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2.

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Die Kälte war auch durch den schnell heraufziehenden Morgen nicht gebrochen worden. Weit im Norden waren die Gebirgsmassive der Mogollon Mesa sichtbar. Im gebirgigen Land, tief unten in den Tälern, schlängelte sich der Verde River nach Süden, um sich irgendwo mit dem Salt River zu vereinen, der dann im Gila River enden würde. Rau und herbstlich öde, war „das Land der kleinen Flüsse“, wie es von den Indianern einst genannt wurde. Der Wind trieb schwere, dunkle Wolken vom Norden heran und zerrte auch an dem Reiter, der einsam und allein durch die unwirtliche Gegend ritt.

Der Hunger wühlte in Buck Jones Eingeweiden. Kein Wild war ihm vor den Lauf gekommen. Er hatte sich selbst wie ein verfolgtes Wild gefühlt. Kaum hatte er die kleine Rinderstadt Warso verlassen, als sein Instinkt ihn warnte. Kaum aus der Stadt heraus, hatte er die Reitergruppe erblickt, die ebenfalls die Stadt verließ. Der Sheriffstern des Anführers leuchtete weithin. Buck hatte nicht lange gezögert und sein Pferd in das Gebiet geführt, dessen granitharter Boden jede Fährte auslöschte. Er ritt den Falbwallach in scharfem Trab und sah sich immer wieder um. Er nutzte jede Deckung aus. Als er glaubte die Verfolger abgeschüttelt zu haben, schlug er einen Bogen und tauchte mit seinem Falbwallach in einen Fichtenwald ein. Mittags sah er die kleine Stadt Warso weit unter sich liegen, umgeben von saftigen Weiden. Oft hatte er in das Valley geblickt, doch heute war alles anders als sonst. Es war, als ob eine riesige, unsichtbare Mauer um das Valley errichtet worden sei. Seine Kehle zog sich zusammen. Heiß stieg es ihm in den Augen auf.

„Weiter!“, sagte er halblaut und lenkte sein Pferd am Hang zurück. Das wilde, herrliche Land nahm ihn wieder auf.

Zwei Stunden später wurde er durch entfernt niedergehenden Steinschlag aus seiner Ruhe gestört. Er versuchte nicht, die Ursache zu ergründen, sondern brach sofort auf. Weiter ging es, Meile um Meile. Es dämmerte, als er die große Blockhütte vor sich liegen sah Sie stand zwischen den Jungtannen, die in den vergangenen Jahren, als er das letzte Mal hier gewesen war, größer und prächtiger geworden waren. Das Blockhaus selbst war unansehnlich geworden. Wind und Wetter hatten ihre Arbeit getan. Es zeigte Sprünge im Holz und ein reparaturbedürftiges Dach. Einige Corralpfähle waren umgeknickt. Moos und Gras wuchs mit Unkraut vereint in dem kleinen Garten. Ein bärtiger Mann trat jetzt aus dem Blockhaus. Er war vom Alter gebeugt. Sein verrunzeltes Gesicht erinnerte an Pergamentpapier. Er trug ein Joch, an dem zwei Wassereimer hingen. Plötzlich, ohne einen ersichtlichen Grund, blieb er stehen, hob das Joch von seinen Schultern und stellte die Eimer zu Boden. Laut sagte er: „Ich wittere dich, Buck. Komm nur aus der Deckung heraus.“ Das Gesicht des Alten zeigte ein breites Grinsen. Das Grinsen verstärkte sich, als Buck aus der Deckung ritt. „Habe ich nicht immer gesagt, dass du eines Tages vor mir stehen würdest, mein Junge!“, fuhr er fort.

„Henry, du musst ein Hellseher sein, oder war der Sheriff schon vor mir hier?“

„Stimmt, vor einer halben Stunde ritt Miland davon!“

„Also doch! Der Mann hat einen guten Spürsinn.“

„Wie ein Wolf, mein Junge. Er ist hinter dir her wie auch der Vormann der Bruce-Mannschaft.“

„Soll das heißen, dass der Kerl bereits ebenfalls hier war?“

Der Alte erkannte die Unruhe und die Bereitschaft Bucks, sofort weiterzureiten.

„Frank hat deine Rolle übernommen und führt die Reitergruppe ein wenig spazieren“, sagte er mit einem so eigenartigen Grinsen, dass es einem kalt über den Rücken laufen konnte. „Frank hat deine Figur und ist sehr einfallsreich. Er wird seine Rolle gut spielen, doch nur so lange, damit ich in Ruhe mit dir plaudern kann. Allzu lange kann man so scharfe Burschen wie Miland und Parler nicht narren. Es war keine gute Idee von dir, hierher zu kommen, aber dein guter Freund Gail Datrys hat dich wohl angelogen, als er sagte, dass Proviant in der Satteltasche sei?“

Überrascht zogen sich Bucks Augenlider zu Schlitzen zusammen. Von jeher war ihm Henry Carter unheimlich gewesen, doch jetzt war er es mehr denn je.

„Vielleicht hat einer meiner Männer dem guten Gail Datrys die Satteltaschen geleert, damit du gezwungen warst, zu mir altem Narren herauszukommen. Du warst ja schon zweimal hier, beide Male in der Absicht, meine guten Jungen des Rinderdiebstahls an Asa Melvis Ein-Kuh-Herde zu überführen. Dein Auftreten und die Art, wie du vorgegangen bist, haben mir immer Spaß gemacht. Ich sagte dir bereits, dass ich dich für einen schnellen und explosiven Mann halte, dem nur die richtige Leitung fehlt. Du hast jetzt wohl erkannt, welcher Corral für dich gut ist, oder?“

Die Überraschung Bucks wurde immer größer. Der alte Graubart schien bis in sein Herz hineinblicken zu können. Die altershellen Augen zeigten keine Erregung. Sie waren so kalt und glitzerten wie Eisstücke.

„Einige Tage hast du Warso richtig auf den Kopf gestellt, mein Junge“, sagte er und lachte in sich hinein. „Das verschlafene Nest wurde so richtig munter. Ich hätte etwas darum gegeben, wenn ich es miterlebt hätte. Es erinnert mich an die wilden alten Zeiten, als ein Mann ein kleines Nest durcheinanderwirbeln konnte, wenn es ihm Spaß machte.“

„Henry, es hat mir keinen Spaß gemacht!“

„Das ist um so schlimmer! Dir sind einfach die Nerven durchgegangen. Jetzt tut es dir wohl leid?“

„Nein, Henry!“

„Was soll ich denn glauben?“

„Dass ich Hunger habe und wie zerschlagen bin, dass ich mich kaum noch im Sattel halten kann. Ich möchte mich irgendwo verkriechen.“

„Nun, dann bleibe.“

„Und den Sheriff?“

„Ich vergaß dir zu sagen, dass du mir zweihundertfünfzig Dollar schuldest“, erwiderte der Graubart mit einem klirrenden Lachen. „Das ist genau die Summe, die man dir an angerichtetem Schaden zur Last legt. Ein halb zertrümmertes Whiskylager, zertrümmerte Salooneinrichtung und was sonst noch alles. Sheriff Miland machte ein ziemlich verdattertes Gesicht, als ich ihm deine Rechnung bezahlte. Er hätte viel lieber dich selbst gehabt. Er glaubte sein Opfer in der Falle zu haben.“ Der Alte lachte wieder glucksend in sich hinein. „Steig ab, mein Sohn! Ich habe dir den Jäger Miland vom Halse gehalten, und es ist mir ein Leichtes, den Vormann Parler auszuschalten.

Schließlich bin ich nicht ohne Einfluss auf Dan Bruce – und sein Onkel!“ Bei diesen Worten spuckte er scharf zur Seite aus und sah Buck durchdringend an. „Letzteres hast du nicht erwartet, wie?“

„Wahrhaftig nicht, Henry!“

„Nun, weder Dan noch ich legen Wert darauf, dass unsere verwandtschaftlichen Beziehungen ruchbar werden. Halte auch du deinen Mund geschlossen. Ich hätte meiner Nichte einen besseren Mann als Dan Bruce gewünscht. Wir gehen uns aus dem Weg. Vielleicht verstehst du nun, warum er meine Wildranch duldet?“

„Dazu tut er alles, um die kleinen Rancher gegen dich zu hetzen, Henry. Ja, nun begreife ich es richtig. Was war ich nur für ein Narr!“

„Der zweimal mit der Waffe in der Hand vor mir stand und einen Rustlerboss vor sich zu haben glaubte. Freund, ich habe es dir nicht übel genommen. Für Kämpfernaturen habe ich eine schwache Seite, dafür greife ich auch tief in den Geldbeutel. Geschenkt habe ich dir die zweihundertfünfzig Dollar nicht, du wirst sie abarbeiten müssen. Ich habe mir zwar damit auf etwas ungewöhnliche Weise einen Cowboy angeworben, aber ich bereue es nicht.“

Buck, der sich aus dem Sattel geschwungen und seinen Falbwallach angebunden hatte, erwiderte: „Ich werde mich in deine Lohnliste eintragen, Henry, auf die Lohnliste der Rechtlosen und Vogelfreien!“

„Gut so, mein Junge!“, unterbrach ihn Henry Carter. „Würdest du mein Angebot nicht angenommen haben, so würde dich Parler bald erwischt und als Pferdedieb unter die nächste Eiche geführt haben. Dein guter Freund Datrys war sehr ungehalten, als ich ihm sein Pferd bezahlte. Er verlangte einen unverschämt hohen Preis.“

„Henry, soll das heißen, dass Gail …“

„… mit Parler ritt, dass er ein Mann der kleinen Posse ist, die Parler begleitet.“

„Er schenkte mir sein Pferd, seinen Gurt mit Halfter und seinen Revolver. Ich begreife es nicht!“

„Versuch es auch nicht, mein Sohn! Vielleicht ist dieser ehemalige Freund nur Werkzeug eines Mannes, der dich aus der Stadt und dann in der Hölle haben wollte. Mache dir keine Gedanken weiter darüber. Dein Sonderauftritt in der Stadt hat vielen Männern gezeigt, zu was ein Mann fähig ist, wenn der Brandy ihn enthemmt. Dein ehemaliger Boss Asa Melvis hielt besonders viel von dir.

Einmal zog er mich ins Vertrauen und sagte: Wenn ich diesen Hitzkopf nicht immer wieder zur Ordnung rufen würde, würde Dan Bruce einen Feind bekommen, der das Gefüge der Sippe bis in die Grundfesten zum Wanken bringen könnte. Ist dir jetzt noch danach zumute, Freund?“

Bei diesen Worten hielt der Alte Buck zwei Quittungen unter die Nase, in denen Sheriff Miland und Rancher Gail Datrys bestätigten, ihr Geld erhalten zu haben, der eine für den Schaden, der andere für den Falbwallach. Mit einem Grinsen zerriss Henry beide Quittungen. Er wiederholte noch einmal eindringlich seine letzte Frage: „Ist dir noch danach zumute, Cowboy?“

Buck zuckte zusammen. Seine Schultern sanken herab. Er hielt dem Blick des Alten stand.

„Ich weiß nicht, Henry. Wenn einem so flau wie mir im Magen ist, wenn man sich wie ich nur mühsam auf den Beinen hält, dann hat man keine besonderen Ideen. Auch das Verlangen, eine Welt zu stürzen, ist dann weit fort. In meinem Kopf dröhnt es, und meine Augen wollen aus den Höhlen fallen. Ich weiß nicht recht, Henry. Überlege es dir gut, mich aufzunehmen. Hat man dir auch gesagt, dass ich Virginia Bruce ruppig in den Weg getreten bin?“

„Ja, meine Großnichte ist nicht zimperlich. Ich habe sie besonders gern. Ich hätte sie nie außer Landes geschickt, wie Dan es tat. Ich hätte sie weiterhin die Luft der freien Berge atmen lassen. Sie wäre auch hier prächtig groß geworden. Wer weiß, was man in der großen Stadt aus ihr machte! Wenn sie wie einst geblieben ist, hat sie keinen Schock bekommen.“

„Henry, das würde mich irgendwie erleichtern. Es hängt mir wie Zentnergewichte an den Schultern. Ich werde wohl weiterreiten und dir vorerst dein Geld schuldig bleiben müssen, Henry. Du hast mehr für mich getan, als ich annehmen kann.“

„Mit anderen Worten, du willst dich drücken? Glaubst du denn, ich will auf mein Geld warten? Ich mache keine Abzahlungsgeschäfte, mein Junge. Jetzt, wo meine guten Jungen deinen ehemaligen Boss, meinen guten Freund Asa Melvis, tot und ausgeraubt am Ufer des Verde Rivers gefunden haben, schon gar nicht.“

Buck Jones Mund öffnete sich wie zu einem Schrei, doch kam kein Wort über seine Lippen. Er schluckte. Weit aufgerissen waren seine Augen.

„Das kann doch nicht wahr sein!“, schrie er dann heraus.

„Doch, und mir möchte man die verteufelte Untat in die Schuhe schieben, mein Junge“, sagte Henry Carter mit kalter Stimme. „Meine Männer hatten das Pech, gesehen zu werden, als sie sich über den Toten beugten. Man will mir ans Leder. Nun, Dan Bruce kann mich nicht leiden, doch so weit sind er und seine Brüder noch nicht gegangen. Ich halte Dan nicht mehr für stark genug, um eine Schutzbarriere für mich vor seinen Brüdern Skip und Hod zu errichten. Mit ihnen bin ich nicht verwandt, ihnen bin ich ein Dorn im Auge und im Wege, diesen beiden und Sheriff Miland. Darum, mein Junge, bestehe ich darauf, dass du mit deinem Colt in meine Crew kommst, oder aber ich schlage dich zu Boden, so wahr ich Henry Carter heiße!“

Wieder lachte er dröhnend auf, so dass Buck erschauerte. „Vielleicht war Miland nicht meinetwegen hier, Henry?“, sagte Buck. Er war sehr bleich und stand mit flackernden Augen da. „Ich könnte mir denken, dass Miland deine Cowboys sprechen will?“

„Du hast es erfasst. Genau das wollte er! Als er drei Coltmündungen auf sich gerichtet sah, vergaß er, Fragen zu stellen. Er erkundigte sich danach nach dir. Wir beide, du und ich, wir haben

einen guten Freund zu beklagen“, fuhr Henry Carter fort. „Man hätte zu gern dir eine solche Tat angehängt, doch du hast eine zu große Vorstellung gegeben. Geh ins Haus, dein Pferd versorge ich.“

Henry Carter gab Buck einen freundschaftlichen Schlag auf die Schulter. Gletscheraugen hat er, dachte Buck, und wieder fror er. Er ging in das Blockhaus hinein, schloss die schwere Tür hinter sich und sah sich um. Die Inneneinrichtung kannte er. Sie war so klobig wie alles an diesem Haus. Handgearbeitete Möbel, Regale, ein gemauerter Kamin, Bisonfelle an den Wänden und auf dem Fußboden, das alles war stark verschmutzt, wie die kleinen Fensterscheiben in den schießschartenähnlichen Löchern. Das Licht drang gedämpft herein. Sieben Betten standen hinten an der Wand. Der Geruch von Tabak und Schweiß, von Fetten und Ölen hing schwer im Raum, den Henry Carter mit seiner Mannschaft teilte.

Niemand von der Mannschaft war hier. Die Betten waren unordentlich. Sie waren so liegengeblieben, wie die Männer sie am Morgen verlassen hatten. Buck störte es nicht. Er suchte sich eine Lagerstatt aus, schnallte seinen Gurt ab, hängte ihn mit Halfter und Colt an den linken Bettpfosten, zog die Stiefel aus und legte sich dann hin. In wenigen Minuten war er fest eingeschlafen. Der Schlaf würde ihm sicherlich die nötige Entspannung bringen.

Die Rechtlosen

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