Читать книгу Vampirroman, Band 1 - Laura Wolf - Страница 4
1. Kapitel
ОглавлениеSchneeflocken wirbelten wild durch die menschenleeren Gassen Kanadas. Ich zog mir den Schal enger um den Hals und rückte meinen gefütterten Kapuzenmantel zurecht. Es war so kalt, dass aus meinem Mund und meiner Nase Nebel heraustrat. Zudem fühlte es sich so an, als ob Eiskristalle, sich um mein Gesicht und an meinen ungeschützten Fingern bildeten. Meine Handschuhe hatte ich unglücklicherweise zuhause vergessen. Schnell steckte ich meine Hände in meine warmen Jackentaschen. Einzelne Straßenlaternen brannten um die späte Uhrzeit noch. Aber es dauerte nicht mehr lange und dann würden auch sie ausgehen. Aber bis dahin würde ich schon längst zuhause vor meinem warmen Ofen sitzen und mich in eine Decke einkuscheln. Ich schaute auf meine Uhr. Es war genau zehn Minuten vor Mitternacht. Mein Ziel war das Auto auf der anderen Straßenseite. Als ich gerade die Tür aufmachen wollte, hörte ich ein klirrendes Geräusch. Ruckartig hob ich den Kopf. In einem Schmuckgeschäft, zwei Läden weiter von meiner Position entfernt flackerte ein Licht hin und her. Weitere klirrende Geräusche kamen zu mir herüber und ich hörte zwei Männerstimmen. Einbrecher, fuhr es mir durch den Kopf. Unschlüssig, was ich tun sollte, kramte ich schließlich mein Handy aus der Tasche.
Ich wählte die Nummer der Polizeiwache, aber aus irgendeinem Grund funktionierte es nicht. Ich starrte auf das Handy. Niedriger Akkustand zeigte es an, danach ging es aus. So ein Mist, dachte ich. Ich konnte nichts weiter tun, also beschloss ich einfach in mein Auto zu steigen, los zu fahren und die Polizei anders zu kontaktieren. Ich startete den Motor, aber er sprang nicht an. Ich fluchte lauthals. „Das kann doch jetzt nicht wahr sein! Erst das Handy, dann das Auto und außerdem sind Einbrecher keine zwei Häuser weiter von mir entfernt!“
Langsam stieg Angst in mir hoch, aber die ganze Situation machte mich so aggressiv, dass ich vor Wut explodieren konnte. Ich war schon immer jemand gewesen, dessen Stimmung sich in null Komma nix ändern konnte und ich die Kontrolle über mich verlor. Das war auch der Grund gewesen, wieso ich meine Stelle im Sicherheitsdienst verloren hatte. Wütend stieg ich aus dem Auto und knallte die Tür mit voller Wucht zu. Der Knall ließ das Auto erzittern. Im Laden wurde immer noch laut randaliert und ich ballte meine Hände zu Fäusten. Eine Hitzewelle stieg in mir auf und ich musste meinen Mantel aufknöpfen. Eine kühle Prise streifte mich sogleich und ich atmete tief ein. Ich musste irgendetwas tun. Ich rang innerlich mit mir, aber dann hatte ich eine Entscheidung getroffen. Mein Mut und mein Tatendrang siegten schließlich vor Vernunft und ich bewegte mich auf den Laden zu. Die Glastür war eingeschlagen und zwei schwarz angezogene Männer bewegten sich schnell und sicher durch den kleinen Juwelier Laden und schmissen alles in große Säcke was sie an Schmuck finden konnten. „Gib mir sofort deine Handtasche!“ Erschrocken drehte ich mich um. Ein weiterer Mann tauchte hinter mir auf. Ein Messer funkelte gruselig im Schein des Mondes in seiner Hand. Ohne zu überlegen, packte ich seine Hand, verdreht sie ihm und er ließ das Messer in den Schnee fallen. Der Mann war so überrascht, dass er sich nicht bewegen konnte. Ich nutzte meine Überlegenheit aus und schlug ihm mit der Faust ins Gesicht. Das alles geschah in nur wenigen Sekunden. Ich hörte ein widerliches knackendes Geräusch. Er schrie vor Schmerz auf und fasste sich an die Nase. Blut strömte zwischen seinen Fingern hindurch. „Du fieses Miststück! Du hast mir die Nase gebrochen!“ Er schrie weiter unaufhaltsam beleidigende Worte, aber ich hörte ihm nicht mehr zu. Ich wandte mich den anderen beiden zu. Einer von ihnen hatte eine Pistole gezogen. „Bleib stehen!“ Ich hob leicht beruhigend meine beiden Hände halb in die Luft. Er fuchtelte mit der Waffe hin und her. „Wenn du näher kommst, schieße ich!“
Der andere Mann packte weiter die Schmuckstücke ein. Einige Sekunden tat ich nichts, aber aus irgendeinem Grund, machte ich einen kleinen Schritt. Es war nicht vorwärts sondern rückwärts, aber die Bewegung reichte aus und er schoss. Gleich dreimal hintereinander.
Hart landete ich auf dem Bürgersteig, trotz der weichen Schneedecke. Ich spürte unheimliche Schmerzen, aber ich wusste nicht genau, von welcher Seite meines Körpers sie kamen. Ich stöhnte schmerzerfüllt.
„Bist du bescheuert? Dafür werden wir im Knast landen! Du solltest ihr nur drohen! Nicht auf sie schießen!“ Einer der Männer blickte auf mich herunter. Ich war nur dazu in der Lage, seine Schuhe zu betrachten. Ein schwarzes Paar, abgewetzter alter Lederstiefel. Das Innenfutter kehrte sich schon durch die unzähligen Löcher nach außen.
„Jetzt stell dich nicht so an. Wir verschwinden von hier und keiner bekommt etwas mit. Es könnte jeder gewesen sein. Wir haben keine Fingerabdrücke hinterlassen.“
Ein Motor sprang an und die drei fuhren davon.
Ich spürte wie der Schnee unter mir aufweichte. Ein kleiner Fluss aus Blut breitete sich aus und wurde immer größer. Warum nur, dachte ich. Wieso musste ich immer so impulsiv handeln. Ich hätte weglaufen sollen. Stattdessen war ich direkt ins Verderben hinein gerannt. Die Kälte wurde jetzt unerträglich und ich hatte nicht die Kraft meinen Mantel zu schließen. Wie schön wäre jetzt ein warmer Kamin, oder ein Lagerfeuer. Die Lichter der Straßenlaternen gingen plötzlich aus. Alles lag jetzt in vollkommener Dunkelheit. Das einzige was leuchtete, war der volle Mond und die tausend Sterne am Himmel. Ich versuchte dieses wunderschöne Bild festzuhalten. Ich hätte niemals gedacht, dass ich einmal so sterben würde. Meine Kräfte verließen mich und ich schloss die Augen.
Ein Gewirr aus vielen lauten Stimmen ließen meinen Kopf brummen und langsam öffnete ich die Augen. Sie schienen weit entfernt zu sein. Ich sah alles verschwommen. Bunte Farben, verzerrte Gesichter und ich spürte keinen Schmerz, nur Leichtigkeit. Von den grellen Lichtern und Farben taten mir die Augen weh und ich ließ sie wieder zufallen.
Um mich herum war es still. Nur ein lautes, nervig piepsendes Geräusch, welches jede Sekunde einen Ton von sich gab unterbrach die Stille. Überall um mich herum sah ich weiße Wände, auch die Bettdecke war weiß. Links neben mir stand ein Gerät, welches meinen Puls aufzeichnete. Ich schaute auf meinen linken Arm. Eine Nadel steckte in meiner Haut und ein dünner Plastikschlauch verband diese mit einem Plastikbeutel. Eine rote Flüssigkeit befand sich darin. Ich vermutete, dass es Blut war. Ich war in einem Krankenhaus. Als ich versuchte mich zu bewegen durchzuckten mich schreckliche Schmerzen. Ich stöhnte vor Schmerz auf. Eine Tür ging gerade auf und ich hörte wie sie wieder zuflog. Ein unheimlich gut aussehender, schwarzhaariger Mann mit weißem Kittel trat in mein Blickfeld. Er war nicht älter als 24. Seine smaragdgrünen Augen musterten mich und raubten mir fast den Atem.
„Wie geht es Ihnen?“, fragte er mich mit einer warmen, kraftvollen Stimme. Sie war so tief und schön, dass sie mein Herz höher schlagen ließ.
„Ich...mir...", stotterte ich und räusperte mich verlegen, als mich seine intensiven grünen Augen aufmerksam anschauten. „Mir geht es gut. Aber ich dachte, ich würde da draußen sterben. Wie kann es sein, dass ich noch lebe?“, fragte ich fassungslos.
Er überging einfach meine Frage mit einem Lächeln. „An was können Sie sich denn noch erinnern?“
Zuerst schaute ich ihn irritiert an, weil er mir mit einer gegen Frage geantwortet hatte, aber dann brachte mich sein durchdringender Blick dazu nachzudenken. Einzelne Bilder durchströmten mich. „Ich weiß nicht mehr wieso ich um die späte Uhrzeit noch dort draußen war. Und dann waren da plötzlich zwei Männer. Oder waren es drei? Ich weiß es nicht mehr genau. Sie waren dabei gewesen einen Laden auszurauben. Ich habe versucht sie aufzuhalten und dann schoss einer von ihnen auf mich. Ich kann mich an keines ihrer Gesichter erinnern. Und ich kann leider nicht mehr sagen, wieso ich nicht die Polizei gerufen habe. Aber wie habt ihr mich hierher gebracht? Oder besser gesagt, wie habt ihr mich gefunden?“
„Wir fanden Sie durch Zufall am Straßenrand liegen. Sie haben sehr viel Blut verloren. Ein paar Mal hätten wir Sie fast verloren, aber Sie sind eine richtige Kämpferin.“ Er lächelte Engelsgleich.
Fast gleichzeitig mit seinem Lächeln ging die Zimmertür auf und ein rothaariger Mann in Uniform betrat das Zimmer. Er wandte sich an den Arzt. „Kann ich ihr ein paar Fragen stellen? Unter vier Augen?“
„Nein. Sie ist gerade erst aufgewacht und kann sich noch nicht an alles erinnern.“
„Ich muss das aber machen, dass weißt du doch.“
„Das ist mir egal, Oliver! Ich hatte dir gesagt, dass du meine Patienten in Ruhe lassen sollst und ich mich selbst darum kümmern werde", knurrte der Arzt. Ich klammerte mich an das Krankenbett fest, weil sein plötzlich auftretender Zorn mir Angst machte. Die Spannungen in diesem Zimmer dehnten sich aus und das es sich so übernatürlich anfühlte, bereitete mir ein komisches Gefühl im Magen.
„Ich bitte dich, Jayden. Lass es dieses eine Mal zu, okay? Du weißt wie wichtig es ist, wenn wir wissen, wer ihr das angetan hat. Ob es jemand normales war, oder..."
Jayden verdrehte die Augen. „Ist schon gut!", unterbrach er den Polizisten barsch. „Dieses eine Mal noch. Aber du darfst nur drei Fragen stellen. Und ich bleibe hier.“
Oliver stöhnte laut, akzeptierte es aber. Er nahm sein Smartphone aus seiner Hosentasche und als er meine großen Augen sah, lächelte er entschuldigend. „Das ist normal bei uns. Machen Sie sich keine Sorgen. Wie ist denn ihr Name?“
„Violet Sapphire.“
Er tippte irgendetwas in sein Handy ein und sah mich dann wieder an. „Geboren wurden Sie am 04. Dezember 1990?"
Ich nickte zustimmend. „Das ist richtig."
Der Polizist sah mich kurz wieder an und las weitere Informationen über mich aus seinem Handy vor.
„Mrs. Sapphire, sie waren beim Sicherheitsdienst am Flughafen im Bereich Gepäck und Personenkontrolle tätig. Im speziellen für das Bodenpersonal und die Flugbesatzung. Sie wurden erst kürzlich entlassen. Weshalb?“
Ich blinzelte und starrte ihn argwöhnisch an. „Sie haben die Informationen über den Vorfall doch sicherlich in ihrem Smartphone, oder nicht?“
Er nickte. „Sicherlich. Aber ich möchte den Grund von Ihnen persönlich hören.“
Jayden sah von Oliver zu mir und seine Augen blitzten neugierig auf.
Ich räusperte mich. „Wenn Sie es unbedingt noch einmal hören wollen. Es ging um einen Piloten mittleren Alters. Er warf mir und meiner Kollegin anzügliche Blicke zu und irgendwann war er zu weit gegangen. Er berührte mich unsittlich und dann hat ihm sein Verhalten leid getan. Kurz darauf wurde ich gefeuert.“
Der Polizist runzelte die Stirn. „Haben Sie das je richtig gestellt? Immerhin hat er sie belästigt. Und in dem Bericht hier steht etwas vollkommen anderes.“
Ich schüttelte den Kopf. „Ich habe gar nichts getan. Denn wem würde man eher glauben? Einem Piloten, oder einer Angestellten im Sicherheitsdienst? Wenigstens hat er bekommen was er verdient hat.“
Oliver nickte ernst. „Das hat er. Eine gebrochene Nase und eine Gehirnerschütterung. Nun denn. Ich habe noch eine Frage. Ihre Eltern sind beide vor wenigen Monaten verstorben. Durch einen mysteriösen Unfall."
Ich nickte zähneknirschend. Zum Glück fing ich jetzt nicht mehr gleich an zu heulen, wenn ich darüber ausgefragt wurde. „Mysteriös war daran aber überhaupt nichts. Es war ein einfacher Verkehrsunfall."
„Ein einfacher Verkehrsunfall, ja?" Der Polizist schüttelte den Kopf. „Im Polizei Bericht steht aber..." Der Polizist unterbrach sich, als er Jayden husten hörte. „Oh Entschuldigung, ich bin in der Zeile verrutscht. Sie haben natürlich recht."
„Von wem wurden sie angeschossen?“, wechselte er schnell das Thema.
Ich war über den schnellen Themenwechsel überrascht, aber vielleicht hatte er sich wirklich in der Zeile geirrt. Und vielleicht wollte er sich auch einfach nur beeilen, denn Jayden sah ihn gerade mit einem ziemlich bösem Seitenblick an. „Ähm...Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass es mehrere Männer waren.“
„War irgendetwas ungewöhnliches an Ihnen?“
„Oliver. Du weißt wo sich die Tür befindet,“ unterbrach ihn Jayden. Oliver steckte sein Handy weg. Am Ende der Tür zischte er ihm noch zu: „Was ist los mit dir Jayden? Du bist doch sonst nicht so...“ Jayden packte ihn an der Schulter und ging mit ihm vor die Tür. Ein paar Minuten später kam eine Schwester herein.
„Ich bin Zoey. Kann ich du zu ihnen sagen?“
Ich nickte.
Sie lächelte. „Wenn du irgendetwas brauchst, dann drücke einfach den Knopf links neben dir und ich werde kommen. Hast du Hunger oder Durst?“
Ich schüttelte den Kopf.
„Okay. Die Verbände werde ich morgen wechseln.“
Sie prüfte noch einmal kurz die Transfusion und die Nadel in meinem Arm.
„Kann ich irgendwelche Verwandten anrufen?“
„Nein. Es sind keine mehr vorhanden.“
Sie hob den Kopf und ich sah in ihr bestürztes Gesicht. „Das tut mir sehr leid.“
„Ist schon in Ordnung“, sagte ich und brachte ein halbes Lächeln zustande.
Plötzlich überfiel mich eine tiefe Müdigkeit und ich schlief sofort ein.