Читать книгу Die neue Mayerling-Chronik - Lars Friedrich - Страница 4

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Einleitung

Es ist Dienstag, der 30. Januar 1889. Josef Höffler, seit 1882 Stationschef des Badener Bahnhofes, hat an diesem Morgen Dienst. Gegen 9 Uhr springt auf dem Bahnhofvorplatz ein Mann, dem Aussehen nach Anfang 50, aus einem Fiaker und lässt sich umgehend zu Höffler bringen. „Lassen Sie mich in den nächsten Zug einsteigen, ich muss schnellstens nach Wien“, forderte der Fremde. „Unmöglich“, erwiderte der Südbahn-Ingenieur, „der Kurierzug aus Triest nimmt in Baden keine Fahrgäste mehr auf. Sie müssen warten!“

Der Bote, der eilig in die Haupt- und Residenzstadt will, ist Josef Theodor Graf Hoyos-Sprintzenstein (1839-1899). Der k. k. Kämmerer ist ein Jagdfreund des Kronprinzen Rudolf (1858-1889) und Herr auf Schloss Kreuzstetten in Niederösterreich. Meist wird er von Zeitgenossen als ein Mann simplen, einfachen Gemütes beschrieben, der als Junggeselle anspruchsvoll lebend dem künftigen Kaiser von Österreich und König von Ungarn treu ergeben ist. „Josl“ Hoyos lebte meist auf Schloss Gutenstein im südlichen Voralpengebiet, nahe den Bergen. Doch während der letzten beiden Tage war er Gast des Kronprinzen auf dessen Jagdschloss bei Baden. Von dort, aus Mayerling, muss er wichtige Nachrichten nach Wien bringen...

„Lassen Sie mich in den Zug einsteigen, ich muss zum Kaiser“, fordert Hoyos erneut. „Der Kronprinz hat sich erschossen!“ Während Hoyos vom Bahn-Telegrafen dem Ersten Obersthofmeister, Konstantin Prinz zu Hohenlohe-Schillingsfürst (1829-1896), seine baldige Ankunft in Wien anzeigen lässt, stoppt Höffler tatsächlich den Zug. Kaum setzt sich dieser mit dem Grafen wieder in Bewegung und nimmt Fahrt auf, telegrafiert der Stationsvorstand die schreckliche Nachricht vom plötzlichen Tode des Thronfolgers an den Chef des Bankhauses Rothschild, Nathaniel Meyer Freiherr von Rothschild (1863-1905), der das Patronat über die private Südbahn ausübt. Danach nimmt er seine Visitenkarte zur Hand: „Bes. des gold. Verd. Kr. v . d. Kr., Ritt. des span. Isabellen-, des serb. Tacovo- und des mont. Danilo-Ordens, derzeit Stations-Chef Baden“ ist unter seinem Namen zu lesen. Hier ist kein Platz für viele Worte, so dass er rückseitig notiert: „Der Kronprinz liegt tod in Mayerling“. Während er die Karte mit der Schreckensnachricht dem Badener Bezirkhauptmann Ernst Oser (1845-1902) zukommen lässt, informiert Baron von Rothschild in Wien nicht nur den deutschen Botschafter, Prinz Heinrich VII. zu Reuss (1825-1906), sondern macht die Todesnachricht auch an der Wiener Börse bekannt – die somit früher vom Unglück in Mayerling fährt als die Eltern und der kaiserliche Hof in Wien, den Hoyos erst nach 10 Uhr erreicht.

Mit dem Tod von Rudolph Franz Carl Joseph, des Kaiserthums Österreich Kronprinz und Thronfolger, königlicher Prinz von Ungarn, Böhmen, der Lombardei und Venedigs, von Dalmatien, Croatien, Slawonien, Galizien, Lodomerien und Illyrien etc., Erzherzog von Österreich etc. etc. wird der Ort seines Sterbens weltberühmt: Mayerling.

Die Geschichte Mayerlings beginnt aber weder am 30. Januar 1889, noch endet sie an diesem Tag. 1882 schreibt Hugo Wolf (1860-1903): „... und in ewiger Morgenschönheit uralte Liebe mir neu entbrennt: es ist dies mein gutes, liebes, geliebtes, altes und ewig junges – Mayerling!“ In dieser Chronik erzählen wir erstmals nahezu vollständig die über 850-jährige Geschichte dieses alten und ewig jungen Ortes.

Mayerling zählt zu den zwölf Allander Katastralgemeinden (Glashütten, Pöllerhof, Weissenweg, Alland, Windhaag, Groisbach, Maria Raisenmarkt, Schwechatbach, Mayerling, Rohrbach, Innerer Kaltenbergerforst, Äußerer Kaltenbergerforst), liegt im niederösterreichischen Bezirk Baden geographisch auf eine Seehöhe von fast 326 Metern (48,05 Grad Nord/16,10 Grad Ost) und hat eine Fläche von rund zwei Quadratkilometern. Zu erreichen ist die Wienerwaldgemeinde über die Außenringautobahn A 21, Abfahrt Nr. 17 („Mayerling“).

Die am 1. Januar 1972 aus den Gemeinden Alland und Raisenmarkt gegründete Großgemeinde Alland (seit 27.06.2002 Marktgemeinde) ist mit 68,71 Quadratkilometern die flächenmäßig größte Gemeinde im Bezirk Baden. Mayerling, gelegen an der schon im Mittelalter existierenden Kreuzung zweier wichtiger Straßen, des Binnen-Wienerwaldweges Nord-Süd und der Fernverbindung St. Pölten-Baden, hat kaum Infrastruktur: eine Privatpension, eine Ferienwohnung, zwei Hotels, zwei katholische Kirchen (im oberen Kloster zu Ehren des Heiligen Josef, im unteren Kloster zu Ehren des Heiligen Franz und der Heiligen Elisabeth), ein Studentenwohnheim, ein Seniorenpflegeheim und zwei Linienbushaltestellen mit Verbindung Richtung Wien, Baden, Mödling, Mariazell, St. Pölten und Wiener Neustadt. Hinzu kommen zwei Wirtshäuser: der „Gasthof zum alten Jagdschloss“ (im 18. Jahrhundert als Fahrpoststation errichtet; 1889 Herberge, Jausen- und Poststation des Breitenfurter Gastwirtes Gottwald; weitere Besitzer: um 1928 Marie Sukopp, 1946-1958 Isabella Vasak, 1958 Familie Grundner, bis 1962 Familie Knotzer, 1962 bis 1964 Leerstand, am 03.05.1964 Erwerb durch Familie Dujmovic; 2002 Eröffnung von Hotelzimmern; seit Mai 2006 verpachtet an Zuzana Adamiková und Miroslav Huliciak) und das „Relais & Châteaux Hanner ? Restaurant ? Hotel ? Meetingpoint“ (vor 1889 „Milli-Nandl-Hof“, Landhaus des Wiener Advokaten Dr. Joseph Reitzes; 1934 brennt der wegen einer Marienstatue so genannte „Marienhof“ bis auf die Grundmauern nieder; vom Stift Heiligenkreuz als Holzblockhaus mit Jausenstation und – bis 1960 – eigener Landwirtschaft neu errichtet; verpachtet an Eduard Matzner; 1965 verpachtet an Johann und Cäcilie Hanner; wegen Problemen mit der Wasserzuleitung wird das Anwesen 1970 zum Verkauf ausgeschrieben und von der Familie des Pächters erworben; 1972 Um- und Neubau von Zimmern für bis zu 40 Gäste; 1982 Einrichtung von Tagungsräumen; 1984 Bau eines Komfort-Hotels; 1986 Eröffnung des Restaurants „Kronprinz“; seit 1990 unter Leitung von Heinz Hanner, u. a. Koch des Jahres 1997, 3 Hauben/18 Punkte im Gault & Millau, 2 Sterne im Guide Rouge Michelin, 5 Sterne A la Carte; 2002 Umbau von Restaurant und Hotel zum First-class-Betrieb; 2003 erneut Umbau und Umfirmierung zu „Relais & Châteaux Hanner ? Restaurant ? Hotel ? Meetingpoint“).

Nur noch Geschichte ist jenseits der Schwechat der Gasthof „Bachner“ (im 17. Jahrhundert als Bauernhof errichtet; 1889 Gasthof „Tourist“ von Karl Grandl, ab ca. 1891 im Besitz von Anton Wurstbauer, 1921 Erwerb durch Rosa Bachner, in den 30-er Jahren des 20. Jahrhunderts geführt von Franz Bachner als „F. Bachner´s Touristenhaus“ mit „Terrassenkaffee und Hotelrestaurant“ sowie eigenem Fernsprechanschluss mit der Nr. 3; von 1938 bis 1945 durch die NS-Organisation „KdF-Kraft durch Freude“ mit der KdF-Kennnummer 129 als Lager der Wiener „Kinderlandverschickung“ genutzt; 1961 erster Anbau, 1971 zweiter Anbau; im Besitz der Familie Bachner bis Mitte 90-er Jahre des 20. Jahrhunderts; danach Restaurant „Mayerling“ bis zum Tod des neuen Inhabers 2005).

Die neue Mayerling-Chronik

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