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Wenn Ihre Kinder permanent streiten

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Bei uns hat es sich bewährt, dass ich an anstrengenden Tagen da bin, um einzuschreiten, zu coachen, Vorbild zu sein, Zusammenbrüche und Raufereien zu verhindern. Für mich hat sich dadurch immens viel bewegt. Nicht viele meiner befreundeten Mütter machen das genauso … nicht einmal die richtig tollen Mütter. Und ich denke, sie machen das nicht, weil es ihnen egal ist, nein, sondern weil wir alle so beschäftigt sind! Es fühlt sich so an, als wenn uns jemand einmal die Erlaubnis geben muss, dass wir alles andere stehen und liegen lassen und uns auf die Beziehungen konzentrieren.

Beth

Wenn Ihre Kinder viel streiten, fühlen Sie sich wahrscheinlich entmutigt. Es kann helfen, sich ins Gedächtnis zu rufen, dass ganz gleich wie Sie sich als Eltern verhalten, alle Kinder sich manchmal streiten – genauso wie Paare sich manchmal streiten, egal wie stabil ihre Beziehung ist. Sich zu streiten bedeutet nicht, dass jemand ein schlechter Mensch ist – weder Sie, noch Ihre Kinder.

Vielleicht fragen Sie sich, warum Ihr Kind immer dasjenige zu sein scheint, das das Neugeborene schlägt, während die anderen Kinder anscheinend immer ihre neuen Geschwister lieben. Denken Sie jedoch daran, dass man in keine Familie reinschauen kann. Alle Kinder sind einmal eifersüchtig, ganz gleich wie liebevoll sie sich in der Öffentlichkeit benehmen.

Vielleicht möchten Sie am liebsten losschreien, weil Ihr kleines Kind einfach nicht aufhört zu hauen, ganz gleich wie oft Sie ihm mit Engelsgeduld erklärt haben, dass Hauen wehtut. Geben Sie nicht auf. Studien belegen, dass kleine Kinder oftmals hauen, ganz gleich, was die Eltern tun. Dies liegt vermutlich daran, dass sich ihr präfrontaler Cortex noch entwickelt, der ihnen mehr Eigenkontrolle verleiht. Wenn die Eltern jedoch den Kindern eine friedvollere Vorgehensweise vorleben und vermitteln, zeigen sich diese ihren Geschwistern gegenüber freundlicher und eher in der Lage, ihre Emotionen zu regulieren als Kinder, die mit herkömmlicher Disziplin erzogen wurden.1 Ihre Geduld verändert tatsächlich etwas, auch wenn Sie es jetzt noch nicht sehen können.

Vielleicht schaffen es Ihre Kinder aber auch nicht, sich mal einen Tag nicht zu beschimpfen, und Sie fragen sich, ob Sie was falsch gemacht haben. Die Antwort ist: Nein. Sie haben das getan, was Sie in der Lage waren, zu tun. Schließlich werden Ihre Kinder mit bestimmten Charakteren geboren. Sie haben lediglich versucht, das Abendessen zu kochen, ohne dabei einen Nervenzusammenbruch zu bekommen. Weder Sie sind perfekt, noch irgendjemand anderes. Höchstwahrscheinlich haben Sie einfach anstrengendere Kinder. Eltern, die einfachere Kinder haben, können das vielleicht nicht verstehen, aber ich spreche mit Tausenden von Eltern und es ist offensichtlich, dass einige Kinder anstrengender sind als andere.

Die Wahrheit ist, dass es immer schwer ist, die besten Eltern zu sein, die wir sein können. Es ist wahrlich die größte Herausforderung, der sich jede und jeder von uns je gestellt hat. Es zehrt körperlich und emotional an den Kräften. Allzu oft müssen wir unsere eigenen Bedürfnisse zurück- oder sogar ganz hintenanstellen. Wenn wir Kinder großziehen, werden wir dazu aufgefordert, über unsere natürlichen menschlichen Gefühle von Bedürfnis und Wollen hinauszuwachsen und einen anderen Menschen, der zu klein ist, um sich dankbar zu zeigen, permanent zu versorgen.

Somit beinhaltet ein Leben mit Kindern immer Herausforderungen, auch unter den bestmöglichen Umständen – und die meisten von uns leben nicht unter den bestmöglichen Umständen. Die meisten von uns sehen sich mit mehreren Stressfaktoren in ihrem Leben konfrontiert und sind so sehr damit beschäftigt, Schritt zu halten, dass der Eindruck entsteht, man erziehe seine Kinder letztlich in der Freizeit. Wie jeder ganz normale Mensch sind wir manchmal gestresst und emotional »nicht in Balance«. In solchen Momenten verlieren wir die leichte, angenehme Verbindung zu unseren Kindern. Da unsere Kinder diese Verbindung zu uns brauchen, um ihre Gefühle regulieren zu können, geraten auch sie emotional aus dem Gleichgewicht und leben dies uns und anderen gegenüber aus.

Ein Ausweg hierfür liegt darin, sich daran zu erinnern, dass unsere Kinder in Wirklichkeit unsere wichtigste Aufgabe sind. Wir erziehen Menschen. Wir gestalten nicht nur ihre Beziehungen miteinander, sondern auch ihre Gehirne. Indem Sie Ihre Kinder dahingehend unterstützen, emotionale Intelligenz zu entwickeln, wird sich ihre Beziehung untereinander verändern. Wen interessiert es, wenn Sie Ihren Kindern wieder einmal Nudeln mit Tomatensauce zum Abendessen servieren? Wichtig ist doch, zu welchen Menschen Ihre Kinder werden. Die Beziehung, die sie miteinander entwickeln, macht ihren Alltag als Kinder aus. Die Gene spielen dabei mit Sicherheit eine Rolle, aber die Interaktion dieser Gene mit der Umwelt ist es, die Ihre Kinder formt.

Dieses Buch zeigt Ihnen Möglichkeiten auf, mit denen Sie Ihr Leben als Familie neu gestalten können. Ich wünsche mir, dass Sie einige Aha-Momente beim Lesen erleben. Außerdem weiß ich, dass Sie feststellen werden, dass es Zeit und Engagement kostet, diese wirkungsvollen Methoden einzusetzen. Also erlaube ich Ihnen hiermit ausdrücklich, Ihre Kinder und ihre Beziehung miteinander an erste Stelle zu stellen. Es wird Tage geben, an denen Sie keine Zeit haben werden, sich um das Geschirr, die Wäsche oder die E-mails zu kümmern. Sie können die Kinder nur davon abhalten, sich zu streiten, indem Sie sich mit ihnen auf den Boden setzen und erklären, wie sie ihre Gefühle ausdrücken können, ohne jemanden anzugreifen, und indem Sie Wege finden, Anspannung in Nähe umzuwandeln, sei es durch Lachen oder Weinen. Hierbei handelt es sich um heldenhafte Arbeit, vor allem weil es im Privaten geschieht: Niemand ist da und sieht, welche Kraft es Sie kostet. Aber ganz so unsichtbar, wie diese Arbeit zu sein scheint, ist sie nicht. Genauso wie anhand der Baumringe gespeichert wird, wie die Umweltbedingungen Jahr für Jahr sind, so beeinflussen die jetzigen Erfahrungen Ihrer Kinder die Menschen, die sie einmal sein werden. Tagtäglich formen Sie buchstäblich Ihre Kinder zu den Menschen, die sie ihr Leben lang sein werden. Und machen Sie sich keine Sorgen, Sie erhalten unmittelbar Lohn für Ihre Arbeit, den Sie in dem ansteigenden positiven Umgang Ihrer Kinder miteinander erkennen werden.

Ich sage dies auch in dem Wissen, dass es immer noch Tage geben wird, an denen sich Ihre Kinder alle fünf Minuten in den Haaren liegen. Das heißt nicht, dass Sie Ihre Sache nicht gut machen. Es bedeutet ganz einfach, dass es harte Arbeit ist. Wenn die Beziehungen in Ihrer Familie dauerhaft an erster Stelle stehen und alles andere, was Sie tun »sollten« hinten ansteht, wenn Sie tief in sich Ihre eigene emotionale Großzügigkeit erkennen, werden Sie beobachten, wie Ihre Kinder im Umgang miteinander weicher werden. Vielleicht fällt es schwer, sich vorzustellen, dass Ihre Kinder beste FreundInnen werden. Aber der Grundstein emotionaler Intelligenz, den Sie legen, wird zumindest eine respektvolle Beziehung fördern – und vielleicht noch mehr als das.

Ist es leicht? Nein. Selbstregulierung ist das Schwierigste, das wir jemals tun werden, aber sie ist der wichtigste Baustein, um Kinder sanft zu erziehen. Machen Sie sich keine Sorgen, Sie müssen das nicht perfekt beherrschen. Es ist ein stetiger Prozess. Perfekte Eltern gibt es nicht, denn es gibt keine perfekte Menschen. Was zählt, ist, dass wir erkennen, wenn wir vom Weg abkommen und uns dann zurück ins Gleichgewicht bringen und wieder eine Verbindung mit unseren Kindern herstellen. Zum Glück lernen unsere Kinder aus den Momenten, in denen wir am Ziel vorbeischießen, denn sie werden auch mal am Ziel vorbeischießen. Eines der größten Geschenke, die wir den Kindern und ihren Geschwistern geben können, ist vorzuleben, wie man die Untiefen der menschlichen Schwächen mit Würde durchquert – denn es lehrt sie, sich selber und anderen zu vergeben.

Also, bringen Sie all Ihr Mitgefühl auf und vergeben Sie sich selbst genau jetzt dafür, dass Sie ein Mensch sind. Entscheiden Sie sich genau jetzt dafür, dass Sie besonders gut für sich sorgen, anstatt sich zu kritisieren, wenn Sie nicht in der Lage sind, das Bestmögliche zu tun – und das widerfährt allen Eltern regelmäßig. Wirklich: Tun Sie dieses, ganz gleich, was passiert ist. Es ist egal, was Sie getan haben, als Sie erschöpft oder wütend waren. Sie sind ein Mensch, was bedeutet, dass Sie Fehler machen und dass Sie daraus lernen können. Sie müssen keine perfekten Eltern sein, nicht jetzt und nicht in der Zukunft. Wie auch immer die Situation bei Ihnen in der Familie gerade ist, mit der fangen Sie an.

Finden Sie heraus, welche Unterstützung Sie brauchen. Für sich selber sorgen? Informationen? Beratung? Eine schriftliche Vereinbarung mit Ihrem Partner, Ihrer Partnerin darüber, wie Sie mit gewissen Problemen umgehen? Oder vielleicht einfach nur Strategien für den Umgang mit Situationen, die Sie aus der Fassung bringen? (Dieses Buch wird Ihnen davon viele liefern.) Sobald Sie sich diese Unterstützung holen, können Sie bei Ihren Kindern etwas bewegen.

Ganz gleich, ob Ihre Kinder ganz klein, Vorschulkinder oder ältere Kinder sind, Sie können ihnen beibringen, wie sie es schaffen, sich zu verstehen. Sie können eine Familienkultur schaffen, die geprägt ist von gegenseitiger Unterstützung und Respekt. Viel wichtiger noch, Sie sind in der Lage, jedem Kind bei den Gefühlen zu helfen, die Feindseligkeit gegenüber dem Geschwisterkind hervorrufen. Und Sie können die Verbundenheit mit jedem Kind festigen, damit es sich sicher genug fühlt, um diese Emotionen zu verarbeiten und so niemals das Gefühl bekommt, dass Sie das Geschwisterkind mehr lieben. All dies beginnt mit Ihrer Fähigkeit, Ihre eigenen Gefühle zu regulieren und Wege zu finden, wie Sie mit jedem Kind in Kontakt kommen.

Befürchten Sie, dass der Schaden bereits angerichtet ist? Es ist niemals zu spät. Was zählt ist, dass Sie sich eingestehen, dass Sie mit der Situation nicht zufrieden sind und dass Sie sich vornehmen einzuschreiten, um die Dinge zu verbessern. Ihr Kind zu maßregeln, damit es sich der Schwester oder dem Bruder gegenüber besser verhält, wird nicht funktionieren. Auch Scham, Schuld oder Bestrafung führen nicht zum Ziel – weder beim Kind noch bei Ihnen. Wenn Sie allerdings Ihre eigenen Handlungen ändern, um die Bedürfnisse des Kindes zu erfüllen und ihm mit seinen Emotionen helfen, haben Sie Erfolg. Ist das viel Arbeit? Ja, es ist enorm viel Arbeit. Ist es das wert? Lesen Sie, was diese Mutter zu berichten hat:

Als Gerald geboren wurde, war es sehr schwer mit Daniel – es ging so weit, dass ich ihm nicht einmal den Rücken zukehren konnte, ohne dass er den kleinen Bruder schlug. Zu der Zeit halfen wir uns mit Auszeiten etc., wobei wir ihn oftmals in ein anderes Zimmer trugen und er dabei um sich schlug und schrie – ich fühle mich heute so schuldig dafür! Ich habe mich oft aufgeregt und ihn angeschrien, wenn er seinen Bruder schlug und Wutanfälle hatte. Ich mache mir wirklich Sorgen, dass dieses eine Jahr, in dem ich mich so über ihn aufgeregt habe, einen bleibenden Schaden hinterlassen hat.

Die gleiche Mutter, zwei Jahre später:

Ich habe sehr, sehr hart daran gearbeitet, dass wir uns gegenseitig respektvoll und anständig behandeln – so, wie wir selber behandelt werden möchten. Ich lobe sie regelmäßig dafür, dass sie nett zueinander sind, und ermutige sie, kleine Gefälligkeiten füreinander zu tun. Zum Beispiel beschließt der drei Jahre alte Gerald, dass er seinen Lkw mitnehmen möchte, als wir schon fast aus der Haustür sind. Der fünf Jahre alte Daniel rennt nach oben ins Zimmer, um ihn zu holen. Ich singe ein Loblied für Daniel und tanze einen »Bester-großer-Bruder«-Tanz. Wir ermutigen sie, sich zu umarmen und zu küssen und rücksichtsvoll miteinander umzugehen. Grundsätzlich lenken wir die Aufmerksamkeit einfach darauf, wie toll es ist, einen Bruder und Spielgefährten zu haben … und dass wir alle Teil dieser Familie sind.

Gerald und Daniel können sich glücklich schätzen, so eine Mutter zu haben, die nie aufgegeben oder ihrer Frustration und Hoffnungslosigkeit nachgegeben hat. Stattdessen hat sie sich an die Arbeit gemacht, jeden einzelnen Tag. Sie hat es geschafft, ihre Gefühle zu regulieren. Sie hat ihren Jungs mit ihren starken Emotionen geholfen. Sie hat die individuellen Bedürfnisse der beiden erfüllt. Sie hat eine Familienkultur der Wertschätzung und Unterstützung etabliert. Und sie zieht Söhne groß, die ein Leben lang Freunde sein werden.

Und das können Sie auch.

Mein erstes Buch, Gelassene Eltern – zufriedene Kinder: Wie Sie liebevoll bleiben, statt zu schreien, zu schimpfen oder zu drohen beschreibt, wie man die starken Emotionen, die über einen kommen, bemerkt, wie man sich wieder beruhigt, mit seinem Kind in Kontakt kommt und sein Kind emotional so unterstützt, dass es Selbstdisziplin entwickelt und kooperieren will, ohne dass es bestraft werden muss. In dem vorliegenden Buch erfahren Sie, wie Sie diese Methoden bei der Erziehung von ­Geschwisterkindern anwenden. Es würde den Rahmen sprengen, wenn ich hier die Grundlagen der Erziehung, die in Gelassene Eltern – zufriedene Kinder im Detail beschrieben sind, erneut erläutere. Ich hoffe, dass Sie das Buch bereits gelesen haben oder noch lesen werden. Dieses Buch erklärt ausführlich die Hilfsmittel, die Sie dabei unterstützen sollen, eine glückliche Beziehung zwischen Ihren Kindern zu fördern. Sie werden feststellen, dass das Buch seine ganze Wirkung entfalten kann, wenn Sie diese Hilfsmittel mit Selbstregulierung, Verbindung und Coaching kombinieren, die detailliert in Gelassene Eltern – zufriedene Kinder beschrieben sind.

1 Stormshak, Elizabeth; Bullock, Bernadette und Falkenstein, Corrina: Harnessing the Power of Sibling Relationships as a Tool for Optimizing Social-Emotional Development. In: Kramer, Laurie und Conger, Katherine (Hg.): Siblings As Agents of Socialization. New Directions for Child and Adolescent Development. 126, 2009, S. 61–77. San Francisco, CA: Jossey-Bass, 2009.

Gelassene Eltern – glückliche Geschwister

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