Читать книгу Was ich dir zeigen kann ... - Lauren Gallagher M. - Страница 5
Kapitel Eins
ОглавлениеNiemals in ihrem Leben fühlte sich Alyssa Warren nackter als in dem Augenblick, als sie mit Shane McNeill den Gang hinunterschritt.
Tatsächlich kam es ihr, als er vor der Prozession in den Raum trat, so vor, als könnte ihr Kleid direkt von ihrem Körper schmelzen. Als sich ihre Augen trafen, wünschte sie sich, dass es so wäre. Heilige Scheiße.
Die meisten Männer sahen charmant und sexy im Smoking aus, aber da war noch etwas anderes an Shane. Oh ja, er war charmant und sexy. Adrett, perfekt gepflegt, jedes dunkle Haar an seinem Platz und kein Fleck auf seiner schwarzen Jacke oder den glänzenden Schuhen. Aber … anders.
Er lehnte sich beiläufig gegen die Tür und schwankte kaum, als das Boot unter den Füßen aller schaukelte, und er begegnete ihren Augen ohne einen Hauch von Schüchternheit. Er kam nicht näher; nach der Zeremonie war noch Zeit für Vorstellungsrunden, und die ging in wenigen Minuten los. Der einzige Grund, warum sie überhaupt wusste, wer er war, bestand in der roten Ansteckblume, die ihn von dem anderen Trauzeugen unterschied.
Was bedeutete, dass sie zusammen gehen würden.
Oh Gott.
Seine Anwesenheit ließ ihre Hände so stark zittern, dass sie fast den Strauß ihrer Schwester fallen ließ, und sie verfluchte Hannah schweigend, weil sie die Probe übersprungen hatte. Jeder in der Hochzeitsgesellschaft hatte das hier schon einmal getan, also war es nicht so, als müsste sie den Mist mit dem Vor- und Zurücklaufen üben, aber Alyssa hätte einen Übungslauf mit der Hand am Arm dieses Mannes gebrauchen können.
»Okay, lasst es uns tun.« Hannah richtete ihren Schleier. »Sind alle bereit?«
Dankbar für die Ablenkung wandte sich Alyssa von Shane ab und konzentrierte sich darauf, ihr zu helfen, den Schleier in Position zu bringen. »Die Frage ist, bist du bereit?«
Hannah holte tief Luft und atmete wieder aus. »Ich glaube schon.«
»Es wird alles gut«, sagte Alyssa.
»Und wenn du jetzt nicht bereit bist«, sagte Tina, eine der anderen Brautjungfern, »wirst du es nie sein.«
»Das ist wahr.« Hannah lachte. Noch ein tiefer Atemzug und dann: »Okay, ich glaube, ich bin bereit.« Sie schwankte ein wenig und hielt sich an Alyssas Arm und der Wand fest. »Vorausgesetzt, ich werde nicht ohnmächtig.«
»Du wirst nicht ohnmächtig.« Alyssa stützte sich gegen die Wand und half Hannah, ihr Gleichgewicht wiederzufinden. »Das kommt davon, wenn man High Heels trägt und auf einem Boot heiratet.«
»Verdammt, warum hat mich niemand gewarnt?«, fragte Hannah, lachte aber trotzdem. Dann richtete sie das Oberteil ihres Kleides und streckte ihre Hand aus, um ihren Strauß entgegenzunehmen. Als Alyssa ihn ihr gab, senkte Hannah ihre Stimme zu einem verdächtigen Flüstern: »Tut mir leid, dass du nicht mit ihm gehen kannst.«
Alyssa blickte über ihre Schulter zu Shane, der mit zwei der anderen Trauzeugen plauderte. »Oh, ich glaube, ich werde es schaffen.«
Hannah rümpfte die Nase, sagte aber nichts. Die Tatsache, dass sie von ihm unbeeindruckt war, verfestigte nur Alyssas Verdacht, dass es bei seinem Auftauchen nur darum ging, die Fassade zu wahren. Hannah mochte ihre hübschen, kleinen, reichen Jungs – ihr Verlobter hatte ordentlich Kohle – und Shane machte einen Eindruck, der nicht gerade nach Cadillacs und Country Clubs aussah. Selbst ein Smoking konnte diesen Anblick, diese Aura nicht verbergen, als wäre er kurz davor, etwas sehr Unkultiviertes zu sagen. Etwas fast Gefährliches. Ein Wolf im Schafspelz.
Alyssa zuckte mit den Achseln, um einen Schauer zu verbergen, obwohl ihre Gänsehaut wohl für jeden in einem Umkreis von einem Meter sichtbar gewesen sein musste. Die schrecklichen Seeschaum-grünen Kleider, die Hannah ausgesucht hatte, reichten fast bis zum Boden, aber oben? Ihr Ehering war vermutlich dicker als die Träger, die sich über Alyssas Schultern erstreckten, um den unglaublich tiefen Ausschnitt oben zu halten. Der Rücken war auch nicht sehr hoch geschnitten, und da ihr Haar wie bei allen anderen Brautjungfern hochgesteckt war, gab es nichts, was ihren Nacken und den Großteil ihres Rückens bedeckte. Shane musste sie nur ansehen und er würde sofort erkennen, welche Wirkung er auf sie hatte.
Er würde wahrscheinlich annehmen, dass es an der kühlen Brise lag, die vom Wasser durch die offene Tür hereinblies. Alyssa bezweifelte, dass er vermuten würde, dass jedes einzelne aufstehende Härchen ihm zu verdanken war.
Sie sah ihn noch einmal an, und diesmal blickte er sie auch an.
Und grinste.
Nein, nein, er schob die Gänsehaut niemals auf den Wind.
Eingebildeter Mistkerl.
Es schüttelte sie noch einmal und dann wandte sie sich ab.
Und natürlich sah sie sein Spiegelbild in einem Fenster. Verdammt noch mal. Sie beschäftigte sich damit, sicherzustellen, dass alle Sträuße perfekt arrangiert und für die Feier bereit waren. Wenigstens müsste sie sich keine Sorgen machen, dass sich sein Gesicht in einem Strauß Rosen widerspiegeln würde. Obwohl ein Mann wie er sich wahrscheinlich überall manifestieren konnte, wenn er es wollte. Wie der Teufel selbst.
Während sie und Tina Hannas Schleier richteten, konnte Alyssa nicht widerstehen und warf ihm einen weiteren Blick zu. Er stand jetzt in der Türöffnung, die Hände in den Taschen seiner maßgeschneiderten Hose, und starrte auf etwas, das außerhalb von Alyssas Sichtweite lag.
Zum zweiten Mal überkam sie eine Welle von Gänsehaut an jedem freiliegenden Zentimeter ihrer nackten Arme und ihres Rückens. Sie war voll bekleidet, aber in diesem dünnen Material mit den dünnsten Trägern der Welt fühlte sie sich entblößt und nackt und, verdammt, was sie nicht gegeben hätte, damit er seinen Kopf drehte.
Er hatte einfach etwas an sich. Als er seine Hand zu seinem Gesicht hob, war sie wirklich überrascht, dass er keine Zigarette an seine Lippen führte, sondern sich am Kiefer kratzte. Sie hatte den Eindruck, dass er Raucher sein würde. Die Art böser Junge, der sich an ein Motorrad lehnte, eine halb aufgerauchte Zigarette im Mundwinkel hatte und mit seinen langen Fingern mit einem Zippo-Feuerzeug spielte.
Sie schüttelte den Kopf und drehte ihm wieder den Rücken zu. Was zum Teufel? Sie fand gar nicht, dass Rauchen sexy war – tatsächlich war es in den letzten Jahren zu einem No-Go für sie geworden –, aber verdammt, dieser Typ sah aus, als könnte er es sexy machen.
Jemand von der Crew führte alle zu den Doppeltüren, die sie auf das Deck führten, auf dem die Zeremonie stattfinden sollte. Bei manchen Hochzeiten wäre der Trauzeuge schon mit dem Bräutigam da draußen, aber das Glück war ihr diesmal nicht hold. Als sie allen ihrem Partner zugeteilt waren, stand Alyssa viel zu nah an Shane. Sie hätte gutes Geld gewettet, dass ihr Herz schneller schlug als das der nervösen, errötenden Braut.
»In Ordnung.« Hannah schloss die Augen, straffte ihre Schultern und lächelte dann ihre Brautjungfern an. »Los geht’s.«
Die Musik auf dem Deck begann zu spielen und das erste Brautjungfernpaar ging den Gang hinunter. Dann das zweite. Als das dritte durch die Tür verschwand, bot Shane ihr seinen Ellbogen an. Alyssa sah zu ihm auf. Zwischen dem Blick auf den tiefen Ausschnitt ihres Kleides und dem teuflischen, der sagte: Ich weiß, dass du das gesehen hast und es ist mir scheißegal, war sie sich sicher, dass er sie direkt durchschaute. Sie hätte auch genauso gut Ich weiß nicht, wer zur Hölle du bist, aber triff mich an einem privaten Ort auf ihrer Stirn geschrieben haben können, besonders wo er fast unmerklich seinen Mundwinkel hob, bevor er seinen Fokus auf den Gang verlagerte.
Sie schob ihre Hand über seinen Arm und schluckte, wobei sie sich sehr wohl bewusst war, an welcher Stelle ihre nackte Haut mit dem warmen Stoff seines Smokings in Berührung kam. Sie fingen an, den Gang hinunterzugehen, und das Streichen seiner Jacke an ihrem Arm war fast unerträglich erregend. Wie Bettwäsche auf nackter Haut, und dieser Gedanke half nicht gerade.
Auf halbem Weg stolperte sie, aber Shane legte seinen Arm um ihre Seite, sodass sie ihn benutzen konnte, um sich abzufangen, bevor sie auf ihren Hintern fiel. Für alle anderen sah es wahrscheinlich nur aus wie ein kleiner Fehltritt. Wie das Ergebnis ihres zu langen Rockes oder ihrer zu hohen Absätze. Oder wegen der rauen See. Was für eine Trauzeugin.
»Alles in Ordnung?«, murmelte er leise.
»Ja. Danke.«
»Nicht der Rede wert.«
Sie sahen sich an und irgendwie schaffte sie es, nicht mehr zu stolpern.
Am Ende des Ganges ließ er ihren Ellbogen los und sie nahmen ihre Plätze vor dem Rest der Hochzeitsgesellschaft ein.
Die Musik änderte sich und alle drehten sich um, um Hannah und ihrem Vater zuzusehen, wie sie ihren großen Auftritt machten. Alyssa lächelte – Hannah hatte lange, lange Zeit auf diesen Tag gewartet, und nach einer Reihe von absoluten Idioten hatte sie ihr Glück mit Jake gefunden. Wenn es ein Märchen gab, das ein Happy End brauchte, dann war es dieses, und Alyssa hatte sich nie mehr geehrt gefühlt, als hier bei dieser Hochzeit dabei sein zu dürfen.
Sie blickte zu ihrer Linken. Jake hatte bereits Mühe, sich zusammenzureißen; seine Lippen waren zusammengepresst und seine Augen feucht, als er sah, wie seine Braut näher kam. Sie hatte sich immer vorgestellt, dass sie dem Mann, der Hannah einmal heiratete, drohen würde, ihm die Beine zu brechen, wenn er Hannahs Herz brach – aber mit Jake? Sie war einfach nur glücklich. Ganz und gar begeistert für die beiden.
Als Hannah am Altar ankam und sie und Jake ein tränenreiches Lächeln austauschten, während ihr Vater sie übergab, blickte Alyssa an Jake vorbei.
Und ihr Herz blieb stehen.
Shane sah sie direkt an. Er hatte gelächelt, genau wie alle anderen, aber in der Sekunde, in der sich ihre Augen trafen, schwankte sein Gesichtsausdruck, als wäre er genauso erschrocken von dem Augenkontakt gewesen wie sie. Er war so gesammelt, so unerschütterlich gewesen, doch für den Bruchteil einer Sekunde war er es nicht mehr.
Alyssa schluckte. Und er tat es auch.
Sie brachen schnell den Blickkontakt ab und konzentrierten sich pflichtbewusst auf die Zeremonie zwischen ihnen. Hin und wieder warf sie ihm jedoch Blicke zu und fragte sich, ob er dasselbe tat, wenn sie nicht hinsah.
Die Zeremonie endete und alle im Raum applaudierten, als Hannah und Jake sich auf den Weg in die Kabine machten, wo der Empfang stattfinden sollte. Niemand schenkte dem Rest der Prozession viel Aufmerksamkeit – es ging nur um die Braut und den Bräutigam, so wie es hätte sein sollen. Aber die Leute hätten es bemerkt, wenn es nicht richtig gemacht worden wäre, also gab es kein Entkommen. Alyssa musste neben Shane treten und ihre Hand wieder über seinen Ellbogen schieben.
Bevor sie den ersten Schritt machten, blickte sie zu ihm auf, während er zu ihr hinunter sah. Was dieses Grinsen bedeutete, konnte sie nicht erraten, und sie hatte keine Zeit, es herauszufinden, bevor die Saaldiener gestikulierten, dass sie ihren Weg entlang des langen, schmalen Ganges beginnen sollten.
Das Schiff schaukelte ein wenig, aber Alyssa hielt diesmal ihr Gleichgewicht … was Shane nicht davon abhielt, ihr Handgelenk subtil zwischen seinem Ellbogen und seiner Seite zu drücken. Als sich das Deck vor ihnen erstreckte, ließ er nicht los und sie versuchte nicht, sich loszureißen. Ihr Rock streifte sein Bein. Ihre Hüften berührten sich. Sie waren sich viel zu nah und jede kleine Berührung schickte einen Nervenkitzel durch sie hindurch, als ob alles, was sie teilten – eine Fingerspitze, die eine Naht auf einem Ärmel nachzeichnete, sein Arm, der sie festhielt –, ein subtiles Geheimnis zwischen ihnen und niemand anderem wäre. Ein paar Schritte vom Ende des Ganges entfernt, als sie fast sicher war, dass niemand sie ansah, drehte sie sich ein wenig und drückte so ihre Brust sanft gegen seinen Arm. Er sah sie nicht an, sagte kein Wort, aber dieser kleine Atemzug sagte alles.
Bitte lass dies auf Gegenseitigkeit beruhen und nicht nur meine Fantasie sein. Denn, mein Gott …
Im Nebenraum tauschten sie nicht mal einen Blick, bevor sie sich trennten, um ihren Freunden zu gratulieren.
»Lass mich diesen Schleier loswerden.« Hannah blickte finster, als sie daran zerrte. »Dann treffen wir uns drinnen?«
»Perfekt.« Jake strahlte und küsste seine Braut sanft. Sie grinsten sich an und dann gestikulierte Hannah, dass Alyssa ihr folgen sollte. Alyssa tat es natürlich, aber sie warf noch einen Blick zurück auf Shane und …
Ja. Er schaute auch.