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Abgemacht?

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Susalu stand in der Tür zur Terrasse. Im Inneren des Hauses hörte Taps einen Menschen mit Geschirr klappern, dennoch wagte er es. Er sprang auf die weißen Marmorsteine und ging auf die Katzendame zu. „Lass uns darüber reden“, sagte er möglichst freundlich.

Susalu wandte sich zu ihm um. „Da gibt es nichts zu reden. Ihr werdet es sowieso nicht schaffen, Baldrian zu besorgen.“

„Lass das meine Sorge sein. Allerdings habe ich etwas dagegen, mich in Gefahr zu begeben, ohne danach eine entsprechende Gegenleistung zu erhalten. Also, steht unser Handel?“

„Futter. Für euch beide? Sicher nicht.“ Sie verzog die Nase. „Aber da du unbedingt das Fläschchen besorgen willst, werde ich dich nicht davon abhalten.“

„Gut, was bietest du dafür?“ Nun fragte er doch. Aber anders kam er nicht an sie heran.

Susalu ließ sich mitten in der Sonne nieder. Sie faltete die Pfoten unter ihrer Brust und sah ihn an. „Ich bekomme mein Baldrianfläschchen und dafür lese ich euch wie vereinbart ein Schild vor.“

„Nein. Für dich ist es leicht, dieses Schild zu lesen. Und woher soll ich wissen, ob da steht, was du uns glauben lassen willst? Beim Baldrian sprachst du von Gefahren, also ist das Fläschchen mehr wert.“

„Hab’ ich das? Vielleicht wollte ich dich lediglich loswerden.“ Sie hob eine Pfote und betrachtete sie eingehend. „Wie dem auch sei …“, geschmeidig stand sie mit einer eleganten Streckung auf, „… entweder wir kommen ins Geschäft, oder du lässt es. Ich bin nicht auf euch angewiesen.“

Taps knurrte leise. Doch schnell beherrschte er sich. Sie sollte nicht merken, in welchen Aufruhr sie ihn versetzte. Dennoch klang der Handel für ihn alles andere als fair. Nur was konnte er ihr entgegensetzen? Hilflos warf er einen Blick über die Schulter und suchte im Garten nach Faruun. Hatte der Vogel eine bessere Idee als er? Unwahrscheinlich. Also brauchte er mehr Informationen. „Wo finde ich das Baldrianfläschchen?“

„Sind wir uns also einig?“

„Keineswegs.“ Taps schüttelte den Kopf. „Zunächst möchte ich wissen, auf was ich mich einlasse. Dann sehen wir, was Faruun und ich im Gegenzug von dir erhalten.“

„Vorlesen soll ich also nicht mehr?“

„Als ob ich dir trau…“ Er biss sich auf die Lippe. Das war unklug. Er sollte sie nicht gegen sich aufbringen.

Blinzelnd saß sie vor ihm, ging aber nicht weiter auf seine Bemerkung ein. Stattdessen erhob sie sich und schob sich an ihm vorbei in den Garten. „Wo ist das Federvieh?“

„Federvieh?“, krächzte Faruun.

Taps trat ebenfalls auf den ordentlich gestutzten Rasen und suchte nach dem Halsbandsittich. Dieser saß in der Dachrinne über ihnen. Ungehalten hatte er die Flügel gespreizt und hielt beide im Auge. „Komm runter“, rief Taps ihm zu. „Wir haben etwas zu klären.“

„Dahinten. Setz dich ins Wasser“, befahl Susalu.

„Wie bitte? Wasser? Ich bin doch keine Ente!“ Zeternd flog Faruun zum Springbrunnen und nahm auf dem Rand Platz. „Entweder zu meinen Bedingungen oder gar nicht.“

„Ihr könnt gerne verschwinden“, bot Susalu an.

„So kommen wir nicht weiter.“ Faruun hielt seinen Schnabel unter die Fontäne und trank einige Schlucke. „Also, du willst etwas, das wir dir besorgen können. Umgekehrt kannst du deinerseits einige Vorräte für uns beschaffen. So wie es für mich im Augenblick aussieht, hast du keine Alternative als uns. Die Straßenkatzen werden sich nicht mit einer Hauskatze wie dir auf einen Handel einlassen. Sie trauen euch nicht. Deine Hauskatzenfreunde aber werden wohl kaum in der Lage sein, dir zu holen, was du wünschst. Damit bleiben nur wir und unser Preis sind fünf Kisten Kekse, drei Kisten Nüsse und zehn Würstchen.“ Er verneigte sich leicht. „Nun, Taps und ich sind besonders. Wir gehören zu den Straßenkatzen und kennen uns in Paris aus. Dennoch macht uns einzigartig, dass wir mit dir reden und sowohl in der Luft als auch am Boden aktiv sein können. Wer kann das sonst von sich behaupten?“

„Mag sein“, murrte Susalu kleinlaut. „Dennoch verlangt ihr viel zu viel. Außerdem ist euer Preis deutlich gestiegen! Das ist unprofessionell.“

„Wie bereits gesagt, erzähl uns mehr, dann können wir neu verhandeln.“ Taps setzte sich ein Stück vom Brunnen entfernt ins Gras. Er wollte sich nicht noch einmal nassspritzen lassen.

„Ich kann es euch zeigen. Für zwei Helden wie euch dürfte es ein Leichtes sein. Damit seid ihr bereits überbezahlt, wenn ich euch auch nur ein Schild vorlese!“

„Dir scheint es wichtiger zu sein als du zugibst.“ Faruun flatterte auf sie zu und landete vor ihr auf dem Boden. Bedrohlich richtete er sich auf. „Weißt du, wir können hier noch Stunden diskutieren und kommen keinen Schritt voran. Also führ uns dorthin, wo wir tätig werden sollen. Dann reden wir nochmals über den Preis.“

„In Ordnung. Folgt mir. Aber unauffällig, bitte.“ Sie sah kurz zum Haus hinüber, dann huschte sie zu den Büschen am Rand des Gartens. Unter einem Rhododendron blieb sie stehen. „Ich will nicht mit euch zusammen …“

„… gesehen werden“, ergänzte Taps. „Schon klar. Wir wissen, wie wir uns zu verhalten haben.“

Susalu lief los. Faruun behielt sie im Auge und verriet Taps, wohin der Kater laufen musste. So kamen sie zwar nur langsam voran und schlängelten sich auf abenteuerlichen Wegen durch die Gärten der Pariser Vorstadt, aber immerhin waren sie einen halben Schritt weiter.

Schon bald kam Taps die Umgebung bekannter vor. Er lief durch Gassen und Straßen, die er häufiger durchquerte. Die Gebäude standen dichter beisammen, das Grünzeug wurde weniger. Ganz nach seinem Geschmack. Mehr Orte zum Verstecken. Allerdings musste er aufpassen, Susalu nicht aus den Augen zu verlieren. Immer wieder versteckte er sich hinter Mülltonnen oder schob sich an einigen Holzkisten vorbei, doch sie lief flink durch die Gasse und scherte sich nicht darum, ob er ihr folgen konnte. Zum Glück beobachtete Faruun sie genau. Keine Abbiegung entging ihm. Selbst wenn Taps sie aus den Augen verlor, kam Faruun zuverlässig herbeigeflogen und erklärte ihm den Weg.

Mittlerweile waren die Menschen erwacht, es wurde lauter und die Straßen voller. Schon bald stolzierte Susalu durch Bereiche, wo sie ständig Zweibeinern ausweichen mussten. Teilweise mit nervenden Vierbeinern, die Taps nicht ausstehen konnte. Hunde. Grauenvolle Biester, von denen er sich lieber fernhielt. Nur war das im Augenblick nahezu unmöglich. Immer wieder schob Susalu sich so dicht an den Kötern vorbei, dass auch Taps nicht umhin kam, in gefährliche Nähe ihrer Fänge zu geraten. Ab und an warf sie ihm einen süffisanten Blick über die Schulter zu, als wolle sie sagen: „Du willst der Gefahr gewachsen sein? Dann sind Hunde nur eine Kleinigkeit!“

Er sollte die Kläffer einfach ignorieren. Es brachte nichts, wenn er sich vor Tieren fürchtete, die ihn zwar beschnüffelten, aber ansonsten nicht viel tun konnten. Dicht blieben sie neben ihren Menschen, jederzeit bereit, von den Zweibeinern an der Leine davon gezerrt zu werden. Da ging es ihm deutlich besser. Er konnte sich frei bewegen und dieser Hauskatze folgen.

Gegenüber von einem der komischen Kuppelbauten der Menschen blieb sie stehen. Sie winkte Faruun und Taps zu sich. „Wir sind fast am Ziel.“ Die Kirche oder was auch immer der Kuppelbau war ließ sie hinter sich zurück und stolzierte auf die gegenüberliegende Straßenseite. „Wieso glaubt ihr, dass ihr die Richtigen für diese Aufgabe seid?“

„Weil wir besser sind als du. So wie du durch die Gassen gewatschelt bist …“ Faruun plusterte sich auf und schüttelte sich. „Das kann ja jede Ratte besser!“

„Also bitte. Wir wollen nicht streiten. Ihr wünscht euch Futter, ich mir Baldrian. Je mehr Zeit wir verplempern …“

„Schon gut.“ Taps richtete sich auf und betrachtete das Gebäude vor ihnen. Ein ausladendes Fenster lag direkt auf Höhe seiner Nase. Da drin befanden sich zahlreiche Flaschen und andere Utensilien, die er nicht benennen konnte. „Dort finden wir deinen Baldrian?“

Susalu legte eine Pfote auf seine Schulter. Lockend leckte sie ihm am Kinn. „Sieh genau hin. Hinter dem Glas findest du nicht nur ein Fläschchen Baldrian, sondern ganz viel anderes Glück. Dort allerdings hineinzukommen, ist das Problem. Guck dir den Mann hinter dem Tresen an. Er wird umgehend dafür sorgen, dass du im hohen Bogen auf der Straße landest und nie wieder einen Fuß in seine Apotheke setzt.“ Sie lächelte, wobei sie ihre Zähne bleckte. „Willst du das riskieren? Er hat auch schon …“ Sie brach ab, schüttelte sich. Dann seufzte sie theatralisch. „Eigentlich ist es ganz einfach. Du spazierst durch die Tür, schnappst dir eines der Fläschchen da vorne und kommst wieder zu mir. Ich warte um die Ecke.“

Ganz einfach? Wie war das noch mit dem hohen Bogen? Taps starrte sie einen Moment an. Sie verheimlichte ihm etwas. Doch was? Würde sie auf ihn warten? Nun gut, wenn nicht, dann wusste er, wo sie wohnte. Seine Belohnung würde er bekommen. Allerdings musste er neu verhandeln. „In Ordnung. Machbar, aber nicht einfach. Mein Preis ist weiter gestiegen.“

„Ach? Ist die Tür das Problem? Kannst du sie nicht öffnen? Du musst nur auf die Klinke springen und …“

„Wenn es so einfach ist, warum machst du es nicht selbst?“ Faruun kniff erst das linke, dann das rechte Auge zu.

Susalu schwieg kurz, seufzte dann theatralisch. „Also schön. Ich besorge euch eine Packung Kekse. Das muss reichen. Trefft mich nachher unter dem Rhododendronbusch. Sagen wir um acht? Kurz vor der Abenddämmerung?“

„Acht?“ Meinte sie die Zeitzählung der Menschen? Vermutlich. Sie war eine Hauskatze. Dennoch missfiel Taps der Handel. Allerdings war eine Packung Kekse besser als keine.

Da kam ihm eine weitere Verhandlungsidee. „Wir treffen uns um Mitternacht. Auf der Baustelle dieses Turms. Eine Packung Kekse und du bringst Faruun das Lesen bei. Erst dann bekommst du eines der Fläschchen. So oder gar nicht. Du kannst gerne selbst hineinspazieren und dein Glück versuchen.“

Zerknirscht seufzte die Katze. „Nun gut. Die Kekse und Leseunterricht. Aber bei mir. Ich schleppe das Zeug nicht so weit.“

„Abgemacht.“ Taps streckte ihr eine Pfote entgegen.

Susalu schlug ein und rollte dabei mit den Augen.

Natürlich. Auch wenn sie sich hatte hochhandeln lassen, zogen Faruun und er in Taps Augen immer noch den Kürzeren. Susalu verheimlichte ihnen etwas, da war er sich sicher. Nur was?

Die Katzendame wartete nicht lange, sondern verschwand in der Richtung, aus der sie gekommen waren. Faruun flog zu Taps herunter. „Komm, lass uns erstmal in Ruhe besprechen, was wir nun tun. Hier fallen wir auf.“

Taps wandte sich von dem Laden ab und folgte Faruun zu einem Zaun, vor dem eine Laterne stand. Von dort aus konnten sie die Apotheke im Auge behalten, gleichzeitig aber in den Büschen hinter dem Zaun verschwinden und damit den zahlreichen Menschenbeinen entgehen, die eins nach dem anderen durch die Gasse schlenderten. Perfekte Bedingungen.

„Wir werden definitiv am Tag zugreifen. Die Straßen müssen voll sein.“

„Dem stimme ich zu. Aber was genau hast du vor? Willst du einfach in den Laden spazieren, dir eine Flasche schnappen und dann wieder hinaushüpfen?“ Der Halsbandsittich zog eine Feder durch den Schnabel und glättete damit sein Gefieder.

„Womöglich …“

„Wenn das so leicht wäre, warum macht sie es dann nicht selbst? Wie meinte sie das mit dem Apotheker?“ Faruun trippelte von einer Zaunlatte zur nächsten. Immer wieder hielt er dabei inne und sah auf den Kater hinab. „Irgendetwas gefällt mir an all dem nicht. Sie selbst gefällt mir nicht! Und der ganze Handel stinkt zum Himmel! Ich sag dir, wir sollten es einfach sein lassen und uns weiter im Hafen umhören.“

Taps seufzte. Er teilte die Gefühle des Halsbandsittichs. Es war, als würde das Schild des Apothekers schief hängen, obwohl es akkurat über der Tür angebracht war. Etwas störte. Oder waren es lediglich Susalus Andeutungen? Machten die ihm Bauchschmerzen, weil er nicht wusste, was sie damit meinte und ob er sich unter Preis verkauft hatte?

„Auch dir gefällt der Handel nicht“, kommentierte Faruun Taps’ Gedanken. „Lass es sein. Wenn wir nach Afrika reisen, werden wir sie eh nie wiedersehen. Dann ist es auch völlig egal, was sie anderen Katzen über uns erzählt.“

„Ist es nicht. Vielleicht kehre ich eines Tages nach Paris zurück. Natürlich begleite ich dich, doch die Kekse haben mir gezeigt, dass auch ich irgendwo herkomme. Ich habe eine Vergangenheit, vielleicht sogar eine Familie!“

„Und meine willst du mir vorenthalten? Deshalb findest du ständig Ausflüchte, statt endlich mit mir ein passendes Schiff zu finden?“

„Nein. Susalu ist im Augenblick unsere einzige Chance ein Schiff zu finden. Wenn du lesen kannst, brauchen wir nicht den Ratten zu trauen! Dafür müssen wir aber das Fläschchen bekommen.“ Er sah zu Faruun auf. „Wir müssen zusammenarbeiten. Ich werde die Tür öffnen, du fliegst rein, greifst dir die Flasche und dann raus. Das wird gar nicht auffallen.“

„Ein grüner Vogel, der durch den Laden flattert ist absolut unauffällig. Natürlich.“

„Ach komm schon. Das ist der beste Plan, den wir haben. Tagsüber ist nicht abgeschlossen. Wir könnten auch mit Menschen hinein und wieder hinaushuschen. Du bist kleiner als ich und hast biegsame Zehen. Damit kannst du ganz leicht so ein Fläschchen greifen.“ Taps hob die Pfote und legte sie um eine der Zaunlatten. „Schwupps und weg. Klar?“

Faruun verdrehte den Kopf. „Schon verstanden. Also schön. Rein, raus und zu der Diva. Wehe, sie bringt mir etwas Falsches bei!“

„Das erfahren wir erst, wenn wir ihr den Baldrian bringen. Dann mal los, oder?“

„Nicht so schnell. Beobachten. Näher anpirschen – und auf mein Zeichen öffnest du die Tür.“

Faruun flatterte zu einigen Mülltonnen, die zwei Häuser neben der Apotheke im Zugang einer Gasse standen.

Notgedrungen lief Taps ihm nach und duckte sich hinter die Tonnen. Der Gestank tat ihm in der Nase weh. Wie der Vogel das nur aushielt da oben? Aber eine Wahl hatte er nicht. So waren sie nah genug an der Apotheke, um jederzeit losstürmen zu können.

Der Geist der Spiegelkatze

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