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2.

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Dean Kinsay schnellte nicht vor, und er schlug auch nicht die Faust in das widerlich grinsende Gesicht des Aufgebotsführers und Ranchbosses Ron Garden. Er stand ganz ruhig da und blickte in die Runde, in die lauernden Gesichter der Männer des Aufgebotes. Langsam wandte er sich um. Im Fortgehen kam ein abgerissenes Lachen über seine Lippen, und Garden höhnte: „Er ist tatsächlich übergeschnappt, Gents! Lasst ihn ziehen! Er hat das Geld nicht angenommen, er wollte es nicht. Hier nehmt es, teilt es unter euch auf!“

„Für einen Drink reicht es, Boss“, sagte einer der Männer. „Ich glaube, den haben wir uns redlich verdient.“

Dean Kinsay wandte sich nicht um. Er erreichte die Stelle, an der er seinen Falbwallach zurückgelassen hatte, und löste die Zügel von den Zweigen. Das hochgebaute Pferd mit dem geaderten Fell und der weißen Blesse rieb die Nüstern an Deans Schultern und schnaubte ihm zu. Dean redete leise auf sein Reittier ein, schwang sich in den Sattel und nahm die Zügel auf. Als er an dem Aufgebotstrupp vorbei ritt, sagte Garden mit lauter Stimme, so dass Dean es hören musste: „Ron und Tom, ihr wisst Bescheid. Bringt den letzten Maskenbandenmann, sei es tot oder lebendig! Schießt jeden zusammen, dem es etwa einfallen sollte, dem Kerl Schutz zu geben. Der Bursche ist vogelfrei, verstanden?“

„Wir werden es schon schaffen, Boss“, erwiderten die beiden angesprochenen Männer. Sie waren bereit, den Befehl auszuführen, und wenn sie dabei mitten durch die Hölle reiten müssten. Deutlicher konnte die Haltung dieser Mannschaft nicht herausgestellt werden. Jetzt gab es zwar keine Banditen mehr, dafür aber einen Raubrancher mit einer harten Mannschaft, und das war für dieses Land noch gefährlicher als die Banditenplage. Einige Leute, die nicht der Vierstäbe-Ranch angehörten, standen etwas abseits von den anderen und sahen sich besorgt an. Als Dean an ihnen vorbeiritt, murmelte Stuart Ives halblaut, so dass nur Dean ihn verstehen konnte: „Ich stelle dich jederzeit ein, Kinsay. Reite zur Schwerter-Ranch!“

Er sah Dean bei diesen Worten nicht an. Sein dunkles Gesicht war von Sorge erfüllt.

Dean gab keine Antwort. Er kreuzte den Blick mit dem des Ranchers. Sekundenlang sahen sie sich fest in die Augen, dann war Dean vorbeigeritten. Sein Falbwallach trug ihn in die Nacht hinein. Dean ritt nach Norden, bis er außer Hörweite des Aufgebotes war. Dann ritt er im Bogen zurück, fast wieder bis zur Flammenscheingrenze des noch immer brennenden Banditennestes. Dort hielt er an und blieb ruhig im Sattel sitzen, beide Hände fest auf das Sattelhorn gestützt.

Der einsame Reiter war jetzt ein stellungsloser Cowboy, ein Mann, den man aus dem Land haben wollte. Endlich sollte das geschehen, was er schon immer vorgehabt hatte. Schon seit einiger Zeit hatte er von sich aus die Vierstäbe-Ranch verlassen wollen. Nun, was machte es schon aus, ob er selbst kündigte oder hinausgefeuert wurde.

Es kam auf ein und dasselbe heraus. Auf der Vierstäbe-Ranch hinterließ er keine Freunde. Solange er ihr gedient hatte, war er mit keinem aus der rauen Mannschaft warm geworden. Er dachte und handelte anders als sie, er teilte ihre Interessen nicht. Er fand an ihren Vergnügungen keinen Gefallen und hatte sich stets abseits gehalten. In seiner Freizeit zog es ihn in die Einsamkeit. Es war jene Einsamkeit, in der der göttliche Odem schwang, in der die Gesetze der Natur sich in immer gleichbleibender Harmonie erfüllten. Er kannte die Stimmen der Wildnis, er kannte die großen Wandlungen, die, durch die Jahreszeiten bedingt, immer Neues formten. Er liebte die Natur und ihre Stimmen, er liebte das Land, das wilde Getier und die Pflanzen und scheute das unbedachte und rücksichtslose Handeln der Menschen.

Nur ein einziger Mensch auf der Vierstäbe-Ranch hatte ihn verstanden, das war Gloria, die Tochter des Ranchbesitzers. Sie war Ron Gardens einzige Tochter, ein Mädchen von neunzehn Jahren, das in seiner knospenhaften Schönheit einer Prärierose glich. Alles an ihr war ungekünstelt und natürlich und von einer Harmonie, wie der Schöpfer sie nur wenigen Menschenkindern mit auf den Weg gab. Für Dean war sie ein wunderbares Geschöpf, zu dem er nur aufsehen konnte. Gloria Garden verachtete gleich ihm alle Gewalt und Brutalität. Für dieses Mädchen musste das Ziel, auf das ihr Vater mit allen Mitteln zusteuerte, verwerflich sein. Würde sie fähig sein, ihren Vater aufzuhalten? Dean war sich klar darüber, dass sie das nicht fertigbringen würde. Das Mädchen war so empfindsam wie ihre Mutter. In ihrer Fantasie schuf sie sich eine bessere und schönere Welt. Sie hatte es gelernt, sich ihre eigene Welt aufzubauen und in sie hinein zu flüchten. Das musste sie umso mehr, je weniger sie im Laufe der Jahre ihren Vater verstand, dessen Leben nur Macht bedeutete.

Auch Dean Kinsay konnte das rücksichtslose Jagen nach Macht nicht verstehen.

„Sie lebte wie ich in einem Traum“, sagte Dean leise. „Auf dieser Welt leben Menschen, die es erst noch lernen müssen, eine große Familie zu bilden. Solange der Mitmensch als Fremder gilt, wird es den Hang zum Töten und das Streben, die Schwachen zu unterjochen, um Sklaven aus ihnen zu machen, geben.“

Dean blickte auf die Flammen, die aus dem nun schon bald niedergebrannten Blockhaus züngelten. Er blickte mit großen Augen auf die regungslosen Gestalten vor der brennenden Hütte, die so dalagen, wie der Tod sie ereilt hatte.

In Jahrtausenden hatte sich nichts geändert. Immer schon töteten die Menschen sich gegenseitig, wurde das Leben zerstört. Man wagte es, sich über das Gesetz „Du sollst nicht töten!“ hinwegzusetzen, als wäre das Leben nichts wert. Ganze Völker hatten sich ausgerottet. Menschliche Unzulänglichkeit und Unvernunft waren immer schon lebendig gewesen, gepaart mit der seltsamen Lust des Raubtieres, zu töten. In Generationen hatten die Menschen nichts gelernt.

Dean Kinsay schlug das Herz schwer. Ein beklemmendes Gefühl engte die Brust ein. Er ritt an und gab seinem Pferd die Zügel frei. Der Falbe trug ihn in die Nacht hinein, in jene Richtung, in die sein Bruder geflüchtet war.

Schon seit langem hatte Dean Kinsay seinen Bruder nicht mehr gesehen, und zwar seit dem Tag, da die eigene Ranch im Artilleriefeuer der Südstaaten in Schutt und Asche versank, als Eltern und Schwester den Tod fanden. An den Gräbern ihrer Familie hatten Jube und er beschlossen, in die Welt hinauszureiten, jeder seinen eigenen Pfad.

War es Zufall, dass Jube hier war?

Hatte er sich von der Maskenbande anwerben lassen?

Gehörte er zu den Banditen?

„Das kann nicht sein, das kann ich nicht von meinem Bruder Jube glauben“, murmelte Dean leise vor sich hin. „Er ist zwei Jahre älter als ich. Als wir uns trennten, war er nicht in der Lage, ein Huhn zu schlachten; es ekelte ihn an, ein Kalb zu branden. Er brachte es nicht fertig, ein Rind mit gebrochenen Läufen abzuschießen oder gar einem Pferd den Gnadenschuss zu geben. Ich muss ihn so schnell wie möglich finden, bevor Tom und Ron ihn aufgestöbert haben. Jube ist in Lebensgefahr.“

An die Gefahr, in der er selbst sich befand, dachte er nicht. Er versuchte, Jubes Spur zu finden. Trotz der schlechten Sichtverhältnisse entdeckte er sie schließlich. Es war nicht schwer, ihr zu folgen. Von einer Hügelkuppe aus beobachtete er im Mondlicht Staubwolken, die ihm das Abreiten der Männer des Aufgebotes anzeigten. Er wartete einige Zeit und hoffte, Tom und Ron auf der Fährte seines Bruders zu entdecken, doch konnte er sie nicht sehen.

Sehr vorsichtig setzte Dean den Ritt fort. Bald nahm ein lichter Wald ihn auf. Hier waren die Huftrittsiegel von Jubes Pferd schlecht erkennbar, und er konnte der Fährte nur langsam folgen. Einmal stieg er vom Pferd und betrachtete die Trittsiegel genauer. Die Ränder ließen erkennen, dass Jube nicht allzu schnell ritt. Das konnte bedeuten, dass Jube keine Angst hatte, aber auch, dass seine Verwundung ihn zum langsamen Reiten zwang. Vergeblich achtete Dean auf Blutspuren von Jubes Verwundung. Die Dunkelheit war zu stark, er konnte nichts Genaues erkennen.

Es mochte Mitternacht sein, als der Wald dichter wurde. Der Himmel überzog sich mit Wolken. Nach einiger Zeit war Dean wieder aus dem Wald heraus. Die Spur endete auf dem felsigen Boden, als wäre sie weggefegt worden. Dean atmete erleichtert auf, sah er doch daraus, dass sein Bruder kein Greenhorn war und wusste, dass er vorsichtig sein musste.

So weit Dean blicken konnte, erhoben sich Hügel, die wie Riesen aus der Uferlandschaft des Pecos aufragten. Der Wind blies aus Norden, und die ersten Regenschauer ließen Dean frösteln. Die seit Tagen aufgestaute Müdigkeit machte sich bemerkbar. Er konnte sich kaum noch im Sattel halten und spähte nach einem geeigneten Lagerplatz für den Rest der Nacht aus. Als er ihn auf einer Hügelkuppe fand, die von hohen Steinen umgeben war, schnallte er die Decke hinter dem Sattel los und breitete sie an einer geschützten Stelle aus. Seinem Falben hobbelte er die Vorderläufe zusammen, so dass sich das Tier beim Grasen nicht allzu weit vom Lagerplatz entfernen konnte. Er schlief, den Colt griffbereit neben sich, auch sofort ein. Doch kurz darauf erwachte er wieder.

„Mach keinen Lärm“, hörte er eine leise Stimme aus der Dunkelheit. „Sie suchen dich, Dean - Tom und Rod.“

„Ives?“

Dean hatte den Mann, der hochaufgerichtet an den Steinen stand, sofort erkannt.

„Ja, ich bin es“, sagte Ives. „Sie wollen es nicht zulassen, dass du den letzten der Bande erwischt, um dich bei Garden wieder einzuschmeicheln. Diesen Triumph gönnen sie dir nicht, Dean. Sie sind froh, dass Garden dich von seiner Lohnliste gestrichen hat.“

„Wer zum Teufel sagt denn, dass ich mir den letzten der Banditen vor die Waffe holen will, Ives?“

„Der logische Gedanke, dass es nur so sein kann und nicht anders. Du hast bei Gloria Garden einen Stein im Brett, dir tut es jetzt leid, dass du aus der Mannschaft gefeuert worden bist. Es liegt sehr nahe, dass du jetzt alles tun willst, um wieder in Gnaden aufgenommen zu werden.“

„Darauf verzichte ich.“

„Wirklich, Dean Kinsay?“, klang es spöttisch zurück. „Ron Garden ist doch jetzt der mächtigste Mann am Pecos, und hinter ihm steht eine raue Mannschaft von schnell schießenden Kerlen, denen es sogar gelang, eine Landplage auszurotten. Ihnen wird es auch ein Leichtes sein, eine Anzahl von Ranchern in Schach zu halten und sie zu vertreiben, sich noch mehr Weide und Ranches anzueignen. Aber wozu rede ich, ich habe dich wohl vergeblich gefragt, ob du für mich reiten wirst?“

„Ives, du hast doch deutlich genug gehört und gesehen, für was man mich hält, für einen Feigling nämlich!“

„Diese arrogante Horde irrte sich!“, unterbrach ihn Ives. „Ich habe geschulte Augen und kann das besser erkennen. Mein Angebot bleibt, ich kann einen Partner brauchen.“

„Einen Partner?“

„Genau das“, sagte Ives rau.

„Ich habe kein Geld, um einzusteigen.“

„Der Einwurf hat nichts zu besagen, denn ich werde alles verlieren, wenn ich jetzt keinen Partner finde. Ich habe ein ausgezeichnetes Witterungsvermögen und kann mich auf meine Nase verlassen. Es gibt keinen Zweifel, dass Gefahr in der Luft liegt. Dein Einsatz und deine Partnerschaft sind mehr wert als Geld. Die Hälfte meiner Ranch gehört dir, wenn die Ranch weiterbesteht.“

„Sieht es so schlimm um den Bestand der Ranch aus?“

„Bei allen Heiligen! Wer, glaubst du wohl, ist der Vormann der Vierstäbe-Ranch, der Mann, der sich bei Garden ins rechte Licht zu setzen wusste? Du hast dich immer wenig um Dan Snass gekümmert, Freund, du hast nie nach seiner Vergangenheit gefragt. Wir aber, die mittelgroßen Rancher, wir wissen, woher er kommt und was er für ein Kerl ist. Weil wir das wissen, haben wir allen Grund, besorgt zu sein. Du bist nicht mit Snass zusammengestoßen?“

„Nein, ich habe ihn nicht einmal zu sehen bekommen. Er leitet irgendwo im Süden eine Vorranch der Vierstäbe-Ranch. Ich hatte nicht das Vergnügen, ihn kennenzulernen.“

„Dann sei froh; es wäre alles andere, aber kein Vergnügen für dich geworden. Der Bursche ist ein Freund von Tom Richmond und Ron Brown. Man sage, dass ihm die ganze Mannschaft der Vierstäbe-Ranch hörig ist. Irgendwie muss er Wind von deinen guten Beziehungen zu Gloria Garden bekommen haben. Er hat die Vorranch verlassen und ist jetzt auf der Hauptranch. Dieser Kerl hat geschworen, dich von der Welt zu fegen, Dean Kinsay.“

„Ich laufe vor niemandem davon, Ives.“

„Ich habe dich auch so eingeschätzt, Dean. Garden hat etwas bei dir übersehen.“

„Was soll er übersehen haben?“

„Dass in einem Mann wie dir die Liebe kein Strohfeuer ist, das rasch abbrennt und verlischt. Außerdem übersah er, dass man sich über dich nicht lustig machen darf.“

„Letzteres, Ives, lässt mich gleichgültig“, erwiderte Dean.

„Auch gut, aber dass Tom und Ron von Snass eine Prämie bekommen, wenn sie deinen Skalp bringen, das dürfte doch auch für dich zu viel sein, oder?“

„Sie sollen es versuchen.“

„Deine Nerven möchte ich haben, Kinsay!“, staunte Stuart Ives. „Was du jetzt gebrauchen kannst, sind gute Freunde, Dean, Menschen, auf die du dich verlassen kannst. In dieser Sache kannst du nicht allein bleiben, es würde dir den Tod bringen. Werde mein Partner und lass von der Verfolgung ab! Reite mit mir zur Schwerter-Ranch, dann werden wir weitersehen. Die Schwierigkeiten werden nicht auf sich warten lassen. — Horch nur!“

Ives verstummte und hob sich aus der Deckung, um ins Tal sehen zu können. Der Hufschlag zweier Pferde war deutlich zu hören und kam rasch näher.

„Sie wollen deinen Skalp, Dean“, sagte Ives und hielt seinem Pferd die Nüstern zu, um es am Schnauben und Wiehern zu hindern. „Sie werden auch mit mir rechnen müssen!“

Feuerhimmel am Pecos

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