Читать книгу Feuerhimmel am Pecos - Larry Lash - Страница 6

1.

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Langsam bewegten sich die schwarzen Silhouetten von Reiter und Pferd vor dem leuchtend roten Hintergrund des flammenden Nachthimmels. Der Reiter führte sein Pferd am Zügel hinter sich her. Reiter und Pferd tauchten vor der Waldschneise auf, hoben sich minutenlang vor dem hellen Brandhimmel ab, dann waren sie auch schon wieder in die Nacht untergetaucht.

„Also doch!“, murmelte Dean Kinsay rau. Mit brennenden Augen schaute er über den Lauf seiner in Anschlag liegenden Winchester hinweg dorthin, wo Reiter und Pferd verschwunden waren.

Dean hatte ein wenig zu lange mit dem Schießen gezögert. Zu sehr hatte ihn das Erkennen aufgewühlt, dass der Mann in der Nacht der eigene Bruder war. By gosh, Dean hatte den Abzug nicht bedienen können! Er hatte die tödliche Kugel nicht aus dem Lauf gejagt. Die Kehle war ihm wie zugeschnürt. Eine seltsame Leere war in ihm, die sich im ganzen Körper ausweitete und ihm das Atmen schwermachte.

„Jube“, flüsterten seine Lippen, „Bruder!“

Die eigene Stimme klang Dean fremd. Es schien etwas in ihm in Stücke gegangen zu sein. Seine Schultern sanken tiefer. Ein heiserer Schluchzlaut kam über seine Lippen. Der Feuerhimmel am Pecos ließ rote Kringel vor seinen Augen tanzen. Schwäche schien Dean überfallen zu wollen, doch das schmetternde Krachen einer Schussdetonation ließ ihn jählings aufspringen und die Deckung verlassen. So schnell er konnte, arbeitete er sich durch das Gestrüpp vorwärts. Wieder krachte ein Schuss, und aus der Richtung, in der Jube verschwunden war, wurde das Feuer erwidert.

„Ron!“, keuchte Dean, als er nahe genug an die Deckung des Partners herangekommen war, „Heh, Ron, hast du den Kerl erwischt?“

Ron Brown meldete sich sofort. Das harte „Nein“ verriet seine Wut über die Fehlschüsse. „Kein Wunder auch“, sagte Ron mit heiserer Stimme. „Ich hätte ihn ganz bestimmt erwischen können, wenn du besser aufgepasst hättest. Keiner der Banditen wäre uns entkommen. Du hast wohl geschlafen und angenommen, dass unsere Leute das Banditennest dort drüben restlos ausgenommen hätten? Wir beide waren hier, um jeden Ausbruchsversuch zu zerschlagen. Man muss dir die Flucht des Kerls zuschreiben, bei dir kann er sich bedanken, Dean!“

Die Büsche teilten sich, Ron Brown erschien. Sein hochrotes, gesundes Gesicht glänzte vor Schweiß. Seine dunkelblauen Augen blitzten Dean wütend an. Die rauchende Winchester in der Hand deutete er dorthin, wo Jube verschwunden war.

„Einer hat es geschafft“, sagte er rau. „Nur der Himmel weiß, wem von dem Dutzend der Hartgesottenen der Ausbruch gelang. Letzten Endes kann es mir auch gleich sein, wer es ist. Er ist außer Reichweite, und es dürfte jetzt kaum noch möglich sein, ihn zu fangen. Die Nacht und der Wald schützen ihn vortrefflich.“

„Hast du ihn nicht erkannt?“

„Ich habe nur seine Silhouette gesehen, Dean“, erwiderte Ron Brown. „Eines weiß ich jedoch ganz sicher, dass er nämlich einen Streifschuss abbekommen hat. Er wird nicht weit kommen. Morgen werden wir ihn sicher erwischen, morgen ist er geliefert!“ Er setzte sich auf einen vom Blizzard entwurzelten Baumstamm. „Setz dich!“, forderte er Dean auf. „Wir können hier warten, bis das Aufgebot zurückkommt.“

Er lehnte die Winchester neben sich an den Baumstamm und langte nach dem Tabaksbeutel und dem Zigarettenpapier. Er hatte beides in seiner Hosentasche aufbewahrt. Langsam drehte er eine Zigarette und warf sie seinem Partner zu, der sie geschickt auffing. Dann rollte er sich selbst eine. Diese Tätigkeit nahm ihn so in Anspruch, dass er das blasse Gesicht Deans und das Zucken darin nicht bemerkte. Als er Feuer gab und die Zigaretten in Brand gesetzt worden waren, hatte Dean sich wieder so weit gefangen, dass sein Gesicht gleichgültig und ausdruckslos wirkte.

„Es war heute ein aufregender Tag und das Ende der Bande am Pecos“, fuhr Ron Brown fort. „Lange genug hat sie hier Angst und Schrecken verbreitet. Das ist nun vorbei. Man sollte einen Freudengesang anstimmen, Dean.“

„Danach ist mir nicht zumute, Ron“, sagte Dean abwehrend. „Ich frage mich nur, wie dieser letzte der Teufel entkommen konnte. Er muss mitten durch die Hölle gegangen sein. Dort drüben brennt das Banditennest lichterloh, unsere Leute hatten es sicherlich eingeschlossen. Es wird ein harter Kampf gewesen sein. Die Bande hat sich offenbar nicht ergeben und gefangen nehmen lassen. Irgendwo gab es sicherlich einen Ausschlupf, und unsere Männer haben das zu spät herausbekommen.“

„Wir werden es bald wissen. Was du da sagst, kann gut möglich sein. Die Bande hat mit der Erstürmung des Nestes rechnen müssen. Nur Narren hätten für diesen Fall nicht vorgesorgt. Aber wozu reden wir darüber. Man hat es den Banditen gründlich gegeben und das Nest angezündet. Jetzt können alle aufatmen und wieder ohne Sorge ihren Geschäften nachgehen. Einzelne Reiter brauchen nicht mehr zu befürchten, dass sie überfallen werden. Die Rancher brauchen keine Angst mehr zu haben, dass ihre Herden geraubt werden. Die Stagecoach braucht keine Begleitreiter mehr. Es ist, als würde in diesem Lande wieder die Sonne aufgehen.“ Ron Brown wischte sich den Schweiß von der Stirn. Er rauchte nervös und hastig. Die nur halb gerauchte Zigarette warf er zu Boden und trat die Glut aus. Er nahm die Winchester wieder an sich, lud nach und schaute angestrengt und ungeduldig in die Richtung, wo der Gluthauch des Feuerhimmels am Pecos sich noch verstärkt hatte.

Das Aufgebot ließ immer noch auf sich warten. Sicherlich untersuchte es noch die nähere Umgebung des Banditennestes. Die Maskenbande am Pecos war erledigt, in einer einzigen Nacht für immer außer Gefecht gesetzt worden. Sie bedeutete keine Gefahr mehr.

In Dean Kinsays braunen Augen standen dunkle Schatten. Er schloss sich seinem Partner an, als dieser die Winchester schulterte und sich in Richtung auf den Feuerschein zu in Bewegung setzte.

Das schmale Gesicht Dean Kinsays schien aus Stein gehauen zu sein, als er an der Seite Rons dahinschritt. Die lederfarbene Haut spannte sich über den ein wenig vorstehenden Wangenknochen. Das schwarze Haar quoll unter dem Stetsonrand hervor und fiel ihm sanft auf die Schultern.

„Was starrst du immer zum Himmel, als gäbe es dort etwas Besonderes zu sehen“, hörte er Ron sagen. „Gibt es etwas Außergewöhnliches?“

Dean schüttelte den Kopf und lachte leise in sich hinein. Er zwang sich dazu, das Toben in seinem Inneren zu unterdrücken.

„Es ist nichts, Ron“, sagte er. „Ich bin müde und brauche Schlaf. Eine Woche lang waren wir hinter der Maskenbande her und haben bei der Verfolgung kaum Schlaf bekommen. Das bleibt nicht in den Kleidern hängen. Ich bin froh, dass alles vorbei ist.“

„Wem, zum Teufel, sagst du das?“, erwiderte Ron. „Wir sind alle froh, dass es nun vorbei ist. Die Bande war schlimmer als die Comanchen und Apachenhorden, die ab und zu ins Land einfallen. Niemand war mehr seines Lebens sicher. Das ändert sich von jetzt an. Jeder kann beruhigt aufatmen.“

Dean gab keine Antwort. Vor den Männern war jetzt Hufschlag zu hören. Man rief ihre Namen in die Nacht hinein. Als sie Antwort gaben, tauchte ein halbes Dutzend Reiter vor ihnen auf. Einige von ihnen trugen frische Verbände, die Gesichter anderer waren vom Rauch geschwärzt. Die Siegesfreude funkelte deutlich in den Augen aller. Es gab keinen Zweifel daran, dass sich die Männer des Aufgebotes in einem Siegestaumel befanden.

Was unterschied diese Männer so sehr von denen, die sie gejagt und aus der Welt geschafft hatten? War es die Einbildung, dass sie im Recht waren, dass sie ein besseres Leben führten und der Gerechtigkeit dienten? Hier, in diesem Lande, das das Sammelbecken von Verlorenen, Langreitern und anderen undurchsichtigen Existenzen war, gab es noch kein Gesetz. Jeder konnte es sich auslegen, wie er es wollte, wenn er nur genug Revolver hinter sich hatte, die seiner Stärke Nachdruck verliehen. Hier war das Recht auf der Seite des Stärkeren.

Unwillkürlich schaute Dean Kinsay sich die Männer genauer an. Jeder von ihnen hatte etwas auf dem Kerbholz, und manch einer hatte Taten zu verbergen, die sich in nichts von den Taten der Banditen unterschieden. Es war in den Gesichtern der Männer nur zu deutlich zu erkennen, dass nach der Vernichtung der Bande nur eine Ablösung erfolgt war, dass jetzt ein anderer die Macht hatte.

Der massige, stiernackige Ron Garden saß aufrecht im Sattel seines starken Pferdes. Über zweihundert Pfund schwer mochte dieser Mann sein, der trotz seines Körpergewichtes keine Unze Fett zu viel hatte. Man sagte von ihm, dass er ohne große Mühe ein Pferd aus dem Stand zu heben vermochte. Seine blassblauen Augen hatten einen eigenartig kalten Glanz. Das gedunsene, breitflächige Gesicht zeigte buschige Brauen. Die Augen lagen tief in den Höhlen.

„Hergehört, Gents!“, sagte er, während er sein Pferd zum Stehen brachte. „Die Maskenbande gehört der Vergangenheit an. Nur einer konnte entkommen. Er floh in eure Richtung, und sicherlich habt ihr ihn von den Beinen geholt?“

Ron Brown schüttelte den Kopf.

„Tut mir leid, Boss. Ich habe ihn ankratzen, aber nicht erledigen können. Dean Kinsay hätte ihn ganz sicher treffen können. Aus irgendeinem Grunde schoss er nicht. Er soll uns sagen, warum er es nicht tat.“

Die Blicke der Reiter richteten sich auf Dean, der deutlich spürte, wie die anderen innerlich von ihm abrückten und ihn betrachteten, als hätte er ein Verbrechen begangen und sich außerhalb der Gemeinschaft gestellt. Er spürte, dass sich ein Abgrund zwischen ihm und den Kameraden öffnete.

Es ist eigenartig, dachte Dean verwundert. Ich bin ihnen verdächtig geworden. Sie misstrauen mir, als hätte ich ein Verbrechen begangen, das nicht gutzumachen ist. Ich bin aus der Reihe getanzt und habe nicht getötet, wie es befohlen wurde.

„Erkläre es uns!“, sagte Gardens dunkle Stimme fordernd.

„Es gibt nichts zu erklären, Boss“, erwiderte Dean rau. „Bevor ich abdrücken konnte, war der Kerl aus meinem Blickfeld heraus — und in die Sicht von Ron Brown hineingerückt. Ich bin bereit, seine Spur aufzunehmen.“

Die Männer des Aufgebotes wechselten schnelle Blicke. Garden trieb sein Pferd näher an Dean heran, schwang sich aus dem Sattel und trat ihm so nahe gegenüber, dass sein Atem Deans Gesicht streifte.

„Kinsay“, sagte er dann seltsam ruhig, „du bist mir bereits einige Male aufgefallen. Du hast eigenartig verschrobene Vorstellungen von Tod und Leben. Du passt nicht in dieses Land. Ab sofort bist du aus meiner Crew entlassen und von meiner Lohnliste gestrichen. Du bekommst jetzt deinen Restlohn, und dann sind wir quitt miteinander. Ich kann keinen Mann in meiner Mannschaft brauchen, auf den ich mich nicht restlos verlassen kann. In diesem rauen Lande muss die Mannschaft fest hinter dem Ranchboss stehen. Das ist eine Notwendigkeit, die der Selbsterhaltung dient. Von jetzt an trennen sich unsere Wege, Kinsay!“

Garden trat einen Schritt zurück, nestelte an seiner Weste und zog seine Brieftasche hervor, der er einige Scheine entnahm.

„Es ist mehr als nur der Restlohn“, sagte er, als er durchgeblättert hatte, „mehr als du verdient hast, Kinsay. Es reicht aus, um dieses Land zu verlassen und weit genug zu reiten, dass sich unsere Pfade in Zukunft nicht mehr kreuzen. Es ersetzt dir auch alles, was du im Bunkhouse zurücklässt.“

„Garden, ich beanspruche nur meinen Lohn. Ich werde mir das holen, was ich im Bunkhouse zurückließ.“

„Nein!“, schnitt ihm Garden rau das Wort ab. „Ich will dich nicht mehr auf der Ranch sehen. Ich will auch nicht, dass du meiner Tochter noch einmal begegnest. Mit deinen komischen Anschauungen hast du ihr bereits einige Schrullen beigebracht. Ich kann das nicht dulden. Nimm also das Geld und verschwinde! Reize mich nicht länger, Kinsay, es konnte unangenehm für dich werden!“

Die Feindseligkeit war deutlich zu spüren. Sie war wie eine unüberwindliche Mauer. Gerade jetzt, wo die Männer erregt vom Kampf waren, war es doppelt gefährlich, ihrem Boss zu widersprechen. Er, Dean Kinsay, war mir einem Schlag ein Außenseiter geworden, mit einem Schlag gehörte er der Vierstäbe-Ranch nicht mehr an, die die meisten Reiter des Aufgebotes gestellt hatte.

Dean atmete schwer. Er blickte Garden an und erkannte, dass dieser Mann ihn hasste und nur auf einen Grund zum Zuschlagen wartete. Jeden Moment konnte Garden explodieren. Er würde seine körperliche Überlegenheit vor allen Männern deutlich zur Schau stellen. Genau das beabsichtigte Ron Garden. Er wollte allen fremden Reitern des Aufgebotes zeigen, wie stark er war. Deutlicher konnte nicht demonstriert werden, dass nach der Zerschlagung der Maskenbande die Macht auf einen anderen Mann übergegangen war. Ron Garden war bereit, für die Demonstration seiner Macht einen Mann zu opfern. Dieser Mann, das spürte Dean Kinsay deutlich genug, sollte er sein. Man musste sich fragen, ob sich mit der Vernichtung der Bande etwas im Lande geändert hatte. Wer einen klaren Blick hatte, der erkannte, dass das Land nun einen neuen Tyrannen bekommen hatte. Dieser Mann konnte noch schlimmer werden, als es die Maskenbande gewesen war.

Dean Kinsay war es speiübel. Am liebsten hätte er dem Ranchboss vor die Stiefel gespuckt. Er war kein Greenhorn und unterdrückte sein Verlangen. Er wusste genau, dass Garden auch den geringsten Widerstand brechen würde. Zusammengeschlagen würde er hier am Ort zurückbleiben. Gegenden Muskelberg Garden und die hinter ihm stehende Mannschaft gab es im Moment keine Chance. Dean verstand es, sich zu beherrschen. Nach außen hin vermochte er Gleichgültigkeit zur Schau zu stellen. Er tat das so überzeugend, dass Garden sich veranlasst fühlte zu sagen: „Schaut nur, Gents, er hat keinen Mut und kein Rückgrat. Kein Wunder, dass er nicht geschossen hat. Kerle seiner Art sollte unverzüglich der Teufel holen!“

Feuerhimmel am Pecos

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