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1.6.1 Heilungswunder/Therapien
ОглавлениеDie verbreitetste Form antiker und biblischer Wunderberichte sind Heilungswunder (Therapien). Sie beschreiben die Heilung eines physischen Gebrechens, einer Behinderung oder psychogenen Störung. Regelmäßige Bestandteile solcher Wundertexte sind die Beschreibung der Not (ohne medizinische Präzisierung), die Begegnung des Kranken mit dem Wundertäter, der Wundervollzug und Reaktionen darauf. Die Krankheitsursache spielt nur eine marginale Rolle. – Der Babylonische Talmud bietet als Beispiel für eine Therapie ein Wunder Chanina ben Dosas:
„Einst erkrankte der Sohn Rabbi Gamaliels, und er sandte zwei Schriftgelehrte zu Rabbi Hanina ben Dosa, daß er für ihn um Erbarmen flehe. Als dieser sie sah, stieg er auf den Söller und flehte für ihn um Erbarmen. Beim Herabsteigen sprach er zu ihnen: Geht, das Fieber hat ihn verlassen. Da sprachen sie zu ihm: Bist du denn ein Prophet? Er erwiderte: weder bin ich ein Prophet noch der Sohn eines Propheten; allein so ist es mir überliefert: ist mir das Gebet im Munde geläufig, so weiß ich, daß es angenommen, wenn nicht, so weiß ich, daß es gewirrt wurde. Hierauf ließen sie sich nieder und schrieben die Stunde genau auf, und als sie zu Rabbi Gamaliel kamen, sprach er zu ihnen: Beim Kult, weder habt ihr vermindert noch vermehrt; genau dann geschah es, in jener Stunde verließ ihn das Fieber, und er bat uns um Wasser zum Trinken.“1
Das Krankheitsspektrum reicht von Lähmungen (Mk 2,1–12 u.a.) über Leiden der Sinnesorgane (Blindheit, Taubheit, Taubstummheit) bis hin zu psychogenen Erkrankungen wie Blutfluss und Besessenheit. Die Wunderinitiative geht meistens vom Patienten aus (anders Joh 5,1–9; 9,1–7). Die einzelnen Erzählteile können unterschiedlich lang und pluriform ausfallen. Manche Heilungen dienen als Anlass für einen Normenkonflikt (z.B. Sabbatheilungen; ‚Normenwunder‘), bei Fernheilungen kommt es zu einer kontaktlosen Heilung über Distanz.