Читать книгу Der Geist der Spiegelkatze - Laura Kier - Страница 5

Verhandlungen

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Als die ersten Sonnenstrahlen Taps blendeten, warf er einen verstohlenen Blick zu Susalu. Wie könnte er seinen Plan in die Tat umsetzen? Er musste an ihr Wissen herankommen. Er sollte ihr vermutlich etwas im Tausch anbieten, nur was? Was könnte eine Dame wie sie gebrauchen? Bei Faruun war es leicht. Futter und Schutz. Aber das bekam Susalu beides von ihrer Madame.

Noch während er sich darüber den Kopf zerbrach, streckte die Katzendame sich und stand auf. „Danke für deine Gesellschaft. Es ist Zeit für mich zu gehen.“

Halt!, schrie Taps innerlich. Jetzt musste er schleunigst einen guten Grund finden, sie bei sich zu behalten und für sich zu gewinnen. „Warte. Ich wollte dir doch ein paar hübsche Ecken zeigen!“

Sie strich mit der Zunge über ihre Pfote und starrte ihn mit leicht zusammengekniffenen Augen an. „Glaubst du, ich kenne meine Heimatstadt nicht?“

Verlegen räusperte sich Taps. „Nun ja, du kennst sie ganz sicher. Aber kennst du jede Gasse, jeden Balkon und vor allem jeden ruhigen Sonnenplatz?“

„Wer sagt, dass ich Ruhe will?“

„Ich dachte …“ Nicht denken, schalt er sich selbst. Du kennst sie nicht, also halt dich lieber zurück. Er verfluchte sich zwar für seine Gedanken, aber es brachte ihn tatsächlich nicht weiter, wenn er herumstocherte, ohne zu wissen, was ihre Ziele waren.

„Was willst du wirklich?“, kam sie ihm zuvor.

„Ich? Nichts. Sollte ich etwas wollen?“

Sie legte den Kopf schief. „Jeder will etwas. Ich frage mich, was du willst. Nach Afrika scheinbar nicht. Dafür strengst du dich zu sehr an, die anderen Katzen zu beeindrucken.“ Sie schob die Ratte auf ihn zu. „Was hast du damit vor? Bringst du sie da hoch?“

„Vielleicht.“ Unschlüssig betrachtete er das tote Tier. „Womöglich ist sie aber tatsächlich zu mickrig, wie Faruun sagte.“ Er seufzte. Jetzt oder nie. „Wie dem auch sei, ich könnte tatsächlich deine Hilfe gebrauchen. Du kannst doch sicherlich lesen, oder?“

„Wie kommst du darauf?“

„Nun, du bist aus gutem Haus. Deine Madame …“

„Ja, sie liest.“

„Würdest du mir helfen? Wir suchen ein Schiff, das nach Afrika fährt. Aber wir können die Schilder im Hafen nicht entziffern.“ Schnell setzte er hinzu: „Im Hafen gibt es sehr viel zu sehen. Es würde dir sicherlich gefallen.“

„Langsam. Ich habe dir bereits erklärt, dass ich Verpflichtungen habe. Madame wartet auf mich. Selbst wenn ich jetzt losrenne – was sich für eine Dame nicht gehört –, komme ich bereits zu spät.“ Sie rollte die Augen. „Nein, das geht nicht. Ich kann Madame bereits nach mir rufen hören!“

Taps spitzte die Ohren. Außer dem Morgenkonzert der Vögel, dem Rauschen des Windes und den ersten Klängen der Menschen hörte er nichts. Zumindest keine Rufe. Aber sein Gehör war tatsächlich nicht mehr das Beste, seit dieser dämliche Kater ihn gelinkt und im Zweikampf arg am Ohr verletzt hatte. „Gibt es eine Möglichkeit, dich zu überzeugen, dennoch mitzukommen? Sicherlich kann ich dir im Gegenzug ebenfalls helfen.“

Langsam ließ Susalu sich wieder nieder. Sie schob den Schwanz der Ratte hin und her. „Was willst du mir schon bieten können? Ein einfacher Stra–“

„Bitte entschuldige, auch wenn ich keine Madame habe, zu der ich zurückkehren kann, bin ich nicht weniger wert als du!“

„Dann verrate mir doch, weshalb du dich so sehr bemühst, bei den anderen Katzen Eindruck zu schinden?“

Damit hatte sie ihn erwischt. Er musste ihr also seinen Wert beweisen. Nur wie? „Es geht nicht um Eindruck schinden. Aber natürlich musst du das denken. Du kennst mich noch nicht. Es wird Zeit, dass wir das ändern.“

„Nein danke. Kein Interesse.“ Aber sie blieb. Sie ging nicht zu ihrer Madame zurück, obwohl sie es angeblich eilig hatte.

Das machte Taps Mut. Er blieb dran. „Du willst etwas von mir. Was ist es?“

Erschrocken sah sie ihn an. „Wie kommst du auf die Idee?“

„Tue nicht so. Sonst wärst du längst weg. Also, was ist es? Ich will wissen, ob sich der Handel lohnt. Immerhin vertrödle ich ebenfalls meine Zeit mit dir, statt mit Faruun nach einem passenden Schiff zu suchen.“

„Gut.“ Sie setzte sich aufrecht hin, legte ihren Schwanz über die Pfoten. „Ich brauche einen überaus mutigen Kater. Es gibt etwas, das ich nicht allein schaffe.“

Taps hob das Kinn, schob die Brust vor, legte den Kopf schräg und sah sie abwartend an.

„Ich brauche Baldrian.“

„Was?“

„Bring mir ein Fläschchen. Dann lese ich dir dein Schild vor. Am besten, du bringst es zu mir.“

„Wie soll ich ein Schild zu dir bringen? Das hängt fest am Schiff!“

„Lass dir was einfallen.“ Sie sah ihn von oben herab an. „Ihr beide habt doch viele Ideen.“ Sie deutete auf die Muster, die Faruun in das Holz geritzt hatte. „Der Vogel wird das schon hinbekommen.“

Seufzend betrachtete Taps die Kratzspuren. Ganz entfernt erinnerte es möglicherweise an den Turm, der hinter ihnen errichtet wurde. „Du willst ein Fläschchen und dafür soll ich nicht nur den Text zu dir schleppen, sondern bekomme lediglich ein mickriges Schild übersetzt? Für all die Gefahren, die ich dafür in Kauf nehmen muss? Vergiss es.“

„Oh, du legst aber früh deine Meinung fest. Ohne zu wissen, was genau auf dich zukommt oder ich noch zu bieten habe.“

„Also schön. Erzähl.“

Susalu rümpfte die Nase. „Ach weißt du, vielleicht sollte ich mir lieber einen anderen Straßenka…“

„Jetzt warte doch mal. Glaubst du, ich wäre nicht mutig genug?“

Lachend sah sie ihn an. Dann blickte sie zur Ratte. „Warum liegt die dann immer noch hier? Brauchst du echt einen Vogel, um das Werk einer Katze auszuführen?“

Angewidert betrachtete Taps die Ratte. Das verdreckte Fell mit den roten Pusteln, die an einigen kahlen Stellen hindurchschimmerten, missfiel ihm. Aber wenn das der einzige Weg war, um Susalu zu beweisen, dass er fähig für ihre Aufgabe war, würde er sich überwinden. Immerhin war das seine Chance, das Versprechen an seinen besten Freund in die Tat umzusetzen. Faruun hatte ihn schließlich mehr als einmal vor einem Hinterhalt der Straßenkatzen gewarnt. „Gut. Also hoch mit der Ratte. Danach reden wir weiter. Aber du kommst mit.“ Er hatte etwas dagegen, sie am Ende aus den Augen zu verlieren.

„Ich? Bist du verrückt? So hoch? Deshalb brauche ich doch einen mutigen Kater!“

Zähneknirschend richtete er sich auf und schnappte sich die Ratte. Furchtbares Gefühl. Schnell sprang er von den Kisten, erklomm Stahlträger um Stahlträger. Einmal kam er kurz ins Straucheln, als er sich vergewisserte, dass sie ihm weiterhin zusah. Noch saß sie dort und starrte ihm hinterher. Leise maunzte sie, als er gefährlich schwankte. Hatte sie Angst um ihn? Er beschloss, abermals zu straucheln und gefährlich eng am Abgrund zu balancieren. Vielleicht konnte er sie so zusätzlich für sich gewinnen. Leider konnte er nicht mehr hören, ob sie nochmals aufschrie. Der Wind pfiff mittlerweile so stark um seine Ohren, dass er alle anderen Geräusche übertönte. Also gab es nur noch den Weg in die Höhe. Möglichst schnell. Die Ratte schmeckte mit jedem Schritt schlechter. Am liebsten wollte er sie fallenlassen. Aber dann … Nein. Aufwärts.

Nur noch ein Stahlbalken.

Da kam plötzlich Faruun zu ihm geflogen. „Jetzt bringst du sie ja wirklich selbst hoch!“, krächzte er.

„Natürlich“, wollte Taps antworten, aber er verkniff es sich. Die Ratte nochmals von unten aufsammeln war nicht in seinem Sinn, deshalb nickte er.

„Was ist dein Plan?“

Taps knurrte und sprang auf den letzten Balken. Er angelte nach der Seilwinde. Der Haken sah genau richtig aus, um die Ratte daran aufzuhängen, doch wie? Einen Knoten in den Schwanz, wie er es bei den Seilen der Menschen gesehen hatte? Unschlüssig hockte er sich davor und legte die Ratte auf dem Stahlbalken ab. Dann sah er Faruun an. „Komm, ich brauche deine Hilfe. Wie bekomme ich das Ding da dran?“

„Mach ein Loch rein?“

„Witzig.“ Er sah hinab. Ein Fehler. In die Ferne gucken war gut, aber nach unten? Der Turm war höher als gedacht. Vor allem aber konnte er Susalu nirgends entdecken. „Wo ist sie hin?“

„Wer?“

„Na sie? Salu!“

„Äh, nach Hause? Zu ihrer Madame?“ Mit eng angelegten Flügeln hockte der Halsbandsittich neben dem Kater, der Wind zerzauste die feinen Federn an seinem Kopf. „Hast du erwartet, dass sie dich beobachtet, wie du dich lächerlich machst?“

„Wir hatten eine Abmachung!“, maunzte Taps enttäuscht. „Sie wollte für uns die Schilder lesen.“

„Dafür, dass du die Ratte hier hinaufbringst? Was hat sie davon? Natürlich will sie in der Zeit verschwinden.“ Dennoch hob Faruun interessiert den Kopf.

„Mutprobe. Du weißt schon. Damit sie mir mehr von ihrem Auftrag erzählt. Aber jetzt ist sie weg.“

Der Vogel stieß mit dem Schnabel die Ratte hinab.

„Hey!“

„Sieh zu, dass du runterkommst. Ich such diese komische Hauskatze.“

„Aber …“

„Los jetzt!“ Faruun schwang sich in den Wind. „Du wirst mir dafür noch dankbar sein!“

Fauchend sah Taps dem Halsbandsittich hinterher. Wozu hatte er diese blöde Ratte hinaufgeschleppt?

Sauer war er deshalb vor allem auf Susalu. Einfach verschwinden und ihn vorführen! Das würde diese Hauskatze ihm büßen! Ein Baldrianfläschchen wollte sie? Mehr nicht? Das sollte gefährlich sein? Er würde es ihr schon zeigen. Doch zunächst musste er sie finden. Also wieder den Weg hinabklettern, den er gekommen war.

Als er allerdings am Fuß der Stahlkonstruktion angelangt war, wusste er nicht, wohin er sich wenden sollte. Er hatte weder mitbekommen, woher sie kam, noch wohin sie ging. Auch sah er Faruun nirgendwo durch die Luft flattern. Abwarten war jedenfalls nicht seine Stärke. Dann lieber Pläne schmieden.

Sein Plan mit der Ratte war nach hinten losgegangen. Wer weiß, wahrscheinlich hatte sie ihre Worte über die Ratte nur verloren, um ihn einzulullen.

Grimmig starrte Taps vor sich hin. Zeit, umzudenken. Er würde das Baldrianfläschchen besorgen und dann hatte sie dafür den Preis zu bezahlen, den er verlangte. Nicht nur ein paar dämliche Schilder lesen. Außerdem vertraute er ihr dafür vermutlich eh nicht genug. Sie konnte ihm sonst etwas erzählen.

Ihr den Rücken zukehren und mit Faruun nach Afrika verschwinden wollte er jedenfalls nicht. Das käme einer Kapitulation gleich! Aus dem gleichen Stolz war es ihm auch wichtig, bei den Straßenkatzen im Rang aufzusteigen. Den Schwanz einkneifen würde er niemals! Allerdings brauchte er eine Idee, was er statt des Vorlesens von ihr fordern könnte. Wenn nur sein Kopf nicht so rauschen würde. Sonst kam ihm doch auch ein Einfall nach dem nächsten. Warum heute nicht?

„Was hockst du da so blöd?“, krächzte Faruun über ihm.

Taps hatte keine Antwort parat, konnte nicht einmal sagen, was ihm bis vor wenigen Augenblicken durch den Kopf gegangen war. Alles war verschwommen. Wieso hatte dieses Miststück von Katze so einen Einfluss auf ihn? Anders konnte er es sich jedenfalls nicht erklären, dass seine Gedanken nicht bei der Sache waren. Ertappt sah er zu Faruun auf, der über ihm seine Runden drehte.

„Kommst du nun?“ Der Halsbandsittich klang ungeduldig.

„Du hast sie gefunden?“

„Natürlich. War leicht. Ich weiß doch, wo sich eine Hauskatze wie sie heimisch fühlt. Ganz sicher nicht in dieser Gegend. Ich bin ihr bis zu einem weiß getünchten Haus gefolgt. Du kannst es gar nicht verfehlen. Herrliche Gärten drumherum, sag ich dir. Ich verstehe nur nicht, was du mit ihr vorhast. Mir gefällt es da nicht wirklich. Zu wenige Verstecke.“

„Lass das meine Sorge sein.“ Taps rappelte sich auf.

„Ach, und ich falle nicht auf?“

„Da sind Gärten. Grün, Gras, Bäume, Blätter. Eine gute Tarnung für dich, meinst du nicht?“ Taps stolzierte über die Baustelle und bog in eine Seitenstraße ein. Faruun blieb dicht über ihm.

Kurz darauf betraten sie eine der edelsten Gegenden von Paris.

Der Geist der Spiegelkatze

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