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«Tendai, wir haben doch nur Spaß gehabt. Ich verspreche, wir tun es nie wieder. Nur, bitte, sag meiner Großmutter nichts davon. Bitte bitte bitte!», bettelte Martine zum soundsovielten Mal.

«Wovon nichts?», fragte ihre Großmutter, die gerade in einer geblümten Schürze mit Warzenschweinen darauf aus der Küche trat. Der Duft von Armen Rittern und karamellisierten Bananen, vermischt mit gebratenen Champignons und Tomaten, umwehte sie.

«Gibt es etwas Interessantes aus dem Wildreservat heute Morgen? Wie kommen Jemmy und Shiloh miteinander aus? Glaubt ihr, sie werden Freunde? Kommt rein und erzählt mir alles beim Frühstück. Ich will nicht, dass das Essen kalt wird. Bis später, Tendai. Vergiss nicht, beim Tierarzt vorbeizufahren und eine Salbe für die Impala mit den wunden Augen mitzubringen.»

Mit einem Blick, der bedeuten sollte ‹Darüber sprechen wir noch›, sprang Tendai in seinen Land Rover. Er ließ den Motor übermäßig aufheulen und schoss die Auffahrt hinab.

Martine und Ben seufzten erleichtert auf. Sie zogen nur schnell ihre Stiefel aus und wuschen sich die Hände im Küchenspülbecken, dann spurteten sie ins Esszimmer. Die bodentiefen Fenster zum Garten standen offen. Das Sonnenlicht ergoss sich über die weiße Tischdecke wie flüssiger Honig.

Warrior und Shelby, die beiden Katzen, umrundeten den Tisch in der Hoffnung auf einen Leckerbissen. Hinter ihrem strengen Äußeren hatte Gwyn Thomas insgeheim ein weiches Herz. Es dauerte nicht lang, und die Katzen hatten sie so weit, dass sie ihnen eine Untertasse mit dicker Sahne hinstellte. Martine lachte über ihren glückseligen Ausdruck.

Anstatt sich weiter Gedanken zu machen, was Tendai ihrer Großmutter verraten würde und was nicht, konzentrierte sie sich lieber darauf, was wohl köstlicher war: der erste Gang, der aus frischen Eiern mit goldgelbem Eigelb, gebraten mit Champignons und Tomaten, bestand, oder die Nachspeise aus Armen Rittern mit karamellisierten Bananen und einem Klecks Sahne. Paw Paw (Papaya)-Saft rundete das Mahl ab. Nachdem sie erst am Tag davor, nach dem Festschmaus zu ihrem Geburtstag, geschworen hatte, nie wieder etwas zu essen, war Martine erstaunt, wie mühelos das Neujahrsfrühstück in ihren Magen passte.

Entschlossen, ihre Großmutter bei Laune zu halten, sorgte sie für einen heiteren Gesprächsfluss. Zwischen zwei Bissen beschrieb sie den Sonnenaufgang über dem Steilhang und die Nashornspuren, die Ben neben dem Wasserloch entdeckt hatte.

«Schön zu hören, dass die Nashörner am Leben sind und dass es ihnen gut geht», sagte Gwyn Thomas. «Jeder Besucher, der telefonisch ein Ticket für die Safari ‹Stars and Stripes› heute Abend bestellt hat, schien versessen darauf, die Großen Fünf zu sehen. Unsere neuen Nashörner stehen offenbar ganz oben auf der Liste. Ich habe mein Bestes gegeben, um zu erklären, dass es Hunderte von afrikanischen Tieren gibt, die genauso besonders und exotisch sind wie Elefanten, Löwen, Leoparden, Büffel und Nashörner – zum Beispiel eine weiße Giraffe. Aber vergeblich.»

«Vielleicht solltest du ihnen den tatsächlichen Grund nennen, warum ausgerechnet diese Tiere die Großen Fünf genannt werden», schlug Martine vor.

«Weil sie bei Jägern als die gerissensten und gefährlichsten Tiere gelten, die sie jagen können? Ja, ich war kurz davor, das zu sagen, aber dann habe ich mich daran erinnert, dass vermutlich alle, die ein Wildreservat besuchen, ein Interesse an wild lebenden Tieren haben. Es ist unsere Aufgabe, sie zu begeistern und zu lehren, alle Kreaturen zu lieben und wertzuschätzen, ob groß oder klein, so wie wir es tun.»

Ben lächelte. «Wenn Sie wollen, kann ich Ihren Besuchern ja alles über die Kleinen Fünf erzählen: die Ameisenlöwen, die Elefantenspitzmäuse, die Büffelweber, die Leopardenschildkröte und die Nashornkäfer.»

«Oh, ich liebe Elefantenspitzmäuse», sagte Martine. «Sie haben diese langen gekrümmten Nasen, die wie ein Elefantenrüssel aussehen, und sind mit das Niedlichste, was ich je gesehen habe.»

Ihre Großmutter füllte ihre Gläser mit Papayasaft auf. «Also, heute Abend habt ihr reichlich Gelegenheit, von den afrikanischen Wildtieren zu schwärmen. Wir haben achtzehn Tickets für die Safari und das Barbecue verkauft. Ich verlasse mich darauf, dass ihr beide helft, wo ihr könnt. Es soll ein lustiger Abend werden. Es kommen ein paar faszinierende Gäste. Ein oder zwei von ihnen sind weltberühmt.»

«Weltberühmt!» Martine sprang vor Aufregung beinahe von ihrem Stuhl. «Wer ist es? Wer kommt?»

Ihre Großmutter tat so, als schließe sie die Lippen mit einem Reißverschluss. «Ich sage kein Wort. Das würde die Überraschung verderben.»

«Doch, bitte! Es dauert ja noch Stunden, und ich kann die Spannung nicht aushalten.»

«Vorfreude ist die schönste Freude.»

«Kannst du uns wenigstens einen Tipp geben?»

Das Gespräch wurde unterbrochen, als ein Fahrzeug die Auffahrt heraufkam. Eine Tür wurde zugeschlagen, und sie hörten die Stimme des Wildaufsehers, tief und drängend.

Gwyn Thomas runzelte die Stirn. «Das ist merkwürdig. Ich dachte, Tendai wollte so schnell wie möglich nach Storm Crossing fahren. Er muss etwas vergessen haben.»

In Martines Mund wurde der Bissen zu Stein. Natürlich, das war es: Tendai hatte seine Meinung geändert und sich entschlossen, ihrer Großmutter lieber früher als später alles über ihr Rennen zu verraten! Durch die Glastüren konnte sie sehen, wie Jemmy am Wasserloch trank und dabei die Beine spreizte und seine silberne Nase in Falten legte. Wenn sie ihn nicht mehr reiten dürfte, wäre sie am Boden zerstört. Sie blickte Ben an. Er sah genauso beunruhigt aus wie sie.

Tendai kam ins Zimmer gehastet, seinen Hut behielt er in der Hand. «Mrs Thomas, es tut mir leid zu stören, aber die Nachrichten fangen gerade an, und Sie sollten sich das ansehen.»

Martine war so mit der Strafe beschäftigt, die auf Ben und sie zukommen würde, dass sie einen Moment lang glaubte, sie wären tatsächlich in den Morgennachrichten gelandet. Als der Bildschirm aufleuchtete, rechnete sie fast mit einem Filmbericht, der zeigte, wie die weiße Giraffe und das Basotho-Pony durch das Reservat rasten. Stattdessen setzte die Nachrichtensprecherin an: «Drei Schwarze Nashörner sind heute in den frühen Morgenstunden im Leopard Rock-Wildreservat am Östlichen Kap von Wilderern abgeschlachtet worden.»

Gwyn Thomas war fassungslos. «Unsere Nachbarn!»

«Es war ein heftiger Angriff, bei dem ein Wärter schwer verletzt wurde. Die Zahl der getöteten Nashörner in Südafrika stieg damit auf 1215. Tierschutzgruppen zeigten sich besorgt angesichts der jüngsten Gräueltat gegen diese gefährdete Tierart. Dr. Marius Goss, der Leiter der Hilfsorganisation FAW, Fight for African Wildlife, bezeichnet den Höhepunkt der Wilderei an Nashörnern als eine Epidemie.»

Die Kamera schwenkte zu Dr. Goss, der in seiner abgetragenen Khaki-Kleidung wie ein Fremdkörper in dem Studio wirkte, das ganz aus Glas und Chrom bestand. In seinem sonnengebräunten Gesicht sah man den Zorn. Er hielt ein Fläschchen in die Kamera. «Diese Flasche enthält pulverisiertes Rhinozeroshorn, das aus einer Substanz namens Keratin besteht. Es unterscheidet sich kein bisschen von einem menschlichen Fingernagel. Und doch ist es mehr wert als Gold. Verbrecherbanden verkaufen es für 65.000 Dollar pro Kilogramm, um die Nachfrage aus Asien zu bedienen, wo viele Leute es für ein magisches Heilmittel gegen alles Mögliche halten – von Krebs und Fieber bis zu Bluterkrankungen. Das Stichwort hier ist magisch. Es ist eine Illusion. Dieses Zeug» – er schüttelte die Flasche – «ist nicht mehr wert als Ihre Zehennägel-Abschnitte. Es ist nur für eine einzige Kreatur auf der Erde von Wert: für das Nashorn, dem es gehört.»

Er lehnte sich vor und blickte direkt in die Kamera. Martine kam es so vor, als würde er sie persönlich ansprechen. «Lassen Sie es mich klar ausdrücken: Wenn wir nicht zusammenarbeiten, um diesen schrecklichen Handel zum Erliegen zu bringen, könnten diese sanften, klugen und völlig einzigartigen Tiere, die 50 Millionen Jahre der Evolution überdauert haben, innerhalb der nächsten fünf Jahre aussterben.»

Tendai schaltete den Fernseher aus, und eine trostlose Stille folgte. Draußen hatte ein Wolkenband den Tag getrübt.

Gwyn Thomas erhob sich langsam. «Das Leopard Rock-Reservat ist höchstens zwei Kilometer von hier entfernt. Die Wilderer könnten noch in der Gegend sein. Was sollte sie daran hindern, als nächstes Ziel Sawubona anzuvisieren? Egal, was es kostet, Tendai, wir müssen so bald wie möglich Nashorn-Patrouillen aufstellen.»

«Ich kümmere mich sofort darum, Mrs Thomas. Ich kenne einen guten Mann. Wenn er verfügbar ist, könnte er nächste Woche anfangen.»

«Dann könnte es schon zu spät sein. Ich will die Nashorn-Patrouillen rund um die Uhr, von heute Abend an. Fragen Sie Samson, ob er die erste Schicht übernehmen kann. Er wird langsam alt, aber er hat Erfahrung, und er hat eine Waffe. Und, Tendai …?»

«Ja, Mrs Thomas?»

«Die Nashörner sind nicht die Einzigen, die in Gefahr sind. Denken Sie daran, dass wir es mit Kriminellen zu tun haben, die vor nichts zurückschrecken, um an das zu kommen, was sie wollen. Selbst wenn sie dabei Menschen verletzen, die sich ihnen in den Weg stellen. Wir müssen alle besonders wachsam sein. Martine und Ben, das gilt auch für euch.»

Martine hörte sie kaum. Der Magen verknotete sich ihr. Sie wünschte fast, Tendai wäre zurückgekommen, um ihrer Großmutter von dem Rennen mit Ben zu erzählen. Jede Strafe, die ihre Großmutter ihr aufgebrummt hätte, wäre besser gewesen als das hier – die Nachricht, dass die Tiere, die sie so sehr liebte, wieder einmal in Gefahr waren.

Sie dachte an die uralten Höhlenmalereien der San-Menschen in Sawubonas Geheimem Tal, ein Ort, den nur sie und Ben und Grace, die Sangoma, kannten. Es war Grace gewesen, die Martine als Erste gezeigt hatte, dass ihre Zukunft an die Höhlenwände geschrieben stand. Und kürzlich hatten die Wände noch etwas anderes enthüllt: dass ihr Leben untrennbar mit Bens verbunden war. Sie teilten sich ein Schicksal und eine Mission: die Wildtiere zu retten und zu heilen.

Aber vor einer Woche hatte ein Steinschlag die Höhle für immer versiegelt. Die Wände würden ihr Geheimnis nie mehr preisgeben. Wenn die Jäger jetzt Sawubona ins Visier nahmen, würden Martine und Ben ihnen blind ausgeliefert sein.

Operation Rhino

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