Читать книгу Verkaufen in digitalen Zeiten - Lars Schäfer - Страница 30
Auf Wiedersehen, Tante Emma!
ОглавлениеDass nicht jedes hoffnungsvolle und disruptive Konzept funktionieren muss, belegt das Düsseldorfer Unternehmen »Emmas Enkel«. Die zwei jungen Gründer der Firma hatten die Idee, die alten Tante-Emma-Läden wieder auferstehen zu lassen und die altertümliche Gemütlichkeit des Einkaufens mit der neuen Welt des Online-Handels zu verbinden. Die Kunden hatten dabei verschiedene Möglichkeiten, um dort einzukaufen:
•entweder old-school im Geschäft, wobei es eine gute Tasse Kaffee gab, während man in einem gemütlichen Sessel darauf wartete, dass die ausgewählte Ware zusammengepackt wurde, oder anhand von QR-Codes, die draußen an der Scheibe klebten,
•oder internetaffin direkt über das Netz oder per App. Die Kunden konnten sich einen Zeitraum aussuchen, zu dem die Ware geliefert werden sollte.
Das Konzept hat tatsächlich funktioniert. Zumindest in den jeweiligen Stadtgebieten, aber es sollte ja noch weiterentwickelt werden. Dieses kleine Unternehmen wurde medial dermaßen gefeiert, dass es sich sogar einen Pressesprecher leisten konnte – beziehungsweise musste, um der Flut der Anfragen jeglicher medialer Couleur Herr werden zu können.
Dass diese innovative und sympathische Erfolgsgeschichte natürlich bei den Unternehmen Begehrlichkeiten weckte, die dieses Knowhow aus den verschiedensten Gründen nicht in ihren eigenen Reihen hatten, sich aber gegen die neue Konkurrenz mit Geld zu »wehren« und zu verteidigen wussten, ist logisch. Und so kam es, wie es kommen musste: Im Sommer 2016 übernahm der Handelsriese Metro die Mehrheitsanteile an Emmas Enkel, und die beiden Geschäftsführer stiegen aus dem Tagesgeschäft aus. Über deren Motivation zu diesem Schritt kann nur gemutmaßt werden. Es scheint allerdings klar zu sein, dass mit dieser Übernahme der muffig anmutende Wind der Old Economy durch die kleinen Läden geweht ist: Kaum war die Übernahme perfekt, wurden die Offline-Läden geschlossen, »da unsere Daten-Analysen klar gezeigt haben, dass online der erfolgversprechendste Kanal für Emmas Enkel ist – deshalb konzentrieren wir uns darauf«.
So ließ es jedenfalls Gabriele Riedmann de Trinidad verlauten, ihres Zeichens »Group Director Business Innovation« bei der Metro. Verzeihen Sie mir bitte diese vertrackten englischen Ausdrücke, aber erstens wird die Dame konzernintern so bezeichnet, und zweitens ist dieser ganze Vorgang leider auch bezeichnend: Da wird eine neue Idee, die sehr vielversprechend begann und vor allen Dingen auf Werten basierte, die jenseits des Shareholder-Value-Denkens ihren Ursprung hatten, mal eben durch den Reißwolf des Controllings gejagt – und heraus kommt die Schlussfolgerung, dass das Online-Geschäft die Marge optimiert und deshalb die Läden geschlossen werden müssen.
Dass hierbei die Seele des Geschäfts und damit die Tragfähigkeit für die Zukunft zerstört wird, ist in Big Data leider nicht vorgesehen.
Ich finde das sehr schade, zumal hier ein sehr originelles und meiner Meinung nach auch für den gesamten Einzelhandel tragfähiges Erfolgskonzept der reinen Margenoptimierung zum Opfer gefallen ist. Dieser Fall zeigt allerdings, dass die großen Konzerne händeringend den weltweiten Anschluss schaffen wollen. Wie und mit welchen Konsequenzen, ist scheinbar egal, Hauptsache es klingt digital.