versionen von „Mein Kampf“ und der „Protokolle der Weisen von Zion“.29
Während die Moslembruderschaft eine antiwestliche Vereinigung war, die die Rückkehr zum Urislam forderte, den säkularen Staat und die parlamentarische Demokratie bekämpfte und in Koran und Sunna die Quelle aller Gesetzlichkeit erblickte,30 war die von Ahmad Hussain 1933 gegründete Bewegung „Junges Ägypten“ zunächst eine ultranationalistische Jugend- und Studentenpartei. Faschistengruß und Uniformierung, Fackelzüge und Führerkult sowie eine wachsende Neigung zu Straßenkämpfen wiesen auf die – trotz aller antiwestlichen Ausrichtung – europäischen Vorbilder hin.31 1936 nahm Hussain mit einer Delegation seiner paramilitärischen „Grünhemden“ am Nürnberger Reichsparteitag teil.32 Im Zuge der Palästinakampagne ab 1936 wandte sich auch „Junges Ägypten“ dem muslimischen Fundamentalismus zu und änderte im März 1940 den Namen in „Islamisch-Nationalistische Partei“.33 Am rabiaten Antisemitismus änderte dies nichts. Die Juden seien das Geheimnis des religiösen und moralischen Verfalls, erklärte Hussain 1939; man tue recht daran zu sagen: „Suche hinter jeder Perversion den Juden.“34
Ausgesprochen säkular und totalitär waren hingegen die 1932 von Antun Saadeh in Damaskus gegründete „Syrische Nationalsozialistische Partei“ und die 1936 ebenfalls nach dem Führerprinzip strukturierten „Phalanges Libanaises“. Sie postulierten eine völkische Überlegenheit und lehnten sich auch in ihren äußeren Formen – einer hakenkreuzartigen Fahne und dem Gruß mit erhobener Hand – an die NSDAP an.35 Da man dort Palästina nach wie vor als Südsyrien ansah, unterstützte man den Araberaufstand vehement durch Geld, Waffenschmuggel und die Entsendung von Banden.36 Auch in Transjordanien, unter dem haschemitischen Emir Abdallah eigentlich das moderateste Land der Region,37 schlug der Antisemitismus hohe Wellen. „Ich möchte keinem Juden raten, sich bis nach Kerak vorzuwagen, denn er käme kaum lebend aus dem Ort“, berichtete der deutsche Generalkonsul in Jerusalem nach einem Ausflug dorthin Ende 1933.38 Und der britische Repräsentant in Amman mußte im Februar 1941 erkennen: „There has been a certain amount of pro-Nazi talk.“39 In Saudi-Arabien wiederum erklärte Ibn Saud 1939, daß der Mufti „sein persönlicher Freund“ sei, bot sein Land als Zwischenstation für deutsche Waffenlieferungen nach Palästina an und gestand offen seine braunen Affinitäten: „Alle Araber und Mohammedaner in den verschiedensten Gegenden der Welt hätten eine große Achtung für Deutschland, die noch gesteigert worden sei durch den Kampf, den Deutschland gegen das Judentum, den Erzfeind der Araber, führe.“40 Antisemitismus erwies sich auch dort als stärkstes Bindeglied zwischen dem Dritten Reich und dem Nahen und Mittleren Osten.
Im Irak gesellte sich gleichfalls die Palästinafrage als natürliche Mitgift zum politischen Arabismus. Bereits im Februar 1928 hatten 40 000 Iraker in Bagdad gegen den Besuch des britischen Politikers Sir Alfred Mond protestiert, der an der Formulierung der Balfour-Deklaration mitgewirkt hatte. Bei dieser ersten antizionistischen Massendemonstration in der arabisch-muslimischen Welt waren jüdische Läden geplündert und angezündet worden.41 1936 wurden in den Straßen der irakischen Hauptstadt mehrere Juden ermordet,42 und ein Jahr später kam es beim Bekanntwerden des Teilungsplanes erneut zu Massenprotesten mit antijüdischen Übergriffen. „Wir opfern uns für Palästina“, und „Die Juden sind die Makler des Imperialismus“ lauteten dabei die Schlachtrufe.43 1939 forderte Dr. Sami Shawkat, der Generaldirektor des irakischen Erziehungsministeriums, in seinem Buch „Dies sind unsere Ziele“ die Vernichtung der einheimischen Juden als Voraussetzung der nationalen Wiedergeburt.44 Im selben Jahr lynchte in Mossul der Mob den dortigen britischen Konsul auf offener Straße, unmittelbar nachdem der Tod von König Ghazi bekanntgeworden war. Dieser hatte unter dem Einfluß von Alkohol die Kontrolle über seinen Wagen verloren; quasi automatisch interpretierte man dies als Aktion des britischen Geheimdienstes.45 Und als Hitler in seiner Reichstagsrede am 20. Februar 1938 ausrief: „Ich rate den Mitgliedern des englischen Unterhauses, sich zu kümmern und zu fragen nach den Urteilen der Militärgerichte in Palästina und nicht nach den Urteilen, die deutsche Gerichte erlassen“, erhielt er dort „begeisternde[n] Widerhall“.46
1937 stattete der HJ-Führer Baldur von Schirach dem Irak einen Besuch ab, betonte die Ähnlichkeit zwischen der panarabischen Renaissance und dem deutschen rassischen Erwachen und lud eine einheimische Jugenddelegation zum nächsten NSDAP-Parteitag ein.47 In der Tat kamen 30 Irakis im September 1938 nach Nürnberg, wurden von Hitler empfangen und verbrachten danach einen zweiwöchigen Deutschlandurlaub als Gäste der Hitlerjugend.48 Der Besuch sollte nicht folgenlos bleiben. Im Jahr darauf rief Sami Shawkat die „Futuwwah“ als Staatsjugendorganisation nach dem Muster der HJ ins Leben. Ihr mußten alle Schüler der Oberstufenklassen höherer Schulen zwangsweise beitreten. Die Mitglieder wurden nach deutschem Vorbild uniformiert, soldatischer Disziplin und paramilitärischer Ausbildung unterworfen.49 Parallel dazu entwickelte sich der hauptstädtische Muthanna-Klub, dem Shawkat und seine Brüder Saib und Naji – beide waren Minister in der Regierung – als prominente Mitglieder angehörten, zum intellektuellen Mittelpunkt eines radikalen Panarabismus und NS-freundlicher Einstellungen.50 Auch im nordirakischen Kurdistan, bereits damals in Opposition zur Bagdader Zentralgewalt, war die Stimmungslage nicht viel anders. Ein späterer Leutnant der deutschen Abwehr, der das Gebiet 1935/36 bereiste, sah damals große Bilder Hitlers in den Teehäusern und berichtete über die Einstellung der Kurden: „Sie erzählten begeistert von dem freiheitsliebenden Deutschland und von ihrem Nationalhelden, dem Führer, von dem sie jedoch nicht viel mehr wußten, als daß er Deutschland wieder groß machen werde und die gleichen Feinde habe, wie sie selbst: Engländer und Juden. Diese Tatsachen genügte[n] den Kurden, um ihnen Deutschland sehr nahe zu bringen.“51 Mit Antisemitismus und braunem Antiimperialismus gewann das Dritte Reich offenbar auch dort die Herzen der Muslime.
Im französisch dominierten Nordafrika fanden Hitler und NS-Deutschland ebenfalls neue Freunde. „Vive le chancelier Hitler. A bas la France“, war 1934 an marokkanischen Hauswänden zu lesen,52 und im August dieses Jahres kam es im algerischen Constantine zu einem Pogrom gegen die einheimischen Juden, bei dem 23 von ihnen getötet wurden.53 „In jedem Gespräch mit Arabern bekunden diese ihre Freude über den Antisemitismus“, berichtete ein deutscher Hauptmann 1939 nach einer Reise durch Nordafrika. Auch die französischen Kolonialoffiziere zeigten dort „volles Verständnis für den Nationalsozialismus“ und besäßen eine „auffallend starke antisemitische Einstellung“.54 Im Oktober des Jahres zirkulierten Flugblätter in Marokko, die den gerade begonnenen Weltkrieg kommentierten: „Wißt ihr nicht, daß es niemand mehr gibt in Paris, dem Nest der Juden, der die deutschen Flugzeuge zerstören könnte? […] Was diesen feigen Franzosen geschieht, wird auch ihresgleichen passieren, den englischen Juden. Was sie in Palästina mit unseren muslimischen Brüdern getan haben, die sie einschüchtern und zur Unterwerfung unter die jüdische Diktatur zwingen, ist der Beweis dafür.“55 In Spanisch-Marokko gab man dem Hitler-Gruß eine islamische Legitimierung, indem man den rechten Arm ausstreckte und dazu rief: „Gott ist der Größte.“56 Nach der Niederlage Frankreichs wurden Hakenkreuze auf die Mauern der Medinen gepinselt, und man sang in Casablanca: „Auf den Deutschen ruht meine Hoffnung.“57 Ähnliches galt für Tunesien: „Araber in Tunis äußerst deutschfreundlich“, berichtete ein deutscher Major im Mai 1941. „Todfeindschaft Araber-Juden. Nacht 19./20. 5. in Gabès Pogrom mit mindestens 7 toten Juden.“58
Daß das muslimische Palästina sich in diesen Kontext lückenlos einfügte, ist wenig erstaunlich. „Was aber die Haltung der Araber in Palästina […] zu diesen Wahlen angeht […], so haben wir zwar kein Wahlrecht“, kommentierte eine dortige Zeitung die deutschen Präsidentschaftswahlen 1932, „aber einen Wunsch und eine Hoffnung; und vielleicht, weil die Juden unsere Gegner sind […], dann bleibt unser Wunsch und unsere Hoffnung selbstverständlich Hitler, […] nach der Regel: Der Feind meines Feindes ist mein Freund.“59 Vorbehaltlos stellte man sich hinter die antisemitischen Zwangsmaßnahmen des Dritten Reiches: „Der Jude [… ist] ein internationaler Kommunist“, schrieb ein anderes Blatt. „In meinen Augen hat Deutschland recht, wenn es solche Leute aus seinem Vaterland vertreibt, weil sie eine Gefahr für alle Länder, in denen sie leben, darstellen.“60 Dabei übersah man geflissentlich, daß genau dadurch die Zahl der Juden in Palästina anstieg, NS-Deutschland die „Verjudung“ des Landes also sogar forcierte und durch das noch zu behandelnde Haavara-Abkommen ausdrücklich förderte. Doch über diesen Aspekt des deutschen Antisemitismus schwieg man sich hartnäckig aus.61 „Wer hat das größte Genie, die Juden oder Hitler?“ fragte die Zeitung „Alam Arabi“ und redete sich die Fakten schön: „Wenn jetzt große jüdische Kapitalisten Deutschland verlassen, so müssen sie also für ihre Millionen deutsche Waren kaufen und nach Palästina einführen. Dadurch wird der deutsche Verdienst und der jüdische Verlust ein doppelter.“62 Diese Konstellation offenbarte, daß der kursierende Antisemitismus mitunter noch größer war als der Antizionismus.
Bereits am 31. März 1933 klopfte der Mufti bei dem deutschen Generalkonsul Heinrich Wolff in Jerusalem an und versicherte ihm, daß die Moslems „neues Regime Deutschlands begrüßen und Ausbreitung faschistischer antidemokratischer Staatsführung auf andere Länder erhoffen“. Ein deutscher Boykott, „um Juden in ihrem Wohlstand zu treffen“, werde „in der ganzen mohammedanischen Welt mit Begeisterung“ Unterstützung finden.63 Bereits drei Monate später konnte Wolff von der „beabsichtigte[n] Gründung einer Nationalsozialistischen Arabischen Partei“ berichten.64 Beim arabischen Proteststreik gegen die jüdische Einwanderung im Oktober 1933 war auf Flugblättern und an den Mauern häufig das Hakenkreuz zu sehen.65 „Efforts to organise Nazi Associations have been revived“, berichtete die britische Polizei im Sommer 193466 und beobachtete im Herbst des Jahres eine anhaltende NS-Propaganda in der arabischen Presse.67 In der palästinensischen Literatur wurden die Juden als geldgierig, verschlagen und skrupellos beschrieben, als Feiglinge, „neue Shylocks“ und „Söhne des klingenden Goldes“.68 Und es fand sich dort Lyrik wie diese: „Tretet den Juden auf die Köpfe,/um Buraq und Haram zu befreien./Ihr jungen Männer, schließt die Reihen,/greift sie zu Tausenden an./O Gott, wie schön ist der Tod/zur Befreiung von Haram und Buraq.“69
Hitler habe der Welt die Augen geöffnet, heißt es im Tagebuch von Khalil as-Sakakini, eines christlichen Lehrers arabischer Nationalität in Jerusalem. Bevor er an die Macht gekommen sei, hätten die Menschen die Juden und ihren grenzenlosen Einfluß gefürchtet. Hitler habe der Welt jedoch gezeigt, daß diese gar nicht scharf schießen könnten. Die Deutschen hätten ihnen als erste die Stirn geboten und keine Angst vor den Juden gehabt. Hitler habe sie in ihre Schranken gewiesen, so der verschwörungstheoretisch versierte as-Sakakini, und Mussolini habe durch die Besetzung Äthiopiens den Briten einen Dämpfer versetzt. Als in Jerusalem die Nachricht eintraf, die Bewohner des Saargebietes hätten am 13. Januar 1935 mehrheitlich für die Wiedervereinigung mit Deutschland gestimmt, feierte as-Sakakini diese Neuigkeit zusammen mit dem Sieg der Husseinis bei den Kommunalwahlen in Jerusalem. Für ihn gehörten beide Triumphe zusammen.70
Der „gottgläubige Freiheitskämpfer“ Hanaf Hassan schrieb dem deutschen Konsul in Haifa, „welcher Vertreter Hitlers des Großen ist“: „Gott beschütze ihn und alle Deutschen. […] Alle Araber vergessen nicht die Freundschaft der Deutschen in der ganzen Welt für die Hilfe, die sie ihnen angedeihen ließen zu Gunsten der Araber in Palästina. Das Land Palästina gehört nicht nur uns Arabern[,] sondern auch den Deutschen mit, und ich hoffe von Ihnen, Herr Konsul, daß Sie uns helfen, das heilige Land von den Juden zu befreien und hoffe, daß wir alle Brüder sind, so Gott will.“71 Auch unter den Schülern einer privaten höheren Schule in Bir Zeit bei Ramallah genoß das Dritte Reich beträchtliche Sympathien. Als deren Englischlehrerin ihnen einen Roman von Benjamin Disraeli zu lesen gab, rebellierte die Klasse. „Aber er ist Jude“, empörten sich die Schüler. Die Lehrerin versuchte nun, die Diskussion auf die Frage zu lenken, was einen Mann bedeutend mache. Sie schlug vor, dies sei jemand, der den Geist seiner Zeit beeinflusse, und forderte die Klasse auf, eine Liste bedeutender Männer aufzustellen. Die meisten Schüler nannten an erster Stelle Adolf Hitler.72
Die muslimischen Palästinenser, so der deutsche Konsul in Jaffa, Timotheus Wurst, Ende März 1936, seien „aufs tiefste beeindruckt durch faschistische, vor allem nationalsozialistische Lehren und Anschauungen. Der Nationalsozialismus mit seinen judenfeindlichen Ansichten hat bei den Arabern Palästinas, die sich in einem verzweifelten und fast aussichtslosen Abwehrkampf gegen den Zionismus befinden, verwandte Saiten aufklingen lassen. Faschismus und Nationalsozialismus sind auch bei den Arabern vielfach zu Maßstäben geworden, an denen alle übrigen politischen Systeme und Lehren gemessen werden, und Adolf Hitler ist zweifelsohne in den Augen vieler Araber der bedeutendste Mann des 20. Jahrhunderts schlechthin. So groß ist die Volkstümlichkeit unseres Führers, daß es wohl kaum einen Araber gibt, und sei es der einfachste Fellache, der den Namen Hitler nicht kennt.“ Neben den Pfadfindern habe sich vor allem die Istiqlal-Partei „in weitestem Maße die nationalsozialistischen Thesen zu eigen gemacht. Das Istiqlalorgan ‚Die Verteidigung‘ ist ausgesprochen nationalsozialistisch eingestellt.“73 Ein Jahr später druckte der „Völkische Beobachter“ ein Interview mit deren Vorsitzendem Auni Abd el-Hadi ab. Dort bekannte dieser stolz, er habe während seiner Internierung durch die Briten die englische Übersetzung von „Mein Kampf“ gründlich durchgearbeitet.74
Es muß nicht unbedingt verwundern, daß der arabische Aufstand ab 1936 derartige Einstellungen nicht revidierte, sondern vertiefte. Vielfach zeigten die Rebellen das Hakenkreuz als Kampfansage an Juden und Briten,75 und zu Mohammeds Geburtstag im Mai 1937 wurden in Palästina – ebenso wie an zahlreichen anderen Orten der arabischen Welt76 – deutsche und italienische Flaggen sowie Bilder von Hitler und Mussolini gezeigt.77 „Ausschlaggebend für die bei den Arabern Deutschland gegenüber jetzt bestehenden Sympathien ist aber die Bewunderung, welche unser Führer genießt“, berichtete Dr. Doehle, Wolffs Nachfolger als Generalkonsul in Jerusalem, im selben Jahr. „Gerade die Unruhezeiten boten mir öfter Gelegenheit festzustellen, wie weit diese Sympathie verbreitet ist. Wenn man sich bei einer bedrohlichen Haltung einer arabischen Volksmenge als Deutscher zu erkennen gab, war dies im allgemeinen schon ein Freibrief für ungehindertes Passieren. Wenn man sich aber durch den deutschen Gruß ‚Heil Hitler‘ auswies, schlug die Haltung der Araber meist in Begeisterung um und der Deutsche kam zu Ovationen, bei denen die Araber den deutschen Gruß stürmisch erwiderten. Die Begeisterung für unseren Führer und das neue Deutschland ist wohl deshalb so weit verbreitet, weil die palästinensischen Araber in ihrem Kampf um ihre Existenz einen arabischen ‚Führer‘ ersehnen und weil sie sich im Kampf gegen die Juden in einer Front mit den Deutschen fühlen.“78
Wer mit dem Hakenkreuzstander durch arabisches Gebiet fuhr, hatte nichts zu befürchten und erntete stürmischen Beifall. So konnte etwa Werner von Hentig, 1937 bis 1939 Leiter des für den Nahen und Mittleren Osten zuständigen Referates Pol VII im Auswärtigen Amt, „ungefährdet das ganze Land unter dem Schutz der deutschen Flagge besuchen“.79 Die etwa 2500 Palästinadeutschen – fast durchweg Angehörige der pietistischen Tempelgesellschaft, die ab 1868 sieben geschlossene Siedlungen gegründet hatten80 und ein hohes Maß an Affinität zum Dritten Reich aufwiesen81 – trugen deswegen Hakenkreuzabzeichen und -wimpel als „das von den Aufständischen ausdrücklich geforderte Erkennungszeichen der Deutschen“ mit sich, um „unbelästigt im Lande herumfahren [zu] können“.82 Während ansonsten fünf Prozent aller im Ausland lebenden nichtjüdischen Staatsbürger der NSDAP angehörten, belief sich deren Anteil in Palästina immerhin auf 17 Prozent.83 Franz Schattenfroh schilderte das Verhältnis zwischen Arabern und deutschen Kolonisten denn auch als „ausgezeichnet“: „Wenn ein Deutscher zum Beispiel in einem jüdischen Autobus fahren muß, weil es auf bestimmten Strecken kein anderes Verkehrsmittel gibt, und dieser Autobus wird von Arabern angehalten, so kann der Deutsche, wenn er imstande ist, sich als solcher zu legitimieren, gehen, wohin er will, die anderen aber werden erschossen.“84 Gerieten nichtdeutsche Europäer in diese brenzlige Lage, so konnte auch sie die arabische Begeisterung für das Dritte Reich retten: „In seiner äußersten Not schrie der junge Schwede: ‚Ich bin ein Deutscher! Heil Hitler!‘“, berichtete der deutsche Palästinareisende Iwo Jorda. „Das wirkte. Der Anführer der Rotte trat zurück, erhob die Hand zum Gruß, entschuldigte sich und führte ihn zum Mukhtar, wo er verbunden und gelabt wurde.“85 Obwohl die Palästinadeutschen offiziell zur Neutralität verpflichtet wurden,86 wußte man 1937 selbst im SD-Judenreferat in Berlin, daß „eine anti-jüdische Beeinflussung arabischer Volkskreise in Palästina durch Angehörige der Auslandsorganisation der NSDAP […] in den vergangenen Jahren häufig bemerkbar war“.87
Mehrfach erklärte auch Hitler damals seine Sympathie für die Muslime des Landes. „Daß die arabische Phantasie auf der Tatsache, daß der Führer für die Palästinafrage Interesse zeigt, Hoffnungen auf eine deutsche Intervention aufbaut, ist bei der verzweifelten Lage der Araber in ihrem Kampf gegen Juden und Engländer erklärlich“, befand Doehle 1938.88 In der Tat wandten sich bereits im Sommer 1936 Aufständische an den Generalkonsul und verlangten Waffen und Geld aus Deutschland.89 Im Dezember des Jahres ließ der Mufti bei Dr. Fritz Grobba, dem deutschen Botschafter in Bagdad, in dieser Sache nachfragen: „Deutschland werde sich den unauslöschlichen Dank aller Araber erwerben, wenn es ihnen in ihrer jetzigen Notlage beistände und ihnen zum Siege verhelfe.“90 Im Januar 1937 erschienen Mitglieder des Obersten Arabischen Komitees bei Grobba, der zu deren Haltung notierte: „Einzige Großmacht, die an arabische[m] Sieg über Juden Palästinas interessiert sei und zu der Araber volles Vertrauen hätten, sei Deutschland. Oberster arabischer Rat rechnet daher auf deutsche Hilfe.“91 Im Juli wiederholte das Komitee seine Bitte bei dem Repräsentanten des Dritten Reiches in der irakischen Hauptstadt.92 Parallel dazu nahm el-Husseini geheime Kontakte zum italienischen Konsul in Jerusalem auf.93
Kurz vor seinem Abtauchen nach dem erneuten Aufflammen des Aufstandes im Sommer 1937 besuchte der Mufti wiederum Doehle und teilte ihm mit, daß er „einen Vertrauensmann inkognito nach Deutschland“ schicken wolle.94 Im September versuchte das Oberste Arabische Komitee sein Glück beim deutschen Generalkonsul Seiler in Beirut, der sich voll auf dessen Seite stellte, um den Teilungsplan zu Fall zu bringen: „Das einzige Mittel hierzu schien und scheint mir in dem Versuch der Araber zu liegen, durch Terror die Juden einzuschüchtern und gleichzeitig auf die Engländer einen Druck auszuüben.“95 Im November tauchte dann Dr. Said Abd al-Imam, Gründer des Arabischen Klubs von Damaskus und radikaler Panarabist, als Vertrauensmann des Mufti in Berlin auf96 und überbrachte delikate Vorschläge: Gegen eine ideelle und materielle Unterstützung der „arabischen Freiheitsbewegung“ versprach er die „Vorbereitung einer sympathiereichen Atmosphäre für Deutschland[,] die sich auch im Falle eines Krieges bemerkbar macht; Verbreitung der Nationalsozialistischen [sic] in der arabisch-islamischen Welt“ sowie die „Bekämpfung und Verhinderung der Gründung eines jüdischen Staates in Palästina mit allen Mitteln“.97 Kurz vor Weihnachten 1938 wandte sich der Führer der Aufstandsbewegung im palästinensischen Nordbezirk direkt „an Adolf Hitler, den großen Führer Deutschlands, der seiner Nation unvergängliche Ehre und Ruhm geschaffen hat“: „Ich möchte Sie, großer deutscher Führer, nicht mit den Juden bekannt machen. Sie kennen sie und ihre Geschichte und haben sie gekannt, ehe wir sie kennen lernten. […] Empfangen Sie die Grüße dessen, der sein Vorbild in Mohammed, dem Führer und Leiter[,] und seine Richtschnur in den Lehren und Gesetzen des Heiligen Korans sieht. Der Diener des Vaterlandes und der Religion[,] der Glaubenskämpfer gez. Joseph Said Abu Durra.“98
Noch im November teilte der Mufti Seiler erneut mit, „daß die Aufständischen in Palästina dringend Waffen bräuchten“.99 Im Frühjahr 1939 hielt sich der erwähnte Führer der Istiqlal-Partei, el-Hadi, als Gast des Reichsleiters Rosenberg in Deutschland auf und wurde am 1. April im Auswärtigen Amt empfangen. „Die Palästina-Araber seien nach wie vor zum opferreichen Kleinkampf gegen die Engländer in Palästina genötigt, da sie nur auf diesem Wege allmählich zu ihrem Recht kommen könnten“, bekannte er und erwähnte zum Schluß zweimal, „er denke immer über eine deutsche Unterstützung nach“.100 Nach dem Scheitern der Londoner Konferenz erlebte Konsul Melchers in Haifa arabischen „Jubel und Feierstimmung“ und hörte „überall“ den Ruf „Es lebe der Mufti“. Nachdem jedoch bei diesen vermeintlichen Unabhängigkeitsfeiern mehrere Juden arabischen Bomben und Kugeln zum Opfer gefallen waren und der Irgun, die revisionistische jüdische Widerstandsorganisation, daraufhin zwei Sprengsätze im Bahnhof und im Basar hochgehen ließ, die 29 Araber töteten, erstürmten Demonstranten das Konsulat und wünschten, so Melchers, „mich zu veranlassen, die Deutsche Regierung um Hilfe zu bitten“.101
Wie gezeigt, waren es gerade die diktatorischen Züge und die Aggressivität, der Führerkult und insbesondere der Judenhaß, die dem Dritten Reich in Teilen der arabischen und darüber hinaus der islamischen Welt Popularität verschafften. Es waren gerade die abschreckendsten Charakteristika, die das „neue Deutschland“ dort zum Vorbild werden ließen, Maßstäbe setzten und in die Zukunft ausstrahlten. Oder anders formuliert: Nicht trotz, sondern wegen ihres virulenten Antisemitismus wuchsen Hitler und den Deutschen Sympathien bei den Muslimen des Nahen und Mittleren Ostens zu. Es ist darum gründlich verfehlt, von einer „ideological and strategic incompatibility“ zwischen arabischem Nationalismus und Nationalsozialismus zu sprechen.102 Mehr noch: Muslime aus allen Ländern der Großregion und nicht zuletzt aus Palästina suchten beharrlich das Bündnis mit NS-Deutschland, obwohl man dort noch lange das Ausspielen der arabischen Karte vermied. Jedenfalls zeichnete sich im Nahen und Mittleren Osten schon vor Kriegsbeginn ein gewaltiger autochthoner Resonanzboden für die Nationalsozialisten ab.
Die These, daß „das politische, soziale und nicht zuletzt militärische Widerstandspotential der palästinensischen Gesellschaft [… 1939] auf Jahre hinaus zerstört“ gewesen sei,103 daß „die Araber weitgehend entwaffnet und die Zionisten besser gerüstet denn je“ waren, daß das Land gar „bei Kriegsausbruch […] befriedet“ war,104 geht darum erheblich an der Realität vorbei. Abgesehen davon, daß keinerlei systematische Entwaffnung der Rebellen erfolgte, ließ sich dort eine ideologische Aufheizung ohnegleichen attestieren, hatte sich im muslimischen Teil Palästinas ein eliminatorischer Antisemitismus eingenistet, der dem deutschen Judenhaß nicht nachstand, ihn in seiner praktischen Umsetzung sogar noch insoweit antizipierte, wie man kräftemäßig bereits dazu in der Lage war. Nicht zuletzt aufgrund der noch zu behandelnden deutschen Waffenlieferungen flammte die Aufstandsbewegung ab Herbst 1939 erneut auf.105 Im Sommer des folgenden Jahres meldete das Deutsche Nachrichtenbüro: „Nach einwandfreien Schätzungen wurden 20 % jüdische Apfelsinenpflanzungen vollkommen zerstört und 40 % aller Bewässerungsanlagen. Verlust, welcher sich hieraus für neue Ernte ergibt, auf 33 % geschätzt. Erregung in arabischen Kreisen gegen jüdische Einwanderung ständig i[m] Wachsen.“106 Einer Schätzung des Nachrichtendienstes der Jewish Agency zufolge unterstützten damals rund 60 Prozent der Nichtjuden des Landes die Nationalsozialisten.107 Zudem kehrten damals viele der einstigen Aktivisten aus dem Exil zurück.108 Und im Mai 1941 „sahen die Araber an den Küsten Palästinas kleine Gruppen britischer Soldaten in Fischerkähnen waffenlos und im Zustande vollkommener Erschöpfung landen: die Flüchtlinge aus Griechenland und dann die von Kreta. Hoffnungsvoll sahen sie mit eigenen Augen, wie schwer die stolze Macht Großbritanniens getroffen war.“109 Nunmehr wartete man erst recht auf die Ankunft der Deutschen.