Читать книгу Vampirroman, Band 1 - Laura Wolf - Страница 5
2. Kapitel
ОглавлениеAlpträume plagten mich und ich wachte zitternd auf. Trotz der Schmerzen die noch schlimmer als gestern waren, versuchte ich die Bettdecke höher zu ziehen, weil mir plötzlich eiskalt war. Ich sah aus dem Fenster und ein Lichtstrahl streifte mich. Draußen war die Sonne bereits aufgegangen. Goldenes und orangefarbenes Licht schien in das Zimmer. Sofort vergaß ich meine schlechten Träume wieder und freute mich über die wunderschönen, gelben Farben. Ich wusste nicht wie lange ich das Farbenspiel betrachtete, aber irgendwann öffnete sich die Tür. Zoey kam herein. „Guten Morgen.“ Sie stellte ein Tablett vor mich auf den Tisch. Ich betrachtete das Essen, welches wirklich lecker aussah aber ich hatte immer noch keinen Hunger. Danach ging sie heraus und kam eine halbe Stunde später wieder. Sie machte ein trauriges Gesicht, als sie auf den noch vollen Teller schaute.
„Hast du keinen Hunger?“
„Nein. Tut mir leid Zoey.“ Ich lächelte. „Lass es einfach stehen. Ich esse es nachher.“
Sie nickte lächelnd. Nach einer kurzen Pause sagte sie: „Ich müsste dich heute nochmal röntgen.“
„Um zu schauen ob alles klar ist?“ Sie nickte wieder und verließ das Zimmer.
Kurz darauf kam sie wieder und brachte mich in den Raum zum Röntgen. Es dauerte nicht lange und dann waren die Bilder auch schon gemacht. Im Nebenraum hängte sie die Bilder einzeln an die Wand und steckte sie fest, damit sie sie unter dem Licht betrachten konnte. Kurz blickte sie zu mir herüber und machte dabei ein ernstes Gesicht. Danach verschwand sie eiligen Schrittes und erschien wieder mit Jayden. Er schaute sich die Bilder ebenfalls an und danach mich, mit einem Gesichtsausdruck den ich nicht deuten konnte.
Als ich wieder zurück im Zimmer war, fing er an zu reden.
„Leider gibt es keine guten Nachrichten zu verkünden. Es haben sich mehrere Blutungen gebildet, die wir zwar behandeln könnten, allerdings würde das neue verursachen.“
„Die Kugeln die dich getroffen haben, haben Metallsplitter hinterlassen, die so klein sind, dass man sie nicht entfernen kann. Es tut mir so leid Violet,“ beendete Zoey Jaydens Worte.
Ich wusste nicht, was ich darauf antworten sollte, deshalb fragte ich: „Wie viele Tage habe ich noch?“
In Zoeys Augen schimmerte Traurigkeit. „Höchstens noch Stunden.“
Ich starrte sie ungläubig an. Bei der Pulsanzeige stieg mein Herzschlag in die Höhe. Meine Gedanken rasten.
„Könnten Sie beide mich einen Augenblick alleine lassen?“
Beide nickten verständnisvoll und verließen das Zimmer. Ich lehnte mich zurück und versuchte mich soweit es ging zu entspannen und alle Gedanken zu verdrängen. Wenn ich sie zuließ, dann würde ich durch das gesamte Krankenhaus schreien, warum das mir passieren musste. Tränen liefen mir über die Wangen und ich fühlte mich als ob ich nochmal angeschossen wurde. Auf einmal war mir total schlecht und ich nahm die Suppenschüssel von heute Mittag und übergab mich. Die Schüssel war jetzt voller Blut. Angeekelt stellte ich die Schüssel wieder auf den Tisch. Ich schaffte es nicht mehr den Knopf zu drücken, damit eine Schwester kam und vor Erschöpfung schlief ich ein. Ein merkwürdiges, kratzendes Geräusch weckte mich auf. Es war dunkel im Zimmer. Plötzlich drückte jemand meinen Arm und erschrocken zuckte ich zusammen. Bevor ich vor Angst anfangen konnte zu schreien, legte mir jemand schnell eine Hand auf den Mund.
„Hab keine Angst. Ich bin es nur, Jayden.“
Langsam nahm er die Hand von meinem Mund. Ich war verwirrt und mein Herz klopfte mir bis zum Hals.
„Was machen Sie denn hier?“
Er machte unerwartet die kleine Nachttischlampe an und erschrocken durch das plötzliche Licht zuckte ich zusammen und kniff die Augen zu. Als ich mich an das Licht gewöhnt hatte, schauten mich seine traumhaft grünen Augen ernst an. „Ich stelle dir jetzt eine Frage und ich brauche eine konkrete Antwort. Willst du Leben oder sterben?“
Seine Frage verwirrte mich und ich fühlte mich total überfordert. Was...was ist das für eine blöde Frage? Ich...ich denke Sie wissen die Antwort schon", sagte ich nervös und kaute an meiner Unterlippe herum. Seine Anwesenheit steigerte meine Nervosität und Verwirrung mit jeder Minute mehr.
Er fuhr sich durch seine schwarzen Haare. „Bitte. Nenne mich einfach Jayden."
Ich blinzelte ihn an. „Na gut. Jayden, ich glaube du weißt die Antwort schon. Aber was soll das ganze hier? Wieso ist es wichtig, ob ich Leben möchte? Wieso....?"
Jayden unterbrach mich, indem er mir einen Finger auf meine Lippen legte. „Weil ich dich retten kann."
Ich sah ihn ungläubig an. „Du kannst mich vor dem Tod bewahren? Aber wie...“
Ist das möglich?, beendete ich meinen Satz in Gedanken, weil Jayden mir sanft über mein Haar fuhr und mich dadurch vollkommen durcheinander brachte. Mein Herzschlag beschleunigte sich.
„Leider ist deine Zeit fast abgelaufen," sagte er sanft, aber seine Stimme war todernst. „Ich kann es fühlen und mit jeder Minute die wir mit reden vergeuden, wird es schwerer werden, den Tod von dir fernzuhalten. Und glaub mir, seine Boten werden dich freudestrahlend in Empfang nehmen."
Jayden verzog nach seinen Worten das Gesicht. „Mit den Engeln des Todes hatte ich schon des Öfteren mein vergnügen. Und die möchte ich so schnell nicht mehr wiedersehen."
Er schüttelte den Kopf, vermutlich um die Erinnerungen daran zu vertreiben. Dann holte er einen Plastikbecher aus seinem Mantel und schraubte den Deckel ab.
„Bitte Trink das ganz aus, wenn du dich für das Leben entscheidest. Aber mach schnell. Du hast nur noch ganz wenig Zeit.“
Skeptisch verzog ich das Gesicht, als ich die rötliche Flüssigkeit darin schwimmen sah. Ich kannte ihn nicht, aber mein Gefühl sagte mir, dass ich ihm vertrauen konnte und es hatte mich noch nie getäuscht. Und warum sollte er mich anlügen? Deshalb tat ich das was er sagte und entschied mich für das Leben. Es gab noch so viel zu erleben und ich konnte diese Welt nicht so einfach aufgeben. Nicht, wenn es eine Chance auf Leben für mich gab. Ich verzog das Gesicht. Es hatte einen widerlichen metallischen Geschmack und ich musste mich zusammenreißen um es nicht auszuspucken.
„Das war widerlich. Was war das?"
Ich riss entsetzt die Augen auf, als es mir endlich ein fiel. „Halt. Das war doch nicht etwa...“
Er nahm mir das Glas aus der Hand.
„Doch", antwortete er. „Es war Blut."
„Du...", fing ich an, verstummte aber sogleich wieder. Er war verrückt, wie konnte mir das denn helfen? Jaydens Augen leuchteten plötzlich intensiv auf und er sah auf einmal wieder aus wie ein Engel. Er war einfach atemberaubend. Sofort vergaß ich meinen Gedankengang und mein Herz fing wieder an zu flackern.
Er zog langsam die Nadel aus meinem Arm und half mir mich aufzusetzen. Da ich vor Schmerzen nicht gehen konnte und fast umgefallen wäre, hob er mich hoch.
„Wenn wir nicht mehr hier sind, dann werde ich dir alles erzählen. Versprochen.“
In den Korridoren des Krankenhauses brannte immer noch grelles Licht. Aber keiner begegnete uns auf den Gängen. Jayden benutzte nicht den Fahrstuhl, sondern das Treppenhaus. Dort lief uns ebenfalls niemand über den Weg und es war zum Glück nur schwach beleuchtet. Dann musste ich wenigstens nicht meine Augen bedecken. Jayden sprintete die Stufen so leichtfüßig hinunter, als ob ich gar nicht da wäre. Draußen war der Wind schneidend kalt und alles war in wunderschönen, weißen Schnee getaucht. Die Straßenlaternen ließen ihn wie tausend Sterne funkeln. Sofort fing ich an zu zittern, da ich nichts außer einem OP-Hemd trug.
„Wir sind gleich da“, flüsterte mir Jayden ins Ohr. Er drückte mich noch fester an sich. Fast gleichzeitig mit seiner Berührung spürte ich, wie ich anfing rot zu werden. Denn mir fiel gerade ein, dass ich unter den Krankenhaus Klamotten nichts trug. Ich versuchte die Gedanken abzuschütteln, aber als mich kurz Jaydens Blick streifte und er die Stirn runzelte, machte es die Sache nur noch schlimmer. Ein Auto blinkte kurz auf und er half mir mich auf den Beifahrersitz zu setzen. Es war eine weiße Corvette Stingray. Sie glänzte mit dem Schnee um die Wette. Ich wollte schon immer mal mit so einer fahren, aber jetzt konnte ich mich leider nicht darüber freuen. Mein Zittern nahm zu und Jayden drehte die Heizung hoch. Er fuhr so schnell durch die Straßen, dass ich noch nicht einmal ein Haus erkennen konnte. Alles verschwamm ineinander. Die Stadt hatten wir schon weit hinter uns gelassen und ich sah keine Lichter mehr vorbeiziehen. Irgendwann hielt er vor einem großen Eisentor an. Es schwang fast gleichzeitig mit unserem Eintreffen auf. Als wir hindurch fuhren schloss es sich automatisch wieder. Er stellte den Motor aus und stieg aus dem Auto. Danach hob er mich wieder hoch und ich erhaschte einen kurzen Blick auf das riesige Anwesen. Es sah aus wie ein Schloss. Allerdings war es viel kleiner, aber auch zu groß für eine Villa. Es hatte etwas von beiden.
Drinnen war es kuschelig warm und ich hörte das Feuer im Kamin knistern. Sofort fielen mir die Augen zu und ich wurde in die Welt der Träume gerissen. Ich sah wunderschöne Wälder in unwirklichen, hellen Sonnenstrahlen und kleine Flüsse. Auf einmal spürte ich einen stechenden Schmerz, der sich noch viel schlimmer anfühlte, als die Schusswunden. Er dehnte sich in meinem ganzen Körper aus und nahm mir kurz die Luft zum Atmen. Ich lehnte mich an einen Baum und hielt mir meine rechte Seite, dort, wo die Rippen lagen. Als ich meine Hand anschaute war sie voller Blut. Erschrocken riss ich die Augen auf. Ein schwarzer Wolf kam auf mich zugelaufen und schaute mich direkt an. Ich war ihm so nahe, dass ich seine unnormalen Augen und seine schwarzen Pupillen aufblitzen sah. Ein Geräusch schreckte ihn auf und er rannte davon. Genau zur selben Zeit wachte ich auf. Die Sonne schien mir ins Gesicht und beleuchtete das Zimmer. Ich blinzelte und sah, dass ich in einem Himmelbett lag. Meine Seite tat immer noch höllisch weh und ich schlug die Weinrote Decke zurück. Meine anderen Schmerzen waren zwar verschwunden, aber die wären mir weitaus lieber gewesen. Ich bemerkte, dass ich nicht mehr mein OP-Hemd, sondern ein T-Shirt anhatte. Langsam zog ich es von unten nach oben, damit ich meine rechte Seite betrachten konnte. Scharf zog ich die Luft ein. Ein Verband befand sich an der Stelle und er war blutdurchtränkt. Danach ließ ich das T-Shirt wieder herunter und versuchte mich mühsam aufzusetzen. Irgendwann schaffte ich es, als ich mich am Nachttisch abstützte. Allerdings fegte ich dabei den Kerzenständer um der darauf stand und der jetzt laut auf dem Boden landete. Plötzlich erschien ein Mann in der Tür der mich anlächelte. Es war Jayden.
„Du bist ganz schön früh aufgewacht. Ich war mehrere Tage bewusstlos, als ich in einer ähnlichen Situation war.“
„Was hast du mit mir gemacht?“, fragte ich und ließ mich kraftlos auf das Kopfkissen zurückfallen.
„Du wolltest nicht sterben, also habe ich dafür gesorgt, dass du das nicht tust." „Allerdings bist du jetzt nicht mehr ganz du selbst“, fügte er nachdrücklich hinzu.
Fragend schaute ich ihn an. „Wie meinst du das?“
Statt zu antworten, deutete er mit seinem Finger auf meinen Verband.
Ich hob mein T-Shirt wieder hoch und schaute ihn an. Er nickte mir zu. Ich fand das letzte Stück, mit dem die Wunde verbunden wurde und zog daran. Es wurde locker und rutschte nach unten. Entsetzt starrte ich es ein paar Sekunden lang an. Es sah aus, als wäre ich von einem großen Tier gebissen worden. Die Abdrücke der spitzen Reißzähne konnte man noch deutlich erkennen. Plötzlich fing die Wunde an sich zu schließen. Gefesselt von diesem Schauspiel konnte ich nicht wegsehen. Zurück blieben schwach erkennbare Narben, die noch an die Verletzung erinnerten. „Wahnsinn“, staunte ich. Jayden fing an zu Lachen. „Komm mit nach draußen. Dann zeige ich dir noch mehr.“
Ich folgte ihm eine lange Treppe herunter und schließlich standen wir wieder vor der Eingangstür. Aber er nahm nicht die Tür nach draußen, sondern er führte mich durch einen großen Flur und danach durch ein geräumiges, riesiges Wohnzimmer. Hinter einer sechs meter langen Couch, war ein Balkon, der nach draußen führte. Das Gebäude war wie ein Schloss eingerichtet und ich musste mich zusammenreißen um nicht an jeder Ecke anzuhalten, um die Möbel näher zu betrachten. Von draußen sah das Anwesen tatsächlich aus wie eine Burg. Es hatte drei Türme, zwei kleinere außen und einen großen in der Mitte. Die Fassade bestand aus grauen Backsteinen und an einer Seite schlängelte sich roter Efeu an der Wand hoch. Es sah nicht zugewachsen aus, sondern gepflegt. Der Anblick war einfach wunderschön. Der Garten, der hinter dem Gebäude lag war riesengroß. Garten wäre das falsche Wort dafür gewesen. Wohl eher ein Park. Es war ein riesiges Waldstück mit einer großen Lichtung. Der Schnee glitzerte wieder fröhlich vor sich hin, als die hellen Sonnenstrahlen darauf fielen. Es war kalt hier draußen, dass spürte ich, aber ich fing nicht an zu zittern und mein Körper war unglaublich warm. Ich hatte das Gefühl, dass er gleich durch die Kälte anfing zu dampfen.
Als Jayden auf der schneebedeckten Lichtung anhielt fragte ich: „Wieso ist mir hier draußen nicht kalt, obwohl es sicherlich Minus 10 Grad ist?“
„Ich sagte ja bereits, dass du jetzt anders bist. Du hast zwar noch teilweise die Gefühle eines Menschen, aber du wirst nie wieder schwitzen oder frieren können.“
Eine leise Vorahnung erschlich mich. „Bin ich ein Vampir?“
Jayden lachte schallend.
„Du bist etwas ganz anderes. Wenn du einer wärst, dann hättest du keinerlei Menschlichkeit mehr an dir, wärst so weiß wie Schnee und deine Körpertemperatur wäre so kalt wie Eis.“
Ungläubig schaute ich ihn an. „Soll das heißen, die gibt es wirklich?“
Er richtete sein Gesicht der Sonne entgegen, schloss entspannt die Augen und seufzte.
„Ach, Violet. Es gibt noch so vieles was du nicht weißt. Sie sind schon immer unter uns gewesen, mischen sich unter die Leute und niemand bemerkt sie. Wenn die Menschen das wüssten, dann würde niemand mehr ohne eine Waffe hier draußen herumlaufen.“
Seine smaragdgrünen Augen funkelten, als er mich ansah. „Siehst du den kleinen Vogel dort drüben, fünfhundert Meter entfernt auf dem Baum sitzen?“
Ich schaute in die Richtung, aber ich konnte nur die Schneebedeckten Äste der Bäume sehen. Er wendete den Blick nicht von mir ab.
„Konzentriere dich.“
Ich schloss kurz die Augen, danach versuchte ich es nochmal. Ich hatte das Gefühl, als würden meine Augen den Ast des entfernten Baumes heran zoomen. Ich sah die kleine Blaumeise auf dem Ast herumhüpfen und mit dem Schnabel auf der vereisten Rinde herumpicken. Es war als würde ich direkt neben ihm stehen.
„Was fällt dir an ihm auf?“
Ich betrachtete ihn genauer. „Es ist eine Blaumeise. An ihrem linken Fuß ist ihr eine Kralle abgebrochen und eine ihrer Federn ist weiß und blau gepunktet.“
Jayden nickte. „Sehr gut.“
„Kannst du die Tiere im Gebüsch rascheln hören?“, fragte er weiter.
Ich konzentrierte mich wieder und auch das funktionierte. „Das ist einfach unmöglich.“
Er lachte leise. „Bei mir hat es auch ziemlich lange gedauert, bis ich es glauben konnte. Aber wart´s ab. Wir Wölfe können noch mehr.“
Ich riss ungläubig die Augen auf. „Wir sind Werwölfe?“
Er grinste. „Keine Sorge. Wir sind nicht diese hässlichen Kreaturen, die uns im Fernsehen immer gezeigt werden. Und wir können immer dann die Gestalt wechseln, wann wir wollen. Das hat überhaupt nichts mit dem Vollmond zu tun.“
„Ich bin froh, dass du mich gerettet hast. Auch wenn ich jetzt kein Mensch mehr bin.“
Jayden nickte ernst. „Ich hatte dir ja die Frage gestellt. Erinnerst du dich?“
Ich strich mir eine weißblonde Haarsträhne hinters Ohr. „Was hättest du getan, wenn ich nein gesagt hätte?“
„Ich weiß es nicht.“
Er steckte die Hände in seine Hosentaschen. „Du hast es mir nicht gerade leicht gemacht. Dreimal schwebtest du zwischen Leben und Tod. So etwas habe ich noch nie erlebt.“
„Wieso dreimal?“, hakte ich nach.
„Ich war derjenige, der dich am Straßenrand gefunden hat. Wenn ich auch nur Sekunden später da gewesen wäre, wäre es vorbei gewesen. Das zweite Mal, während ich dir die Kugel entfernt habe. Und dann noch einmal als ich mit dir die Villa betrat. Mein Blut, welches ich dir im Krankenhaus zum Trinken gegeben habe, sollte dich eigentlich heilen. Aber es hat nicht gewirkt. Also musste ich dich anders zurückholen. Deshalb habe ich dich Beißen müssen. Eigentlich tun wir das nicht, weil das Gift, das in dem Menschlichen Körper freigesetzt wird den Menschen sofort umbringt. Ich habe noch nie gehört, dass es einer überlebt hat.“
„Bis auf mich“, beendete ich seinen Satz.
„Ja. Bis auf dich. Du bist die erste, die durch einen Biss zu dem geworden ist was wir sind. Und ich bin froh, dass es funktioniert hat.“
„Ich danke dir für deine vielen Mühen die du auf dich genommen hast. Ich hoffe, ich kann eines Tages diese Gefallen erwidern.“
Jayden schüttelte den Kopf. „Das verlange ich nicht von dir. Aber wenn der Gedanke dir keine Ruhe lässt, mir etwas zu schulden, dann wird irgendwann bestimmt eine Gelegenheit dazu kommen. Die Zeit ist auf unserer Seite.“
„Die Zeit ist auf unserer Seite?“, wiederholte ich fragend.
Er fuhr sich durch seine Rabenschwarzen Haare. „Tut mir leid. Ich hatte vergessen es dir zu sagen. Wir haben genauso ein unsterbliches langes Leben wie diese Blutsauger. Das ist aber auch das einzige, was wir mit ihnen gemeinsamen haben.“
Er rieb sich seine Hände und hauchte in seine Handflächen. „Können wir uns vielleicht drinnen weiter unterhalten? Ich glaube mir wird langsam kalt.“
Er sagte das so unglaubwürdig, dass ich anfing zu Lachen.
Jayden lachte ebenfalls. „Ich bin froh, dass mein Körper, egal ob es Sommer oder Winter ist immer die gleiche Temperatur hat. Nur bei der Verwandlung in den Wolf steigt sie enorm an. Aber das wirst du alles noch erfahren.“
Wir gingen zurück in das Gebäude und betraten das große Wohnzimmer, wo Feuer im Kamin brannte. Jayden zwinkerte mir mit Blick auf den Kamin zu. „Er macht die Atmosphäre des kleinen Jagdschlosses viel attraktiver.“
Es war also ein Jagdschloss. Unglaublich. Jayden bemerkte meinen erstaunten Blick und grinste zu mir herüber. Ich setzte mich in einen der Ledersessel und stellte die Frage, die mich am meisten beschäftigte. „Mich beschäftigt da eine Frage. Wird die Verwandlung sehr wehtun?“
Er setzte sich in den Sessel mir gegenüber. „Vergiss alles was du in den Filmen gesehen hast. Es ist etwas vollkommen anderes als du jetzt denkst. Am Anfang schmerzt es kurz, aber das ist nur bei den ersten Malen so. Das Gefühl wirst du aber mit der Zeit wieder vergessen.“
Er lehnte sich gelassen in seinem Sessel zurück. „Hast du sonst noch irgendwelche Fragen?“
Ich schüttelte den Kopf. „Fürs erste nicht.“
„Kann ich dir eine stellen?“
„Nur zu. Frag alles was du wissen möchtest.“
„Was hast du um die späte Uhrzeit auf der Straße gemacht als ich dich fand? Und warum wurdest du angeschossen?“
Ich wusste, dass die Frage ihn brennend interessierte. Ich ließ mir etwas Zeit mit der Antwort um mich daran nochmal zu erinnern. Glücklicherweise viel mir diesmal alles ein. Ich erzählte ihm alles in Einzelheiten. Wie ich von einer Freundin zurückkam und dann zu meinem Auto lief. Und ich erzählte ihm, dass die Männer vermummt waren und ich ihre Gesichter nicht erkennen konnte. Als ich geendet hatte, funkelten seine Augen wütend. „Sie haben dich einfach blutüberströmt im Schnee liegen lassen! Nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn dich Vampire gefunden hätten." Ein knurrender Laut entwisch seiner Kehle. „Sollten mir diese Kerle irgendwann einmal begegnen. Dann...“
Plötzlich sprang Jayden mitten in seinem Satz auf. „Verdammt, wir haben Besuch. Bitte warte im Wohnzimmer auf mich, Violet. ich bin gleich wieder da“, hörte ich ihn noch sagen, ehe er aus dem Wohnzimmer verschwunden war. Jetzt hörte ich auch das Knirschen auf dem Kiesweg. Gleich darauf erklang ein energisches Klopfen an der Tür. Die Tür wurde mit einem Ruck geöffnet.
„Oliver? Was hast du auf meinem Grundstück verloren?“ Jaydens Stimme klang weder freundlich noch unhöflich.
„Ich suche eine deiner Patienten. Violet war ihr Name. Sie ist aus dem Krankenhaus verschwunden.“
„Ach, tatsächlich? Warum glaubst du, dass sie bei mir ist? Nachdem ich ihr ihre Diagnose mitgeteilt habe, habe ich sie nicht mehr gesehen.“
Oliver zog die Stirn kraus. „Keine Ahnung. Das war nur so eine Vermutung.“
„Tut mir leid dich enttäuschen zu müssen. Sie ist nicht hier.“
„Okay, ich glaube dir das jetzt mal. Dann habe ich noch eine andere Frage. Warum hast du gekündigt? Es lief doch alles gut. Du bist ein hervorragender Arzt.“
Jayden lächelte entschuldigend. „Das mag sein, aber ich brauche eine Auszeit.“
„Eine Auszeit, ja? Und für wie lange?"
Jayden steckte die Hände in seine Hosentaschen. „Ist das wichtig?"
Oliver schüttelte den Kopf. „Du bist mir ein echtes Rätsel Jayden.“
„Das ist doch nichts neues", erwiderte Jayden und zwinkerte ihm zu. „Gibt’s sonst noch was, Herr Polizist?“
„Nein, das war alles. Schönen Tag noch.“
Jayden antwortete ihm nicht, sondern knallte die Tür zu. „Manchmal wäre es wirklich schön die Gedanken anderer zu hören. Aber das ist leider nur Vampiren vergönnt“, knurrte er, während er sich wieder in den Sessel setzte.
„Können sie auch unsere hören?“, fragte ich und mich beschlich ein ungutes Gefühl.
„Zum Glück nicht. Das konnten sie mal, aber das ist schon lange her. Wir haben uns über die Jahrhunderte weiterentwickelt.“ Er machte eine kurze Pause bevor er wieder zu sprechen begann. „Nehme dich vor Oliver in acht. Ich habe ihm deshalb nicht gesagt, dass du hier bist, weil er neue Wölfe schnell erkennt, wenn er sie zu sehen bekommt. Oliver sieht harmlos aus, aber er jagt und tötet unseresgleichen.“
„Was?", sagte ich und stand ruckartig von dem Sessel auf. „Aber wieso? Und hat er denn schon gemerkt, dass du einer von seinen Jagdzielen bist?“
Jayden seufzte. „Leider ja. Ich habe ihm einmal das Leben gerettet und er dafür mir. Seitdem gehen wir getrennte Wege, aber sein Beruf führt uns immer wieder zusammen. Sollte er mich angreifen, dann wird es schlecht für ihn ausgehen. Er ist nicht der erste Jäger, der meinen Weg kreuzt, aber bisher der längste, der ihn mit mir zusammen geht. Und er ist immer noch der Meinung wir wären eine Gefahr für die Menschen. Da hat er zwar nicht ganz unrecht, aber wie bei neuen Wölfen, sind neue verwandelte Vampire auch immer eine Gefahr.“
„Jagd er denn nur uns? Oder kümmert er sich auch um die Vampire?", fragte ich vorsichtig und Angst stieg in mir hoch.
Jayden sah mich beruhigend an. „Du musst keine Angst haben. Wenn ich bei dir bin, kann er dir nichts antun. Aber ja, er ist zurzeit der einzige Jäger, der hier bei uns in der Nähe ist. Und er hat es meistens nur auf die frisch verwandelten abgesehen. Auch auf die neuen Vampire."
Ich nickte langsam und ließ mich erleichter zurück in den Sessel fallen. Wenigstens sind wir nicht sein einziges Ziel.
Draußen dämmerte es bereits und der Himmel kündigte einen wunderschönen Sonnenuntergang an. Die Farben waren von einem intensiven Rot und Gold. „Ich weiß nicht wie es bei dir aussieht, aber ich habe gerade einen riesen Hunger.“ Jayden stand auf und streckte sich.
Ich stand ebenfalls auf. „Da bist du nicht der einzige.“
Er grinste. „Dann bestelle ich jetzt mal eine Familien Pizza.“
Erleichtert atmete ich aus. Er zog eine Augenbraue hoch. „Hast du gedacht wir essen rohe und blutige Innereien von Menschen?“ Er verzog angeekelt das Gesicht.
Ich zog beleidigt, wegen meiner Unwissenheit, eine Schnute. „So in etwa“, flüsterte ich.
Jayden lachte leise, während er den Hörer in die Hand nahm. „Du bist so süß. Aber ja, wir gehen ab und zu auch Jagen. Allerdings Jagen wir hier keine Menschen. Zumindest die Wölfe die ich kenne tun das nicht.“
Nach zwanzig Minuten klopfte es und ein braunhaariger junger Mann stand in der Tür. Er war nicht älter als achtzehn. Jayden nahm ihm die Pizza aus der Hand und gab ihm sein Trinkgeld.
„Großzügig wie immer. Danke Jayden. Lasst es euch schmecken.“
„Schönen Abend noch Drake. Und fahre Vorsichtig!“, ermahnte Jayden ihn.
„Mach ich doch immer! Euch auch noch einen schönen Abend!“, rief ihm der Junge zu.
Jayden knallte die Tür hinter ihm mit dem Fuß zu. Ich hörte einen Wagen, der mit quietschenden Reifen und mit Vollgas die Straße entlang raste. Jayden legte die Pizza auf den Tisch und schaute ihm kopfschüttelnd nach. „Er wird sich irgendwann den Kopf einfahren. Drake gehört dem Rudel eines Freundes von mir an und er ist erst seit ein paar Wochen einer von uns.“
„Er wird bestimmt mit der Zeit lernen seinen Hitzkopf loszuwerden.“
Jayden biss in ein Stück Pizza. „Ich kann es für ihn nur hoffen.“
Ich nahm mir auch ein Stück. „Gehörst du auch einem Rudel an?“
Er schüttelte den Kopf. „Ich mag es nicht, wenn mir jemand Befehle erteilt. Aber das heißt nicht, dass ich mich nicht mit anderen Rudeln treffe. Die meisten kommen ohne ihr Rudel nicht klar, aber mit der Zeit lernt man, wie man sich verhalten muss, wenn man alleine ist. Ich kenne nur einen hier in Kanada, der ganz alleine lebt und sich mit keinem anderen Wolf trifft.“ Er machte eine Pause und wechselte das Thema. „Ich habe dich noch gar nicht gefragt, wo du herkommst.“
„Da gibt es nicht viel zu erzählen. Ich wuchs in England auf und meine Eltern zogen dann nach Vancouver, wo auch meine Großeltern wohnten.Wie du schon im Krankenhaus mitbekommen hast, starben sie früh bei einem Autounfall. Es waren die besten der Welt. Und meine Großeltern ein paar Jahre später darauf. Ich entschied mich hier zu bleiben und kaufte mir eine Wohnung. Ich arbeitete als Fotografin und verdiente damit jahrelang mein Geld. Und dann im Sicherheitsdienst. Nebenbei waren meine Hobbys Zeichnen, natürlich Fotografieren und manchmal war ich mit dem Motorrad unterwegs.“
Traurigkeit spiegelte sich in seinen Augen wieder. „Das mit deinen Eltern tut mir leid. Ich habe meine auch früh verloren.“
Mitfühlend sah ich ihn an und legte meine Hand auf seine. Meine Berührung brachte ihn zum Lächeln und ich hatte das Gefühl, ich würde mich in einem Traum befinden.
Danach sagte einige Zeit niemand mehr etwas, weil wir beide tief in Gedanken versunken waren. Irgendwann stand ich auf.
„Ich bin total fertig. Ich muss mich unbedingt ins Bett legen.“
Jayden stand ebenfalls auf. „Oben in dem Zimmer wo du letztes Mal warst gibt es hinten im Nebenzimmer ein Bad. Du findest dort alles was du brauchst. Wenn du möchtest, dann fahre ich Morgen zu deiner Wohnung und hole deine Sachen. Es ist besser, wenn du in der Zeit deiner noch nicht abgeschlossenen Verwandlung hier bei mir wohnst. Und natürlich kannst du auch noch länger hierbleiben, wenn du das möchtest.“
„Vielen Dank, Jayden.“
Er machte eine wegwerfende Handbewegung. „Nichts zu danken.“
Er begleitete mich noch bis zu meinem Bett und sagte dann: „Wenn noch irgendetwas sein sollte, dann ruf einfach meinen Namen.“ Er deutete eine Verbeugung an und gab mir einen Kuss auf die Stirn.
„Gute Nacht, meine Schöne.“ Danach verschwand er lautlos die Stufen herunter. Mit einem kribbeligen Gefühl im Magen und auf meiner Stirn legte ich mich ins Bett und schlief ein.