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SEGANTINI-Museum

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Als sie am nächsten Morgen den Kaffee auf den Esstisch in ihrer Küche stellte, viel ihr Blick auf die Visitenkarte, die sie gestern Abend dorthin gelegt hatte und nach dem Frühstück machte sie sich bereit für einen Museumsbesuch.

Nachdem sie den kurzen Anstieg von der Hauptstrasse über einen steilen Bergweg hinter sich hatte, stand sie vor dem Segantini-Museum und schaute hoch zur Kuppel, wo die wohl bekanntesten drei Werke des ‚Meisters des Symbolismus‘ einen würdigen Ruheplatz gefunden hatten.

‚La vita, La natura und La morte.’ Mumtaz erinnerte sich gut an die Nahmen und die aussergewöhnliche Leuchtkraft des weltbekannten Triptychons. Aber eigentlich war sie viel zu aufgeregt für einen Museumsbesuch. Das änderte sich erst recht nicht, als Nick, der wie immer perfekt gekleidet war, zu ihr trat:

„Wie möchtest du deinen Kaffee, Mumtaz? Mit viel Milch und wenig Zucker?“

„Ja, gern,“ antwortete sie.

„Komm mit. Hier hinten gibt es einen ruhigen Platz. Frau Meyer wird uns den Kaffee bringen.“ Der Mann hatte bereits abgedreht, aber Mumtaz liess sich nicht so schnell überreden und blieb stehen. Auf keinen Fall würde sie jetzt einfach so mit diesem fremden Mann mittraben.

„Woher wissen sie, wie ich meinen Kaffee trinke und wieso kennen sie überhaupt meinen Namen?“

Sie gab sich Mühe unbeeindruckt zu erscheinen.

Der Mann blieb stehen und drehte sich zu ihr: „Das mit dem Kaffee habe ich erraten und deinen Namen herauszufinden, war nicht sehr schwierig,“ antwortete er mit ruhiger Stimme. „Dich zu einem gemeinsamen Kaffee zu bewegen, hat mich hingegen beinahe an meine Grenzen gebracht. Aber ich bin nach wie vor davon überzeugt, dass sich das gelohnt hat.“

Er machte eine einladende Geste mit seinem rechten Arm und liess Mumtaz, die sich kopfschüttelnd ergeben hatte, vorausgehen.

Der Kaffee stand bereits auf einem Holztisch unter den schützenden Ästen einer alten Fichte. Mumtaz setzte sich auf die Bank gegenüber dem Mann, der nachdenklich in seinem Kaffee rührte und schweinbar abwesend zu den Bergen hinter dem Museum hochschaute.

Mumtaz war irritiert: „Was sehen sie da oben?“

„Den wolkenlosen, blauen Himmel.“

„Es gibt nichts, was langweiliger wäre, als der blaue, wolkenlose Himmel.“

„Da hast du allerdings recht,“ bestätigte er und wartete entspannt auf die nächste Frage, die Mumtaz stellen würde. Sie liess sich Zeit, was ihn allerdings nicht beeindruckte und die Stille, die folgte war keineswegs unangenehm. Als Mumtaz sich davon überzeugt hatte, dass er gelassen und scheinbar ewig auf sie warten konnte, stellte sie die nächste und naheliegende Frage.

„Warum haben sie mich hierher bestellt?“

Der Mann schaute ihr tief in die Augen: „Weil ich womöglich eine Assistentin brauche und glaube, dass du die Richtige dafür bist.“

„Die Richtige wofür?“

„Um eines oder mehrere Rätsel zu lösen,“ antwortete er.

„Was für Rätsel?“

„Das kann ich dir erst sagen, wenn du dich für den Job entschieden hast.

„Und wie stellen sie sich das vor? Assistentin… Was soll das heissen? Viele Männer hätten gerne eine Assistentin. Ausserdem scheinen sie viel herumzureisen. Ich lebe und arbeite in St. Moritz. Meine Chefin wird mich niemals gehen lassen, ohne auf die gesetzlichen Kündigungsfristen zu bestehen und das wären in meinem Fall drei Monate.“

„Dann gib mir ihre Telefonnummer. Es gibt immer eine Lösung.“

Mechanisch gab sie ihm die Visitenkarte der Pension Sonnenschein.

„Deine Wohnung könntest du behalten. Ich weiss, dass du gerne dort bist.“

„Und was wissen sie sonst noch alles?“ Sie schaute ihn misstrauisch an.

Nick trank den Rest seines Kaffees in einem Schluck: „Eigentlich weiss ich nur, dass ich heute noch viel zu tun habe. Du musst mich jetzt leider entschuldigen. Überleg es dir gut, Mumtaz. Ich werde dich zu nichts drängen, was du nicht selber willst, hoffe aber, wieder von dir zu hören.“

Damit erhob er sich und trat zu Frau Meyer, die bereits am Museumseingang auf ihn wartete. Mumtaz blieb noch einen Moment nachdenklich sitzen, bevor sie sich auf den Rückweg machte. Auf dem Weg in ihre Wohnung viel ihr im Schaufenster einer Bijouterie ein altes Tourismus-Plakat auf:

Der zeitlose Slogan: St. MORITZ – THE TOP OF THE WORLD stand in fetten, schwarzen Buchstaben über einer Grafik von fröhlichen Menschen mit braunen Pferden, die sich an der schneeweissen Rennstrecke des zugefrorenen Silvaplanasees tummelten.

Das bereits Sommer war, schien den Juwelier nicht zu kümmern.

„St. Moritz, …the top oft the world,“ flüsterte Mumtaz.

Bisher hatte sie immer über diesen Werbespruch gelächelt. Diesmal nicht.

Zurück in ihrer Wohnung, machte sie sich für einen Ausflug bereit. Sie wollte nach Sils-Maria und den Nachmittag am Silsersee verbringen, denn dort konnte sie am besten nachdenken.


Als sie am nächsten Tag bei der Arbeit erschien, trat ihre Chefin mit einem strahlenden Lächeln zu ihr: „Mumtaz, ich gratuliere dir zu deiner neuen Stelle. Du kannst natürlich per sofort dort beginnen. Ich wäre aber froh, wenn du noch bis Ende Monat hierbleiben würdest. Das sind noch fünf Tage. Einverstanden?“

„Ja, selbstverständlich,“ antwortete Mumtaz verwirrt und realisierte in diesem Moment, dass jemand anders für sie entschieden hatte und es sie erstaunlicherweise nicht störte, denn das viele Nachdenken am Silsersee hatte nichts gebracht.

Ihre Chefin tauchte an diesem Tag nicht mehr auf. Gut möglich, dass sie sich wieder hingelegt hatte oder den Tag auf eine andere angenehme Weise verbrachte. So hatte sie jedenfalls ausgesehen, als sie sich zufrieden lächelnd verabschiedet hatte.



Mumtaz und Nick

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