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Die Liebe ist ein Boogie-Woogie der Hormone. Das musikalische Zitat Henry Millers regte meine Gedankenwelt an, als in Höhe Maastricht die Dunkelheit die Oberhand gewann. Das Licht der Scheinwerferkegel des Busses spiegelte sich auf der Fahrbahn. Es bildete sich ein gefährliche Glitzern in den Spurrillen, weswegen meine Nervosität aufflackerte.

Da hatte Karlas Anschmiegsamkeit längst den Siedepunkt überschritten, denn mit ihrem Kopf auf meine rechte Schulter gelegt, erzeugte sie eine wohlige Wärme. Mehr allerdings mit ihrem gefühlvollen Streicheln über meine Oberschenkel, und das ohne die geringste Spur von Müdigkeit.

Sie wäre jedoch nicht die berüchtigte Karla, hätte sie sich mit dem Streicheln über meine Schenkel begnügt, denn unverzüglich fing sie an, den Hosenschlitz meiner Streifenjeans zu bearbeiten. Mehr noch, ihr Streicheln gewann an Verlangen und entwickelte sich zum zarten Kneten.

Karlas Schnurren klang wie das einer Katze, die ihren Schmusebedarf anmeldet: „Wie findest du das? Ist das schön?“

Doch es blieb nicht beim Kneten, denn Karla war es tatsächlich gelungen, den Reißverschluss meiner hautengen Jeans herunterzuziehen, wonach sie auch meinen Slip abwärts geschoben hatte. Dann fuhr sie mir gefühlvoll mit ihren forschenden Fingern über meine pulsierende, seidige Härte.

Meine Sinne stöhnten: „Was machst du? Bitte, hör auf. Wie soll ich in dem Zustand weiterfahren?“

Ich lief Gefahr, wegen der schätzenswerten Aufdringlichkeit, die Kontrolle über das Fahrverhalten des Busses zu verlieren. Prompt drängte sich ein Parkplatzschild in mein eingeschränktes Blickfeld. Nun war’s nicht mehr weit bis zu meiner Rettung. Aber wollte ich überhaupt gerettet werden?

Hochgradig erregt bog ich auf den einsamen Rastplatz ab und brachte den Bus mit einer herben Bremseinlage zum Stehen, übrigens stand nicht nur mein Bus. Und als hätten wir einen längeren Liebesentzug hinter uns, dementsprechend hastig waren wir in den Schlafbereich geklettert und hatten uns übermütig auf das einladende Bett geworfen, nebenbei hatte ich die Fenstergardinen zugezogen. Danach wehrte ich die Zärtlichkeiten Karlas nicht ab. So hatte uns ihre überquellende Leidenschaft zu einer nicht endenden Ekstase verholfen.

Nach dem Befreien vom Druck auf die glühenden Sexualorgane, entwickelten sich gestammelte Sprachfetzen.

„Magst du mich noch?“

„Du Dummerchen, natürlich mag ich dich, sonst wäre ich längst nicht mehr bei dir.“

„Ich weiß.“

Für mich war es ein wunderbarer Dialog.

Später tuckerten wir gemütlich über den Ring um Antwerpen herum. Erst in Richtung Bergen op Zoom fuhren, schaltete ich das Autoradio ein.

„Über der Küste Hollands offenbart sich ein wolken-armer Himmel. Es weht eine leichte Westbrise und die Temperaturen bewegen sich um die zwölf Grad Marke“, raunte es aus den Lautsprecherboxen, was sich außerordentlich gut für uns anhörte.

„Und nun die Musik einiger Rocklegenden. Ach was sage ich, und nun das Beste der Sechziger und Siebziger Jahre“, plärrte der Rundfunksprecher, bevor die Gruppe Steppenwolf mit ihrem Superhammer „Born to be wild“ tempogeladen loslegte.

Uns hielt nichts auf den Sitzen, angefacht von den schrillen Gitarrensolos. Wir stampften den Rhythmus des Schlagzeugs mit den Füßen und den Händen.

Der knallharte Song hatte eine explosionsartige Wirkung in uns ausgelöst, wonach unsere Powerstimmung bei dem Rock-Epos „Paranoid“ der Superband Black Sabbath ungeahnte Höhen erreichte. Schließlich flippten wir total aus, als uns der „Highway Star“ von Deep Purpel um die Ohren schwirrte.

„Oh Mann! Das ist der phantastischste Rock aller Zeiten“, jauchzte ich in einem Anfall an Wahn, und drehte beim „Street fighting man“, der Rolling Stones das Autoradio auf volle Pulle.

„Es ist der totale Wahnsinn, Karla. Was sagst du zu dem tollen Sender?“

Zwanzig Minuten waren vergangen, angetrieben von den Doors, schon irrte der Bus rhythmisch wippend an der Oosterschelde entlang. Im wahren Vollrausch trieb es ihn dem Ziel entgegen.

Und noch angetan von der Klasse der Songs, trudelten wir in Middelburg ein. Nach der Uhr am Armaturenbrett war es kurz nach Mitternacht, dennoch hatte mich die Sehnsucht nach einem Lotterbett übermannt.

Doch ein Zimmer als Absteige ließ unsere Planung nicht zu, denn aus Sparsamkeit wollten wir die Nächte im Campingbus verbringen, wozu besaß er eine Standheizung, und jetzt das.

Aber ich wusste genau, woher das hemmungslose Verlangen rührte, verspürte ich abermals das verräterische Ziehen im Bereich meiner Lenden.

„Rücke näher, du Göttin über die Fleischeslust. Ich bin wahnsinnig heiß auf dich“, lag ich Karla verlangend in den Ohren. „Suchen wir ein Liebesnest. Bist du einverstanden? Bitte, sag ja.“

Und zu meinem Glück empfand Karla ähnlich. Die stupste mich temperamentvoll in die Seite und hauchte mir ihr Einverständnis zu: „Warum nicht, du geiler Bock. Dein Vorschlag ist phänomenal. Es gibt nichts schöneres, als einen herrlichen Fick.“

Mit Argusaugen suchten wir in der Ortsmitte nach einem Babylon für Sünder, was Karla skeptisch stimmte, und sie mich fragte: „Meinst du, gegen Mitternacht hat noch eine Liebeslaube geöffnet?“

Wir fanden das gesuchte Objekt. Und das in einem heruntergekommenen Etablissement mit entsprechendem Flair. Dort nahmen wir das erstbeste Doppelzimmer und erneut brach der Sturm aufflammender Liebe über uns herein, wobei unsere Leidenschaft die Müdigkeit besiegte. Ich war nur noch von Liebe und Entzücken umringt, und ergab mich, mit offenen Augen daliegend, dem Entspannungsprozess.

Meine rührende Liebesbeteuerung geriet zum Schmankerl der Nacht. „Ich liebe dich, du zuckersüße Karla. Du bist die wunderbarste Frau auf der Welt.“


Die Wellen unbegreiflicher Energiestöße waren abgeflaut, weniger meine durch die Hetzattacken ausgelöste Unruhe. Die hatte wieder Besitz von mir ergriffen und arbeitete in mir, denn ich war ihr Gefangener.

Vorsichtig stand ich auf, dann wusch ich meinen Penis und zog mich an. Die schläfrige Karla schaute mir mit sich verfinsterndem Blick dabei zu. Aber warum? Fühlte sie sich verletzt?

Ich meldete den ungewöhnlichen Wunsch, mir ein Bier genehmigen zu wollen, zaghaft an: „Ich verschwinde nach unten in die Kneipe auf ein Bierchen“, säuselte ich liebevoll. „Bis gleich, Liebste.“

Ich strich ihr zärtlich über die Locken und hoffte auf einen Minimalfunken an Verständnis, aber Karla reagierte fassungslos. Barsch zog sie die Bettdecke über den Kopf. So trollte ich mich, ohne weitere Worte zu verlieren.

Als ich im Parterrebereich ankam, hatte ich unverdientes Glück. Die Tür zum Lokal stand sperrangelweit offen. Ich ging hinein, bestellte ein Bier und setzte mich an einen Tisch. Die an der Theke herumlungernden schrägen Vögel beachteten mich nicht. Sie erinnerten mich an Zuhälter, denn sie trugen ihre Haare vorn kurz gestutzt und hinten bis weit über die Schultern herabhängend.

Ohne Verzögerung brachte mir der Barkeeper das bestellte Bier. Und schon der erste Schluck und der sternenklare Himmel, der mir durch das Fenster in tiefster Verbundenheit zublinzelte, versetzten mich in Trance. Dazu passte ein Jimmy Hendrix Stück in Hintergrund.

„Hey Joe“, schmalzte der unwiderstehliche Jimmy so einfühlsam, dass ich mich mit offenen Augen in Vergangenheitsträumen verfing. Wie lange war ich jetzt mit Karla zusammen? Wo hatten sich damals unsere Wege gekreuzt?

Meine Liebesgeschichte mit Karla hatte in einer stinknormalen Supermarktkette begonnen. Aber das Merkwürdige daran war, dass der Laden nur wenige Meter von dem Haus mit meiner Wohngemeinschaft entfernt lag, und sich bis dato nie der Kontakt zu der tollen Frau ergeben hatte.

Jedenfalls stand ich mit einem Einkaufswagen an der Kasse, besser gesagt, es war eine lange Schlange zur Kasse. Und Karla stand wie ein Schönheitsmonument mit ihrem Einkaufswagen vor mir. Sie trug eine hellblaue und figurbetonte Jeans, dazu eine zu ihr passende Jeansjacke. Unter der Jacke lugte ein mit einem Aufdruck versehenes T-Shirt hervor. Sie sah toll aus in dieser Montur, außerdem lag sie mit ihrer Aufmachung auf meiner alternativen Linie.

Ich konnte mir einen bewundernden Pfiff durch die Zähne nicht verkneifen, wegen dem ich mich schämte, dann hatte ich Karla wie vernarrt angestiert.

Und auch die hatte mich registriert, das hatte mir ihre verlegene Röte verraten, sobald sich unsere Blicke trafen. Was für Augen, hatte ich mich gewundert, von ihrem sanften Augenaufschlag fasziniert. Solch dunkle Pupillen und unergründliche Augenhöhlen hatte ich noch nie bewundert, dazu Karlas volle Lippen und ihr feuriger Blick. Alles an ihrer wunderschönen Gestalt verwirrte mein Innenleben.

„Entschuldige bitte. Darf ich dich was fragen?“

Verwegen hatte ich meine Hemmschwelle überwunden und die Frau mit der sympathischen Ausstrahlung angesprochen.

„Nur zu“, hatte Karla freundlich geantwortet und mich geknufft.

„Wohnst du hier in der Nähe?“

„Ja, ein paar Häuser weiter.“

Der Anfang war geschafft. Aber es ging weiter, denn bei jenem weltbewegenden Zusammentreffen stand mir der Zufall Pate, denn der Inhalt unserer Einkaufswagen war fast identisch. Bis auf die Katzendosen der gleiche Kram. Aus Karla platzte ein verwunderter Aufschrei lauthals heraus: „Wagentausch!“

„Dann übernimmst du meine Raubtiere“, antwortete ich cool.

Wir lachten hemmungslos über die mehr zufällige Gemeinsamkeit.

„Ich bin der Georg. Wartest du bitte draußen auf mich?“ Fluchs war mir diese verwegene Frage über die Lippen gekommen, wobei ich mich noch geschüttelt hatte vom herzhaften Lachen.

Daraufhin stellte sich das Fabelwesen als Karla vor und nickte mir freundlich zu, wobei sie die leicht untermalten Samtaugen senkte.

Mein Draufgängertum war belohnt worden, denn vor dem Geschäft hatten wir uns zu einem Abendessen im griechischen Szenelokal Labyrinth verabredet und uns danach verabschiedet.

Alles war easy, denn das Treffen im Labyrinth fand statt. Beim fragwürdigen Genießen einer üppigen Grillplatte, plauderten wir über unsere positiven, sowie negativen Lebenserfahrungen, wobei mich Karlas Offenheit in Erstaunen versetzte. Mir war keinerlei Misstrauen entgegengeschlagen. Karla hatte mich mit ihrer liebenswerten Aufgeschlossenheit endgültig für sich gewonnen.

Ich erzählte Karla einige Storys über meine Frau, dann über die Kinder und über meine politische Tätigkeit, aber auch meine Sterilisation hatte ich nicht verschwiegen. Mit meinem Geschwafel hatte ich das Gespräch dominiert und somit wenig über Karlas Vergangenheit erfahren.

Daher war es unbegreiflich, dass ich hinterher vergessen hatte, mich auf ein weiteres Treffen mit der Traumfrau zu verabreden. Es war kurz nach Zwölf, als wir uns mit einer innigen Umarmung getrennt hatten.

„Ach, Georg. Du bist ein Volltrottel. Dein Missgeschick hat die Höchststrafe verdient.“

Mit dem Vorwurf überwarf mich mein von Karla restlos begeisterter Alfred.

Dennoch war sie weg, aber ich Vollidiot wollte diese Frau unbedingt wiedersehen. Immerhin war mir ihr Nachname nicht entfallen und auch das Haus, in dem sie wohnte, das hatte ich mir gemerkt.

Am nächsten Tag packte ich kurzentschlossen meine Chance beim Schopf, und stand zwiespältig gestimmt vor Karlas Tür.

Ich klingelte.

Würde sie mir öffnen?

Ich hörte eine Person die Treppe heruntereilen.

War es Karla?

Es war tatsächlich meine Traumfrau, die im Türrahmen vor mir stand, und ich registrierte es mit großer Freude, dass sie mich in ihre Wohnung bat.

In der öffnete ich die Knöpfe meiner Jacke und zog sie aus, dann warf ich sie lässig über eine Stuhllehne. Als ich mich hingesetzt hatte, lud ich sie sofort ein, mit mir auf eine Geburtstagsfete zu gehen.

„Hm“, sagte sie, den Kopf hin und herwiegend, dann lachte sie. „Wann holst du mich ab? Ich habe nichts anderes vor.“

Ich klatschte vor Begeisterung in die Hände. „Acht Uhr stehe ich vor deiner Tür“, sagte ich mit einem Jauchzen in der Stimme.

Die Fabelfrau hatte meine Bestrebungen unterstützt und meine Einladung mit Kusshand angenommen, ja ich hatte mir sogar eingebildet, sie hatte sich mein Kommen gewünscht.

Als wir auf der Fete erschienen, schwappte die Begeisterung über.

„Mensch, Georg. Wo um alles in der Welt hast du diesen Kracher aufgetrieben?“

Das war der Wortlaut der mir am häufigsten gestellten Frage. Karla, immerzu Karla. Mein Freundeskreis war von der Ausstrahlung meiner Begleiterin überwältigt. Sie war der Mittelpunkt aller Spekulationen.

Ich jedoch hatte genießerisch von uns abgelenkt. Wir kannten uns eben, das musste genügen, das Wie sollte unser Privatgeheimnis bleiben.

Meine Gedanken schwelgten in Bilderbuchträumen. Schemenhaft fühlte ich mich in ein Liebesuniversum zurückversetzt, doch Karla knuffte mich unverhofft und verfrachtete mich in die raue Gegenwart.

Ich sprang auf und kuschelte mich mit der Sehnsucht eines Süchtigen an sie, dabei glotzte Karla verlegen aus der Wäsche. Doch da sich nur wenige Gäste im Lokal befanden, wie erwähnt lauter Zuhälter, war mein Überfall in Ordnung gegangen.

Fragend hielt ich ihr mein leeres Glas entgegen. „Bitte trink mit mir noch ein Schlückchen?“

Mit Karlas Einverständnis rief ich den Kellner an den Tisch und bestellte zwei Gläser Heineken. Als die vor uns standen, trank ich einem großen Schluck, dann küsste ich Karla begehrend auf ihren Mund, was mich in prickelnde Erregung schaukelte. Mein Körper vibrierte durch Karlas Berührungen. Sie erfühlte an der Ausbuchtung in meiner Hose, dass sich mein Schwellkörper ständig vergrößerte.

Und um den zu befriedigen, forderte ich Karla zu einem weiteren Schäferstündchen auf, dabei kniff ich sie schalkhaft in die rechte Wange.

„Trinke aus, bezauberndes Vögelchen“, gurrte ich wie ein balzendes Taubenmännchen. „Ich will dich ficken, bis dir mein Sperma aus den Ohren quillt.“

Karla schmunzelte vielsagend und ich bezahlte hastig, dann stiegen wir die Treppe zum Zimmer im dritten Stock hinauf, wo uns erneut das Himmelreich der Liebe zu Füßen lag.

„Ach wäre es schön, könnte das Wochenende bis in alle Ewigkeit so weitergehen“, seufzte ich in freudiger Erwartung.

Mein Gott, was war in mich gefahren? Was trieb mich zu den Beischlafbedürfnissen an? Ich hatte keine Erklärung für meine Besessenheit.

Nach dem Liebesakt verweilten meine Gedankenspiele bei den Kindern. Doch das nur kurz, dann beherrschte Karla wieder meine Gehirnströme. Ich fühlte mich ihrer Liebe sicher, was mich in ein vor Begeisterung aus allen Nähten platzendes Schlaraffenland beförderte. Mein Zustand war viel zu schön, um wahr zu sein.

Also wollte ich die Momente der großen Verliebtheit für immer festhalten. Aber geht eine auf Sex basierende Beziehung erfreulich und unbeschwert weiter? War mein Hochgefühl gar ein Trugschluss?


Unsanft hatte uns das Hupkonzert eines Lieferwagens geweckt, trotzdem fühlten wir uns wunderbar ausgeschlafen. Draußen war es für die Jahreszeit angenehm mild. Es waren zwar noch nicht die zwölf Grad, die der Radiosprecher prophezeit hatte, aber das würde sich entwickeln. Unsere Herzen schlugen stürmisch, denn der Strand von Domburg lag zum Greifen nahe. An dem hatte ich zwei Wochen mit meiner ersten, großen Liebe verbracht.

Nach dem Frühstück fuhren wir in Begleitung der Morgensonne durch die Küstenlandschaft. Die war unendlich fotogen. Touristenansammlungen machten sich rar in dieser Jahreszeit. Die Insel lebt in einem langsamen Rhythmus.

In Abgeschiedenheit wollten wir uns an Strandwanderungen heranwagen, eventuell Radtouren unternehmen. Aber würden solche Touren mit meinem kranken Bein möglich sein? Höchstens mit der nötigen Gelassenheit und sehr viel Muße.

Wir parkten den Bus hinter den Dünen auf einem Parkplatz und bewaffneten uns mit Badetüchern, dann stürmten wir ans Meer. Mit hochgekrempelten Jeans, aber immer darauf bedacht, dass mein Verband nicht nass wurde, wateten wir bibbernd durch die zurückweichende Brandung.

Irgendwann wurde uns kalt und wir begannen zu frieren, so suchten wir uns eine geschützte Mulde, die angenehm windstill war. In ihr ergaben wir uns freizügig der wärmenden Sonnenbestrahlung, denn nicht ein unerwünschter Besucher ließ sich blicken.

Doch was war das?

Mein Glücksspender rührte sich fordernd. Meine Sinne spielten Roulett. Alle Anzeichen standen auf Sturm, denn abermals überwältigte mich die Begierde. Karlas genüssliches Räkeln, bei dem sich ihre spitzen Brüste unwiderstehlich unter dem Pulli abzeichneten, hatte mich erregt.

„Schäme dich. Du bist ein schlimmer Finger“, keuchte Karla, als ich mich über sie geschoben und sie mich neckisch abgeworfen hatte. Sie grinste verführerisch, dabei ertastete sie meine Erregung.

Daraufhin antwortete ich ihr mit einem kleinen Scherz: „Verflixt! Woran hast du mich durchschaut?“

„Natürlich am Knüppel in deiner Hose“, entgegnete sie mit ausdrucksstarker Bewunderung. „Willst du mich damit erschlagen?“

Ich hatte gelacht, dennoch war ich schwer aufzuhalten, denn ich versuchte ihr die Hose auszuziehen, doch Karla blockte mich ab. „Nicht hier, Georg“, zischte sie. „Ich traue der Einsamkeit nicht. Wir verziehen uns besser in den Bus.“

Wir richteten unsere Klamotten, dann zerrte mich Karla herausfordernd aus der Mulde. Und in Windeseile hatten wir unseren Campingbus erreicht.

Als wir in den Bus eingestiegen waren, streiften wir uns gegenseitig die Klamotten vom Leib, dann berührte ich Karla überall mit meiner Zunge. Ich saugte an ihren Brüsten, dann knetete ich an ihren Pobacken und leckte an den Innenseiten ihrer Oberschenkel, um danach ihre nach Vereinigung verlangende Scham zu liebkosen.

Karla streichelte meinen Kopf, den sie auf ihre Scham gedrückt hatte, dabei hauchte sie ihre Liebeswünsche: „Ja, Georg, so ist es gut. Ja, so brauche ich es. Vernasche mich, ich bin so geil.“

Karla war unanständig schön in ihrer Sinnlichkeit. Sie fraß mich brutal und doch zärtlich auf und erstickte mich mit ihrem wunderschönen Körper. Und genau das hatte ich bei ihr gesucht und deswegen liebte ich diese Frau. Der uns freundlich gesonnene Feuerball am Himmel lächelte uns als Verbündeter durch die Fenstergardinen zu, dann herrschte Stille.

Als ich erwachte, fragte ich Karla mit verschlafener Stimme: „Haben wir lange geschlafen?“

„Zwei oder drei Stunden“, antwortete sie.

Karla graulte mir die Nackenhaare. Sie übergoss mich mit einen Schwall an Schwärmereien.

„Du gehörst zu mir“, säuselte sie. „Mit dir ist das Leben ein unbeschreiblicher Traum. Ich könnte unseren weiteren Lebensweg in einem endlosen Urlaub mit dir verbringen.“

Damit lag Karla ausnahmslos richtig, denn meine Anspannung war wie weggeblasen. Ich war unbeschwert und fühlte mich unwiderstehlich. Nie zuvor hatte ich die positive Abwechslung durch die Liebe als notwendiger empfunden. Ohne den Wochenendausflug wäre ich kaputtgegangen, denn der wichtigste Aspekt der Reise hieß Abstand gewinnen, und das klappte hervorragend an Karlas Seite.


Erfolg soll man feiern, was wir ausgiebig taten, denn durch eine kleine Radtour bestätigte sich mein körperlicher Aufwärtstrend. Nicht ein einziges Mal hatte mein entzündetes Bein verrücktgespielt.

Am hereinbrechenden Abend, es war kalt geworden, verdrückten wir uns in den aufgewärmten Bus. Als wir mit Wein in soliden Ikea-Gläsern anstießen, funkelte die gewaltige Heerschar der Sterne vom Firmament. Beim zweiten Glas begann die Planung des nächsten Tages, bei der kam ein Ausflug mit dem Fahrrad nach Zierikzee heraus.

Während des Gesprächs fiel uns nicht auf, dass ein anderer Campingbus an der Flanke unseres Busses anhielt. Aus dem sprangen zwei junge Männer. Und die bemerkt, kletterten wir ins Freie.

Die Insassen stellten sich mit Frank und Bernd aus dem Saarland vor, dabei verwiesen sie auf einen Kasten Bier in ihrem Bus.

Ein Wort ergab das andere, woraus sich eine Plauderei entwickelte, deren Fortsetzung sich in unserem Bus abspielte. Bei der war ich nicht mit Blindheit gestraft, denn umgehend registrierter ich Franks Bewunderung für Karla. Auffälliger, als er es tat, konnte man eine Frau nicht anhimmeln. Vor Geilheit fielen ihm seine Glubschaugen aus dem Gesicht.

Die Burschen hatten reichlich Bier getankt und rissen fragwürdige Witze. Ansonsten schwafelten sie nur Blech, ohne Tiefgang, zusätzlich eingerahmt von kreischendem Gelächter. Frank glühte wie eine voll aufgedrehte Kochfeldplatte im Elektroherd. Der Kerl hatte Feuer gefangen und balzte, ähnlich einem geisteskranken Auerhahn, um Karla herum.

Karla vorn, Karla hinten.

„Du siehst irre gut aus, Karla.“

Nach diesen Worten lächelte er sie an und schleimte ungeniert: „Möchtest du noch ein Bier?“

Zuerst der Wein, nun die zweite Flasche Bier. Ich sah Karla an, dass sie betrunken wurde. Ihre übermütige Stimmung nahm riskante Züge an.

„Erzähl bitte weiter“, forderte sie Lobhudeleien. „Findest du wirklich, dass ich gut aussehe?“

„Einfach toll.“

Karla gackerte, wie es ein Freudenmädchen gegenüber Freiern tut: „Meinst du das ehrlich? Das finde ich echt stark.“

Ich aber tönte ratlos dazwischen: „Könnte es sein, dass ich euer Liebesgeflüster störe? Nun gut. Ich kann mich jederzeit verdrücken.“

„Sei kein Spielverderber“, giftete Karla.

Letztendlich war auch mein abschließender Versuch, Karla in die Realität zurückzuholen, zum Scheitern verurteilt.

„Ach Gottchen“, flüsterte ich ihr aufgebracht ins Ohr. „Werde wieder vernünftig. Mehr Charme als ich hat dein Frank wohl kaum unter der Mütze.“

Nichtsdestotrotz blieb es bei beiderseitig schmachtenden Blicken. Es war ein Flirt auf Teufel komm raus, sodass der zweite Gast, dieser Bernd, entsetzt auf das überzogene Geschwafel reagierte. Er wendete sich angewidert ab und verdrückte sich wortlos aus unserem Bus in den ihm Gehörenden.

Ich räusperte mich, denn ich hatte die Schnauze gestrichen voll.

„Nun ist es aber genug“, murrte ich unheilschwanger. „Dann geht euch eben an die Wäsche. Den armen Bernd habt Ihr ja vergrault.“

Doch mein Murren bewirkte keinen Abbruch des lüsternen Gesülzes, denn das Drama gewann an Fahrt und bekam den absurden Anstrich. Und ich gab in der Rolle des unbeteiligten Zuschauers die denkbar miserabelste Figur ab.

Verärgert schwang ich mich aus meinem von zu vielen Zigaretten verräucherten Bus und stakste auf meinen Krücken durch die Dünen in die grimmige Mondscheinnacht hinaus an den Strand.

Unterwegs brummelte ich verdattert vor mich hin: „Ich wette, die Arschlöcher haben meinen Abgang nicht mal bemerkt.“

Aber unausweichlich kam Beklemmung in mir auf. War ich etwa eifersüchtig?

Das ungewohnte Gefühl kratzte an meinem Männerstolz, weswegen ich fluchte: „Geh zum Teufel, Karla! Ich brauche dich nicht.“

In den siebziger Jahren war ich mit den Liebschaften locker und flockig umgegangen, denn damals entsprach die freie Liebe dem modernen Zeitgeist. Bei dem standen die Kommunarden Fritz Teufel, Rainer Langhans und Uschi Obermaier im Mittelpunkt. Für die Spießbürger waren diese Aktivisten in das öffentliche Interesse gerückt. Fritz und Rainer waren die bösen Buben und hatten für sehr viel Wirbel gesorgt.

Auch ich hatte die freie Liebe in meiner Münchner Wohngemeinschaft, in der ich in jungen Jahren zuhause war, mit Wonne praktiziert. Warum denn nicht, wenn’s im Einvernehmen geschah.

Damit war Schluss, nachdem mich Andrea zum Vater gemacht hatte. Meine Ansichten über die freie Liebe hatten sich gezwungenermaßen gedreht. Was vorher gut war, das war auf einmal tabu. Anstatt weiterhin ungezügelt drauflos zu vögeln, war ich besitzergreifend geworden, jedenfalls hätte ich Karla mit der neugewonnenen Einstellung niemals mit anderen Männern geteilt.

Die unbequeme Wahrheit war, ich war zum Spießer mutiert, so was kann passieren, obwohl ich mir nie vor-stellen konnte. Nun gut, ganz so schlimm war’s dann doch nicht.

O Gott, in die sechziger Jahre wollte ich nicht abschweifen, dennoch machte ich mich auf eine Zeitreise. Bei der führten mich meine Gedanken bis zu dem Zeitpunkt vor etwa sieben Monaten zurück. Wie war es mit mir und Karla weitergegangen?

Die Trennung von meiner Frau hatte mich und meine Katze von Würselen nach Aachen verschlagen. Da eine große Wohnung nur schwer zu realisieren war, hatte ich mich mit zwei kleinen Zimmern in einer Hausgemeinschaft im Frankenberger Viertel begnügt. Die mussten vorübergehend für mich, meine Katze und die Kinder reichen.

Bei Marlene und Peter, die später im Thailändischen Ka o Lak durch den Tsunami ums Leben kamen, war ich durch meine politische Präsenz so was wie der Hahn im Korb. Beide waren sachkundige Bürger für die Grünen in Ausschussgremien und standen somit voll hinter mir. Sie begrüßten auch, dass ich weiterhin den Fraktionsvorsitz für die Grünen im Rathaus der Stadt Würselen innehatte und dort für Furore sorgte.

Das mit dem neuen Wohnsitz in Aachen klappte wunderbar, denn niemand im politischen Umfeld nahm Anstoß an der Wohnsituation. Man ignorierte ihn, als gäbe es ihn nicht, und da das in anderen Parteien ähnlich praktiziert wurde, blieb ich unbehelligt.

Demnach hatte ich eine praktikable Lösung gefunden, mit der sich die Kinder arrangierten, aber Karla war mit ihrer Wohnsituation unzufrieden. Mit ihrem Alleinleben wollte sie sich nicht anfreunden. So keimte in ihr die vielversprechende Hoffnung auf, die sie mir alsbald mit Schmackes unter die Nase rieb.

„Hör gut zu, Georg. Ich habe das Alleinleben satt. Wir ziehen zusammen.“

Es war ein Befehl, der keinen Widerspruch duldete, denn sie wusste, dass der Speicher über ihrer Wohnung leer stand. Nur eins der drei Zimmer wurde von Rosa für ihre Malkurse genutzt. Sie war die Künstlerin, die in Parterre hauste. Allerdings hatte es das Dachgeschoss nötig, neu hergerichtet zu werden.

Wir sprachen Rosa auf die gebotene Dringlichkeit an. Und die trat die Rechte an der Dachetage problemlos an mich ab. Nach Karlas Vorstellungen ließe sich das Speichergeschoss zu einer sechzig Quadratmeter Wohnung ausbauen, was mich veranlasst hatte, sie begeistert zu umarmen.

„Prima wäre das, sollte es klappen“, klönte ich ausgelassen. „Die Wohnung wäre ideal für mich.“

Ohne Umschweife kontaktierte ich den Hausbesitzer. Und dem war meine gewinnende Art sympathisch.

„Das ist ein brauchbarer Vorschlag, Herr Blume“, sagte er. „Der Plan zur Wohnraumgewinnung hört sich überzeugend an.“

Er hatte sich über die Dreizimmerwohnung gefreut, die in seinem Haus entstehen würde. Als Vermieter könnte er Mietmehreinnahmen einsacken und alles ohne eigenen Aufwand. Was wollte er mehr?

Wir einigten uns auf folgenden Vertrag: Der Vermieter übernimmt die Materialkosten der Sanierung und gewährt mir Mietfreiheit in Höhe der Aufwendungen. In der Phase des permanenten Wohnungsmangels war das in Ordnung.

„Das ist ein guter Deal.“

Alle sahen es so, die ich zurate gezogen hatte. Somit war der Mietvertrag unterschrieben und ich konnte mich mit der Planung der Einrichtung beschäftigen.

Tags drauf begannen die Instandsetzungsarbeiten und Karla unterstützte mich nach Kräften, doch von da an plagten uns schwer auszuhaltende Stresssymptome.

Ich hatte eins der Zimmer mit einer Wärmedämmung zu verkleiden und mit Raufasertapete zu versehen. Die Decken und viele Wände in anderen Zimmern mussten verputzt werden. Dazu hatte ein Klempner eine Kloschüssel, eine Duschkabine, und die Anschlussleitungen für die Küche zu installieren.

Und aus dem Gröbsten raus, standen die Streicharbeiten auf dem Programm. Alles sollte weiß aussehen. Das war eine Menge Arbeit. Tagsüber hielt mich mein Bürojob auf Trab, nachts die neue Wohnung.

Wie ein angeschlagener Boxer, der angezählt werden musste, war ich stehend k.o., praktisch hatte ich schlaff in den Seilen gehangen. Noch dazu war die Anspannung auf die höchste Stufe angewachsen. Die hörte man knistern, da unser Nervengewand eine Massenkarambolage nach der anderen vollführte.

Nach der Fertigstellung lud ich Karla ins Kalymnos zum Essen ein. Das war bis weit in die neunziger Jahre ein beliebtes griechisches Restaurant im Viertel.

Doch mein Wunsch nach einer Feier stellte sich als folgenschwerer Fehler heraus, denn wegen der Schieflage unserer Beziehung unterlief mir eine unkontrollierte Bemerkung.

„Weshalb sind wir eigentlich noch zusammen?“ Das brummte ich zynisch. „Doch wohl nur wegen der Wohnung?“

Ich war völlig von der Rolle. Glaubte ich tatsächlich an den von mir ausgesprochenen Quatsch? Hatte ich ihn geäußert, weil ich von unserer Krise ablenken wollte?

Im Grunde genommen war das, was ich in den Raum gestellt hatte, sowieso piep egal, denn Karla hatte nur auf irgendein Signal gewartet, wodurch sie sich abreagieren konnte.

Sie sprang wutentbrannt auf und ließ mich allein mit den Tellern Moussaka und Suvlakia am Tisch sitzen. Wie ein Komet, ohne einen Schweif zu hinterlassen, stürmte sie aus dem Lokal, und der uns freundschaftlich verbundene Wirt schaute ihr verblüfft hinterher.

Es war aus und vorbei. Den Umzug in die neue Wohnung zog ich ohne Karlas Hilfebeteiligung durch. Sie hatte mich im Stich gelassen. Karla war für mich nicht mehr ansprechbar.

Und so blieb es unabsehbare Zeit. Nicht einmal ein zaghaftes Klopfen und mehrere Blumensträuße, die ich vor ihre Tür legte, konnten sie zu einem Lebenszeichen bewegen. Zwar wohnte ich nun über ihr, doch weiter von ihr entfernt, als je zuvor. Was war bei den Instandsetzungsarbeiten so miserabel verlaufen?

Darüber zermarterte ich mir mit Selbstvorwürfen den überlasteten Kopf, doch der nie resignierende Alfred redete mich stark. Sacke wegen Karlas Verwirrkapriolen nicht wieder in den Suff ab. Neuerliche Saufgelage hast du nicht nötig.

Ich dagegen lief Gefahr, meine Vorsätze aus Verzweiflung über Bord zu werfen.

In Windes Eile hatte sich unsere Trennung herumgesprochen. Und jeder der glaubte, unsere Beziehung auch nur ansatzweise beurteilen zu können, der wollte sie nicht wahrhaben.

„Wie das? Warum hast du dich von Karla getrennt? Ihr seid doch gerade erst zusammengezogen“, staunten sie und schoben mir die Verantwortung zu.

Im Zeitlupentempo verflogen Tage, in denen hatte sich Karla in Luft aufgelöst. Eines Abends besuchte mich meine Frau, da waren zwei lange Wochen vergangen.

Wir setzten uns in mein Wohnzimmer, und sofort kam Leben in die verfahrene Kiste, als ich meine Frau fragte: „Was möchtest du trinken?“

„Was kannst du mir denn anbieten?“ Das hatte sie mir geantwortet.

„Ich habe Bier und Rotwein vorrätig. Du kannst aber auch ein Glas Wasser oder Orangensaft bekommen.“

„Dann nehme ich den Rotwein.“

Nachdem ich Andrea ein Glas Rotwein eingeschenkt hatte, gönnte ich mir eine Flasche Radler, danach begannen wir unsere angeregte Unterhaltung, wobei gemeinsame Vergangenheitserlebnisse neu auflebten.

„Ach Gott“, sagte Andrea. „Wie viele Monate ist es her, dass wir in netter Atmosphäre solch einen schönen Abend miteinander verbracht haben?“

„Tja, Andrea, das ist lange her“, antwortete ich, dabei hätte ich sie am liebsten umarmt.

Dazu plärrte Wolfgang Niedecken als Frontmann der Kölner Rockband BAP aus dem Hintergrund sein: „Verdammt lang her“.

Wir waren uns einig, was dagegen zu tun, prompt passierte das, was ein Unbeteiligter normalerweise mit einer Unmöglichkeit abtun würde. Karla riss die Tür auf, und stand mitten im Raum.

„Hallo Andrea. Hallo Georg“, flötete sie spitz. „Wie geht’s euch? Ist mit der Wohnung alles okay?“

Karla tat so, als sei nichts vorgefallen. Für sie war ihr Auftritt selbstverständlich. Sie setzte sich zu uns, ohne zu fragen und schüttete sie sich ein Glas Wein ein. Dreist, nicht wahr?

Sie nippte am Glas, dann mischte sie die lockere Unterhaltung auf.

„Klasse, Georg“, sagte sie. „Gut sieht es bei dir aus. Die Einrichtung passt vorzüglich in die kleine Wohnung. Was meinst du, Andrea?“

Ich glaubte zu träumen, oder war mir tatsächlich der Leibhaftige in der Gestalt Karlas erschienen?

Meiner Frau sah man ihre Ratlosigkeit an der Nasenspitze an, weshalb sie sich ohne große Abschiedsworte zurückzog. Sie ließ uns allein, denn Karla hatte sie bewusst vertrieben.

Das wäre die Chance für ein Wiederaufleben meiner Ehe gewesen, dachte ich. Doch die war vertan. Durch Karlas Auftauchen hatte es sich Andrea anders überlegt und war gegangen. Hatte Karla die Gefahr gespürt, die von Andrea ausgegangen war?

Als sich Karla an mich kuschelte, seufzte ich mit großer Erleichterung in der Stimme: „Sage mir bitte eins. Was fange ich mit dir an?“

„Papperlapapp“, antwortete Karla. „Das ist ganz einfach. Du musst mich nur lieben.“

Aber ihre Antwort stellte mich nicht zufrieden, weswegen ich am Ball blieb: „Aber oft solltest du mich nicht so abweisend behandeln. Ist das klar? Manchmal tickst du doch nicht sauber.“

Mir war vor Wut der Kragen geplatzt, doch ich hätte Karla übers Knie legen sollen, sprichwörtlich natürlich, immerhin hatte ich sie hart angepackt, vielleicht härter, als sie es verdient hatte, aber ich meinte meine Anklage ehrlich.

Aber anders als noch vor Wochen nahm mir Karla meine Äußerung nicht krumm. Sie war wieder bei mir und es war unübersehbar, dass sie froh darüber war. Mit ihrem Einlenken hatte sie die erste Krise von uns abgewendet, so folgte eine wunderbare Zeit, in der Karla ihre unübertroffene Anschmiegsamkeit bewies. So war es war wieder wie in unseren besten Tagen, oder besser, wie in den beispiellosen Nächten.

Allein hockte ich auf der Terrasse des geschlossenen Strandrestaurants und beobachtete die Lichtsignale der vorbeifahrenden Schiffe, wobei ich grübelte: Wo schlafe ich bloß in der bescheuerten Nacht? Ziehe ich in ein Hotelzimmer? Wohl kaum, aber ich werde auf keinen Fall in meinem Campingbus schlafen. Herrgott noch mal, Karla. Warum tust du mir das an?

Und in diese ungemütliche Gewissheit platzte Alfred mit einer seiner Belehrungen hinein, ziemlich ekelhaft, so wie er es immer tat: Was willst du sonst machen. Na? Irgendwann musst du schließlich zu deinem Bus zurück. Er erkannte nur den für mich abscheulichsten Ausweg aus der Misere.

Doch das war keine Lösung für mich. Meine könnte in etwa so aussehen: Ich hole kurzerhand meinen Schlafsack aus dem Bus und übernachte hier auf der Terrasse. Aber was erwartet mich am Bus? Ich hatte rasende Angst vor einer unliebsamen Überraschung.

Woraufhin mich Alfred eiskalt auskonterte: Mach was du willst, du Dussel. Meines Wissens hast du sowieso nie auf mich gehört.

Plötzlich alarmierte mich ein Geräusch. Was war das? Es hörte sich an wie ein Scharren durch den weichen Sand. Ich lauschte, dabei untersuchte ich in der Dunkelheit den auf mich zu bewegenden Schatten.

Und einen Augenaufschlag später stand meine geliebte Karla einige Meter vor mir.

„He, Georg“, moserte sie frech: „Wo bleibst du? Was meinst du, wie lange ich schon auf dich warte?“

Sie hatte echte Entrüstung vorgetäuscht, aber ihre Fragen waren unsicher über ihre schwerfälligen Lippen gequollen.

Schwankend stand sie mir bei schwachem Mondlicht gegenüber, dabei erkannte ich ihr lichterloh gerötetes Gesicht. Woher stammte das Erröten? War es ein sicheres Vorzeichen, dass Karla diesen Frank vernascht hatte? Und das sogar in meinem Bus?

Nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wurde, schwafelte Alfred. Was wollte er mir sagen? Sollte ich den Seitensprung als ungeschehen abtun?

Meine Liebe suchte nach Ausflüchten. Woran kann ihr Erröten sonst liegen? Ja, klar. Es hat womöglich mit ihrem Bierrausch zu tun?

Ich erhob mich unsicher, da drückte mich Karla fest an ihren Körper. Mit der Kraft einer Betrunkenen verwahrte sie mich in ihrem Schraubstock, dabei polemisierte sie holperig: „Mensch, Georg. Ich brauche dich. Du darfst mich nicht allein lassen.“

„Verdammt noch mal. Wie kann man so scheinheilig sein“, meuterte ich ablehnend und schob sie von mir. „Du Biest machst es dir verdammt leicht.“

Zurecht fühlte ich mich verarscht. Doch da war sie wieder, Karlas betörende Stimme. Mit ihrer Wortwahl verstand sie es, mich wie ein hilfloses Baby einzuwickeln. „Es tut mir leid“, säuselte sie. „Es war nicht so wie du denkst.“

Ich fühlte mich wehrlos. Noch dazu konnte ich ihr nicht ausweichen, und das umso weniger, als sie mich sanft gegen die gläserne Terrassenwand schob.

Doch mit der Körpernähe begnügte sich Karla nicht, denn sie ging bis an die Grenze der Unverschämtheit. Behutsam öffnete sie meine Gürtelschnalle und zog mit ihren geübten Händen den Reißverschluss herunter, danach streifte sie meine Jeans abwärts bis auf die Knöchel. Und nachdem mein Unterhöschen das gleiche Schicksal ereilt hatte, ging Karla langsam vor mir auf die Knie….. .

Wir waren völlig durch den Wind, als wir mehrere Minuten später vor unserem Campingbus standen. Und da die von der Saar anscheinend schliefen, legten wir uns in unsere Schlafkoje, aber mein jämmerlicher Versuch, endlich Schlaf zu finden, war zum Scheitern verurteilt. Zu mächtig glühte das Erlebte in mir nach. Was mochte sich zwischen Karla und Frank abgespielt haben?

Diese Frage beschäftigte mich permanent. Sie grub sich tief in meine Seelenwände ein, wie ein Presslufthammer in eine Teerdecke. Doch irgendwann war ich eingeschlafen, ohne eine konkrete Antwort erhalten zu haben.


Lag es am Durcheinander von Wein und Bier, oder an der kurzen Nacht? Ich fühlte mich, nachdem ich aufgewacht war, wie gerädert.

Die Spätherbstsonne stand schon als glühender Feuerball hoch am Himmel. Nur durch die schattenspendenden Bäume, ein Gemisch aus Laub und Nadelbäumen, die man rund um den Parkplatz platziert hatte, konnte ich ein paar mickrige Stunden durchschlafen.

Gott sei’s gelobt. Frank und Bernd hatten sich in Luft aufgelöst, aber das verhinderte weder die Anspannung, noch den angestauten Ärger, der sich in mir breit gemacht hatte. War meine Verstimmung berechtigt?

Nach mir kroch Karla aus dem Bus. Sie schaute verlegen auf den von den Saarländern verlassenen Platz. Da war bei mir der Vorhang gefallen und mir wurde klar, dass das frühzeitige Verschwinden der Saarländer eine Absprache zwischen Karla und Frank gewesen sein muss.

Karla sah nicht gut aus, denn sie hatte einen mordsmäßigen Kater. Zeugnis von diesem Zustand legte ihr blasses und zerknittertes Gesicht ab. An Bier und Wein in großen Mengen war sie nicht gewöhnt, obwohl wir keine Kostverächter waren. Mein Hang zum Trinken ist ja hinlänglich bekannt.

Als sich unsere Blicke am Frühstückstisch trafen, vermieden wir aus Sturheit die notwendige Aussprache, obwohl in mir die Ungewissheit brodelte. Ich stocherte ohne dabei Lust zu empfinden im Früchte Müsli herum, und auch der Kaffee schmeckte fad, denn für mich war jegliche Form der Nichtbeachtung verheerend.

Ich fühlte mich auf einem Pulverfass und wurde ungeduldig, sogar richtiggehend wütend, schließlich tobte mein Sturm der Entrüstung über Karla hinweg.

„Zum Donnerwetter. Ich hasse deine Eskapaden, du Luder!“

Weit über Zimmerlautstärke hatte ich geschrien: „Was soll ich von dir halten? Mach, dass du Land gewinnst. Meinst du, ich habe jetzt noch Bock auf dich? Aber wie ich dich kenne, trage ich an allem die Schuld.“ Und wie reagierte die zusammengestauchte Karla?

Die antwortete nicht, ja, sie stierte mit ihren glasigen Augen durch mich hindurch, als sei ich eine Wand aus Glas.

Mein Wanken äußerte sich in der Körperhaltung. Ich hatte die Füße zu mir auf den Stuhl geholt und spielte an meinen Socken herum, dabei zupfte ich Flusen ab, meine Beine scharf angewinkelt, aber ich zauderte.

So mögen wenige Minuten vergangen sein, bis ich meinen Schweigevorsatz durchbrach und nach dem rettenden Strohhalm griff, und das war die leidige Verständnisschiene.

Ich fragte erstaunlich aufgeräumt: „Woher soll ich wissen, was dir Frank bedeutet hat?“

Da Karla schwieg, ergänzte ich: „Bitte schweige mich nicht tot. Nur durch eine Aussprache vergessen wir den abscheulichen Abend. Pech und Schwefel halten auch zusammen. Wenn du willst, dann bin ich das Pech. Frank existiert nicht. Hörst du? Das Thema ist erledigt. Lass uns nach Vlissingen radeln.“

Karla hatte die Augenbrauen hochgezogen. Mit dieser Mimik schacherte sie: „Dann stell dein vorwurfsvolles Gesicht ab.“

Und so passierte das, was ich mir ganz und gar nicht erhofft hatte, denn alles weitere verlief nach einem vorhersehbarem Muster ab. Karla bekam Oberwasser. Sie hatte den Machtkampf für sich entschieden, was leider für viele unerfreulichen Anlässe in der Vergangenheit galt.

Trotz allem dachte ich mir im Stillen, der Klügere gibt nach und unterdrückte meinen verärgerten Unterton. So wurde ich mutig und forderte Karlas Zustimmung für den weiteren Verlauf des Abschiedstages.

„Bitte gib dir einen Ruck und lass uns aufbrechen. Ist das okay? Wenigstens eine kleine Radtour muss noch möglich sein.“

Mein Einlenken erzielte die gewünschte Wirkung, denn Karla versuchte nun ihrerseits die entstandenen Wirren des Gefühlsdschungels zu entflechten.

„Du gute Güte“, sagte sie. „Was soll zwischen Frank und mir vorgefallen sein? Es lag am Bier, dass ich mich in deinen Augen daneben benommen hatte.“

Konnte ihre Erklärung tatsächlich die Wahrheit sein? Und was konnte sie mit dem sich daneben benommen meinen?

Die Begründung klang gestelzt, merkwürdig unterkühlt, eher unglaubwürdig, sogar ein bisschen verzweifelt. Aber warum, wenn angeblich nichts war? Und was konnte ich tun? Den Liebeskrempel hinschmeißen?

Ob das richtig war, das wusste ich nicht, deshalb hatte ich nachgegeben. Nach Karlas Version war ihr Techtelmechtel harmlos gewesen. In meiner Verfassung war ich nur allzu gern bereit, Karla diese Beschreibung abzukaufen. Misstrauen ist ein schlechter Berater, hatte ich mir gedacht. Womöglich war meine Verdächtigungsstrategie sogar unangebracht?

Unsere Liebe war den Versuch wert, den Albtraum zu vergessen. Aber würde mir das gelingen? Ich hegte berechtigte Zweifel mit dem unsichtbaren Splitter des Seitensprungs unter die Haut.

Trotz längerem Zögern hatte mein nachgiebiger Charakter gewonnen, daher beendete ich meine Vorwürfe. Ich hatte mich Karla geöffnet und sie umschmeichelt: „Meine Gefühle für dich gleichen einem lodernden Flammenmeer. Bitte lass uns wieder zusammenrücken. Mit etwas Verständnis füreinander wird es eine wunderschöne Radtour.“

Alsbald umgab uns ein laues Lüftchen, denn wir redeten wieder miteinander. Als sei nichts vorgefallen, warfen wir uns in die Radmontur und machten die Fahrräder flott, dann radelten wir nebeneinander durch die anheimelnde Dünenlandschaft. Meine Liebesschwüre und das anhaltende Traumwetter hatten uns aus der Erstarrung verholfen. So war der Start in den zweiten Tag zwar durchwachsen verlaufen, aber im Endeffekt erstaunlich gut gelungen.

„Versetze deinen Bewegungsapparat in Trab“, trieb ich Karla an. „Du erlebst eine Sensation, denn die Radtour lohnt sich.“

In Unserer Lage mussten positive Taten her. Der Frust gehörte raus aus den Knochen. Daher strampelten wir uns, gegen die sturmartigen Windböen von der Nordsee ankämpfend, in eine passable Grundstimmung. Und die führte in Vlissingen zu Karlas erster Berührung. Schwer atmend sank sie mir in die Arme.

„Alle Achtung, Georg! Für einen Kranken warst du eine Klasse für sich“, tönte Karla mit dem Blick auf meinen Allgemeinzustand, und vor allem auf mein Bein gerichtet. Ihre Bemerkung strotzte vor Hochachtung, die sie durchaus ehrlich meinte, denn Fitnessbeweise standen bei ihr hoch im Kurs.

„Du bist der blanke Wahnsinn“, lobte sie meine Ausdauer. „In dir schlummern die hervorragenden Voraussetzungen für einem Radrennfahrer.“

Und das stimmte, denn was meine Ausdauerwerte betraf, da konnte mich niemand überbieten. Dermaßen gewappnet hielt ich bei Karla die wertvollsten Trümpfe in Händen.

Der Ausflug endete mit einem Spaziergang durch die Stadt und mit einer geruhsamen Heimfahrt, dabei ging mir die nicht aufgearbeitete Komödie nicht aus dem Kopf. Ich hoffte inständig, dass unsere Liebe keinen Schaden genommen hatte. Aber wie konnte ich verhindern, dass sich derart niederschmetternde Vorkommnisse wiederholen?

Darüber ausgiebig nachzudenken, damit hatte ich genug zu tun.

Anscheinend war der Schaden gering, denn als wir in der Schlafkoje lagen, hörte ich Karlas Herz geheimnisvoll schlagen, und das schlug, wie sie mir tausendfach versicherte, nur für mich.

Durch diese zufriedenstellende Aussage zweifelte ich nicht mehr an Karlas Aufrichtigkeit, trotz allem war diese Frau ein Wildpferd, das es zu zähmen galt.

Unsere dreistündige Heimfahrt durch das Nachbarland Belgien behinderte kein Stau, doch bei der Ankunft in Aachen bedeckten Regenwolken den Himmel. „Es wird regnen“, sagte Karla und ich antwortete: „Dann beeilen wir uns eben.“

Aus Angst vor dem sich andeutenden Platzregen und rechtzeitig vor dem zu Bett gehen der Kinder, holten wir die Katzen bei Andrea ab, dabei gebärdeten sich meine Kids wie kunterbunte Freudenbecher, die meine Frau mit überschäumender Ausgelassenheit abgefüllt hatte. Sie bestürmten mich orkanartig mit ihren Wochenenderlebnissen.

Ich ging intensiv auf sie ein, so jagte eine spannende Erzählung die Nächste. Doch trotz der Genugtuung über die Kinder, verbarg sich hinter der Situation auch Bedrückung, denn Andreas neuer Freund beobachtete uns dabei.

Okay, mein Geschmack ist er nicht, wertete ich den Mann als unbedeutend ab. Aber meine Beurteilung hatte keine Bedeutung, denn er war allein Andreas Angelegenheit.

Trotzdem konnte ich den Mund nicht halten, denn die ernüchternde Erkenntnis veranlasste mich, meiner Ex unbemerkt zuzuflüstern: „Was findest du an der Trantüte?“ Worauf mich meine Frau entrüstet anblaffte: „Halt du dich da raus, du Vollidiot.“

Und den Vollidioten verstand ich dann überhaupt nicht, denn früher hätte sie solch ein Früchtchen nicht mal mit ihrem Arsch angeguckt.

Umso mehr gefiel mir die Unbekümmertheit meiner Kinder. Ihre Lebensfreude registrieren zu dürfen, ließ meine Verlustangst in den Hintergrund rücken, obwohl ich viel über die Probleme alleinstehender Väter beim Kontakt zu ihren Kindern gelesen hatte. Warum klappte deren Verhältnis zu den Kindern nicht genauso gut, wie beispielsweise bei mir?

„Mensch, Georg, ich habe schrecklichen Kohldampf“, stöhnte Karla, wir hatten gerade die Katzen in mein verträumtes Heim gebracht.

„Ich auch. Lass uns gut essen gehen“, bestätigte ich ähnliche Gelüste. „Dein Wunsch sei mir Befehl.“

Wir stürmten in das Lokal unseres Lieblingsgriechen in der Nähe, denn Christos hatten wir seit Karlas unrühmlichen Abgang nie wieder aufgesucht.

Er strahlte über alle Backen, als wir seine Taverne betraten. Und das tat er noch, als er wie ein Irrwisch in die Küche verschwand. Zuvor hatte er uns zugeworfen: „Gleich bin ich bei euch.“

Als er sich mit dem obligatorischen Glas Wein zu uns gesetzt hatte, verhehlten wir ihm nicht, dass wir wieder glücklich miteinander waren, und weiter erzählten wir ihm, wie schön das Leben sein kann und vieles mehr. Die zurückgewonnene Liebe machte Christos euphorisch. Er spendierte einen Ouzo, danach einen Zweiten und einen Dritten.

„Prost Christos, prost Karla, prost Georg!“

Beim ausgelassenen Anstoßen klirrten die Gläser, bis wir uns nach dem Essen mit „Kalinichta“ von Christos verabschiedet hatten. Dann kehrten wir mächtig angeheitert in unsere Behausung zurück, in der Karlas Gefühlsschale zu einem Eisklumpen gefror.

Wir hatten uns in ihr Hochbett begeben, da richtete sich Karla ruckartig auf und stierte mich mit einem Gesichtsausdruck an, der nicht dazu angetan war, der Zuspitzung der Lage entgegenzutreten.

„Hör zu, Georg. Ich wünsche mir ein Kind“, sagte sie aufgewühlt. Ihr Traum von einem eigenen Kind war neu entflammt.

Und sie verstärkte sogar noch ihren Druck: „Vielleicht schon bald?“

Mir standen die Haare zu Berge. „Nein, Karla“, flehte ich meine Angebetete an. „Nicht das Thema Schwangerschaft.“

„Doch, Georg. Wenn du mir meinen Wunsch nicht erfüllst, dann nehme ich diesen Peter aus unserer Stammkneipe. Der würde mir gern ein Kind machen“, sagte Karla mit enttäuschtem Augenaufschlag, obwohl ich mich ihrem zurückweichenden Körper sehr zärtlich zu nähern versuchte.

Herrgott sakra, was für ein Dilemma. Karlas verständlicher Kinderwunsch war wieder dominant und drückte mir die Kehle zu. Zwar bemühte ich mich, ihre gequälte Stimme mit meinen Zärtlichkeiten abzuwürgen, wobei ich manche Vorahnung unterdrückte, doch damit war ich auf dem Holzweg.

So wurde ich ähnlich abweisend und antwortete: „Du willst also ein Kind von mir?“

„Ja das will ich.“ Karla rüttelte an mir. „Sehnlichst“, betonte sie. „Ich bin scharf drauf.“

„Aha“, räusperte ich mich, sie mit abschlägigen Handbewegungen abwehrend. „Und das willst du, obwohl du weißt, dass ich zeugungsunfähig bin?“

„Musst du ja nicht bleiben“, konterte Karla.

Ich jedoch fühlte mich am Drücker. „Bitte akzeptiere meine Sterilisation. Sie hat doch auch Vorteile.“

„Und welche?“

„Wir brauchen beim Sex keine Verhütungsmittel“, antwortete ich, voll von der Wirkung meiner Worte überzeugt. Dann erwähnte ich die Beispiele. „Ich benutze kein Kondom und du nimmst nicht die Pille.“

Karla schüttelte den Kopf. „Du bist krank“, seufzte sie. „Das sind eher Nachteile, denn durch deine Sterilisation kann ich nicht Mutter werden.“

„Dann schnapp dir diesen Peter als Samenspender“, fauchte ich. „Der ist bestimmt fruchtbar.“

„Tue ich auch“, zischte Karla mit einer Endrüstung zurück, die ich ihr nicht zugetraut hatte, wonach ich auf die Ausstrahlung unserer Liebe verwies: „Nein, das tust du nicht. Gestern hast du noch beteuert, dass wir zusammen gehören. Ja muss ich mich in Sack und Asche hüllen und Buße tun?“

Karla schaute mich entrückt an. Ihr Blick glich dem der Hebamme nach einer Totgeburt. Sie schmollte, doch obwohl sie hübsch damit aussah, verhinderte es den Austausch an wünschenswerten Zärtlichkeiten.

Das war’s dann wohl, dachte ich und wendete mich ab, trotzdem sah ich aus meinem schrägen Blickwinkel, dass Karla die nackte Wand anstierte. Auf der war nur der Schatten ihres von der Lampe angestrahlten Kopfes zu erkennen.

Aber dann. Wie der Blitz aus heiterem Himmel schlug Karla mit der rechten Hand auf die Bettdecke. „Himmelherrgott, und du stehst auch noch zu deiner Schandtat“, schimpfte sie. „Mach den Eingriff rückgängig. Genau du wärst der ideale Vater für meine Göre.“

Ja, ja, die verdammte Sterilisation.

Der verflixte Eingriff war ohne Zwischenfälle verlaufen. Nur vier Tage hatte er meinen Handlungsspielraum eingeschränkt.

Im Nachhinein erinnere mich daran, dass zwei Frauen von Pro Familia kurzfristig ihre Anwesenheit angekündigt hatten, natürlich auf mein Einverständnis hoffend. Und das hatte ich gegeben, woraufhin die Frauen der Sterilisation beiwohnen konnten.

Letztlich war mir die folgenschwere Endscheidung leichtgefallen. Andrea zuliebe hatte ich sie kurz nach Annas Geburt getroffen. Meine Wunschkinder existierten, ich war der Vater zweier herrlicher Kinder, und an eine Trennung dachten wir nicht im Traum. Es gab keine glücklichere Familie, wie wir seinerzeit eine waren, das war in unserem Umfeld wohlbekannt.

Und dass mich Karla mit dem Kinderwunsch neu konfrontieren würde, daran hatte ich vor der jetzigen Situation, also vor meinem Verlieben in Karla, nicht mal in einem Alptraum gedacht. Soll ich Karla zuliebe meine Sterilisation überdenken?

Bis dahin hatte ich meinen Schritt immer verteidigt und damit für richtig gehalten. Doch nach den Erfahrungen der Trennung weiß ich es besser und warne vor überhasteten Endscheidungen. Mein Handeln war voreilig. An sich ist eine Sterilisation wichtig, aber nur bei hundertprozentig funktionierenden Bindungen. Schon die kleinste Unsicherheit macht den Eingriff blauäugig, dann lässt man gefälligst die Finger davon.

Aber nun zurück zum Beziehungsgefecht.

In dem fühlte ich mich als Verurteilter auf dem Gang zum Schafott. Gedanklich hing mir bereits die Schlinge um den Hals, daher kaute ich missmutig auf ihren Vorwürfen herum. Hatte unsere Liebe unter den gegebenen Umständen eine Chance? Ich sah sie nicht. Warum sollte Karla auf einen Sterilisierten stehen?

Und die spielte die beleidigte Leberwurst, also den Part, den sie aus dem Effeff beherrschte, doch der rief keine Bewunderung bei mir hervor.

Ich war von ihrem Getue so angewidert, dass ich mich in mein Reich im Dachgeschoss zurückzog, wo ich mich prüfend umschaute und zu meiner Zufriedenheit feststellte, dass mir die Wohnung umwerfend gelungen war.

Vom Charme der Einrichtung berührt, bewunderte ich den Wohnraum, ausgestattet mit einem dunkelbraunen Ledersofa und mit den in einem Stoff mit poppige Farben neu bespannten Sesseln. Diese Schöpfungen waren Karlas Meisterwerke.

Neben dem Sofa stand der von mir selbst restaurierte Schrank mit seinen hübschen Glasscheiben. Und unter der Dachschräge beherbergte ein aus Holz gefertigtes Regal eine Menge Bücher, einen Plattenspieler und die Stereoanlage.

Mein eigen nannte ich auch eine Sammlung an Schallplatten der angesagten Musikgruppen und Interpreten der sechziger und siebziger Jahre. Auch einen abgebeizten Schreibtisch besaß ich. Den hatte ich an der langen Wand platziert, die den gemütlichen Wohnraum vom Kinderzimmer trennte.

Aber das absolute Glanzstück war mein Ölofen mit Sichtfenster, der die gesamte Wohnung warm hielt. Noch dazu rundeten viele Plakate mit grünen Motiven das erfreuliche Gesamtbild ganz in meinem Sinne ab. Ich staunte über meine Räumlichkeiten, denn die waren ein Gedicht.

Meine Katzen hatten den Weg über die Terrasse zu mir zurückgefunden und holten sich ihre Streicheleinheiten ab. Nun lagen meine Katzen aneinander gekuschelt auf dem Ledersofa und schliefen fest.

Auch ich gehörte ins Bett, denn die folgenden Wochen versprachen eine Menge an Aufregung.

Nachdem ich mir oberflächlich das Gesicht und anschließend die Achseln gewaschen hatte, legte ich mich auf meine Matratze, dabei ratterte es in meinem Hinterkopf, als befände ich mich in einem Sägewerk.

So schlimm wie in den letzten Wochen durfte es mit Karla und mir nicht weitergehen, denn der Zustand unserer Beziehung war nur schwer auszuhalten, er war mehr als unterirdisch. Den unzumutbaren Umgang miteinander, den konnte selbst ich als anerkannter Frauenversteher nicht aushalten, und für den hatte ich mich vor der Katastrophe gehalten.

Was ich jetzt brauchte, das war ein hellwacher Kopf, um das Problem mit Karlas Kinderwunsch unter Kontrolle zu bekommen. Wir mussten begreifen, dass zu dem Thema eine totale Kehrtwende gefordert war, von mir, aber auch von Karla, sonst würden sich die Blüten unserer Liebe schlagartig schließen.

Die Pflanze meiner Liebe litt unter den Streitigkeiten, aber sie lebte in mir weiter, ja sie hatte sich in mir sogar noch verstärkt, trotz der Widerstände und Schikanen, die durch Karlas Kinderwunsch wie ein Spuk durch unser Zusammenleben geisterte.

Karlas Bild vor Augen, bekam ich einen Weinkrampf. Ich wollte gar nicht mehr aufhören zu weinen, danach wischte ich meinen Tränenfluss mit dem Handrücken weg. Und als der Weinanfall ausgestanden war, versenkte ich meinen Kopf mit all seinen verbliebenen Hoffnungen in ein kuscheliges Kopfkissen.

DU BIEST BRINGST MICH UM

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