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3.

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Es dunkelte bereits, als er erwachte. Ein Feuer prasselte im offenen Kamin. Der rot lodernde Lichtschein umriss in klarer Schärfe die Silhouette einer verteufelt gut gewachsenen Frau oder eines Mädels. Das weibliche Wesen hockte vor dem Kamin und blickte wohl in die Flammen. Wie aus weiter Ferne hörte Buck ihre Stimme.

„Sie wollten mich nicht zu dir lassen, Onkel Henry. Es gab einen unschönen Auftritt zwischen meinem Vater und mir. Er hasst dich, Onkel Henry. Er nennt dich das schwarze Schaf der Familie, einen Wilden. Er sagte, man hätte dich nicht von den Apachen befreien, sondern für immer dort lassen sollen. Warst du jemals bei den Apachen?“

„Darling, sieben lange Jahre. Als man mich raubte, war ich ein Kind, und erwachsen, als man mich durch eine Patrouille den Apachen abnahm. Die eigenen Eltern haben mich dann auch kaum noch wiedererkannt. Es war für mich nicht leicht, wieder ein Weißer zu werden. In sieben Jahren war ich nicht nur äußerlich ein Apache geworden. Ich dachte und handelte wie sie, ich gehörte zu ihnen. Vielleicht bin ich ganz tief im Herzen ein Apache geblieben, ein Wilder, wie dein Vater es nennt. Ich freue mich, dass du gekommen bist, Mädel.“

„Ich wollte mir Buck Jones ansehen, Onkel“, erwiderte sie, „den Mann, der die ganze Stadt durcheinanderwirbelte und …“

„… dich küssen wollte, Darling“, unterbrach Henry Carter sie mit einem rau klingenden Lachen. „Deine Neugier ist zu entschuldigen. Doch wer sagte dir, dass du ihn hier finden würdest?“

„Dad“, erwiderte sie. „Dad sagte, dass du es irgendwie fertigbringen würdest, ihn aufzuhalten und in deine Mannschaft einzustellen. Er sagte, dass es dir ein höllisches Vergnügen bereiten würde, Jones bei dir aufzunehmen. Er betrachtete es als eine Bosheit, Männer aufzunehmen, die im

Lande nichts zu suchen hätten, die man mit der Treiberpeitsche davonjagen sollte. Oh, er sagte noch mehr über dich und über Buck Jones!“

„Tat er das? Das ist nicht weiter verwunderlich. Dein Vater war immer anderer Meinung als ich. Für ihn war das, was seine Brüder sagten, maßgebend. Er hat sich immer auf seine Brüder verlassen und sich ihnen immer mehr in die Hände gespielt. Er vertraut ihnen zu sehr, Darling.“

„Worauf willst du hinaus, Onkel?“

„Mädel, halte deine Augen offen“, erwiderte Henry Carter. „Jetzt bist du erwachsen und wirst dir eine eigene Meinung bilden müssen. Miland, der Sheriff, Skip und Hod Bruce, diese drei sind zu oft zusammen. Sie gefallen mir alle drei nicht.“ Henry Carter brach ab, kam rasch an Buck Jones Lager und sagte: „Wenn du schon nicht schläfst, dann zeige es auch. Steh auf, Cowboy!“

Ein wenig schlaftrunken erhob sich Buck. Er hörte Carter sagen: „Dieser hoffnungsvolle junge Mann wird sich jetzt für sein schlechtes Benehmen bei dir entschuldigen, Virginia. Ich werde dafür sorgen, dass er sich nicht wieder volllaufen lassen kann, um dann junge Mädchen zu erschrecken. Er wird keinen Brandy mehr anrühren.“

„Das, Henry, kann ich nicht versprechen“, erwiderte Buck. Er erhob sich vom Lager und sah in das lächelnde Gesicht des jungen Mädchens hinein. Virginia Bruce hatte sich vom Kamin abgewandt und blickte ihm fest in die Augen. Sie war aufreizend schön, wie er mit einem Blick feststellte. Ihre großen, dunklen Glutaugen standen in einem schmal geschnittenen Gesicht, in dem ein roter, geschwungener Mund wie eine Flamme brannte. Das goldgelbe, glänzende Haar schien viel zu schwer zu sein. Es war zu einem Knoten im Nacken zusammengerafft, in dem ein Perlmuttkamm steckte. Sie war schlank und biegsam gewachsen. Sie muss einen schönen Eindruck von mir haben, dachte Buck. Sie betrachtet mich so, wie man einen Löwen hinter Gittern betrachtet. Für sie bin ich ein wildes Tier, das man anstaunt, von dem man aber nicht erwarten kann, dass es menschliche Manieren zeigt.

„Ich muss mich bei Ihnen in aller Form entschuldigen, Madam“, sagte er mit ein wenig kehlig klingender Stimme, aus der man gut Abwehr und Trotz heraushören konnte. „Ihr Onkel war so freundlich, mich in seine Lohnliste einzutragen. Ob es sich lohnt, das muss sich erst noch zeigen.“

„Er ist in der Tat wieder so munter, dass er unverschämt wird“, mischte sich Henry Carter ein. „Ein gutes Zeichen! Es hätte mir nicht gefallen, wenn die kleine Jagd auf ihn ihm das Rückgrat gebrochen hätte. Schau ihn nur richtig an, Darling, so sieht ein Mann aus, der aus einem Hühnerstall kletterte.“

Heranjagender Hufschlag ließ den alten Mann abbrechen. Er warf einen schnellen Blick auf das Mädchen und auf Buck, der nach seiner am Bettpfosten hängenden Waffe griff. Henry Carter schob seine Nichte mit sanfter Gewalt in einen der klobigen Stühle hinein, ergriff dann eine am Nagel hängende Winchester und verließ zusammen mit Buck das Haus.

Die Handlungsweise der beiden Männer zeigte deutlich, dass sie auf alle möglichen Überraschungen gefasst waren. Sie sprachen kein Wort. Beide handelten impulsiv, wie es eine innere Stimme befahl. Die Tür schlossen sie hinter sich. Auf der Veranda blieben sie stehen und schauten in die Nacht hinein, dorthin, wo die Gestalt eines Reiters sich deutlich gegen den hellen Nachthimmel abhob.

„Es ist Frank“, sagte Henry aufatmend. Seine Falkenaugen hatten den Reiter bereits erkannt, noch bevor dieser die Corrals erreicht hatte. Der Reiter hatte in der Tat eine ähnliche Figur wie Buck, er war schlank und drahtig. Beim Näherkommen erkannte man das kantige, scharf geschnittene Gesicht des Reiters deutlicher.

„Er wird staunen, wenn er meine Großnichte hier sieht. Noch nie ist das vorgekommen. Sie hat sich einfach die Freiheit genommen, ihren in der ganzen Verwandtschaft so verrufenen Onkel aufzusuchen. Es tut mir leid, dass sie sich nicht vorher anmeldete und dass wir keine Girlanden aushängen konnten. Vielleicht kam sie auch nur deinetwegen, mein Sohn.“ Er kicherte leise in sich hinein. „Begreife jemand die Frauen! Solange sie ein Kind war, konnte man ihr verbieten, mich zu besuchen. Wir sind uns zwar oft begegnet, doch meine Behausung war für sie tabu. Sie ist schon ein richtiges Mädchen geworden, und dass sie ihren Willen durchzusetzen versteht, das hat sie bestimmt nicht von Dan. Vielleicht wird sie bald sehend werden.“

Er verstummte, denn der Reiter war jetzt herangekommen und hielt vor der Veranda sein Pferd an. Er setzte sich aufrecht im Sattel und blickte von seinem Boss zu Buck hin. Ein Lächeln zeigte sich um seine Mundwinkel, verschwand aber gleich wieder.

„Hast du ihn also doch mit deinem Lasso eingefangen, Henry?“

„Er zappelt wie ein Fisch an der Angelschnur, der zu schnell den Köder nahm. Du hast wohl inzwischen die Meute abgehängt?“

„Vormann Parler hat ein verteufelt dummes Gesicht gemacht, als er feststellen musste, dass er hinter dem falschen Mann her war. Seine Freunde hätten mir gern anstelle von Buck Jones das Lasso übergestreift, viel hat nicht gefehlt. Für Parlers Meute bin ich genau wie er ein Rechtloser, ein Rustler, Wegelagerer oder noch Schlimmeres. Nie sah ich einen rachedürstigeren Mann als Parler. Seine Nase ist ganz schön zugerichtet.“ Frank Dinar lachte offen heraus. Die Erinnerung an Parlers Nase schien ihn mit unbändiger Heiterkeit zu erfüllen. „Parler jagt auf eigene Rechnung hinter dir her, Buck. Er wird nicht eher Ruhe haben, bis er dich oder du ihn mit einer Kugel aus der Welt geschafft hast. Dein Freund Gail Datrys ist bei ihm.“

„Gail Datrys versucht, sich ins richtige Licht zu setzen, ich kann es nicht ändern“, erwiderte Buck. „Er steht jetzt auf der anderen Seite und heult mit den Wölfen.“

„Es ist eine große Meute dort auf der anderen Seite“, erwiderte Frank Dinar mit einer gewissen

Sorge in der Stimme. „Danke Gott, dass du Dan Bruce nur einen Streifschuss beigebracht hast. Ein Wort von Dan, und über hundert Reiter werfen sich in den Sattel, um dich wie einen Hasen zu jagen.“

„Ich habe keine Angst, Dinar. Wenn du das glaubst, dann täuschst du dich!“

„Um so besser! Wer für Henry reitet, muss die Angst in sich begraben haben. Wir sind nur eine fünf Mann starke Mannschaft und stehen nicht im besten Ruf. Man dichtet uns allerlei an und bucht jede Untat auf unser Konto. Wenn Dan Bruce nicht mehr wäre, nichts hielte seine Brüder vor uns zurück. Solange Dan lebt, gibt es eine Schranke für seine raue Horde. Dan hält seine Brüder davon zurück, gegen uns anzugehen. Wie lange er es noch schafft, das ist eine andere Frage. Es steht fest, dass er immer mehr an Prestige verliert. Die Zügel werden ihm immer mehr aus der Hand genommen.“

„Frank, hast du Neues erfahren?“, wollte Henry ungeduldig wissen.

„Eine Menge, Boss! Der rote Skip hat sich mit drei Revolvermännern an einem versteckten Orte getroffen. Sicherlich hat er vor, sie gegen uns einzusetzen, jetzt, wo du offen deine Hand über Buck

Jones hältst, Boss. Wir können mit unangenehmem Besuch rechnen.“

„Das heißt, mit Revolvermännern der skrupellosesten Sorte, die Aufträge durchführen, die ein Cowboy entrüstet ablehnen würde?“

„Wenn ich die Namen der drei Kerle sage, wird deine Vermutung bestätigt, Boss. Skip wird sich hüten, diese Kerle in seine Mannschaft einzureihen oder in die Lohnbücher einzutragen oder sie gar Dan Bruce vorzustellen. Skip und Hod sind verteufelt ehrgeizig, und dabei ist ihnen Dan im Wege. Es schält sich immer mehr heraus, und nur Dan merkt es nicht. Es ist, als ob er blind sei.“

Bei diesen Worten hob sich Frank Dinar aus dem Sattel. Er ließ sein Pferd mit verhängten Zügeln stehen und kam die Verandastufen herauf. Vor Buck blieb er stehen und streckte ihm die Hand entgegen. Der nahm sie, und beide Männer tauschten einen Händedruck, der mehr war als nur eine Geste. Dieser Händedruck besiegelte eine Freundschaft. Henry grinste.

„So ist es recht! Ihr seid beide aus dem gleichen Holz geschnitten“, sagte er. „Ich kann das, glaube ich, gut beurteilen. Mein ganzes Leben habe ich unter Burschen von eurer Sorte zugebracht und habe somit genug Erfahrung gesammelt. Fünfzehn lange Jahre habe ich auf etwas Besonderes gewartet, jetzt scheint meine Erwartung erfüllt zu sein.“

Er lachte und schwieg dann. Er sprach sich nicht aus, doch lagerten auf seinem Pergamentgesicht dunkle Schatten. Einige lange Minuten standen die drei Männer im tiefen Schweigen versunken, indem jeder seinen eigenen Gedanken nachhing, dann brach Henry die Stille.

„Mein Bruder war der erste Pionier in diesem Lande. Ich war an seiner Seite, als er mit einer gewaltigen Treibherde von Texas hier heraufkam. Die Apachen ließen ihn ungeschoren, und ich glaube, er nahm mich nur mit, weil er um die guten Verbindungen wusste, die ich mit Geronimo hatte. Geronimos Horden haben uns in Ruhe gelassen. Mein Bruder konnte seine Ranch vergrößern, seine Herden wuchsen und gediehen. Er schuf ein Vorwerk nach dem anderen. Sein Name zog Cowboys an, und es war für sie eine Ehre, für John zu reiten. Er hielt ein gastliches Haus. Wer unter seinem Dach weilte, dem galt sein besonderer Schutz. Berühmte Männer hatte er unter seinen Gästen, rote und weiße. Unter ihnen waren Buffalo Bill, der in Wirklichkeit Cody hieß, Cochise, der große Apachenhäuptling, Custer, als er noch Leutnant war, und viele andere Männer, deren Namen einen guten Klang haben. Johns großer Kummer war, dass er keinen Sohn hatte, sondern einer Tochter sein Erbe überlassen würde. Judith wählte sich Dan Bruce aus einer großen Bewerberschar aus. John war von diesem Augenblick an sehr niedergeschlagen. Er starb bald und Judith folgte ihm. Dan Bruce übernahm die Leitung der Ranch und aller Vorwerke. Eines Tages kamen dann seine Brüder Skip und Hod, zwei skrupellose und ehrgeizige Burschen, die über ihre Verhältnisse lebten. Sie waren bekannt in den Spielrooms und Kneipen. Von diesem Augenblick an war die Topfhenkel-Ranch nicht mehr das, was sie ehemals war.“

„Henry, kurz nach dem Erscheinen der Bruce-Brüder hast du dir diese Ranch hier aufgebaut“, sagte Buck. „Bald darauf hieß es, dass geheime Rustlerhorden das Land unsicher machten und sich in nächtlichen Überfällen die besten Zuchtrinder von den Weiden holten. Von allen Ranches kamen Verlustmeldungen. Die stärksten Verluste erlitt die Topfhenkel-Ranch. Der Verdacht, dass du nicht unbeteiligt bist an dem Spiel, richtete sich allgemein auf dich.“

„Worauf viele Leute genau so wie du hereinfielen“, erwiderte Henry in seiner groben und rauen Art. „Ich konnte diese gezielten Gerüchte nicht zerstreuen. Ich hatte immer Reiter eingestellt, die keinen besonderen Ruf hatten. Meine Gegner nutzten das nach Kräften aus. Jetzt langt es mir endgültig. Jetzt, wo meine Großnichte Virginia zurückkam und die Zukunft der Topfhenkel in einem düsteren Licht erscheint, jetzt werde ich handeln.“

„Henry, mir ist, als hättest du mir eine Binde von meinen Augen gelöst“, erklärte Buck. „Was soll nun geschehen?“

„Eine Menge, Freund“, erwiderte Henry. „Skip und Hod haben bisher jeden Fehler vermieden. Die Rückkehr Virginias ist ihnen ein Dorn im Auge. Bisher haben sie ihrem Bruder Dan Theater vorspielen können. Er weiß nicht, dass sie nach und nach die Stammcowboys auf den Vorwerken durch harte Reiter ersetzten. Wir müssen herausfinden, wohin die gestohlenen Rinder kommen. Wir müssen erkunden, wo sie umgebrändet werden und wer sie abkauft. Wir müssen herausbekommen, wer Asa Melvis tötete und ausraubte. Jeder meiner Reiter wird alle Hände voll zu tun haben. Weil das so ist, haben wir unsere kleine Herde in ein Tal getrieben, wo sie nicht abwandern kann und ohne Herdenwächter auskommt. Haltet die Augen und Ohren offen. Die Gegner wissen genau, was sie von uns zu erwarten haben. Dass sie Revolverleute kommen ließen, ist nicht von ungefähr. Vielleicht hofft man, uns noch weitere Untaten anzuhängen. Das Schlimme ist nur, dass Dan Bruce, der Narr, nicht weiß, dass wir auf seiner Seite stehen.“

Die Rechtlosen

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