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1.5.6 Fazit: Provokation der menschlichen ratio
ОглавлениеBiblisch-konfessorische Wunder provozieren Staunen, Entsetzen, Lobpreis und göttliche Erkenntnis, denn sie überschreiten die Grenzen des mit menschlicher ratio Erwartbaren und Erklärbaren. Sie legen gleichsam den Finger in die Wunde eines sich selbst absolut setzenden, naturwissenschaftlich-rationalen Wahrheitsbegriffs. Der Wunderglaube impliziert eine unsichtbare Wirklichkeit jenseits empirisch beschreibbarer, naturwissenschaftlich erforschbarer und mathematisch berechenbarer Wirklichkeit. Wunder verweisen auf Geschehnisse zwischen Himmel und Erde, die mit nüchtern-analytischem Blick nicht zu erfassen sind.
„Die neutestamentlichen Wundergeschichten sind nicht irrational, paranormal oder schamanisch, sondern friktional zu verstehen. Sie sind Ausdruck einer alternativen Wirklichkeitserschließung, die sich ihren Blick nicht durch die Sachzwänge von Normierungen und Normalisierungen verstellen lässt.“1
Es ist eine Aufgabe dieses Buches, die Wundertaten und Wundertexte von der Messlatte aufgeklärter Vernunft zu befreien und ihnen den Stellenwert in Wirklichkeit und Theologie zurückzugeben, der ihnen angemessen ist.
Wunderbegriffe
profan-ästhet. Wunderbegriff | kontingent-liberativer W.-begriff | bibl.-konfessorischer W.-Begriff | |
gr. Terminus | thaumásion | parádoxon | adýnaton |
Messlatte | das Gewöhnliche | das Wahrscheinliche | das Mögliche/feste Ordnungen |
Gegenstand | ästhetische Objekte (Natur, Kultur, Technik) | heilvolle, kontingente Ereignisse | heilvolles, Normen sprengendes Eingreifen Gottes |
Ursache/Wertung | rational erklärbar; ‚kein Wunder‘ | göttliche Fügung oder Zufall? | göttliche Wundertäter, rational nicht erklärbar |
Reaktionen | Staunen, Verwunderung, Erweiterung des Weltbildes | Dankbarkeit, Glück, Freude, Erleichterung, Hoffnung | Furcht, Entsetzen, Lobpreis, Bekenntnis, Glaube, Nachfolge, Hoffnung, Widerstand |
Differenzierung der Wunderbegriffe
Abstufungen des Begriffs ‚Wunder‘