Читать книгу Morin, die Blume und der Traummacher - Laurin J. Langmann - Страница 4

Das war nicht sein Bett.

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Mit diesem Gedanken erwachte Morin. Wäre es wenigstens gemütlich gewesen, wäre er noch etwas liegen geblieben, aber seine Füße standen über den Rand, die Decke war zu kurz und er konnte sich kaum richtig umdrehen.

Ein Kinderbett?

Zumindest hätte es zum Rest der Einrichtung gepasst. Eine gelb gestrichene Wand, Wandschränke mit Stickern beklebt, ein ekelhafter hellblauer Teppichboden - Resteverwertung, dachte er.

Auf dem Teppichboden fiel es ihm leicht, geräuschlos bis zur Tür zu laufen. Dahinter lag ein Gang, der nach links führte. Ein roter, langer Teppich war über dem Parkett ausgerollt worden, hier sollte er sich also auch unauffällig bewegen können. Er kam keine zwei Schritte weit, da zog er sich ins Zimmer zurück und schloss die Tür bis auf einen kleinen Spalt durch den er hindurch lugte. Schleifende, leichte Schritte näherten sich.

Er verstand nicht, was er da sah. Jemand ging - nein, etwas - wandelte kraftlos den Gang entlang. Er erkannte, wie diesem - Mensch? - die Kraft ausging, es lehnte sich gegen die Wand und schleifte an ihr entlang. Dabei zog es dunkle, schimmernde Schlieren nach sich. Es atmete angestrengt. Morin dachte bereits, es würde auf ihn zukommen, doch es bog wenige Meter von dem Kinderzimmer entfernt in einen anderen Raum ein.

Was?

Morin war schlecht.

Zögernd, leicht zitternd, wagte er sich aus seinem Versteck hervor, ging die wenigen Schritte bis zur nächsten Tür, wobei der Teppich jeglichen Lärm schluckte, und spähte durch die Tür, in die dieses Ding gerade verschwunden war.

Es zog sich gerade mühsam die Klamotten aus, riss sich ab was sich nicht von selbst löste. Aushängende Gedärme kamen zum Vorschein, eine abgeschnittene Brust, Schnitte, die die Rippen preisgaben. Morin hielt ohne es zu merken die Luft an. Es drehte das Wasser in der Dusche auf und allein von den starken Dampfwolken, die sofort aufstiegen, erkannte Morin, dass das Wasser heißer war als es sein sollte. Getrocknetes Blut löste sich von manchen Stellen, aber die wenigen gesunden Stellen Haut, die zum Vorschein kamen, röteten sich sofort und warfen nach kurzer Zeit Blasen. Der Schädel war eingeschlagen, der Brustkorb wirkte Hohl, die Nase gebrochen, die Haare mussten wohl ausgerissen worden sein, an den vorstehenden Knochen hatten wohl jemand gekratzt oder geschliffen und was mit den Augen geschehen war, wollte Morin nicht einmal erst überlegen.

Die Gestalt verschwamm schließlich hinter der angelaufenen Glasscheibe, aber Morin konnte sich noch immer nicht rühren.

Was? Was passiert hier?

Morin konnte nicht einschätzen, wie lange es dauerte, bis das Wasser wieder abgedreht wurde. Es stieg aus der Dusche und ging auf ihn zu. Langsam schleifend, denn eines seiner Gelenke stand in einem unnatürlichen Winkel ab. Morin wich erschrocken zurück, war aber unfähig wegzulaufen. Er stolperte über den Teppich und fiel gegen die hinter ihm liegende Wand. Die Gestalt - oder die Leiche? - kam in trägem Tempo auf ihn zu, drehte jedoch vor ihm ab und wandelte den Gang entlang. Es schien ihn gar nicht bemerkt zu haben!

Irgendwann war es völlig aus seinem Blickfeld verschwunden, aber Morin bewegte sich nicht. Erst als er etwas Klebriges im Nacken bemerkte, erwachte er aus seiner Starre, fasste sich an die Stelle und starrte auf das Blut. Wie eine Spur verliefen die Blutflecken und Wasserpfützen durch das Haus. Er folgte dem Gang, kam an zwei weiteren Türen vorbei, bevor er in einen großzügigen Vorraum gelangte, wo eine gewundene, breite Treppe nach links hinaufführte. Mittig der Treppe erkannte er eine größere Lache, von der Blut die Stufen hinab tropfte. Es musste hier gestürzt sein. Morin folgte der Spur weiter, kam zuerst an einem Balkon vorbei, dann zu zwei nebeneinanderliegenden Türen. In der linken war sie.

Die Tür war nur angelehnt. Morin öffnete sie vorsichtig und entdeckte ein recht nettes Zimmer mit dunkelroten Akzenten, hell und an jeder freien Stelle standen Bücher. Einige Musikinstrumente standen wie eine kleine Familie zusammen auf einer Anrichte. Die Leiche - den Menschen? - fand er nur, weil die Blutspuren sie verrieten.

Er ging zu ihr. Sie lag friedlich in ihrem Bett, leere Augen starrten an die Decke. Der Brustkorb hob und senkte sich. Warum war er hier?

Umhülle dich mit Träumen,

in den´ dich niemand findet,

in kalten, nassen Räumen,

wo Dunkelheit sich windet.

Wo flammender Schein an den Wänden tanzt,

seist du heut Nacht versteckt,

wo du schreien, weinen, sterben kannst

und niemand dich entdeckt.

Die Einsamkeit behütet dich,

gar mütterlich steht sie dir bei.

Kein Wächter könnte tapf´rer sein,

denn niemand kommt an ihr vorbei.

Die Stille singt dich in den Schlaf,

die ganze Nacht wird sie nicht ruh´n.

Die Kälte ist nun dein Gemach,

sie umgibt ein ganzes Tun.

Sei der Tod dir auch verwehrt,

der sich so sehnsüchtig umwarb,

sei jede Liebe dir entbehrt,

in deinem endlos weiten Grab,

wirst du doch der Toten gleich,

in deinem endlos´ Königreich

verenden,

als deines Geistes Verhängnis.

Drum lege dich zur Ruh, mein König,

wo Dunkelheit sich windet,

sei die Einsamkeit dir selig,

auf das sich niemand findet.

inspiriert von Walter Moers,

die Stadt der träumenden Bücher

So, wie das Land einst kahl und die Meere einst leer waren,

so war der Himmel klar. Schon immer barg er unsere Welt unter sich, wachte geduldig und sorgsam über Land und Wasser. Dabei beobachtete er, wie das Wasser das erste Leben schuf und wie das Land es ihm nachtat. Der Himmel war entzückt von diesen kleinen Wesen, Tag und Nacht beobachtete er sie, wie sie immer größer und vielfältiger wurden. Er verlor sich in ihren Farben und Formen, lauschte ihren Gesängen. Ja, der Himmel hatte sich in das Leben verliebt. Er beschloss, selbst welches zu beherbergen, doch dazu musste er ihnen einen Ort zum Leben bieten. Das war die Zeit, als der Himmel all seine Kraft einsetzte, dem Meer Wasser und dem Land Erde gewaltsam entzog und sie zusammenfügte, zu seinem Gemisch, das Fliegen konnte, trotz seiner Festigkeit. Der Himmel erschuf die Wolken.

Er war stolz auf seine Kreation, denn er glaubte nun endlich selbst Leben schaffen und beherbergen zu können, aber keine Pflanze wuchs auf dem neu geschaffenen Land im Himmel. Kein Tier wollte dort nisten. Die Wolken blieben kahl. Nichts konnte dort Leben. Frust erfasste ihn und er nutzte seine neueste Errungenschaft um sich abzuschotten. Er wollte das Land und das Meer und die Tiere nie mehr sehen! Die Wolken loderten. Es musste der längste Sturm gewesen sein, den diese Welt jemals gesehen hatte.

Erst der Gesang eines Tieres konnte ihn aus seiner Trauer und seiner Einsamkeit befreien, denn das Wesen sang für ihn. Die Wolken lichteten sich, und so erschrocken ein Gott nun mal sein konnte, musste er sich gefühlt haben, als er sah, dass der Himmel erfüllt war von Farben, Formen, Lauten und - Leben! Das Land hatte dem Himmel ein Geschenk gemacht: Die Vögel.

Morin, die Blume und der Traummacher

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