Читать книгу Operation Rhino - Lauren St John - Страница 9

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Als sie nahe genug bei den Nashörnern waren, um die zerfransten Ränder ihrer Ohren zu erkennen, drehte sich Tendai lächelnd um. «Ich muss Ihnen etwas ganz Besonderes zeigen. Ich wollte vorhin nichts sagen, denn wenn zu viele mitgewollt hätten, dann hätten wir nicht herkommen können. Sie sind die Glücklichen.»

«Nun, das ist ja schön zu hören», sagte John Johnson. «Aber wollen Sie uns nicht erzählen, worum es sich handelt?»

«Folgen Sie mir und sehen Sie selbst.»

Sie krochen durch den Busch auf Spartacus und Cleo zu. Um sich der möglichen Gefahr entgegenzustellen, drehten sich die riesigen Tiere so leichtfüßig um wie Tänzer. Sie blinzelten und witterten. Nashörner sind kurzsichtig, und Martines Großmutter behauptete immer, aus dreißig Metern Entfernung könnten sie einen Menschen nicht von einem Baum unterscheiden. Wenn das stimmte, dann trugen diese Nashörner hier aber eindeutig Kontaktlinsen. Sie sahen aus, als ob sie bereit wären, die Eindringlinge innerhalb von Sekunden zu Pfannkuchen zu zerstampfen.

Tendai wies auf einen abschüssigen Felsbrocken. «Wir warten hier. Setzen Sie sich oder legen Sie sich hin und bleiben Sie so still wie möglich.»

Martine fand sich zwischen Ben und Jayden eingezwängt und fühlte sich wie in einem Sandwich zwischen Naturbursche und Popidol. Es war nervtötend. Trotzdem musste sie innerlich lächeln, als sie sah, wie Ben in dieser Situation ganz zu sich selbst fand. Seine abgetragene olivfarbene Kargohose, das Khaki-T-Shirt und die staubigen Wüstenstiefel waren unendlich besser geeignet, durch den Busch zu streifen, als Jaydens eingerissene Jeans, der nietenbespickte Gürtel und seine Hightech-Turnschuhe.

Aber es war viel mehr als die Kleidung, die den Unterschied ausmachte. Ben harmonierte vollkommen mit seiner Umgebung. Er bewegte sich geräuschlos, ihm entging nichts, und er konnte «Zeichen» – das Wort der Ranger für die Spuren, die ein vorbeilaufendes Tier hinterlässt – so mühelos lesen, wie die meisten Leute Bücher lesen. Tendai hatte ihr mal erzählt, dass die Fähigkeit, Spuren zu lesen, eine seltene Gabe sei. Entweder war sie einem in die Wiege gelegt, oder man hatte sie eben nicht. Einige Techniken konnten erlernt werden, aber wer nicht in der Lage war, sich in ein Tier hineinzuversetzen, würde nie ein guter Spurenleser werden.

«Du meine Güte!», rief Olivia aus.

Die Nashörner waren einen Schritt auseinandergegangen. Cleos Blick ruhte fest auf dem bewegten Schatten hinter ihr. Man hörte ein mausähnliches Piepsen, dann schoss ein Nashornbaby zwischen den Flanken seiner Eltern hervor.

Martine lebte erst seit einem Jahr auf Sawubona, und es gab immer noch Lücken in ihren Wildtierkenntnissen. Dazu gehörten Nashornbabys. Erst jetzt wurde ihr auch klar, dass sie bisher nicht einmal ein Foto eines Rhinozeroskalbs gesehen hatte. Wenn überhaupt, hatte sie sich eine Miniaturversion seiner Eltern vorgestellt.

Nichts hatte sie auf die siebzig Kilogramm gepanzerte Niedlichkeit vorbereitet, die jetzt auf sie zugerast kam. Die Beine des Nashornkalbs waren zu kurz, seine lilien-förmigen Ohren viel zu groß, seine Augen zu klein, und seine Haut war so lose und wuchtig, dass sie aussah, als wäre sie von einem viel größeren Bruder aufgetragen worden. Man konnte den Eindruck haben, dass in ihm E.T., das kleine außerirdische Wesen, mit dem niedlichsten prähistorischen Monster, das man sich vorstellen konnte, verschmolzen war.

Bei Martine war es Liebe auf den ersten Blick. Nach dem verzückten Lachen zu urteilen, mit dem sein Auftauchen begrüßt wurde, war sie nicht die Einzige.

Als das Kalb die Besucher entdeckte, kam es ganz plötzlich verwundert zum Stehen. Anstatt sich an der Seite seiner Mutter in Sicherheit zu bringen, torkelte es näher. Seine Mutter rumpelte ihm hinterher. Sie senkte drohend ihr Horn und schnaufte aufgeregt.

An schrie leise auf. Martine packte Bens und Jaydens Arm vor Schreck. Ihr Leben war zu Ende! Sie würde in den Dreck getrampelt werden, bevor sie sie sich auf ihren ausgewählten Baum retten konnte. Nie wieder würde sie auf Jemmy gegen Ben und Shiloh um die Wette rennen. Und Jayden würde keinen einzigen Ton mehr singen. Tendai hob sein Gewehr und nahm Cleo ins Visier. Das Kalb stürmte kopfüber in die Richtung der Besucher und kam dann schlitternd zum Stehen, nur wenige Meter von ihnen entfernt. Die Mutter zum Glück auch.

Martine vergaß schier zu atmen. Träumte sie oder starrte das Nashornbaby sie direkt an? Doch bevor sie sich sicher sein konnte, begann der Kleine zu spielen. Wieder und wieder lief er im Kreis, wie ein ausgelassener Welpe. Seine Mutter beobachtete ihn nachsichtig. Ihr riesiger Kopf, der von einem anderthalb Meter langen Horn niedergedrückt wurde, schwang hin und her, um seinen Bewegungen zu folgen.

Martine hatte das merkwürdige Gefühl, in die Tiefe der warmen, braunen Nashornaugen gezogen zu werden. Der Geist, der darin wohnte, war freundlich, intelligent und verletzlich, aber das Gefühl, das am deutlichsten daraus hervorleuchtete, war Liebe. Die Nashornmutter vergötterte ihr Baby genauso, wie Martines Mum einst sie vergöttert hatte.

Eine Träne lief Martine über die Wange. Sie war verlegen, dass das Gefühl sie so übermannte, während sie einge-quetscht zwischen zwei Jungs dalag, von denen einer ihr musikalisches Idol war. Aber sie brauchte sich keine Sorgen zu machen. Auch Ben war überwältigt, und selbst Jayden hatte aufgegeben, cool zu sein. Er trug ein breites Grinsen im Gesicht.

Erschöpft von den Anstrengungen ließ sich das Nashornbaby auf den Boden plumpsen. Es schlief fast auf der Stelle ein. Cleo sank neben ihm nieder. Sie schloss die Augen, und ihre langen schwarzen Wimpern legten sich stachelig auf ihre ledrige Haut.

«Sie macht uns ein Kompliment», sagte Tendai leise. «Sie zeigt uns auf diese Weise ihr Vertrauen, dass wir keine Gefahr für ihr Kalb darstellen.»

«Wie heißt das Baby?», fragte Martine.

«Es hat noch keinen Namen. Es ist erst ein paar Tage alt. Wenn dir etwas einfällt, lass es mich wissen.»

Tendai machte allen ein Zeichen, zum Land Rover zurückzugehen. Die Nacht brach herein, und die ersten Sterne wurden über einem pfauenblauen Himmel mit goldenen Streifen verstreut.

Auf dem Rückweg zum Steilhang sprach niemand ein Wort. Martine wünschte, sie könnte die Gedanken der Besucher lesen – Jaydens Gedanken, dessen Gesicht im Dunkeln lag, oder die von Lars, dem Jäger, der einen inneren Kampf mit sich selbst auszutragen schien. An, die vietnamesische Ballerina, war nur körperlich vorhanden. Sie blickte gedankenverloren in das dunkle Wildreservat hinaus, während sie fuhren, und ihr Gesicht schien traurig. Nur die Surfer und die Johnsons lächelten.

Operation Rhino

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