Читать книгу Sogitta - Lea Dienhart - Страница 11

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4. Kapitel

Bis zum Mittag hin blieb die Stimmung unter den Bewohnern gedrückt. Irgendwann jedoch versammelte sich ein Teil der Kinder, um ein bisschen zu plaudern und sich Witze zu erzählen. Sogar Cyta, die selbstverständlich immer noch todunglücklich war, gesellte sich zu den anderen. Bald sah man eine lange Reihe von Kindern den Weg entlang marschieren.

„He, Leute! Ich hab einen guten! Eine Tomate kommt aus dem Haus. Gustav fragt sie: Wo willst du hin? Darauf die Tomate: Zum Gericht!“

„Ich hab einen noch besseren! Herr Schuhmann sieht Bären. Sie wollen ihn fressen. Da holt Herr Schuhmann seinen Pinsel und malt die Bären blau an. Jetzt isst er die Blaubären! Hahahahahaha.“

Zum Erstaunen aller meldete sich auch Cyta zu Wort. Natürlich durfte sie sofort loslegen! „Ähm“, räusperte sie sich, als stünde eine wichtige Rede bevor. „Ich werde euch erzählen, wie der Hammerhai entstanden ist. Bei einem großen Haiwettkampf gab es die Disziplin Bummelfischfang. Die Bummelfische waren sehr schnell. Niemand erwischte einen. Nur Berthold gelang es, einen der flinken Bummelfische zu erwischen. Die anderen nannten ihn Superhai oder grandioser Hai – und einer sagte: Du bist echt der Hammer, Hai. Ab da nannte man die Nachfolger Bertholds Hammerhaie!“ Eine Weile blieb es still, dann fingen alle an zu lachen, wie auf Kommando!

Es folgten noch ein paar Witze, wie zum Beispiel dieser: Ein Cowboy geht zum Friseur. Als er rauskommt, ist sein Pony weg. Es liegt auf dem Boden des Friseursalons. Oder dieser: Freche Füchse fuchsen keine flinken Fauken auf dem Fett.

Anea, ein Junge aus Sogitta, baute mit seinen Freunden Fixi und Olsaf Schiffchen. Irgendwann fingen die drei damit an, anderen ihre Schiffchen auf den Kopf zu setzen. Dabei sangen sie das „Schiff auf und ab“-Lied:

„Schiff auf, Schiff ab, den Grund herab. Groß, klein, klein, groß, wie war denn das bloß? War mein Schiff lila, blau oder pink? Jetzt ist´s vorbei: Sink, sink, sink!“

Die meisten Bürgerinnen und Bürger waren nach einiger Zeit ziemlich genervt vom Bandenboss Anea. Anea hatte nämlich in Sogitta den Ruf, ein rechter Lausbub zu sein. Ein Jahr zuvor hatte er von seinen Eltern einen Plumpfer bekommen. Plumpfer funktionieren ähnlich wie Fahrräder, nur dass sie komplett aus Korb hergestellt werden und man nicht darauf sitzt, sondern liegt. Auf dem Bauch. Die Pedalen werden mit den Händen betätigt.

Seit Anea diesen Plumpfer besaß, fuhr er damit überall hin. Auf seinen Wegen hatte er sich mit Olsaf und Fixi angefreundet. Mittlerweile waren die drei unzertrennlich – und unschlagbar darin, sich Streiche auszudenken. Der Bürgermeister hatte schon einmal öffentlich während einer Sitzung darum gebeten, Anea seinen Plumpfer wegzunehmen. Doch da der Plumpfer Aneas Ein und Alles war, ließ man es ihm.

Anea rannte nun schon zum dritten Mal in die sich Witze erzählende Gemeinschaft und sang das Schiffchenlied. Lilla wusste, dass Anea es nicht leicht hatte. Keiner mochte ihn wirklich gern, nicht einmal seine Eltern, Großeltern und Tanten! Na ja, seine Mutter schon – doch sein Vater war Aneas wegen sogar ausgewandert! Lilla wusste auch, dass das, was sie vorhatte, nicht sehr vernünftig und nett war. Sie stürzte auf Anea los, schrie: „Aufhören! Bitte!!!“

Und als das nichts brachte, holte sie aus und verpasste Anea eine mächtige Backpfeife. Im selben Moment bereute sie es schon ... Lilla ärgerte sich! Ständig machte sie Sachen, die sie danach sofort bereute. Hinter Lilla begannen immer mehr Kinder zu klatschen. Sie klatschten und riefen: „Super Lilla! Gib´s ihm!“, und sangen bald darauf im Chor: „Lilla ... Lilla ... Lilla ...“

„Ihr seid alle so gemein! Er kann doch nichts dafür, dass er so ist.“ Lilla bahnte sich einen Weg durch die Menge und rannte los. Immer der Nase nach, den Langen Weg entlang. Als sie nicht mehr zu sehen war, verstummten die kleinen Zwerge.

Die Blicke wendeten sich auf Anea. Der schlich sich seitlich aus der Menge heraus und trottete hinter Lilla her. Alle anderen blieben fassungslos zurück.

Inzwischen war eine Zeit vergangen und Lilla eingeschlafen, und zwar auf einem großen, spitzen, bestimmt nicht sehr bequemen Stein. Anea lief immer noch. Er suchte Lilla. Die Sonne war schon wieder auf dem Weg nach unten und bereit, mit dem Mond die Stellung zu tauschen.

Da sah Anea etwas Goldenes vor sich aufblitzen. Es war ein Tor! „Boah“, staunte er und trat einen Schritt zurück. Sein Herz pochte und ihm wurde ganz kalt. Auf der Spitze des Tores prangte eine goldene Rose. Das Wappen Fulmens! Riesengroß türmte sich das goldene Tor vor dem Zwergenjungen auf und bei dieser Sonne glänzte es in seiner vollen Pracht! Goldenes Licht hüllte Anea ein, der immer noch fassungslos die Schönheit auf sich wirken ließ.

„Boah!“ Langsam begann Aneas Herz sich zu beruhigen. Er blickte auf das im Abendrot glänzende Tor. Anea ging weiter und vergaß für einen Augenblick, dass er ja eigentlich Lilla suchte. Lilla, die vor lauter Müdigkeit kaum noch hatte sehen können und sich – ohne es zu merken – auf einem Stein direkt vor dem gewaltigen Torbogen niedergelassen hatte.

Nun schlug sie ein Auge auf. Sie erhob sich und wusste für einen Moment nicht, ob sie immer noch schlief oder bereits wach war. Vor sich sah sie ein riesiges goldenes Tor und einen winzig kleinen Jungen. Anea! Leise stand Lilla auf. „Hallo“, flüsterte sie. Blitzschnell drehte Anea sich um. „Ach du bist es“, sagte er und gab vor, sich nicht für sie zu interessieren. Dann wandte er sich wieder dem Tor zu.

„Tut es noch sehr weh?“, fragte Lilla vorsichtig. Ihr schlechtes Gewissen machte sich erneut in ihr breit.

„Geht so“, grummelte Anea.

„Anea, weißt du, es tut mir leid. Ehrlich. Aber du wolltest ja nicht aufhören!“

„Mag sein.“

Lilla war vor Anea getreten, doch es schien, als blicke dieser durch sie hindurch. Lilla beschloss, es nicht weiter zu versuchen. Stumm stellte sie sich neben Anea und schaute auf das Tor, starr wie er. „Das ist wahnsinnig, vollkommen!“, staunte sie. „Das Tor, das Licht! Findest du nicht?“

„Lilla“, sagte Anea ganz ernst, ohne auf ihre Frage einzugehen, „willst du in unsere Bande aufgenommen werden? Du bist stark und mutig!“

Lilla glaubte ihren Ohren nicht zu trauen. Anea bot ihr tatsächlich einen Platz in seiner Bande an?! Hielt er das nicht selbst für Quatsch? „Ihr macht doch immer nur Blödsinn! Warum sollte ich da mitmachen?“

Anea war gekränkt.

Plötzlich hörte man Rufe. „Lilla! Lillaaaaaaaa!“

„Das ist das Dorf!“, freute sich Lilla. Sie tanzte um Anea herum. „Das Dorf ist da! Hurraaa! Hurraaa!“ Ihr fiel es kaum auf, dass Anea nach einem letzten kurzen Blick auf die Kommenden langsam einen großen Stock in die Hand nahm und hinunter in die Steppe lief. Sie selbst eilte den anderen Zwergen entgegen, heilfroh über deren Ankunft, während Anea, hinter einem Hang lauernd, das ganze Geschehen beobachtete. Er sah zu, wie Rofon Lilla in die Arme fiel und wie sie sich etwas zuflüsterten. Er hörte gedämpft, wie Rofon lachte. Wut kroch in Anea hoch. Er war sich sicher, dass Lilla Rofon erzählt hatte, dass er sie hatte in die Bande aufnehmen wollen. Sein Blick fiel nun auf den Bürgermeister. Wie wild fuchtelte der mit etwas herum. Er schimpfte mit Aneas Mutter, die den Worten des Dorfoberhauptes verstört folgte. Anea kochte! Seine Finger umklammerten den Stock. Er kroch den Hang hinauf. Auf allen vieren näherte er sich dem Bürgermeister.

Plötzlich sprang er auf, nichts mehr schien ihn zu halten! Er stürmte auf den Bürgermeister zu – bereit, ihm den Stock auf den Kopf zu schmettern! Er rannte und rannte und rannte und war schon fast angekommen, als es passierte: Gerade als er sich zum Absprung bereit machte, brachte eine Wurzel ihn zum Stolpern! In einem riesigen Bogen flog er auf den Boden. Dabei glitt ihm der Stock aus der Hand. „Aaaaa Aaaaaaaa Aaaaa!“ Anea blieb wie tot auf dem Boden liegen. Ein greller Schmerz zog durch seinen Kopf.

„Anea, um Himmels willen.“ Seine Mutter wollte ihn an sich reißen, um ihn zu trösten. Der Bürgermeister kam ihr jedoch zuvor. Ihn hatte der Stock tatsächlich noch am Kopf getroffen. Rot vor Wut hielt er Anea am Kragen hoch. „Das war ein geplanter Mordversuch!“, schrie er. Es war nicht das letzte Mal, dass der Bürgermeister mit dem Stock auf Anea einschlug, sodass dem Hören und Sehen verging.

„Neiin! Hören Sie sofort auf, meinen Sohn zu schlagen!“

Doch der Bürgermeister dachte nicht daran. Wie auf ein lebloses Stück Rinde schlug er auf Anea ein. Anea spürte kaum noch etwas. Er wollte sich nicht wehren. Endlich ließ der Bürgermeister den Stock fallen und Anea auf den Boden plumpsen. Frau Abtschik nahm ihren Sohn in den Arm. Viele Zwerge hatten sich im Kreis versammelt und zugeschaut, aber unternommen hatten sie nichts.Lilla bekam von alledem nichts mit. Sie stand wie hypnotisiert vor dem goldenen Tor. Der Bürgermeister schien das Tor noch gar nicht bemerkt zu haben, und als er schließlich neben Aneas Mutter weiterging, staunte er nicht schlecht, als es vor ihm auftauchte.

„Himmel noch mal!“, murmelte er. Mit einem Handwink bestellte er die kräftigen Männer zu sich. Sie kamen schnell. „Geht und schaut nach, ob Wachposten das Tor bewachen!“, sagte er. Die Männer nickten und zogen ab.

Vor dem Tor standen tatsächlich fünf uniformierte Kerle. Als die Kräftigen näher traten, streckten die Wachmänner ihnen ihre Schwerter entgegen.

„Wir wurden von Drachen bedroht und sind jetzt seit drei Tagen unterwegs. Es ist heiß auf dem Langen Weg. Wir sind schon fast am Verhungern und Verdursten. Euer Dorf ist das nächste, ihr gnädigen Herren. Lasst uns hier quartieren! Bitte!“

Die Wachen blieben misstrauisch. Einer lief den Stadthöchsten holen. Die Kräftigen diskutierten eine halbe Ewigkeit mit dem Bürgermeister Fulmens. Zum Schluss, und nachdem sich die Bürgermeister gegenseitigen Frieden geschworen hatten, durften die Sogittaner eintreten.

Nachdem die Sogittaner das prachtvolle Tor gesehen hatten, waren sie allerdings von der grauen Stadt, die sich dahinter verbarg, etwas enttäuscht. Die Häuser waren fast alle grau und schmuddelig. Nur zwischendurch stachen ein paar grellrote heraus.

Frau Abtschik, Aneas Mutter, ging einen anderen Weg als die anderen. Sie irrte in den engen Gängen herum und suchte nach einem Arzt. Doch weit und breit war keiner zu finden. Frau Abtschik fühlte sich beobachtet, viele schaulustige Fulmaner betrachteten die neue Bürgerin und ihren Sohn, wie sie durch die Straßen liefen. Die Dunkelheit breitete sich aus. Irgendwann wandte sich Frau Abtschik an eine Bäckerin. „Entschuldige“, fragte sie vorsichtig.

„Was ist los?“, krähte die alte Frau.

„Wo bitte ist hier im Dorf der nächste Doktor?“

„Bloß geradeaus, dann links und wieder links, anschließend rechts über das Feld und noch einmal links in einen kleinen Waldweg rein. Auf der rechten Seite ist die Praxis von Doktor Wieswurzer.“

„Links, links, rechts, links, rechte Seite! Vielen Dank“

„Keine Ursache!“

Frau Abtschik nickte der Bäckerin einmal zu. Dann machte sie sich auf den Weg.

Sogitta

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