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Franz erzählt zum ersten Mal

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Der Priesteramtskandidat Peter Hang schlief unruhig in seinem Zimmer des Priesterseminars, als ein nicht zu unterdrückender Harndrang ihn auf das Klo trieb. Dort stellte er zu seiner großen Bestürzung fest, dass es zwischen seinen Beinen nichts mehr gab. Wo es normalerweise hing, war es glatt und plan. Gleichzeitig fühlte er erleichtert, wie der Druck auf seiner Blase nachließ und es durch den Darmausgang rauschte. „Ich halt's nicht aus! Jetzt kommt es hinten raus!“, dachte er und hätte fast gelächelt, wäre ihm nicht das völlig Unmögliche des gerade Erlebten bewusst geworden. „Ich muss noch träumen! Bei der heiligen Jungfrau, was ist das für ein Traum!“

Er stand auf und rieb sich im Schritt. Nichts! Er hätte sich auch am Arm reiben können. Ja, es kam ihm so vor, als ob es dort unten betäubt war. Lokal anästhesiert wie beim Zahnarzt. Nur war er nicht beim Zahnarzt gewesen. Was hätte der Zahnarzt auch dort unten zu suchen gehabt!

Es war gut, dass es ein Traum war, ein schrecklicher, unverständlicher Traum, aber ein Traum. Weil es so was in der Wirklichkeit nicht gab. Kein Mann verlor sein Ding einfach so mitten in der Nacht. Ohne etwas zu merken! Ohne den geringsten Schmerz zu fühlen! Es müsste ja einen furchtbaren, nicht auszudenkenden Schmerz gegeben haben, wenn es ihm ausgerissen wäre!

Er fuhr sich noch einmal zwischen die Beine. Die Stelle war glatt und weich wie eine Kinderhaut. Ohne die kleinste Unebenheit. In der Mitte stumpf, weil betäubt, am Rande sanft und samten. Und wenn er eine Spritze bekommen hatte, damit er die Abtrennung nicht merkte?

Aber es gab ja keine Narbe!

Seine Hand betastete wieder die Stelle. Wie angenehm es war, um sie zu kreisen! Sein Finger wollte nicht aufhören.

Das war problematisch gewesen, als es das Ding noch gab. Das erzeugte Unruhe und die Lust, es wachsen zu sehen. Dann musste er bitten und beten und sich vor Augen führen, dass der Satan ihn überrumpeln wollte.

Und wenn der Satan ihm auch hier eine Falle stellte? Das war ja das Hinterhältige an einer Falle, dass man völlig ahnungslos in sie tappte und festsaß, weil man keinen Ausweg sah. So erging es ihm jetzt. Er wusste nicht, wie er reingefallen war, und wusste nicht, wie er rauskam.

Es war gut, dass morgen alles vorbei war. Er würde aufwachen und alles wäre wieder normal. Er konnte dann darüber lachen.

Aber konnte er darüber lachen? Die Frage war doch, warum er in diesem Traum war. Was hatte es zu bedeuten, dass ihm träumte, ihm fehlte das Ding?

Es kam ihm wie Verrat vor. Oder feige Flucht. Auf jeden Fall eine nicht entschuldbare Pflichtversäumnis. Er tat doch auch tagtäglich seine Pflicht, da konnte er auch verlangen, dass es seine Pflichten tat. Was er jedoch nicht dulden konnte, war Eigenmächtigkeit und Eigenwille. Er war der Herr, es war der Diener, das war die Grundregel seines Lebens, eines Gott geweihten Lebens. Und um Gott näher zu sein, sich nur an Ihn zu binden, nicht aber an einen einzelnen Menschen, hatte er Keuschheit gelobt, Verzicht auf gelebte Sexualität.

Er sah ein, dass es dem Ding nicht leicht fiel, sich daran zu halten. Es war jung, es war naiv, es war voller Sehsucht und Erwartung nach dem prallen Leben. Aber das bedeutete nicht, dass es sich davonstehlen durfte, um auf eigene Faust das Leben zu erkunden. Seine Bestimmung war vielmehr die Sehnsucht nach Gott, denn Gott bot viel mehr Erfahrungen, als das irdische Leben versprechen konnte.

Es hatte auf jeden Fall gehorsam zu sein, so wie er Gott gehorsam war. So wie er seine egoistischen Wünsche hintanstellte, so musste es sich in Bescheidenheit und Zurückhaltung üben. So wie er sich nicht an Geld und Besitz klammerte, so durfte es sich nicht durch Mode und Reichtum blenden lassen.

Keuschheit, Gehorsam und Armut waren die drei grundlegenden Regeln seines Lebens. Sie zu halten war nicht einfach. Dazu bedurfte es einer eisernen Disziplin. Und das Ding war dieser Disziplin überdrüssig geworden und hatte nach einer Gelegenheit gesucht, ihrer zu entkommen.

Wann war ihm das gelungen? Wann hatte er es das letzte Mal noch zwischen den Beinen gefühlt?

Als er letzte Nacht nach Hause gekommen war, hatte er nichts mehr gefühlt. Er war allerdings so müde gewesen, dass er an nichts mehr gedacht hatte als an sein Bett. Er hatte auch nicht an den üblichen Klogang gedacht, was erklärte, warum er jetzt hier saß. Sonst hätte er ja durchgeschlafen!

Aber vorher, o heilige Jungfrau!, war eine Menge passiert! Da hatte es mit seiner Disziplin weiß Gott nicht gut ausgesehen. Da waren in seinem Zaun Löcher entstanden, durch die das Ding schlüpfen konnte.

Er hätte Christian und Martin nicht in die Eckkneipe begleiten sollen. Aber es war Donnerstag Abend gewesen, wo sie ihren wöchentlichen Ausgang hatten, und er wollte nicht allein zurückbleiben. Warum sollte man sich nicht ein wohl verdientes Bier gönnen?

Doch es gab Warnsignale. Die Kneipe hieß „Ehrlich währt am längsten“, und er dachte: „Erich hat den längsten“, weil der lange Erich der Wirt war. Das war der erste abwegige Gedanke.

Der zweite kam, als der lange Erich ihnen das Bier brachte und die Humpen hintereinander auf den Tisch stellte und dabei sagte: „Aller guten Dinge sind drei!“

Da wollte sich sein verdammtes Ding verdreifachen und er stürzte sein Bier hinunter und hoffte, auf andere Gedanken zu kommen.

Da war es noch bei ihm gewesen. Das hatte er viel zu deutlich gespürt. Auf dem Weg zur Kneipe hatte es sich geradezu ungebührlich benommen, was peinlich war, sodass er fürchtete, rot anzulaufen. Er mochte es nicht, wenn man sein Gesicht ansah. Seine Pickeln waren zum Glück verschwunden und er brauchte auch keine Brille zu tragen wie Christian und Martin. Er merkte sogar, dass man seine großen, blauen Augen mochte. Aber das war die äußere Fassade, nach der er nicht beurteilt werden wollte. Auf die inneren Werte kam es an, auf die Sehnsucht der Seele nach Gott. Darum musste er die Welt mit ihren schnöden Eitelkeiten verachten.

Am meisten verachtete er die ausstaffierten Schönlinge, die sich immer in den Vordergrund schoben. Sie wollten, dass alle Welt sie ansah und bewunderte. Er dagegen sah sie in ihrer ganzen Nichtigkeit: Tand und Schand!

So ein Schönling drängte sich in die Kneipe und sofort verließ der lange Erich ihren Tisch und trabte auf ihn zu und scharwenzelte herum und führte ihn mit ausgebreiteten Armen wie ein Verkehrspolizist zu einem Tisch in ihrer Nähe. Neben dem Schönling aber ging Gisela!

Gisela! Ja, da fing das Malheur an! Das musste ein Komplott sein, ein Anschlag auf ihn, der sich zum Priester Gottes weihen lassen wollte! Eigentlich wollte er sie vergessen und hatte auch gedacht, dass es leicht war, indem er durch Gebete und Übungen nur Gott in den Mittelpunkt seinen Denkens und Handelns stellte, aber immer wieder drängte sie sich ihm auf, vorzugsweise in Träumen, weshalb er sich natürlich fragen musste, ob sie ihn nicht in diesen Traum gebracht hatte. Es wäre ihr auf jeden Fall zuzutrauen. Für Attacken unter die Gürtellinie war sie sich nicht zu schade.

Gisela war der Anstoß zu seinem Traum. Das hätte er gleich wissen müssen. Er verstand schon gar nicht mehr, warum es ihm erst jetzt einfiel. Denn er hatte Mutters Brief bekommen, wo er von Giselas Verlobung erfuhr. Es war nur natürlich, dass sie ihm nicht aus dem Kopf ging.

Mutter schrieb in dem Glauben, dass er seine damalige Entscheidung gegen Gisela nicht zu bereuen brauchte. Sie hatte ja einen Neuen gefunden! Aber wer war der Neue? Diese Frage hatte sein Hirn gemartert. Er hatte leider davon ausgehen müssen, dass der ganz anders war als er selbst. Denn mit einem wie ihm wollte sie nichts zu tun haben, das verstand er zwar, aber es schmerzte ihn jetzt doch, dass sie mit dem Schönling in die Kneipe hereinspaziert kam. Das hatte sie nicht verdient. Das hatte auch er nicht verdient, denn schließlich waren sie beide lange genug zusammen gewesen, als dass sein Einfluss nicht doch etwas hätte bewirkt haben können. Und jetzt schien sie ihre gemeinsamen Werte mit Füßen zu treten. Und damit auch ihn!

Es war ihm unbegreiflich, wie sie diesen ausstaffierte Schönling offensichtlich heiraten wollte! Ein ausgemachter Dandy! Über seinen engen Hosen mit den scharf gestochenen Bügelfalten protzte ein Smokingjackett mit glänzendem Schalkragen. Darunter schimmerte ein tailliertes Hemd mit bunten Seidentüchern. Seine Füße stecken in polierten Lackschuhen, sein schmales Gesicht war hinter einer großen Sonnenbrille verborgen, sein rotes Haar hoch gegelt. Die Verkörperung von Lust und Eitelkeit! „Voluptas et vanitas!“ Er konnte seinen Anblick nicht ertragen.

Und Gisela zeigte weder Scheu noch Scham, sich ihm hinzugeben! Sie lag in seinen Armen und ließ sich drücken und kneten. Sie drehte und wand sich und schnurrte und gurrte und wollte eindeutig noch mehr von einem Gefummel!

Sie nahm keine Rücksicht auf ihn. Sie wollte, dass er sie sah, damit er die Quittung bekam. Weil er sie verschmäht hatte, rächte sie sich an ihm.

Er hatte sie nicht verschmäht, er wollte nicht diesen Bruch, er hätte gern ihre Freundschaft behalten. Aber ihre Gedanken gingen in Richtung Sicherheit, Heirat und Kinder. Damit konnte er sich nicht begnügen. Er wusste, dass Gott ihn zu Höherem berufen hatte. Er gedachte des Gelübdes, das er in der Erstkommunion geleistet und in der Firmung erneuert hatte: Er wollte ein Streiter Gottes sein, gerüstet mit dem Gurt der Keuschheit, dem Schild des Glaubens, dem Schwert des Heiligen Geistes!

Denn die Kirche war in Gefahr! Die Kirche brauchte Kämpfer! Überall hob der Unglauben sein Haupt, lockte der Mammon mit Lust und Laster, rüstete der Fürst der Finsternis zum letzten Kampf! Und da sollte er in seinem Winkel sitzen und nur an sein persönliches Wohl und Wehe denken?

Gehörte es zu diesem Kampf, dass Gisela ihn versuchen wollte? War sie Werkzeug eines teuflischen Plans geworden, ihn kurz vor der Priesterweihe zu Fall zu bringen? Denn er hatte in der letzten Nacht nicht die Gisela gesehen, die er kannte. Er entdeckte zwar ihre Augen, ihre Nase, ihren Mund, sogar ihre Grübchen, aber sonst war sie ganz anders gewesen. Ihr Körper war schlanker geworden, hübscher, verführerischer! Wie sie sich in ihrem Kleid bewegte, zeigte sie sich selbstsicher, fast frech, denn der Stoff war sehr dünn und ließ jede Rundung ihres Körpers erkennen.

Als sie auf ihn zukam, hielt er den Atem an. Sie schwebte über den Boden, während ihr Kleid sich um die schlanke Figur schmiegte. Ihre Augen waren traurig und trotzig auf ihn gerichtet, ihre Lippen zu einem leichten Schmollen aufgeworfen. So hatte sie ausgesehen, als er ihr sagen musste, er wollte Priester werden. Er war sicher, dass sie ihn erkannte, aber ihr Blick ging gleichgültig über ihn hinweg. Er hätte sie auch gern so übersehen wollen, aber konnte nicht.

Denn sie setzte sich mit dem Rücken zu ihm hin, nur zwei Schritte von ihm entfernt, und ließ ihren Körper dank des dünnen Kleides wie nackt erscheinen!

Sie hatte früher nicht so ausgesehen! Sie war viel plumper und molliger gewesen, er kannte sie doch genau. Da musste der Satan seine Hand im Spiel haben! Ihr Verlobter sah teuflisch genug aus! Und warum war sie gerade in die Kneipe gekommen, wo sie selten in eine Kneipe ging, jedenfalls nicht in die des Priesterseminars?!

Er hätte sie zu gern berührt und seine Finger in ihr Fleisch gepresst, um festzustellen, dass sie es war und nicht ein Trugbild!

Er hatte ein Bier nach dem anderen getrunken, um diese Lust zu ersäufen, bis sein Kopf auf den Tisch fiel. Da brauchte er sie nicht mehr zu sehen, ihr schändliches Treiben, ihren schändlichen Verrat mitzubekommen.

Er wollte von ihr nichts wissen, er wollte von der Welt nichts wissen! Und dabei musste ihm das Ding entkommen sein. Wer weiß, wohin. Vielleicht dahin, wo der Pfeffer wuchs!

Aber sollte das nicht auch sein Gutes haben? Konnten Giselas Verführungskünste ihn noch treffen, wo es gar nichts mehr zu treffen gab? Sollte sie doch gurren und schnurren und sich ihrem Schönling hingeben! Er lachte nur darüber. Und wenn sie in Schande versank und ihre Scham verlor, um so besser! Dann war es gut gewesen, dass er sie verlassen hatte.

Plötzlich wusste er, was Gott wollte! Er wollte ihm die Herrlichkeit des Lebens zeigen, das nicht durch Wollust und Begierde getrübt war. Er bekam die einmalige Chance, wie ein Engel zu leben, der über voluptas et vanitas stand. Das war die unverdiente Gnade Gottes! Das war ein Wunder!

Er verließ das Klo und wankte in das Bett, wo er das Kissen über den Kopf zog. Er war wahrhaftig ein Ausgewählter Gottes! Gott hatte ihn gezeichnet. Er hatte ihn anders gemacht. Gott wollte die Anderen, die Außergewöhnlichen, die sich von der Masse Abhebenden!“

Franz machte eine Pause, indem er von seinem Glas Wein trank, das vor ihm stand. „Jetzt ist also unser Peter Hang in der Klemme, unser verklemmter Priesteramtskandidat! Sein kühner, berauschender Lebensentwurf wird von seinem Unterbewusstsein durchkreuzt, das ihm unmissverständlich klar macht, was es bedeutet, ohne Sex zu leben. Die logische Konsequenz wäre nämlich, dann auch auf sein Sexorgan zu verzichten!“

„Eunuchen für das Himmelreich! Das hat Tradition in der Katholischen Kirche“, sagte Kurt.

„Hm!“, kam es von Rosi. „Ich weiß immer noch nicht, ob sich das Thema für unsere Geschichte lohnt. Mir erscheint der arme Peter fast wie eine Karikatur. So eindimensional und plakativ gezeichnet, ohne jede Tiefe!“

„Es ist ein Traum und da überwiegt das Plakative“, sagte Franz. „Es würde dann deine Aufgabe sein, der Geschichte mehr Tiefe zu geben. Aber ich bin mit meinem Anfang noch nicht am Ende und möchte dazu noch Folgendes sagen: Ein Mensch, der sich als Erwählter Gottes fühlt, nimmt alles, was ihm passiert, als von Gott gegeben an. Also sieht er in dem Verlust seines Geschlechtsorgans die von Gott gewollte Beförderung zum Engel. Jetzt kommt er Gott noch näher! Also braucht er seinen kühnen Lebensentwurf nicht aufzugeben. Im Gegenteil, er kann ihm mit ganzer Inbrunst anhängen. Aber da hat er nicht mit seinem Unterbewusstsein gerechnet. Das macht ihm wieder einen Strich durch die Rechnung!

Und davon möchte ich jetzt erzählen!“

Plötzlich klopfte es an seiner Tür. Er riss sich das Kissen vom Kopf. Wer wollte was von ihm mitten in der Nacht!? Noch nie hatte ihn jemand zu dieser Zeit gestört! In einem Priesterseminar wollte keiner zur nächtlichen Stunde in ein fremdes Zimmer!

Er musste sich getäuscht haben. Aber als es erneut klopfte, diesmal viel lauter, stand er brummend auf. Wahrscheinlich war es Christian oder Martin, die ihre Zimmer auf seinem Flur hatten. Wer weiß, was ihnen passiert war? Vielleicht fehlten ihnen auch irgendwelche Körperteile!

Er öffnete halb die Tür und prallte zurück. Vor ihm stand Gisela und lächelte verschämt. Er konnte nur ihr Gesicht sehen, das scheu und schüchtern wirkte, sodass sie ihm nicht aufdringlich erschien. Sie räusperte sich und sagte verlegen, dass es ihr leid täte, wenn sie ihn störte. Sie hätte auch nie gewagt, an seine Tür zu klopfen, wenn sie nicht wüsste, wie groß für ihn der Verlust sein musste. Sie konnte sich vorstellen, dass er deshalb keinen Schlaf fand, weshalb sie nicht gezögert hätte, in der Nacht zu kommen!

Er starrte sie an. War er in einem neuen Traum oder noch im alten? Spiegelten sich seine Träume wie in einem gläsernen Irrgarten? Dann sah er, dass sie fröstelte und ließ sie eintreten. Sie trug immer noch das dünne Kleid, unter dem sich ihr Körper abzeichnete. Weil er sie von vorn sah, schaute er auf zwei Brüste, die sich rund abhoben. Es regte ihn aber nicht auf, es konnte ihn nicht aufregen, weil es für ihn die Lust zwischen den Beinen nicht mehr gab. Er konnte sie mit dem kühlen Blick des Wissenschaftlers sehen.

Sie wollte nur wissen, ob er es vermisste sagte sie. Sonst würde sie gleich weitergehen.

Er begriff und bat um Entschuldigung. Ja, das war etwas, was er nicht begreifen konnte! Er hatte sich schon Gedanken gemacht und hin und her überlegt, aber beim besten Wissen nicht herausgefunden, wie es zu dem Verlust gekommen war. Es blieb ihm ein Rätsel.

Sie sah ihn prüfend an. Er sollte ihr doch bitte schön das beschreiben, was er vermisste. Sie musste sicher sein, dass es ihm gehörte. Sonst könnte jeder Anspruch darauf erheben.

Ihre beiden Halbkugeln hafteten fest an ihr und wogten nicht. Er stellte es leidenschaftslos fest. Das, was die Leidenschaft verursacht hatte, fehlte ihm! Aber das sollte er jetzt beschreiben!

Er wurde unsicher. Er konnte nicht beschreiben, was er nicht kannte! Er hatte es nie genau angesehen, sondern weggedrückt und überdeckt; der Anblick war ihm lästig gewesen. Er kannte nicht einmal den richtigen Namen. Warum auch? Das hätte zu viel Aufmerksamkeit für so etwas Unwichtiges bedeutet.

Sie wartete, aber nicht ungeduldig, eher verständnisvoll. Da beschloss er, ehrlich zu sein und gab zu, dass er das, worum es sich handelte, nie genau angesehen hatte, weshalb er es nicht beschreiben konnte.

„Nie genau angesehen?“, wiederholte sie.

„Nein, nie!“

„Darfst du es als Priester nicht ansehen?“

„Doch! Es ist ja oft nicht zu vermeiden. Aber nicht mit …“

Er suchte nach dem richtigen Wort.

„Nicht mit Lust?“, fragte sie.

„Nein, nicht mit Lust“, bestätigte er und wunderte sich. So kannte er Gisela nicht. Früher war sie ganz anders gewesen! Das war freilich schon lange her und inzwischen konnte sie sich gewaltig geändert haben!

„Bist du Gisela?“

Sie lächelte. Wer denn sonst?

Ja, ja natürlich! Er räusperte sich und fragte, ob sie in der Schreinerei ihres Vaters geblieben war.

„Ja, natürlich! Wo du auch bleiben wolltest!“

Sie lächelte nicht mehr.

Das alte Thema. Warum hatte er bloß damit angefangen? „Und du hast jetzt einen neuen Freund?“

„Wenn du mich sitzengelassen hast! Dann muss ich mir ja einen neuen suchen!“

Er starrte sie an. Sie war nicht nur mit ihrem Körper, sondern auch mit ihren Worten frech geworden!

„Freilich hat er mehr Ahnung!“

Er schluckte. „Wie meinst du das?“

„Er würde es vermissen, wenn es ihm fehlte. Er würde es auch beschreiben können!“

„Er ist ja auch kein Priester!“, entfuhr es ihm.

„Ach, ein Priester darf nicht wissen, was zwischen seinen Beinen ist?!“

Sie kam einen Schritt näher und betrachtete ihn von Kopf bis Fuß. Ihr Mustern kam ihm arrogant vor, als wäre sie in der Gesellschaft aufgestiegen und könnte auf ihn herabgucken. Auch sah er jetzt, dass sie kein einfaches Kleid von der Stange trug, sondern ein maßgeschneidertes, mit Perlen und Pailletten besticktes, das sich öffnete und ihr Bein freigab, als sie sich ihm näherte. Er dankte Gott, dass Er ihm das abgenommen hatte, was sonst die Ursache für Sünde und Wollust gewesen wäre. Zugleich durchfuhr es ihn mit trauriger Gewissheit, dass sie der Welt verfallen war.

„Willst du ein Eunuch sein?“, fragte sie.

„Das verstehst du nicht!“, wehrte er ab. „Um des Himmelreichs willen bringe ich mein größtes Opfer!“

Das Schwarz ihrer Augen glühte. „Du hast ja gar nicht mehr, was du opfern willst.“

„Ich habe es schon geopfert!“, sagte er würdevoll, aber zitternd vor Wut. Wie konnte sie alles so verdrehen?!

„Du hast es nicht geopfert, du hast es verloren!“, verbesserte sie ihn streng. „Und ich habe es gefunden!“

Er suchte nach einer Antwort und rang nach Luft. „Gott, Gott!“, betete er. „Es liegt in Deiner Macht zu nehmen und zu geben!“

„Gott hat es dir genommen und mir gegeben“, sagte sie kühl.

Es schwamm vor seinen Augen und ihre Brüste schimmerten hell. Sie sollten ihn nicht erregen und doch zogen sie ihn an.

„Kommt es dir nicht merkwürdig vor, dass Gott das, wovon man glaubt, es diente der höchsten Lust, gerade mir überlassen hat?“

Ihre Stimme war sanft, ihre festen Brüste zitterten.

Jetzt musste er standhaft bleiben, jetzt durfte er nicht nachgeben! Das war nicht Gisela, das war das Geschöpf Satans, dem nichts mehr Vergnügen bereitete, als die Diener Gottes in Gestalt eines hübschen Weibes zu verführen!

„Weiche von mir, Satan!“, rief er laut, hob die rechte Hand und schlug das Kreuz.

Sie lachte hell und schien ungeheuer belustigt. Sie wusste jetzt Bescheid, sie wollte nur sichergehen, dass er auf ihren Fund keinen Anspruch erhob.

Sie drehte sich um und rief: „Peter, du kannst kommen!“

Die Tür tat sich auf und wer trat ein? Ihr Dandy, ihr ausstaffierter Verlobter!

„Darf ich dir vorstellen, das ist Peter!“

Damit stellte sie ihn vor ihm auf.

War der Spuk immer noch nicht zu Ende? Er machte eine abwehrende Handbewegung.

Sie lachte wieder. Peter war doch ein schöner Name. Der harte Fels, auf dem die Kirche stand! Ihr gefiel der Name.

Sie hatte ihn missverstanden. Ihm war doch egal, ob der Dandy seinen Namen teilte!

Der fragte ihn leise und ungläubig, ob er tatsächlich auf sein Organ verzichtete.

Er stöhnte auf. Wann ließ man ihn endlich in Ruhe?

Der Dandy aber griff nach seiner Hand und küsste sie, bevor er sie wegziehen konnte. Dann sprudelte er seine Worte so schnell aus dem Mund, dass man sie kaum verstand.

Er könne gar nicht in Worten wiedergeben, wie groß und tief sein Dank sei für diese selbstlose Organspende! Wie hätte er aber auch unter seinem eigenen defekten Organ gelitten und wie rastlos sei er auf der Suche nach einem edlen Spender gewesen und wie mutlos, weil die Suche nie zum Erfolg geführt hätte. Es bedurfte schon göttlicher Gnade, dass sein Herzenswunsch in Erfüllung ging, und so wunderte ihn nicht, dass er, der Priesteramtskandidat, zu diesem Opfer fähig sei!

Was hatte dieser Doppelpeter gesagt? Warum überschüttete er ihn mit dieser hündischen Dankbarkeit, die er von ihm gar nicht erwartet hatte, geschweige denn wollte?! Fehlte nur noch, dass er mit dem Schwanz wackelte!

Gisela trat auf sie beide zu und zeigte das sichere Lächeln, das auch Mutter hatte, wenn sie ihn mit einem Geschenk überraschen wollte. Gisela hielt in ihren Händen, die, wie er jetzt erst sah, mit feinen weißen Handschuhen überzogen waren, ein bunt bemaltes orientalisches Kästchen, das sie mit geschürzten Lippen öffnete. Dem entnahm sie etwas Verpacktes, das sie langsam auseinanderfaltete. Ihre Hände zitterten, ihre Augen rundeten sich. Dann zog sie mit spitzen Fingern etwas heraus, das sich zuerst duckte und zusammenzog, dann aber unter ihrem begütigenden Schnurren und Streicheln an Höhe und Breite gewann.

Es war nicht zu leugnen, es war sein Ding!

Der Doppelpeter aber sprang sofort hinzu und besah es von allen Seiten. „Das ist es!“, rief er. „Das ist, was ich mir immer gewünscht habe!“

Er machte einen Freudentanz und lachte über das ganze Gesicht. Dabei hob er die Hände wie zum Gebet. Als ob er es anbetete, zum Götzen machte!

„Nicht so schnell, Peter“, rief Gisela. Der Hampelpeter hielt sofort inne. Zuerst musste man wissen, ob es ihm passte. Es war schließlich ein fremdes Organ und ob es der Körper annahm, war überhaupt nicht sicher. Eine Organverpflanzung war immer eine kritische Sache!

„Nein, nein!“, rief der Doppelpeter. Er war sich absolut sicher. Er spürte jetzt schon die Vorfreude und den Stolz auf sein neues Organ.

Gisela aber wandte sich an ihn und sah ihn an. Als ob sie seinen Einspruch erwartete. Aber er konnte sich nicht rühren. Er war zu keinem Laut fähig.

Der Doppelpeter ließ die Hose fallen und zog verächtlich ab, was zwischen seinen Beinen hing, und warf es ihm zu wie ein Almosen und nahm mit leuchtenden Augen das in Empfang, was Gisela ihm reichte.

Er hielt das kleine, erbärmliche Ding Doppelpeters in seiner Hand. Sollte er damit abgefunden werden? Von einem Tausch war doch nie die Rede gewesen! Er wollte protestieren, aber kein Laut kam von seinen Lippen, als Doppelpeter Gisela um Hilfe rief, und tatsächlich kniete sie vor ihm nieder, um ihm das anzupassen, was nicht passen wollte.

Es klappte nicht, es fiel ab, Gott sei gelobt und gepriesen!

„Nein, so nicht!“, rief Doppelpeter und sah gar nicht verzweifelt aus. Denn er bückte sich und streifte ihr das Kleid von den Schultern, während sie unten an ihm hantierte.

„Es hält, es hält!“, riefen beide und lachten, während sie sich in die Arme fielen.

Er aber fiel in tiefe Trauer und Verzweiflung. Warum ließ Gott es zu, dass er so gnadenlos gedemütigt und verhöhnt wurde? Denn was sollte er jetzt mit dem erbärmlichen Ding Doppelpeters anfangen?“

Franz hielt inne und nippte an seinem Wein. „So, das war mein Anfang. Jetzt müsst ihr entscheiden, ob ihr weitererzählen wollt.“

„Mich reizt das Thema“, sagte Kurt. „Ich würde gern weitererzählen. Und du, Rosi?“

Sie sahen sie gespannt an.

„Na gut, wenn ihr wollt“, lenkte sie ein. „Ich will mich nicht gegen die Mehrheit stellen.“

„Aber wenn du nicht mit Lust und Interesse dabei bist, ziehe ich meinen Versuch zurück“, sagte Franz.

„Also ich würde gerne wissen, wie es mit dem armen Peter weitergeht“, rief Kurt. „Was soll er mit dem kümmerlichen Ding anfangen, mit den er abgespeist wird? Was will Gott ihm damit sagen? Oder ist alles nur ein Albtraum, aus dem er aufwacht? Wie sieht dann seine neue Wirklichkeit aus? Also ich finde das sehr interessant.“

„Dann erzähl du weiter!“, entschied Rosi. „Du bist sowieso an der Reihe. Mir wird schon etwas einfallen, um an der Geschichte weiterzustricken.“

„Dann bleiben wir bei dem Thema?“, fragte Franz.

Rosi nickte.

„Gut, dann wünsche ich Kurt viel Erfolg und wir sehen uns nächste Woche bei ihm wieder.“

Die Fantasien des Seminaristen Peter Hang

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