Читать книгу Verkaufen in digitalen Zeiten - Lars Schäfer - Страница 15
1970 bis 1999: Weltwirtschaftskrise, Yuppies und die New Economy
ОглавлениеAls im Jahre 1973 der erste von zwei Ölpreisschocks in den 1970er-Jahren (der zweite kam 1978) die Gesamtwirtschaft erschütterte, war das Wirtschaftswunder mit einem Schlag vorbei: Die Preise für ein Barrel Öl vervierfachten sich innerhalb eines Jahres und stiegen weiter, was zur Folge hatte, dass in Deutschland Geschwindigkeitsbegrenzungen auf Autobahnen und Landstraßen eingeführt wurden. Ja, es gab sogar autofreie Sonntage (die Bilder von Fußgängern auf Autobahnen gingen damals um die Welt), damit Benzin gespart werden konnte. Als Folge gingen sehr viele Firmen pleite oder meldeten Kurzarbeit an, die Zahl der Arbeitslosen stieg immens und der Konsum sank: die klassische Negativspirale.
Was das für die Unternehmen und deren Verkäufer bedeutete, ist klar: Es wurde mit immer härteren Bandagen um die »sauer verdiente Mark« der Kunden gekämpft, das sogenannte Hardselling wurde zum bevorzugten Verkaufsstil. Und es war eine aus der Not geborene, aber dennoch relativ erfolgreiche Strategie: Die Kunden waren natürlich längst nicht so aufgeklärt wie heutzutage, es gab keine solch fantastischen Informationsquellen wie zum Beispiel das Internet, die Verkäufer hatten so einen immensen Wissensvorsprung. Dies wurde leider oft ausgenutzt, um auf Teufel komm raus Umsatz zu generieren.
Mitte der 1980er-Jahre ging es endlich wieder aufwärts, die Wirtschaft boomte, die Zeit der Yuppies war gekommen, der young urban professionals, die sich durch finanziellen Erfolg und eine ausgesprochene Konsumhaltung auszeichneten. Plötzlich war alles möglich, viele erfolgreiche Unternehmer und Unternehmen hatten in dieser Zeit ihren Ursprung, die Menschen konnten sich endlich wieder etwas leisten: Es entstand ein regelrechter Markenwahn, man identifizierte sich mit teuren Brands. Dieser Trend setzte sich mit dem Boom der Computerbranche und dem Erfolg der New Economy (die Entwicklung der Wirtschaft hin zu Dienstleistungen, besonders zu webbasierten Diensten) fort. Eines aber veränderte sich langsam, aber stetig: Das Vertrauen der Kunden in die Verkäufer ließ immer mehr nach, ob dies nun Geschäfts- oder Privatkunden waren. Eine Folge des Hardselling der 1970er- und 1980er-Jahre war die Kaufreue: Viele Kunden hatten sich zu oft zu sehr verleiten lassen und Produkte gekauft, die sie eigentlich gar nicht benötigten. Die Lager waren bis oben hin vollgepackt, nur weil der Preis so super war. Irgendwann jedoch ist nun mal jeder Markt zumindest für einen bestimmten Zeitraum gesättigt, sodass die Unternehmen und ihre Verkäufer fast schon gezwungen waren, den Druck auf die Kunden zu erhöhen. Da die Kunden dies aber nicht mehr so einfach mit sich machen ließen, trat immer öfter der beratende Verkäufer in den Vordergrund, also ein Verkäufer, der – zumindest meiner Meinung nach – diese Berufsbezeichnung kaum mehr verdiente, weil er zu wenig abschlussorientiert agierte, sondern, salopp formuliert, mit dem Kunden nur noch Kataloge durchblätterte. Alles halb so wild zu diesem Zeitpunkt, denn irgendwie liefen die Geschäfte ja doch noch ganz ordentlich weiter.
Um unseren fiktiven 75-jährigen Protagonisten vom Anfang des Kapitels noch einmal ins Spiel zu bringen: Empfinden Sie, lieber Leser, diese Zeiten als positiv? Wenn Sie etwas davon mitbekommen haben: War das wirklich so toll und besser als heute? Wenn Sie gerade frisch im Verkauf sind: Hätten Sie lieber damals verkauft? Ich habe als aktiver Verkäufer die 1990er-Jahre miterlebt, seit 2004 aber bin ich selbstständig tätig und verkaufe vor allem mich selbst, meine Konzepte, meine Vorträge, Trainings und Bücher: Es gab und gibt nicht die optimale Zeit für Verkäufer, wenn wir einmal von einem Wirtschaftsboom absehen, wie wir ihn Mitte der 1980er-Jahre erlebt haben. Entscheidend sind immer Kompetenzen wie Anpassungsbereitschaft und Flexibilität. Diese Eigenschaften haben erfolgreiche Geschäftsleute und auch gute Verkäufer schon immer ausgezeichnet, und das wird auch immer so bleiben. Und ja, es wurde mehr von Mensch zu Mensch geredet, allerdings wohl nur deshalb, weil es keine E-Mails, SMS oder andere Messaging-Dienste gab. Das einzig halbwegs digitale Kommunikationsmittel Ende der 1980er-Jahre war das Faxgerät: Es hatte die Größe von vier zusammengestellten Zalando-Kartons und kostete meinen damaligen Chef 7000 (!!) Deutsche Mark, umgerechnet fast 3600 Euro. Auch ich habe die Liebe zum telefonischen Kundenkontakt erst entdeckt, als es Tastentelefone gab: In der Zeit, in der Sie eine elfstellige Nummer mit der Wählscheibe gedreht hatten, hätte Ihr Kunde in der heutigen Zeit bereits längst wieder aufgelegt. Der Mensch neigt häufig zur positiven Verklärung der Vergangenheit und schaut der Zukunft ebenso oft skeptisch ins Auge. Aber früher war halt doch nicht alles besser …