Читать книгу Feuerhimmel am Pecos - Larry Lash - Страница 8

3.

Оглавление

Dean Kinsay schaute seinen nächtlichen Besucher sehr aufmerksam an. Er schien ihn heute zum ersten Male zu sehen, und doch hatte er bereits beim Roundup mit ihm und seinen sieben Cowboys gearbeitet. Der grauhaarige Mann mit den ein wenig schräggestellten hellen Augen, dem schmalen, scharfgeschnittenen Gesicht machte keinen schlechten Eindruck. Er war unverheiratet und hatte eigentlich für niemand zu sorgen. Es war seltsam, dass gerade er, der Rancher ohne Erben, nicht gewillt war, sich sein Land und damit seine Existenz nehmen zu lassen. Mit besonderer Liebe hing er an den Weidegründen und seiner Ranch.

Man merkte deutlich, dass Stuart Ives zu kämpfen bereit war, dass er nicht erst zu überlegen brauchte, um zu einem Entschluss zu kommen. Männer seiner Art gehörten zu den Pionieren des Landes und waren aus einem besonderen Holz geschnitzt. Dean Kinsay konnte sich eigentlich nichts Besseres wünschen, als einen solchen Mann auf seiner Seite zu haben.

„In Ordnung“, sagte er nur, wie es bei den Männern am Pecos üblich war, wenn eine Freundschaft begründet und besiegelt wurde.

Dean nahm seinen Colt auf. Er betrachtete die 45er Waffe einen Augenblick lang nachdenklich und war dann schnell bei seinem Pferd, dem er die Hobbelschleife aufzurrte, so dass das Tier von der Vorderfessel befreit war. Dann hielt er seinem Pferd die Nüstern zu, wie es Stuart Ives schon vor ihm getan hatte.

Der Hufschlag kam näher. Es konnte geschehen, dass die beiden nächtlichen Reiter selbst auf dem granitharten Boden Spuren fanden, die zum Lagerplatz führten.

Die Spannung wuchs. Die beiden Männer standen kampfbereit da. Ihre Hände hielten sie gespreizt über den Kolben ihrer Colts. Beide Männer waren bereit, den Kampf Mann gegen Mann zu wagen. Der Hufschlag kam aber nicht mehr näher, im Gegenteil, er entfernte sich rasch.

„Was hat das zu bedeuten, Freund?“, fragte Ives, als er sah, dass Dean seinen Falben aus der Deckung zog und sich wortlos in den Sattel schwang. „Wohin, Dean Kinsay?“

Dean gab keine Antwort. Er schien dem in der Nacht verhallenden Hufschlag nachzulauschen. Sein nächtlicher Besucher aber spürte die eigenartige Kälte, die von Dean Kinsay ausging. Ihn überlief plötzlich ein Frösteln. Stuart Ives glaubte nicht an Geister und Gespenster, doch an Vorahnungen. Er deutete sein Frösteln als ein böses Vorzeichen. Stets war etwas Böses und Unangenehmes auf ihn zugekommen, wenn er einen solchen Schauer gespürt hatte.

Er könnte mein Sohn sein, dachte Ives. By gosh, er wusste selbst nicht, warum er jetzt an so etwas dachte. Nie zuvor hatte er an einen Sohn und Erben gedacht, und gerade jetzt kamen ihm solche Gedanken. Er besitzt alles das, was ich mir für meinen Sohn gewünscht hätte. Er ist Texaner wie ich, er kann seine Herkunft nicht verleugnen. Man hört es an seiner schleppenden Sprechweise und sieht es an seinen Bewegungen. Eigenartig, dass sich etwas in meinem Inneren umgekrempelt hat, als läge eine Todesahnung für mich in der Luft. Seit Tagen ist es so. Ich habe mich dagegen gewehrt und es für Unsinn gehalten, doch es kam und steigerte sich immer mehr. Meine Tage sind gezählt, die Uhr ist bald abgelaufen, und ich muss mein Heim bestellen. Nun gut, ich habe mich nie vor dem Tod gefürchtet, er ist unser aller Meister, dem jeder eines Tages in sein Reich folgen muss. Dieser Kinsay wird mein Erbe und Nachfolger sein, ich werde mein Testament in den nächsten Tagen zu seinen Gunsten machen.

Plötzlich aufpeitschende Schüsse unterbrachen jäh die düsteren Gedanken des Ranchers. Er starrte Dean an, der zusammengezuckt war und wie versteinert im Sattel seines Falbwallachs saß.

„Kinsay, man hat den letzten Banditen der Maskenmannschaft gestellt“, kam es kehlig von seinen Lippen.

„Genauso ist es, Ives.“

„Also los, sehen wir, ob noch etwas zu helfen ist!“, keuchte der alte Mann, wobei er sich auch schon mit geradezu jugendlicher Behändigkeit in den Sattel warf und ohne eine Erwiderung oder Zustimmung abzuwarten, anritt. Wenig später war der Falbwallach des jüngeren Mannes an seiner Seite. Bügel an Bügel ritten sie mit donnernden Hufen. Der Reitwind pfiff ihnen in die Gesichter, zerrte und riss an den Stetsonkrempen und schlug ihnen das Mähnenhaar der Pferde entgegen. Regenböen kamen mit dem Wind in wogenden Schleiern zur Erde.

Weder Ives noch Dean Kinsay dachten daran, die Reittiere zu zügeln, um die Gefahr zu mindern, die ihnen bei diesem Ritt drohte, wenn eines der Pferde strauchelte. Sie ritten, als wäre der Teufel hinter ihnen und wollte nach ihnen greifen.

Sie sprachen kein Wort, denn der Reitwind war so stark, dass eine Verständigung unmöglich war. Die Schussdetonationen waren jetzt deutlicher zu hören. Die beiden Pferde hatten einen Kamm überwunden und jagten einen langgestreckten Hügel hinunter, wobei der Abstand zwischen den beiden Pferden immer größer wurde.

Dean Kinsay hörte plötzlich während des Rittes den Revolver Ives’ krachen. Er konnte sich aber nicht weiter um den Rancher kümmern, weil er vor sich das Mündungsfeuer eines Schützen aufflammen sah.

Das war deutlich genug. Man hatte sie frühzeitig bemerkt und beschoss sie jetzt. Dean ließ sich während des Rittes vom Pferd fallen und rollte geschickt zur Seite. Er zog und schoss sofort, ab das Mündungslicht des zweiten Schusses vor ihm aufblitzte und die Kugel mit bösem Zischen nahe an seinem rechten Ohr vorbeiging. Zu seiner Linken war ein wütender Schrei zu hören. Der Schrei wiederholte sich, als Dean geschossen hatte.

Dean Kinsay sprang auf. Er jagte einen weiteren Schuss aus dem Lauf und hastete in Zickzacksprüngen weiter. Das Geräusch brechender Äste und das Rascheln der Büsche sagte ihm, dass der Gegner die Stellung gewechselt hatte und es für ratsamer hielt, sich lang hinzuwerfen. Auch Dean ließ sich hinfallen, und das war keinen Augenblick zu früh, denn wieder blitzte das Mündungsfeuer vor ihm auf.

Dean sah sein Pferd, das nach links abgebogen war und sich schon wieder beruhigt hatte, an einem Busch knabbern, als gäbe es keinen Kampf auf Tod und Leben, keinen Beschuss und keine Regenschauer. Einen Augenblick lang schien es, als sei alles friedlich, doch aufbrausender Hufschlag deutete ihm die Flucht des Gegners an. Dean sprang aus der Deckung und versuchte, den Gegner an der Flucht zu hindern. Für einen Moment sah er Pferd und Reiter deutlich auftauchen. Er ließ die erhobene Waffe sinken. Es war ihm nicht möglich, auf den Reiter oder gar auf das Pferd zu schießen. Er fuhr herum, als er Ives’ Stimme hörte: „Sie sind beide geflohen, Freund, beide haben sich aus dem Staub gemacht.“

Jetzt, wo Ives davon sprach, hörte er auch den Hufschlag eines zweiten Pferdes, der nur sehr undeutlich zu vernehmen war. Eine raue Stimme aber warnte in diesem Augenblick vom Hang her: „Kommt beide nicht näher!“

„Wir wissen, wer Sie sind, Stranger!“, sagte der alte Ives laut und deutlich. „Wir sind gekommen, um Ihnen zu helfen.“

„Mir helfen?“, klang es höhnisch zurück. „Das haben die beiden, die ihr in die Flucht geschlagen habt, mir auch gesagt. Es war gut, dass ich nicht darauf einging.“

„Wir wissen, dass Sie der einzige Überlebende der Maskenbande sind und dass Sie verletzt sind“, fuhr der Alte fort. „Wenn Sie etwas besser überlegen könnten, würden Sie unsere friedlichen Absichten nicht anzweifeln. Wir wollen Ihnen eine Chance geben.“

„Das sagte man mir bereits bei der Maskenbande, die mich dazu zwingen wollte, in ihre Reihen einzutreten“, erwiderte der Mann am Hang, der eine gute Position bezogen hatte. „Die Bande konnte sich nicht einmal selbst retten. Sie hatte einen Verräter, der die Zeit für gekommen hielt, sich der Männer der Bande zu entledigen. Das ist es, was ich herausfand, und es ist wenig genug. Verschwindet und zieht ab! Ich kann euch nicht einmal für eure Hilfe danken. Ich werde allein mit meinen Schwierigkeiten fertig!“

Das zeigte deutlich, dass der Mann am Hang niemandem traute, dass er ein Langreiter sein musste. Er musste Augen wie eine Katze haben und den Tag und das Licht scheuen. Männer dieser Art waren zäh, sie bemitleideten sich nicht. Sie hatten mit sich selbst kein Erbarmen und trieben wie Schatten dahin, nirgends sesshaft und nirgends zu Hause.

Nur der Himmel wusste, was Dean Kinsay empfand, als er die Worte seines Bruders hörte. Er hatte sich wieder seines Pferdes bemächtigt und sah zu dem Oldtimer auf, der beim Angriff im Sattel geblieben war.

„Frage ihn, was ihn zu der Maskenbande trieb“, sagte er leise zu Ives. Der zögerte nicht und stellte die Frage laut und deutlich. Die Antwort war überraschend.

„Ich suche einen bestimmten Mann, Freund, ich suche ihn schon seit Jahren. Über Hunderte von Meilen hinweg habe ich mich nie abhängen lassen. Jetzt bin ich ihm verteufelt nahe. Wie er heißt und wer er ist, das allerdings geht nur mich allein etwas an.“

„Vielleicht auch mich, Jube“, meldete sich jetzt Dean, der nicht mehr an sich halten konnte. Die Überraschung, die sich in Ives’ Gesicht zeigte, beeindruckte ihn nicht. „Vielleicht suchst du mich, oder?“ Dean gab sich nicht zu erkennen, er hoffte, dass seine Stimme dem Bruder ein Signal sein würde. Das Schweigen, das diesen Worten folgte, wurde durch ein Stöhnen unterbrochen.

„Nein, ich suche nicht dich“, sagte der Sprecher am Hang. „Aber es ist gut, dass du da bist. Kommt nur, ich kann Hilfe gebrauchen!“

„Großer Gott, was hat ihn so plötzlich verwandelt?“, sagte Ives überrascht. „Kennst du ihn?“

„Vielleicht“, erwiderte Dean und führte sein Pferd auf die Deckung des Mannes am Hang zu. Ives folgte ihm, und obwohl er den Kopf schüttelte, hatte er sich so in der Gewalt, dass er keine unnützen Fragen stellte. Die Ereignisse überstürzten sich für ihn, doch es konnte ihm nur recht sein, dass der Mann am Hang seine ablehnende Haltung aufgab und sich helfen lassen wollte. Im Augenblick war es gleichgültig, was für einen Trick sein jüngerer Partner angewandt hatte. Leise sagte Ives: „Trotzdem, wir müssen auf der Hut sein! Bei diesen Kerlen weiß man nie, wann sie plötzlich losschießen. Mit seinen Gegnern hatten wir weniger Ärger. Sie waren überraschend leicht aus dem Felde zu schlagen. Sie waren sich wohl nicht über die Zahl der Angreifer im Klaren. Dieser Bandit am Hang ist gefährlicher.“

„Nein, gefährlicher sind Ron Brown und Tom Richmond. Beide hatten nur einen schlechten Tag. Sie sind entkommen, aber die Abfuhr wird ihren Hass nur noch schüren. Solche Kerle sind erst vernünftig, wenn sie dieser schönen Welt ade gesagt haben.“

„Wem sagst du das, Dean?“, erwiderte Ives rau. „Wirst du mein Partner sein?“

„Ich bin es bereits, Stuart“, erwiderte Dean.

Die beiden Männer sahen sich einen Moment lang in die Augen. Sie tauschten nur diesen einen, festen Blick und der genügte, um ihre Partnerschaft zu besiegeln.

Vor den beiden Männern bewegte sich am Hang etwas Weißes hin und her, ein Fetzen weißen Stoffes war es.

„Es sieht aus, als ob du recht hast und als ob es keine böse Überraschung für uns gibt, Dean“, sagte Stuart erstaunt.

„Du scheinst dich bei den Banditen gut auszukennen. Mir selbst gelingt es ab und zu, das Richtige zu treffen. Ich bin nicht stolz darauf.“

„Du bist der eigenartigste junge Mann, den ich in meinem bisherigen Leben kennengelernt habe“, grinste Stuart Ives ihn freundlich an. Er folgte dem jungen Partner zu der Stelle am Hang, wo der Bandit sein Lager aufgeschlagen hatte. Wie Ives feststellte, war es ein guter Lagerplatz. Nur ein Mann hatte ihn finden können, der die besten Verteidigungsplätze im Gelände mit geübtem Auge schnell auszumachen wusste. Die Steine waren eine gute Brustwehr, die Mulde konnte das Pferd und die wenige Habe aufnehmen. Der Mann selbst lag auf einer Decke und war nicht einmal fähig, sich beim Erscheinen der beiden Männer zu erheben. Ein dürftiger Notverband lag um seine rechte Schulter. Dreck und Schmutz entstellten sein Gesicht, das dunkel, schmal und leidend wirkte. Es war das Gesicht eines Mannes, der sich, von einem starken Willen getrieben, zu beherrschen vermochte und energisch gegen seine Schmerzen ankämpfte.

Nun, Jube Kinsay tat, als wäre ihm sein Bruder unbekannt. Damit verhielt er sich so, wie Dean es sich erhofft hatte. Es kostete viel Mühe, sich nicht zu verraten. Es war schwer, sich nach so langer Trennung nicht in den Arm des anderen zu werfen. Für Dean Kinsay war es schwer, mit ansehen zu müssen, wie sehr der Bruder angeschlagen war. Dennoch hatte er wie ein Mann gekämpft und sich nicht aufgegeben.

„Erstaunlich“, sagte Ives. „Mann Gottes, wir kamen zur rechten Zeit! Sie brauchen einen Arzt und Pflege. In diesem Zustand haben Sie sich noch der beiden Angreifer erwehren können?“

„Nur weil es mir Spaß machte“, grinste der hohlwangige Mann Stuart Ives an. „Was ich jetzt brauche, sind keine Trauerreden, sondern vorerst einmal eine Zigarette, die man mir zwischen die Lippen klemmt. Ich kann kaum noch die rechte Hand bewegen. Das kleine Scharmützel hat mich wohl doch ein wenig überfordert.“

„Das nennen Sie ein kleines Scharmützel? By gosh, Sie müssen durch die Hölle gegangen sein. Sie sind der einzige der Bande, der den Angriff überlebt hat, und das nennen Sie Scharmützel?“ Ives blickte erstaunt den verwundeten Mann an, bemerkte auch das leichte Grinsen und den schnellen Blick, den die beiden jüngeren Männer tauschten. Er wusste aber nicht, dass durch diese Blicke ein Abkommen getroffen wurde. Er erkannte auch nicht die geringste Ähnlichkeit zwischen den beiden Männern. Sie glichen sich äußerlich nicht. Jube war blondhaarig und größer als Dean. Die Hochachtung, die Ives vor diesem tapferen Mann hatte, der so tat, als wäre nur seine Haut angeritzt, stieg immer mehr. Was würde ein solcher Mann in seiner Mannschaft wert sein?

„Stuart, wenn du diesem Mann ebenfalls die Partnerschaft antragen würdest, bliebe dir selbst nicht mehr viel von deiner Ranch“, sagte Dean, als vermochte er die Gedanken des alten Mannes zu lesen. „Halten wir uns nicht auf! Tom und Ron könnten Verstärkung holen. Wir müssen schnell fort. Dich, Freund“, wandte er sich an seinen Bruder, „werden wir in den Sattel heben und festbinden. Du wirst durchhalten?“

„Kleiner“, sagte Jube, dessen verschmutztes braunes Gesicht im Gegensatz zu seinem Blondhaar stand und wie eine Maske wirkte, „es wird ein Spazierritt für mich sein, und ich brauche nicht festgebunden zu werden. Fesseln musste ich lange genug tragen. Sollte ich aus dem Sattel fallen, dann bin ich ein ungeschickter Tölpel, um den man sich nicht zu kümmern braucht. Reiten wir also!“ Ein leises Lachen kam über seine Lippen. Es gelang ihm jetzt aus eigener Kraft, auf die Beine zu kommen. Ives, der schnell drei Zigaretten gedreht hatte, steckte ihm einen Glimmstängel zwischen die Lippen und gab Feuer.

Jube Kinsay rauchte in tiefen Zügen. Zweimal musste er dann ansetzen, um in den Sattel zu kommen. Als er endlich im Sattel saß, wäre er beinahe auf der anderen Seite wieder heruntergefallen. Doch er lachte nur darüber.

„Ein wenig schwindlig ist mir ohne Whisky doch“, sagte er. „Alter Freund, Sie laden sich durch mich einen Gast ein, dessen Anwesenheit allein Ihnen schon die Hölle bringen wird.“

„Ich lasse es darauf ankommen“, erwiderte Stuart Ives mit fester Stimme.

„Wenn Sie Familie haben, sollten Sie es lieber nicht tun“, warnte Jube.

„Von jetzt an möchte ich Sie gern zu meiner Familie rechnen“, gab Ives zur Antwort.

„Oldman, ich habe Sie gewarnt! Einen Mann wie mich lässt man am Wegrand sterben.“

„Zum Teufel mit Ihrem Hochmut!“, keuchte der alte Mann. „Ich war zwar - wie mein Partner - bei der Hetzjagd auf die Bande mit dabei, doch ich würde nie einem Schwerverwundeten meinen Beistand versagen.“

„Als aber der Sturm gegen die Bande losbrach, war es auch Ihnen gleich, wer und wie viele Leute getötet wurden, oder? Vergessen Sie nicht, Oldman, ich gehörte bereits zur Bande.“

„Sie machen mich auf etwas aufmerksam: In jedem Menschen steckt das Gute und das Böse. Wichtig ist, dass er weiß, wofür er sich letzten Endes entscheidet. Ich denke weder an einen Strick noch daran, Sie an irgendjemanden auszuliefern. Nicht, seitdem ich erkannt habe, wer jetzt die Macht im Lande hat. Wenn ich Sie mir so betrachte, kann ich es kaum glauben, dass Sie zur Bande gehörten. Sie wurden nicht bei der Bande gesehen. Jedes Bandenmitglied war bekannt. Sie haben sicherlich wohl keinen Raubzug mitgemacht?“

„Nein, ich kam nicht mehr dazu“, erwiderte Jube ruhig und ließ sein Pferd antraben. Er wartete, bis die beiden anderen ihre Pferde ebenfalls in Bewegung gesetzt hatten und neben ihm waren, um dann fortzufahren: „Das soll keine Entschuldigung sein.“

„Sie sollten mir Ihren Namen nennen, Stranger!“

„Nur den Vornamen, das muss genügen. Nennen Sie mich Jube! Meinen Nachnamen habe ich seit dem Tage vergessen, an dem mich ein Pferd abwarf und ich auf den Kopf fiel.“

„Ist das schon lange her?“, fragte Ives, auf die Tonart von Jube eingehend.

„Auch das habe ich vergessen. Nur eins nicht: dass ich in Texas lebte und verheiratet war, dass ich eine Frau und ein Kind hatte. Frau und Kind wurden mir von einem Mann genommen, der bei einem Banküberfall zwei harmlose Passanten niederschoss, die ihm im Wege standen.“

„Hoffentlich ist das nicht aus dem Teich, aus dem die Sache mit dem Sturz vom Pferd gezogen wurde?“

„Es ist die Wahrheit“, kam es bitter über Jubes Lippen. Seine Augen schlossen sich dabei, als müsse er ein bitteres Gefühl in seinem Inneren unterdrücken. „Jetzt werden Sie fragen, warum mich ein solcher Schicksalsschlag in eine Bande hineinbringen konnte. Sie sollen es wissen, Oldman. Ich hatte die Hoffnung, dort den Mann zu finden, der zum Mörder meiner Familie wurde.“

„Und hat sich diese Hoffnung erfüllt?“, fragte Dean.

„Nein“, erwiderte Jube. „Alle Spuren zeigten zur Maskenbande. Ich wäre mitten durch die Hölle gegangen, wenn ich den Mann aufgetrieben hätte, um ihn zu stellen.“ Jube brach ab und blickte in die Nacht hinein. Er schien darüber zu grübeln, warum der Täter nicht in der Bande gewesen war. Irgendetwas stimmte nicht“, fuhr er fort. „Die Bande hatte einen Anführer, von dem sie Befehle annahm. Nur der Bandenälteste kannte diesen Anführer. Er selbst hat sich immer von den übrigen Bandenmitgliedern ferngehalten. Nach ihm bekam die Bande ihren Namen. Er war der Mann mit der Maske, und nicht einmal der Bandenälteste hat ihn ohne die Maske gesehen. Nun ist die Bande zerschlagen, die Mitglieder sind zur Hölle gefahren. Der Bandenführer aber, der Kerl, der seine eigenen Leute verriet, weil sie ihm langsam unbequem wurden, lebt. Der Mann mit der Maske hat wohl erkannt, dass die Bande nicht mehr in die neue Zeit passt.“ Wiederum kam ein leises, metallisch klingendes Lachen über seine Lippen. Es jagte Stuart Ives einen kalten Schauer über den Rücken. Der Rancher begriff, dass er mit Jube einen besonderen Mann vor sich hatte, einen einsamen Langreiter, dessen Herz ausgebrannt war und der weder Tod noch Teufel fürchtete. Er zweifelte keinen Augenblick an der Wahrheit des Gesagten. Ein Blick auf Dean zeigte ihm, dass auch der junge Partner blass geworden und tief beeindruckt war.

Schweigend wurde der Ritt durch die Hügel fortgesetzt. Stuart Ives machte den Anführer und suchte die verborgenen Pfade, die zur Schwerter-Ranch führten. Ab und zu mussten sie anhalten und Jube eine Rastpause gönnen. Es war erstaunlich, wie der Verletzte sich zusammenriss und sich im Sattel zu halten vermochte. Nicht ein Wort der Klage oder ein Stöhnen kam während des Rittes über seine Lippen. Als sie im ersten Morgengrauen die Schwerter-Ranch erreichten, musste Dean schnell zuspringen, um seinen Bruder vor dem Sturz aus dem Sattel zu bewahren. Die Kraft zum Absteigen hatte er nicht mehr. Die Cowboys der Schwerter-Ranch hoben ihn behutsam aus dem Sattel. Dabei sagte er zu ihnen: „Freunde, macht nicht so ernste Gesichter, wenn ihr ein Baby auf den Arm nehmt. Ich möchte nicht schon jetzt an meine Beerdigung erinnert werden. Ihr seht alle so aus, als gehörtet ihr zu einer Trauergemeinschaft. Schreibt mich noch nicht ab, wartet, bis man mir die Kugel aus der Schulter geholt hat!“

„Dann dürfte dir das Witzemachen vergehen, Fremder“, sagte einer der Cowboys. „Ich selbst werde die Behandlung übernehmen. Es dürfte kaum noch Zeit sein, den Doc zu holen. Macht alles fertig, Boys, ich brauche heißes Wasser und Leinentücher!“

Jube sah sich den schmalgesichtigen Cowboy an und sagte dann lachend: „Ich denke, wir haben uns irgendwann schon einmal gesehen, und zwar muss es vor Jahren bei der Südarmee gewesen sein. Es gab da einen Doc ...“

Die Augen des Cowboys verengten sich.

„Rede nur weiter, Jube Kinsay“, sagte er. „Meine Kameraden wissen, wer ich bin, dass ich einmal versagt habe und einen entscheidenden Fehler machte. Man stieß mich daraufhin aus der Armee aus. Es ist meinen Freunden hier nichts Neues.“

„Ich hätte es nicht gesagt, Pete McSavie“, sagte Jube sanft. „Bei der vierten Kompanie gab es keinen besseren Kämpfer und bei der ganzen Einheit keinen besseren Arzt. Jeder kann einmal Pech haben, jeder kann sich einmal irren, das ist nur zu menschlich.“

„Mein Irrtum war so groß, dass ich es vorzog, Cowboy zu werden und hierher zu reiten“, sagte McSavie schlicht. „Dich aber habe ich hier am allerwenigsten erwartet. Bist du mit Dean Kinsay, unserem neuen Mann, verwandt?“

„Sehe ich so aus?“, stellte Jube die Gegenfrage. Alle blickten die beiden Brüder an.

„Nein“, sagte Pete. „Ihr habt nicht die geringste Ähnlichkeit. Bist du noch immer so wild wie damals?“, fragte Pete McSavie grinsend. „Tragt ihn sehr vorsichtig, Boys! Ihr ahnt kaum, wen ihr mir da ins Haus bringt.“

„Pete, das verrät beinahe zu viel“, murmelte Jube, doch Pete sah ihn nur an und sagte zu seinen Begleitern: „Ihr müsst wissen, dass er der Kompaniechef der 4. Kompanie war. Er ist der Mann, der seine Kompanie aus einer starken Umklammerung herausführte und sie ohne große Verluste zurückbringen konnte. Ohne ihn wäre die ganze Kompanie vor die Hunde gegangen.“

„Ohne dich wäre mancher nicht mehr am Leben“, erwiderte Jube ruhig.

„Hast du Angst?“

„Nein.“

„Das ist gut so. Damals hast du deine Pflicht erfüllt, heute erfülle ich meine als Vormann der Schwerter-Ranch. Ich weine nicht über die verpfuschte Vergangenheit. Ich habe eingesehen, dass ich jetzt auf dem richtigen Platz bin, auf dem ich meinen Mann stehen kann. Es ist mehr, als ich zu hoffen wagte. Wir könnten wieder Freunde werden, Jube.“

„Wir sind es geblieben, Pete, denke ich. Es hat sich seit damals nichts geändert.“

Jetzt mischte der Ranchboss sich ins Gespräch.

„Ich komme aus dem Staunen nicht heraus“, sagte er mit erregter Stimme. „Ich muss in der letzten Nacht eine besonders gute Nase gehabt haben. Hören Sie, Kinsay, wollen Sie auf dieser Ranch bleiben?“

„Das werde ich vorerst wohl müssen“, erwiderte der Verwundete und ließ sich sanft auf den Tisch legen, den man in aller Eile mitten in den Raum gestellt hatte. „Nach der Operation bin ich Pete McSavie eine Menge schuldig.“

„Halt die Luft an, Jube!“, sagte Pete. „An deiner Verwundung stirbst du nicht. Du aber hast mir dreimal das Leben gerettet. Dreimal hast du mich unter eigener Lebensgefahr herausgehauen. Das habe ich dir nicht vergessen. Jetzt sollte dein Bruder mir das heiße Wasser in die Schüssel schütten und nicht länger wie auf heißen Kohlen herumstehen. Dean Kinsay ist doch dein Bruder, oder?“

„Dir kann man wahrhaftig nichts vormachen, Pete.“

„Seine Augen haben ihn entlarvt. Zu sehr brennt in ihnen die Sorge um dich. Er kennt dich noch zu wenig, aber er gleicht dir. Er hat vor dem mächtigsten Mann hier in der ganzen Umgegend nicht das Knie gebeugt und die Annahme seines Restlohnes verweigert, er hat dem mächtigsten Mann dieser Weide die Stirn geboten.“

„Das liegt in der Familie, Pete. Die Kinsays hatten schon immer einen dicken Schädel und wollten damit durch die Wand. Ich selbst habe anfangs keiner Fliege etwas zuleide tun können, doch nach dem Tod meiner Eltern und meiner Schwester bin auch ich anders geworden.“

„Ich kann nur nicht verstehen, was dich in die Bande getrieben hat?“

Während des Gespräches hatte Pete sich die Hände gewaschen. Jetzt glühte er ein scharfes Messer aus. Zwei der Cowboys legten Leinentücher und Lederriemen bereit, mit denen Jube festgeschnallt werden sollte.

„Du wirst es kaum für möglich halten, Pete. Ich suche einen Mann und glaubte, ihn bei der Bande zu finden. Es war ein Irrtum, das ist alles. Ich gebe nicht auf. Eines Tages werde ich ihn erwischen. Lange suche ich ihn schon, einmal aber wird er vor meinem Revolver stehen.“

„Ich möchte es nicht sein“, sagte Pete trocken. „Du hast ähnliche Schwierigkeiten wie wir von der Schwerter-Ranch und dein Bruder Dean. Uns allen brennt der Boden unter den Füßen. Wenn ich eine Zeitlang auf einer Stelle stehe, habe ich das Gefühl, dass mir die Fußsohlen ansengen. Wir sprechen später einmal über diese seltsame Erscheinung, Jube. Jetzt muss ich dich anbinden. Ich habe keine Betäubungsmittel zur Verfügung. Es muss sein.“

„Nur zu, Pete!“, sagte Jube. „Je schneller es vorbei ist, umso besser. Ich habe nicht vor, ewig mit Blei in der Schulter herumzulaufen. —-Dean“, wandte er sich dann seinem Bruder zu, „zeige jetzt, dass du ein Kinsay bist. Ich weiß, dass du am liebsten davonlaufen möchtest, doch das lasse ich nicht zu. Man kann eine Lektion nicht hart und vor allen Dingen nicht früh genug bekommen. Du siehst, ich habe mich nach unserer Trennung völlig verändert.“

„Du brauchst nicht zu befürchten, dass ich viel anders als du bin, Jube. Du hast dich zwar mehr verändert als ich, aber ich werde schon keine weichen Knie bekommen. Worauf warten wir noch, McSavie? Wie lange willst du meinen Bruder noch seine unmöglichen Reden halten lassen? Also los, beginnen wir!“

„Du scheinst dich also auch verändert zu haben in all der Zeit, Bruder“, sagte Jube. „Das hört sich für mich wie Musik an. Packt nur nicht so zimperlich zu, ihr werdet mich nicht schreien hören.“

„Untersteh dich!“, erwiderte Dean rau. „Du weißt doch, ein Indianer kennt keine Schmerzen!“

Jube lachte leise, er tat es noch, als Pete mit der Operation begann. Er bäumte sich nicht einmal auf. Sein Wille ließ ihn über den gemarterten Körper triumphieren. Sein Lachen hörte erst auf, als ihn eine tiefe Ohnmacht umfing.

„Gelungen“, murmelte Pete McSavie schließlich, als er schweißgebadet den Verband fertiggestellt hatte. „Die Kugel ist heraus.“ Er blickte Dean an, der sich über seinen Bruder beugte.

„Er wird schon bald wieder zu sich kommen“, sagte Pete leise. „Wenn er dein Entsetzen sieht, wird er dich auslachen. Er will keine Anteilnahme und kein Mitleid, am allerwenigsten wohl von seinem jüngeren Bruder. Er hat Mitleid nicht einmal von einer hübschen Krankenschwester vertragen können, als er im großen Bruderkrieg verwundet war.“

„Ich weiß sehr wenig von meinem Bruder, ich kann sagen, aus der Zeit nach unserer Trennung gar nichts.“

„Nun, er hat die Krankenschwester geheiratet und damit die Hoffnung vieler Männer zerschlagen, die alle in sie verliebt waren“, antwortete Pete. „Auch ich war in sie verliebt. Aber wer war das damals nicht. Sie war wie ein Engel, eine Frau, wie man sie nur selten sieht. Er muss sie sehr geliebt haben.“

„Es tut mir leid, dass ich sie nie kennengelernt habe, weder sie noch meinen Neffen. Mein Bruder verlor seine Lieben zu früh.“

„Schicksal“, murmelte Pete, „alles ist Schicksal. Niemand kann voraussehen, was auf ihn zukommt. Wenn wir nur schon wüssten, was uns in diesem Lande erwartet! Wer ein gutes Gehör hat, kann Tod und Teufel dicht nebeneinander reiten hören.“

„Du kennst Ron Brown?“

„Wenig, aber dafür kenne ich den Vormann Dan Snass besser“, sagte Pete McSavie betont lässig. „Ich habe ihn nur einmal von fern hier in der Gegend bei einem Herdentrieb gesehen. Die Narbe an meiner linken Wange stammt von der Kugel aus seinem Revolver. Er hätte mich töten können, aus irgendeinem Grunde aber verschonte er mich. Er ist der schnellste Revolvermann, den ich jemals ziehen sah, ein Blitz, schnell wie der Teufel selbst. Er ist der wirkliche Herr der Vierstäbe-Ranch. Ihm untersteht die Mannschaft und für ihn lassen sich die Leute in Stücke schießen. Für ihn steht es fest, dass Gloria Garden seine Frau wird.“

„Großer Gott!“

„Gott wird es nicht zulassen, Dean Kinsay“, sagte Pete heiser. „Der Teufel kann nicht über das Gute triumphieren. Irgendwann kommt er zu Fall. Mir scheint, es ist kein Zufall, dass dein Bruder Jube hier auftauchte. Es kann kein Zufall sein, dass er als einziger dem mörderischen Aufgebotstreiben entkam. Es gibt keine Zufälle. In diesem Leben hat alles seinen Sinn, auch dann, wenn wir Menschen ihn nicht herausfinden können. Wir können nur hoffen, dass man uns ein wenig Zeit gibt.“

„Steht es so schlecht, Pete?“

„Ja“, gab der ehemalige Doc zu, „es sieht nicht gut aus!“

Feuerhimmel am Pecos

Подняться наверх