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2 Rückblick auf 1943 - Schulzeit und Jugendjahre
ОглавлениеWährend meiner Schulzeit im Jahre 1934, ich bin gerade siebeneinhalb Jahre alt, kommen erwachsene Männer zum Besuch der Schulkinder in meine Grundschule, die Luther-Schule meiner Heimatstadt. Sie erzählen uns Geschichten von unseren tapferen Soldaten. Und von unseren Soldaten, die im Kriege 1914-1918 in Feindesland gefallen sind. Sie erklären uns, dass es gut und nützlich sei, in Zukunft für gute Beziehungen zwischen den Völkern zu sorgen. Wir haben doch unser Leben noch vor uns und deshalb sollen wir Geld für die Pflege der Kriegsgräber unserer gefallenen Soldaten spenden. Die Kriegsgräber befinden sich, wie sie uns erzählen, weit weg von der Heimat. An Orten oder auf den Schlachtfeldern des „Großen Krieges“ 1914 bis 1918. Mit fröhlichen Herzen geben wir von unserem Gesparten.
In unregelmäßigen Zeitabständen finden diese Sammelaktionen wieder statt. Mit den Sammlungen werden wir Kinder bereits in der ersten Schulklasse an die „Volksgemeinschaft“ herangeführt. Mit allgemeinen Erklärungen wie „Gemeinsinn geht vor Eigensinn“ und „Es wird nie wieder einen Krieg geben“ verstärkte sich unsere Spendenfreude.
Unsere Staatsmacht, für uns Kinder noch völlig unbekannt, fordert von den heranwachsenden Kindern sehr früh, sich den politischen Ansprüchen fröhlich und freiwillig anzuschließen. Von den politischen Dingen unbeeindruckt machen wir weiter unsere Streiche. Bis zu dem Zeitpunkt, wo uns das Fell nicht mehr juckt. Altersbedingt sind wir Jungen störrisch, folgen gleichwohl brav den Wünschen der Eltern. Die Erwachsenen, die Eltern, die Amtspersonen und die Lehrer verlangten von uns Kindern Respekt und unsere Ehrfurcht.
Ab 1936 wird jeder deutsche Junge im Alter von zehn Jahren von der Nationalsozialistischen Partei aufgefordert, Pimpf zu werden. Es ist die unterste Stufe in der Hierarchie der Machthaber des Dritten Reiches. Im Jahr 1937 werde ich dann endlich Pimpf beim „Jungvolk“. Die Rangfolge im Aufstieg der deutschen Jugend liegt fest. Nach der Zeit beim Jungvolk kommt ab dem vierzehnten Lebensjahr die zweite Stufe bei der HJ, der Hitler-Jugend.
Ab dem achtzehnten Lebensjahr, nach Abschluss der Ausbildung, kommt der Übergang zum Reichsarbeitsdienst. Hier sollen die jungen Menschen in die Nationalsozialistische Partei eintreten. Nach der Zeit beim Reichsarbeitsdienst sollen die Männer ihren Wehrdienst beim Militär ableisten. Politisch gestärkt und zum Kampf für unseren „Führer“ fähig stehen die Soldaten den weiteren Befehlen zur Verfügung. Die aufgezeichnete Ordnung ist für die Staatsmacht unter dem Führer Adolf Hitler aufgestellt. Bis zum Ende unserer Tage werden wir aus dem „Nationalsozialistischen System“ nicht mehr freikommen. Die Mädchen haben eine vergleichbare politische Ausrichtung und Ausbildung.
Mit meiner Anmeldung bei dem Jungvolk 1937 erhalte ich von meinen Eltern meine komplette Uniform. Dazu Lederknoten, das braune Hemd, das schwarze Halstuch und den Koppel. Die meisten Jungen meiner Umgebung sind wie ich in dieser Gemeinschaft. Auf keinen Fall will jemand von uns abseits stehen. Mein Wunsch, mit gleichaltrigen Jugendlichen zusammen zu sein, erfüllt sich. Mit den Jungen gemeinsam marschieren und singen ist gerade mir als Einzelkind sehr wichtig. Mit meiner Aufnahme beim Jungvolk bin ich, zusammen mit meinen Gleichgesinnten, bereits vom System eingefangen, ohne es zu erkennen. Stets geschmeidig und formbar bleiben, das ist ganz nach dem Willen der Obrigkeit! Unseren „Treueeid“ auf den Führer leisten wir Pimpfe im Alter von zehn Jahren.
Die Jugendführung betäubte mich nicht nur allein mit den zackigen Liedern. „Unsere Fahne flattert uns voran“, „Ein junges Volk steht auf zum Sturm bereit“, „Vorwärts, vorwärts, schmettern die hellen Fanfaren“. Nicht vergessen: „Es zittern die morschen Knochen!“ Das sind unsere Lieder. Dass es Kampflieder der HJ-Führung für uns Pimpfe sind, ist mir nie bewusst geworden. Gemeinsam singen und schmettern wir diese Lieder aus vollen Kehlen. Die Texte lernen wir sofort auswendig, ihren Inhalt verstehen wir Pimpfe nicht. Für uns ist es nur wichtig, dass die Menschen, die unsere Lieder auf den Straßen hören, diese zur Kenntnis nehmen. Hören die Menschen die Texte überhaupt? „Die Fahne ist mehr als der Tod?“
Nach der endgültigen Vereinnahmung der Jugend durch die Parteiführung wird diese zu den Zukunftsträgern der deutschen Nation ausgezeichnet. Wir jungen Menschen steigen so zur Herrenrasse auf. Diese Aussage unseres Führers Adolf Hitler vernehme auch ich mit Stolz, fühle mich persönlich angesprochen, nur kann ich die wohlgeformten Worte nicht verstehen. Wir sollen, das sind die Worte Adolf Hitlers, künftig von den Alten – dazu gehören selbstverständlich die eigenen Eltern und Großeltern – keine große Notiz mehr nehmen. Ihre erbrachten Leistungen sind heute nicht mehr gefragt. Ich gebe zu, das verstehe ich nun gar nicht. In Zukunft sollen wir nur noch dem Führer gehorchen. Diese Forderung, an uns Heranwachsende gerichtet, verstehe ich. Das kann ich nachvollziehen. Mit dem von uns Jungen erwarteten Gehorsam und unserer Bereitschaft werde auch ich alle Befehle des Führers befolgen. Mein Gehorsam gilt einfach als Zeichen meiner Dankbarkeit.
Weitere Befehle folgen: Wir Jungen sollen flink wie Windhunde, zäh wie Leder und hart wie Kruppstahl sein. Das „flink wie Windhunde, zäh wie Leder“ spricht mich an. Mit dem harten Kruppstahl habe ich meine Schwierigkeiten.
Die Forderungen der Staatsmacht einerseits und ihre Versprechungen andererseits, sie wirken wie Zuckerbrot und Peitsche, sie betäubten bis auf eine bedeutungslose Anzahl von Jungen und Mädchen die gesamte deutsche Jugend. Geradezu großspurig und überheblich lässt uns die Partei an der kurz gehaltenen Propagandaleine marschieren und singen. Und ich finde es gut, wie es ist. Meine gleichaltrigen Jungen machen keine Aussagen, ob sie es gut finden. Sie gehorchen ohne Widerworte, genauso wie ich.
Die Partei zeigt uns Pimpfen die Wege für unsere körperliche Entwicklung: Erstens, jeden Mittwoch und Sonnabend jeweils um 15:00 Uhr antreten. Marschieren und Lieder singen. Unsere kleinen Führer füttern uns mit dem nationalsozialistischen Gedankengut als geistige Nahrung. Geländespiele dienen unserer Körperertüchtigung.
Ich gehe auf das Gymnasium, heute Oberschule für Jungen, in meiner Heimatstadt.
Mein Geburtsort war während meiner Entwicklung eine Kreisstadt im Herzogtum Braunschweig.
Während der Nazizeit waren wir mit Hannover und Preußen verbunden.
Nach dem 2. Weltkrieg von den Briten besetzt und verwaltet.
Die Geburtsstunde des Bundeslandes Niedersachsen ist der 1. November 1946.
Bei dieser Gründung wurde festgelegt, dass Hannover die Landeshauptstadt wird.