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Frühlingszauber


Die Blüten des Sauerkirschbaumes waren von einem Weiß, das an den gerade zu Ende gegangenen Winter erinnerte. Laurelia, eine kokette Sauerkirsche, wirbelte ihre dünnen Ärmchen wie Schlangen durch die Luft und betrachtete sich dabei von allen Seiten, als sei sie eine Braut. »Dieses Jahr wird ein ganz besonderes Jahr«, jauchzte sie in Vorfreude auf die Ankunft der Bienen, die sich noch ziemlich rarmachten. »Meine Kirschen werden weder sauer noch süß schmecken, sodass die Maden mich meiden, die Vögel und Menschen mich aber lieben werden.« Die Linde auf der gegenüberliegenden Seite peitschte ihre hellgrünen Blätter durch die Luft. »Ach, Laurelia, ich beneide dich. So sehr ich mich auch herausputze, aus mir wird nie eine Braut.« Gänseblümchen hatte das Gespräch zufällig mit angehört. Sie lief zur Linde, legte ihre Arme um deren dicken Stamm und tröstete sie. »Liebe Taulafi, nicht die Farbe deines Kleides ist wichtig, sondern die Anmut, mit der du dein Kleid trägst. Dein Anblick erfreut nicht nur mich. Wenn meine Mama in den Garten hinausschaut, bleiben ihre Augen nicht nur an Laurelia hängen, sondern auch an dir, an Rialta und Schiwalu. Dabei atmet sie tief ein und fragt mich jedes Mal: 'Gänseblümchen, ist es nicht herrlich, wenn der Frühling all diese Wunder entfacht?'« Rialta war die weiß-schwarz-stämmige Birke, die schon zwanzig Jahre ihren Schatten in den Garten warf. Und die Blautanne Schiwalu hatte bereits an die fünfunddreißig Jahre an der Wetterseite des Hauses gestanden. Sie hielt die Sturmböen und den Lärm der Straße von Gänseblümchens Haus fern. Weder zu starker Regen noch zu kräftiger Sturm sollten das Mädchen ängstigen oder das Dach des Hauses beschädigen. Hansiki kam herangeflogen. Der junge Star war ein kleiner Hallodri. Den letzten Winter hatte er zu einer Selbstfindungsphase auserkoren. Während seine Familie den kalten Teil der Welt verlassen hatte, um auf der warmen Halbkugel zu überwintern, hatte sich Hansiki eine Unmenge an Heu und ausgekämmten Katzenhaaren, die er auf den Balkonen und Terrassen der Dorfbewohner gefunden hatte, in seinen Wohnkasten gestopft. »Chillen statt Klotzen«, hatte seine Devise gelautet. »Warum soll man immer das tun, was die Eltern und Großeltern richtig finden? Warum nichts in Frage stellen?« Es war selbstverständlich auch für Hansiki ein Abenteuer gewesen, allein zu überwintern, ohne zu wissen, worauf er sich einließ. Im Garten stand ein Vogelhaus, in das Gänseblümchens Mutter Sonnenblumenkerne gelegt hatte, sobald der erste Schnee gefallen war. Hansiki liebte diese köstlichen Samen des Sommers. Und wenn der Schnee so hoch gelegen hatte, dass für Nachschub nicht sofort gesorgt werden konnte, hatte er sich auch mit den Meisenknödel zufriedengegeben. Hauptsache, der Bauch war voll. Im Starkasten war es gemütlich warm gewesen, denn der Winter hatte ein Einsehen mit dem Vogel gehabt und die Temperatur in der Nacht nie niedriger als auf minus 10 Grad sinken lassen. Das war auszuhalten gewesen. Und wenn der Frost doch unverschämt ins Eingangsloch gelugt hatte, hatte der schlaue Vogel Katzenhaare von Kaschir hineingestopft, die beim Auskämmen als dickes Knäuel vom Wind weggetragen und von Hansiki eingefangen worden waren. Er hatte nicht wirklich frieren müssen. Aber der Winter hatte sich bis zum April gezogen. Hansiki hätte nicht gedacht, dass ihm die Sonne so fehlen würde. Die dicken Wolken aus Schnee hatten den Sonnenstrahlen lange den Weg auf die Erde versperrt. Ende Februar hatte eine tiefe Depression sein Gemüt zu verdunkeln begonnen. Er war oft tagelang ohne Futter in seinem weichen Zuhause liegen geblieben, und die Kräfte hatten ihn zusehends verlassen. Zu faul, sich im Vogelhäuschen ein paar Körnchen zu picken oder auf die Terrasse zu fliegen, um mit Gänseblümchen zu sprechen, hatte er jeglichen Sinn für Zeit verloren. Wer weiß, was von ihm übriggeblieben wäre, hätte die Sonne nicht ein Mitleid mit ihm und den Frühling nicht im Schlepptau gehabt. Mit langen, wärmenden Strahlen erhellte sie nun den Star-Kasten. Die Lebensgeister waren in das kleine Herz des Vogeljünglings zurückgekehrt. Jetzt ging es ihm langsam besser. »Halli-hallo-hallöchen«, rief er im Tiefflug, und Gänseblümchen beugte sich schützend über Kaschir. »Ist es nicht herrlich im jubelnden Garten?« Der Frohsinn des Vogels war so ansteckend, dass selbst die eingebildete Forsythie Santille ihre gelben Blüten in die Luft warf und sich mehrmals um sich selbst drehte. »Huiiii«, jauchzte sie, um sich ganz schnell wieder in Position zu bringen und an ihren Zweigen zu zupfen, als schäme sie sich ihrer Gefühle. Gänseblümchen sah mit dem ihr eigenen Glanz dem Treiben zu und war glücklich.


Gänseblümchen und ihre außergewöhnlichen Freunde

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