Читать книгу Janin - Lena Lindenwald - Страница 7

Оглавление

III

Wieder sorgte Elli dafür, dass ich pünktlich aus dem Bett kam. Was mich überraschte, war ihre Leichtigkeit und Unbeschwertheit, wohingegen bei mir meine merkwürdige Euphorie vom vergangenen Abend restlos weggefegt war. Zweifel und Ängste nagten an mir und ich kam mir selbst merkwürdig fremd vor. Mein erster Gang in der Küche führte mich zur schwarzen Tafel bei der Tür - und dort sah ich sie: zwei Striche in der Spalte, ganz rechts beim Buchstaben J.

»Du glaubst jetzt doch nicht wirklich, dass die über Nacht einfach – schwups – von irgendwelchen Geistern weggezaubert wurden?«, amüsierte sich Elli. »Kannst sie ja wegwischen, du Angsthase!«, fügte sie lachend hinzu, hielt dann inne und ergänzte: »Das wäre vermutlich keine so gute Idee. Nicht, dass es noch heißt, ich hätte dir dazu geraten … oh Mann, das gäbe Ärger!«

Der Morgen verlief wie tags zuvor. Mit den Abläufen kam ich etwas besser zurecht und ich tat mein Möglichstes, mit Elli mithalten zu können. Die Striche waren eine erschreckende Motivation, weil ich natürlich unbedingt vermeiden wollte, dass neue hinzukommen. Den Verband an meinem Finger hatte ich bei der Morgentoilette abgemacht, da er mich behinderte und der Schnitt auch nicht mehr schmerzte. Außerdem hoffte ein Teil von mir innerlich wirklich, man könnte so mein Missgeschick vergessen und mir meine Strafe erlassen! Doch die Striche prangerten unerbittlich auf dem Schiefer und erinnerten mich an das Schicksal, welches mich heute laut Ellis Aussage erwarten würde. Doch vielleicht hatte sie mich ja auf den Arm genommen? Denn weder Marie noch Fräulein Jung hatten ein Wort darüber verloren. Woher sollte ich also davon wissen? Elli, dieses Schlitzohr! Hatte sie mich gar reingelegt? Aber wenn ich so darüber nachdachte, über gestern Abend in ihrer Kammer, dann glaubte ich ihr. Und der Spruch dieses Jungen bei der Häuslingsstube, das passte alles zusammen. Elli hatte nicht gelogen und ich war sowas von in Schwierigkeiten! So ging es den ganzen Morgen hindurch: Mal glaubte ich, ich würde einem Streich Ellis aufsitzen, sie würde mir einen Bären aufbinden und sich innerlich über mich schlapp lachen. Dann glaubte ich wieder, dass alles so kommen würde, wie sie es mir geschildert hatte. Die Ungewissheit fraß sich Stück für Stück in mich hinein, schürte meine Ängste und ließ meine Vorstellungen ins Grausamste wachsen, bis meine Hände vor Furcht derart zitterten, dass es mich am Arbeiten hinderte. Reiß dich zusammen, schnaubte ich mich innerlich an. Du lässt dich nicht unterkriegen, du schaffst das! Wenn dich bereits so etwas klein kriegt, wie willst du dann Mama und Papa helfen? Und auch Wilhelm braucht dich! Dein großer Bruder hat immer auf dich aufgepasst, jetzt liegt es an dir, ihm zu helfen!

Gleich nach dem Frühstück traf Frau Wagner ein und kam, als sie mich erblickte, ohne Zögern auf mich zu. Mein erster Gedanke war, dass es jetzt um mich geschehen wäre, doch sie packte mich lediglich an der Hand und beäugte meinen Finger argwöhnisch. Mit einem leisen Grummeln ließ sie mich wieder los und forderte mich auf, meine Arbeit zu machen. Kein Wort über eine Strafe, keine Erklärung zu den Strichen. Stattdessen scheuchte sie uns zwei Mädchen in der Küche umher und beschwerte sich ohne Unterlass, dass ihr alles nicht schnell genug ging. Doch die Arbeit lief uns leicht von der Hand und in einem günstigen Moment zeigte Elli mir an, ihr zu folgen.

»Willst du sehen, wo es heute Abend passiert?«, fragte sie mit beklemmender Stimme.

Ich nickte nervös und folgte dem Stubenmädchen mit wackeligen Knien an den beiden Vorratskammern vorbei zur letzten Stube im Gang. Ohne Zögern öffnete Elli die Tür und ich folgte ihr mit dem Gefühl, man würde mich zu meinem Hinrichtungsort geleiten. Die Kammer war geräumiger, als ich vermutet hatte. Zu beiden Seiten waren Regale und Anrichten voller Utensilien, welche in spärliches Licht getaucht wurden, das durch zwei kleine Fenster hereinkam. Inmitten stand ein langgezogener Tisch mit lediglich drei einfachen Stühlen und an der Wand bei den Fenstern war eine mindestens ebenso lange Bank angelehnt. Hinter mir schloss Elli sacht die Tür, ging dann zu einer der Anrichten und winkte mich zu sich.

»Schau, damit kriegen wir es heute Abend«, sagte sie mit gedämpfter Stimme. An der Wand hing ein kaum handbreites Lederband, ähnlich einem Gürtel, aber ohne Schnalle. Elli nahm es vorsichtig vom Haken, befühlte es kurz und reichte es dann mir. Zögerlich und mit pochendem Herzen griff ich danach. Es war glatt, weich und schwerer, als ich vermutet hatte. Sofort erinnerte ich mich an das Züchtigungsinstrument unserer Köchin damals, hörte das Klatschen, das es auf der nackten Haut des Mädchens erzeugt hatte und ich fragte mich unwillkürlich, wie es sich wohl anfühlen würde, auf meinem nackten Hintern. Ich starrte den Lederriemen in meiner Hand an, drehte und befühlte das Material und ahnte, dass die Erfahrung eine schmerzhafte werden würde. Mit flauem Gefühl im Magen reichte ich Elli den Riemen, die in sogleich wieder an seinen Platz hing.

»Und den hier wirst du leider, leider erst mal nicht kennenlernen«, grummelte Elli mit einem Seufzer und nahm einen Stock aus der Vase vor ihr. »Mach mal so!«, sagte sie und tätschelte mit dem Stock ihre linke Handfläche. Ich nahm ihn entgegen und tat es ihr gleich. Obwohl er deutlich leichter war, erschrak ich über die Wirkung des Tätschelns in meiner Handfläche.

»Ja, genau …. Und jetzt stell dir mal vor, wie sich das anfühlt, wenn man dir den kraftvoll über deinen nackten Arsch zieht«, murmelte Elli beklemmt. »Vor dem hab ich Angst, der tut richtig weh«, gab sie kleinlaut zu.

»Wieviel kriegst du mit dem?«, fragte ich sie vorsichtig.

»Sechs, wie bei jedem Strich«, sagte sie. »Sei bloß froh, dass es die Köchin bei zwei Strichen belassen hat. Hättest du dich fester verletzt, dann wäre dir der Stock hier garantiert nicht erspart geblieben. Aber so, wie ich dich kenne, wird das nicht von langer Dauer sein«, fügte Elli mit einem frechen Grinsen hinzu, während sie mir den Stock aus den Händen nahm und ihn zurück in die Vase stellte. »Wir müssen wieder in die Küche, bevor man uns vermisst.«

»Das schaffe ich nie!«, murmelte ich vor mich hin.

»Da wärst du die allererste! Zähne zusammenbeißen und durch. Wenn du es dann mal mit dem Stock bekommst, dann kannst du jammern!«, ermahnte mich Elli, wobei sie jedoch selbst seufzte, was mir in Erinnerung rief, dass ihre Strafe strenger war, als die meine.

»Tut mir leid, Elli!«, flüsterte ich und nahm sie vorsichtig in den Arm. Dass sie den Drücker kräftig und anhaltend erwiderte, tat ungemein gut und linderte viel von meiner Angst.

Je näher der Mittag kam, desto leckerer duftete es in der Küche. Jedoch wurde auch die Köchin zunehmend gereizter und man war gut beraten, ihr nicht in die Quere zu kommen. Beim Schälen der Kartoffeln achtete ich penibelst darauf, mich nicht mit dem kleinen Messer zu verletzten, obwohl mir bewusst war, dass ich schnell und effektiv arbeiten musste, wenn ich mir Ärger ersparen wollte. Außerdem konnte und wollte ich mich nicht fortwährend in Ellis Schatten verstecken. Ich nahm mir vor, die Probleme Schritt für Schritt anzugehen, und mein erstes Problem schien mich in der Küche ohne Unterlass zu beobachten und zu folgen. Ich konnte nicht anders und starrte bei jeder noch so kleinen Gelegenheit die Striche auf der Tafel an, die mir ein schmerzhaftes Erlebnis ankündigten und mich keck zu verhöhnen schienen. Und egal, wer mich ansprach, ich zuckte jedes Mal zusammen aus Furcht, man würde mir mein Schicksal verkünden und es damit besiegeln. Mit jeder Minute, die verstrich, erkannte ich mehr und mehr den perfiden Sinn hinter dieser verfluchten Tafel. Vielleicht hatte Elli Recht und meine Strafe würde gar nicht so schlimm werden. Die Ungewissheit aber und das Warten setzten mir mächtig zu, bis ich, als die Tabletts für die Männer wiederhergerichtet wurden, soweit war, dass ich am liebsten zu einer der Kammerfrauen gelaufen wäre und um die sofortige Vollstreckung der Strafe gebettelt hätte, nur um es endlich, endlich hinter mich zu bringen! Doch meine Angst davor war für mich ein unüberwindbares Hindernis und die nagende Ungewissheit blieb mir erhalten.

Das Mittagessen musste ich allein in die Häuslingsstube bringen, weil Elli von Marie in Beschlag genommen worden war. Draußen auf dem Hof genoss ich für einen kurzen Moment die frische Luft und die spärlichen Sonnenstrahlen. Das Gespann von heute Morgen war nirgends zu sehen und die Stube selbst war erwartungsgemäß leer. Als ich jedoch mit meinem zweiten Tablett die Stube betrat, wurde ich von einer Stimme überrascht, die ich schon einmal gehört hatte.

»Wen haben wir denn da Neues?«

Erschrocken drehte ich mich um. An mir vorbei drückte sich ein junger Kerl in das Zimmer, der kaum älter, dafür einen guten Kopf größer war als ich. Er hatte struppiges, kurz geschorenes Haar und ein schiefes Grinsen im Gesicht.

»Ich bin … Janin«, stammelte ich überrumpelt.

»Soso … Janin, eh? Und wo ist Elli? Raucht ihr noch der Arsch?«, grunzte er höhnisch, während er sich einen der Stühle angelte und breitbeinig am Tisch Platz nahm.

Ich versuchte, ihn zu ignorieren und begann wortlos, mein Mitgebrachtes rasch auf dem Tisch zu verteilen, wobei ich darauf achtete, dem Rüpel nicht zu nahe zu kommen. Bei einem günstigen Moment jedoch streckte er sich nach mir und fasste mit seiner Pranke mir derb an den Hintern. Erschrocken schrie ich auf, wirbelte herum und ließ meinen Korb mit aufgeschnittenem Brot fallen, was er sogleich mit spöttischem Gelächter kommentierte.

»Lass das, Freddie!«, raunte eine tiefere Männerstimme an der Tür.

»Ich mach doch gar nichts!«, erwiderte der Rüpel am Tisch und hob, als wollte er damit seine Unschuld unter Beweis stellen, demonstrativ abwehrend seine Hände.

Eine Scheibe Brot war in Richtung des Eingangs gerollt, weshalb sich der groß gewachsene Mann bückte, sie aufhob und in den Korb auf dem Tisch legte. Er war mindestens zehn Jahre älter als Freddie und der Kleidung nach hatte er unter dem Gesinde etwas zu sagen. Mit eindringlichem Blick forderte er den Jüngling am Tisch auf, es ihm gleich zu tun, was dieser zu meiner Überraschung dann, wenn auch widerwillig, tat.

»Mann, mach doch keinen Stress hier!«, grummelte er dabei und warf die Brotscheiben achtlos auf den Tisch. Da packte der Mann ihn am Kragen und zog ihn heftig zu sich hoch, wobei der Stuhl kippte und krachend zu Boden ging.

»Das Brot werden wir essen, also lass den Scheiß!«, knurrte er ihn bedrohlich an.

Das zeigte Wirkung. Eingeschüchtert signalisierte der junge Knecht durch sein betretenes Schweigen, dass er die Aufforderung endlich verstanden hatte.

»Und du beeil dich lieber! Sie warten bestimmt schon auf dich«, sagte der Mann ruhig, ohne mich dabei anzusehen. Langsam ließ er Freddie los, der sogleich hastig sein Hemd richtete und es sich wieder in die Hose stopfte. Mit dem Tablett schützend vor meiner Brust eilte ich hinaus in den Hof und zurück ins Haupthaus, wo ich rasch die Tür hinter mir zuzog und innehielt, um wieder zu Atem zu kommen.

»Janin, trödle nicht so rum und komm endlich essen!«, hallte es aus der Küche.

Beim Mittagstisch hielt sich mein Appetit in Grenzen und auch Elli war auffallend zurückhaltend. Offenbar schlug die herannahende Strafe nicht nur mir auf den Magen, sondern machte auch ihr zu Schaffen. Während wir bei Tisch saßen, traute ich mich zudem nicht, Marie oder Fräulein Jung in die Augen zu blicken, denn ich befürchtete, dadurch die immer noch ausstehende Erklärung loszutreten. Die beiden Kammerfrauen und die Köchin am Tisch kümmerte das nicht. Sie unterhielten sich entspannt über die anstehenden Tätigkeiten heute Mittag und tratschen anschließend sogar über die Belange der Herrschaften, wobei Frau Wagner mit bissigen Kommentaren immer wieder für Lacher bei Marie und Fräulein Jung sorgte.

Dass auf uns zwei Stubenmädchen eine Prügelstrafe wartete, schien hingegen keine große Sache zu sein. Ich versuchte, mir irgendwie ein wenig Mut zusammenzukratzen: Zwölf Schläge auf den Hintern, das wäre bestimmt schnell vorbei, und vielleicht wäre es ja auch nicht so schmerzhaft, wie ich mir das anfänglich eingebildet hatte. Da war Elli schlimmer dran, wenn das, was sie über den Stock gesagt hatte, stimmte. Ich versuchte mir einzureden, dass ich es ja eh nicht ändern konnte. Außerdem war ich auch kein kleines Mädchen mehr – besser gesagt, ich wollte kein kleines Mädchen mehr sein, welches schwach und hilflos daherkam. Ich durfte keines sein, wenn ich meiner Familie helfen wollte! Und dann war da noch diese Erinnerung an die geklauten Apfelküchlein und an das Küchenmädchen, das an meiner Stelle bestraft worden war. Seit ich Elli davon erzählt hatte, fraßen sich die Schuldgefühle von damals wieder in meine Seele, und immer wieder blitze ein befremdlicher Wunsch in mir auf, endlich für diesen kleinen Diebstahl geradezustehen. Je länger ich darüber nachdachte, desto mehr festigte sich in mir der Wunsch, mir meine, durch mein damaliges Schweigen, verlorene Ehre zurückzuholen. Als es daran ging, den Tisch abzuräumen, fasste ich den Beschluss, mich der Sache ein für alle Mal zu stellen. Dieser war zwar mehr in meinem Kopf, als in meinem Herzen, aber die Entscheidung gab mir das Gefühl, zumindest dadurch wieder einen kleinen Teil meines Schicksals in den eigenen Händen zu halten.

Nachmittags war ich wieder von Elli getrennt, was vielleicht auch ganz gut so war, denn wir hätten uns bestimmt gegenseitig verrückt gemacht. Aber auch wenn die Arbeit sich hinzog, so schritt die Zeit doch unerbittlich vorwärts und brachte mich der Vollstreckung des Urteils näher und näher. Dann kam mir wieder in den Sinn, was in der Häuslingsstube vorgefallen war. Der junge Kerl am Tisch hatte diebische Freude über Ellis Schicksal gezeigt und bei dem Gedanken an ihn spürte ich wieder seine grobe Hand an meinem noch unversehrten Hintern.

Marie schaute in zuverlässiger Weise nach mir, kontrollierte meine Arbeit und gab mir neue Anweisungen. Doch wie sehr ich es mir auch vornahm, sie auf das Anstehende anzusprechen, ausreichend Mut konnte ich nicht zusammenkratzen. Es war zum Verrückt werden! Und so schritt der Nachmittag dem Abend entgegen. Meine Arbeiten waren erledigt und mein Weg führte mich zurück in die Küche. Ich wusste, dass es nun gleich soweit sein musste und ich zwang mich, meine Angst irgendwie im Zaun zu halten, Würde zu bewahren und nicht in Tränen auszubrechen.

Ich betrat die Küche so dezent und lautlos, wie nur möglich. Mein Herz drohte mir dabei aus der Brust zu springen. Mit stockendem Atem blieb ich beim Eingang stehen und wartete darauf, meinen Namen von Fräulein Jung oder Marie zu hören, doch – nichts geschah! Die Köchin stand am Herd, Elli arbeitete ihr zu und von den beiden Kammerfrauen war keine zu sehen. Dann fiel mein Blick auf die Tafel zu meiner Linken. Ich konnte nicht glauben, was ich dort sah, neben Ellis Spalte mit ihren drei Strichen: Meine Spalte war – leer, nichts!

Jemand hatte meine beiden Striche sorgfältig weggewischt, irgendwann im Laufe des Nachmittages, als ich nicht in der Küche war.

Wer? Warum?

Da fiel mir Ellis Scherz ein, doch den Gedanken verwarf ich sogleich wieder. Auch wenn ich sie noch nicht lange kannte, das traute ich ihr nicht zu!

»Was … soll ich machen?«, fragte ich vorsichtig.

»Die Tabletts herrichten, Kindchen. Frag nicht so dumm, das musst doch langsam wissen jetzt!«, bellte die Köchin mich an, ohne sich nach mir umzudrehen. Und auch Elli zeigte keine Regung, was mir sogleich einen Stich ins Herz versetzte. Etwas stimmte nicht! Was war vorgefallen?

Ich kümmerte mich um das Essen der Männer und brachte es wieder allein in die Häuslingsstube. Elli machte keine Anzeichen, mir zu helfen, sondern unterstützte die Köchin wortlos bei ihrer Arbeit. Obwohl die Stimmung in der Küche erdrückend war, beeilte ich mich, das Abendbrot in die Häuslingsstube zu bringen, weil ich unbedingt vor der Ankunft der Männer fertig sein wollte. Insbesondere auf Freddie hatte ich überhaupt keine Lust!

Als es längst dunkel war und auch wir Frauen zum Essen zusammensaßen, war es bei Tisch gespenstisch still. Die Köchin schwieg und auch Elli sagte kein einziges Wort. Nur die beiden Kammerfrauen unterhielten sich sporadisch über die Arbeit des Tages. Es folgte jedoch kein lustiges Getratsche, wie beim Mittagessen, kein Geflachse über kleine Missgeschicke und auch kein Austausch über Gerüchte irgendwelcher Natur.

Selbst beim anschließenden Abwasch und Reinemachen blieb Elli wortkarg und konzentrierte sich auf ihre Arbeit. Lag es an der bevorstehenden Strafe oder hatte es etwas mit mir zu tun? Je mehr der Geschirrberg schwand und die Küche an Ordnung gewann, desto gedrückter wurde die Stimmung zwischen uns beiden, zumal Frau Wagner ihren Dienst beendet hatte und auch die Kammerfrauen ihren Aufgaben im Haupthaus nachkamen. Plötzlich hörte man rasche Schritte – war es Fräulein Jung oder Marie?

»Elli, bist du soweit?«

Bei Fräulein Jungs Frage verkrampfte in mir alles! Ein verstohlener Blick zu Elli verriet mir, dass es ihr ebenso ergangen war.

»Jawohl, Fräulein Jung«, gab sie nach kurzem Zögern kleinlaut von sich.

Und ich? Würde sie mich auffordern, ihr zu folgen? War auch ich jetzt dran oder musste ich warten, bis sie mit Elli fertig war? Ich hielt mich mit beiden Händen an der Arbeitsplatte fest, um das Zittern in meinen Armen unter Kontrolle zu bekommen. Elli wischte sich derweil ihre Hände an einem Tuch ab, legte dieses beiseite und folge Fräulein Jung in den angrenzenden Flur. Ich wollte etwas sagen, ihr hinterherrufen, doch ich bekam vor lauter Angst kaum noch Luft, und so starrte ich beschämt und zugleich panisch vor mich auf die Anrichte in banger Erwartung, dass die Kammerfrau auch mich aufrief. Doch Elli verließ mit Fräulein Jung die Küche und ich blieb allein zurück. Die einsetzende Stille war gespenstisch!

Dann hörte ich, wie im angrenzenden Flur eine Tür geöffnet und gleich darauf wieder geschlossen wurde. Ich blickte zur Tür. Sollte ich ihr nicht folgen, Elli nicht Beistand leisten? Stattdessen stand ich hier in der Küche, starr vor Angst und nutzlos! Was, wenn ich Elli weinen oder gar schreien hörte? Ich lauschte mit aller Macht, suchte nach dem kleinsten Laut, der mir verraten konnte, was dort hinten im letzten Raum vor sich ging, obgleich ich mir sehnlichst wünschte, eben nichts zu hören!

Ich musste etwas tun, schaute mich um. Es waren noch einige Kleinigkeiten zu erledigen und ich schrie mich innerlich an, endlich in Bewegung zu kommen! Mechanisch und ohne wirklich zu wissen, was ich tat, kümmerte ich mich um die letzten Belange, während mein Verstand sich die Vorgänge in der Kammer mit dem Riemen und dem Stock in schrecklichsten Bildern ausmalte. Als es nichts mehr zu tun gab und Elli noch nicht wieder zurückgekehrt war, floh ich aus der Küche in die Diele und hinaus in den Hof. Die Dunkelheit verschlang mich augenblicklich, als ich die Tür hinter mir zuzog. Ein kalter Wind zerrte an meiner Schürze und an meinen Haaren, während die klare Luft meine Lungen füllte und meinen Verstand langsam herunter kühlte.

Elli war stark! Sie würde das überstehen, das hatte sie mir selbst prophezeit. Und ich stand hier draußen in der Kälte, wie ein feiges Häschen, das am liebsten ohne Ziel in die Nacht hinaus und davonlaufen würde. Meine Familie steckte in verheerenden Schwierigkeiten, während mein erbärmliches Ich sich nur Sorgen um die eigene Haut machte. Tränen voller Wut und Verzweiflung rannen mir übers Gesicht und ich verfluchte innerlich meine Feigheit und Unfähigkeit, mich der Situation endlich zu stellen und offensiv nach Lösungen zu suchen. Von der anderen Seite des Hofes drang aus dem Häuslingshaus schwaches Licht und fröhliches Gelächter zu mir herüber. Hohn und Spott, das war alles, was ich bislang verdient hatte. Die Wut kochte weiter in mir hoch und ich ballte meine klammen Finger trotzig zu Fäusten. Das Stubenmädchen Janin war ein Niemand – und Charlotte wollte so nicht sein! Man hatte mir alles weggenommen, selbst meinen Namen, aber was beschwerte ich mich? Ich hatte es zugelassen, hatte immerzu anderen die Entscheidungen überlassen, in der Hoffnung, mich so aus der Verantwortung stehlen zu können. Bislang hatte das ja auch prima geklappt: Die brave und folgsame Tochter, welche gelobt werden wollte und natürlich gelobt wurde von allen Seiten! Doch mich selbst loben, das konnte ich nicht. Hätte die Köchin damals nur mich anstelle des Küchenmädchens über den Tisch gelegt, dann wäre ich heute vielleicht ebenso stark wie Elli. Damals hatte ich mich gedrückt – und heute erneut! Ich schaute in die schweigende Nacht hinaus. Wie würde es mir an Ellis Stelle ergehen, jetzt? Wie könnte man mir helfen? Ich drehte der Nacht mit ihrer Stille den Rücken zu und ging zurück in die Küche.

Jemand hatte das Licht gedämmt. Dass Ellis drei Striche auf der Tafel weggewischt worden waren, konnte ich dennoch erkennen. Ich lauschte kurz und ging dann mit beherzten Schritten in den Flur an den beiden Vorratskammern vorbei zur letzten Tür. Ohne Nachzudenken drückte ich die Klinke und stieß die Tür auf. Der Raum war dunkel und verlassen. Nichts deutete darauf hin, was hier noch vor wenigen Augenblicken vorgefallen war. Ich schloss die Tür, ging zurück durch die Küche und hoch in den ersten Stock, wo ich vor Ellis Schlafkammer zum Stehen kam. Ich überlegte, zögerte, wartete, lauschte, bis ich meine gesamte Entschlossenheit zusammenkratzte und an ihre Türe klopfte.

Nichts.

Ich wartete wieder. War Elli vielleicht nicht da? Ich klopfte noch einmal, dieses Mal beherzter.

»… Ja?«

»Ich bin’s … kann ich reinkommen?«

»… Ja …«

Zögerlich öffnete ich die Tür und schlich zu Elli in ihr kleines Zimmer. Ich hatte erwartet, dass sie sich mit zerzausten Haaren und verheulten Augen in eine Ecke verkrochen hatte, doch da lag ich falsch! Elli hatte ihr Nachthemd bereits angezogen und auch ihre Abendtoilette beendet, saß mit gekreuzten Beinen auf ihrem Bett und musterte mich mit ernstem Blick.

»Wie hast du das hinbekommen?«, fragte sie mich frei geradeaus.

Ich zog den Stuhl in der Kammer zu ihrem Bett und setzte mich.

»Meinst du das mit meinen Strichen?«

Elli nickte wortlos.

»Ich habe keine Ahnung, warum die weggewischt wurden«, gab ich offen zu. »Als ich vor dem Abendessen in die Küche gekommen bin, waren meine Striche weg, einfach so. Zu mir hat auch niemand was gesagt, ehrlich!«

Elli blickte skeptisch.

»Ich bekomm den Hintern verhauen und du Neuling wirst einfach so verschont? Das soll ich dir glauben?«

Ich zuckte hilflos mit den Schultern.

»War es … schlimm?«, fragte ich so taktvoll wie nur möglich. Elli winkte ab.

»Der Riemen ist nicht so wild, aber der Stock hat wirklich wehgetan. Das davor ist aber das Schlimmste. Sobald du es hinter dir hast, schüttelst du über deinen eigenen Schiss den Kopf!«

Ich schaute betreten zu Boden.

»Tut mir leid, Elli. Ich fühle mich, als hätte ich gekniffen und dich … im Stich gelassen.«

Elli krabbelte auf mich zu, zog mich zu sich auf ihr Bett und nahm mich in den Arm.

»Du Obermemme hättest dich bestimmt nass gemacht, ja genau! Die Hosen hättest du voll gehabt«, sagte sie hämisch und grinste mich dabei an.

»Und du hast ganz bestimmt nicht gebettelt, wie ein kleines Mädchen?«, hakte sie skeptisch und mit prüfendem Blick nach.

»Ich bin wirklich ein Schisser, aber so schlimm … ehrlich?«, wollte ich von ihr mit einem verlegenen Lächeln wissen.

»Du hast mich schon arg hängen lassen heute! Dein Hintern bleibt somit vorerst wohl verschont. Leider keine erste Prügelstrafe für Fräulein Janin!«, spottete sie. »Freu dich aber nicht zu früh, dich wird es schon noch erwischen, das garantiere ich dir!«

Ich pflichtete ihr innerlich bei. Wenn Elli schon öfters den Hintern verhauen bekommen hatte, dann musste es mich irgendwann auch einmal treffen.

»Magst mal sehen?«, fragte sie keck.

Ich schaute erstaunt und nickte reflexartig. Elli sprang vom Bett, stellte sich ins Licht, streckte frech ihren Hintern heraus und zog ihr Nachtkleid hoch. Vor meine Augen entblößte sich ein fester, runder Po, dessen Backen eine deutlich rötliche Farbe angenommen hatten. An manchen Stellen konnte man sogar die Kontur des Lederriemens erahnen. Was jedoch hervorstach, waren sechs deutliche Linien, welche quer über ihren Hintern verliefen. Ihr markantes Rot auf der zarten Haut ließ erahnen, dass die Streiche streng geführt worden waren. Elli befühlte vorsichtig die Striemen und forderte mich auf, es ihr gleich zu tun. Ihre Haut war samtig weich, doch unter der Oberfläche schien ein deftiges Feuer zu lodern, so viel Wärme strahlte sie ab. Die Striemen konnte man nicht nur sehen, sondern auch erfühlen, da die Haut durch die Wirkung des strafenden Stockes geschwollen war. Mittig wurden die Striemen durch das Tal, welches durch die Rundungen geformt wurde, unterbrochen. Es war faszinierend anzusehen, wie dieses Tal, je weiter es nach unten verlief, allmählich weiter wurde und bald den Blick freigab auf die intimste aller Stellen bei uns Mädchen. Elli ließ ihr Nachtkleid fallen und beraubte mich des einnehmenden Anblickes, der mir so noch nie gewährt worden war und der mich, zu meinem Erstaunen, in erhebliche Wallung versetzte.

»Freu dich darauf! Jetzt tut es nicht mehr weh, sondern es kribbelt nur. Und beim Hinsetzten merkst du es natürlich auch«, klärte mich Elli auf, während sie wieder zu mir auf das Bett krabbelte.

»Vielleicht war das mit meinen Strichen ein Irrtum und ich bin morgen dran, wenn das jemandem auffällt?«, überlegte ich mit leichtem Unbehagen.

»Ich kann ja für dich morgen nachfragen, wenn du magst?«, feixte Elli.

»Untersteh dich ja!«, sagte ich erbost, musste aber lachen dabei. »Mal sehen, was der Morgen bringen wird!«

***

Am nächsten Tag war Elli wieder die Alte und unterhielt jeden, den es in die Küche verschlug. Zwischendurch berichtete ich ihr, was mir in der Häuslingsstube widerfahren war, worauf sie große Augen machte und diesem Freddie sämtliche Tiernamen verpasste, die ihr in den Sinn kamen, bis die Köchin einschritt und sie eindringlich ermahnte, ihr scharfes Mundwerk wieder mehr im Zaum zu halten. Beim Mittagessen dann erzählte Elli den anderen bei Tisch ausschweifend, was ich ihr morgens anvertraut hatte, was vor allem bei Marie auf großes Interesse stieß. Sie hakte bei mir nach, wollte alle Einzelheiten und den genauen Ablauf wissen, und versicherte mir, dass sie der Sache nachgehen und mit Freddie ein ernstes Wort führen würde. Aus Ellis Reaktion konnte ich schließen, dass sich der freche Rüpel auf einiges gefasst machen konnte.

Nachmittags nahm mich Marie ins Hauptgebäude mit, wo ich mich um Carolinas Zimmer kümmern musste. Die Tochter des Hauses war nirgends zu sehen und während ich für Ordnung in ihrem großen Zimmer zu sorgen versuchte, fragte ich mich, was für ein Mensch sie wohl war. Auf ihrem Sekretär lag immer noch, offenbar unberührt, der Robinson Crusoe und es bitzelte mich, darin zu schmökern und wenigstens für einen stillen Augenblick dem Ganzen hier entfliehen zu können. Doch wenn man mich dabei erwischen würde, wie ich meine Nase in ein Buch steckte, anstatt meiner Arbeit nachzugehen, wäre ich garantiert in ordentlichen Schwierigkeiten und das wollte ich nicht riskieren.

Wieder schaute Marie in regelmäßigen Abständen nach mir und meinem Tun, welches sie zwar immer noch nicht zufrieden stellte, doch sie erkannte mein redliches Bemühen und die Fortschritte, die ich machte, so dass ich sogar ein zartes Lob in Empfang nehmen durfte, was mich ungemein mit Stolz erfüllte. In meinem alten Leben war ich ohne Unterlass mit Lob überschüttet worden, denn auf den Kopf gefallen war ich ja nicht! Und früh hatte ich erkannt, dass man Erwachsene leicht zufriedenstellen konnte: Man musste nur tun, was von einem erwartet wurde. Und wenn man das Spiel beherrschte und sich zudem geschickt verstellen konnte, dann war es ein Leichtes, die Erwachsenen zu manipulieren und zum eigenen Vorteil zu steuern – ein Spiel, das ich früh meisterhaft beherrschte. Was ich nicht tun wollte, brauchte ich nicht zu tun, denn ich konnte die Geschicke in meinem Umfeld so lenken, dass Vieles nach meinem Willen lief, obgleich die anderen überzeugt davon waren, es liefe nach dem Ihrigen. Ein gelungener Mix aus echter Cleverness und Raffinesse einerseits, und gespielter Unschuld oder Schwäche andererseits hatte mir einen sorgenfreien Alltag sowie einen ungetrübten, makellosen Stand bei der Gesellschaft beschert. Diese Macht und dieser Luxus waren mir nun abhandengekommen. Ich konnte mich nicht mehr von unangenehmer Arbeit drücken, im Gegenteil: Für meine Tarnung war sie überlebensnotwendig, das hatte mir die Gräfin des Hauses Nissel eindringlich klargemacht. Freute ich mich deshalb so über Maries angedeutetes Lob?

Jedenfalls war ich guter Dinge und motiviert, meine neue Situation möglichst rasch zu meistern. Maries Anweisungen nahm ich lernwillig entgegen und ich bemühte mich, diese sogleich zu ihrer Zufriedenheit auszuführen. Ich wollte, als meine Arbeit in Carolinas Zimmer getan war, schon nach Marie rufen, damit sie das Ergebnis inspizieren konnte, als mir ein kleiner, zerknüllter Zettel in der Ablage des Sekretärs auffiel. Ich nahm das Stück Papier, welches beim Entfalten eine Handschrift in blauer Tinte preisgab.

»Was machst du da?« Maries Stimme mit tadelndem Unterton ließ mich hochschrecken.

»Nichts! Ich wollte nur sehen, ob das weggehört«, versuchte ich hastig zu versichern.

Argwöhnisch schaute mir Marie über die Schulter.

»Was ist das?«, hakte sie mit neugierigem Unterton nach.

Ich blickte das Stück handbeschriebenes Papier an und überlegte.

»Das schaut nach Schreibübungen aus … aber … Ich weiß nicht so recht …«

»Schreibübungen?«

Marie nahm mir den Zettel ab und begutachtete ihn kritisch.

»Ja, und?«

Ich zögerte und wusste nicht, ob ich mit meiner Einschätzung nicht doch lieber etwas vorsichtiger sein sollte.

»Na, red schon!«, forderte Marie mich ungeduldig auf.

»Nun ja … Diese Schreibübungen sind ziemlich … kläglich. Die Handschrift ist … ungeübt … und hier, schau mal da, das ist falsch, und das auch«, erklärte ich und zeigte ihr dabei mehrere Stellen.

»Das kannst du sehen?«, fragte Marie erstaunt, während sie das Blatt weiter argwöhnisch studierte.

»Ist das denn eine große Sache? So schwer zu erlernen ist das nicht«, sagte ich verwundert.

»Hört! Hört! Das Fräulein stapelt tief. Will es etwa behaupten, wir alle hier seien doof?«, fragte Marie halb spöttisch, halb provozierend.

»Nein, natürlich nicht!«, versuchte ich augenblicklich zu beschwichtigen, woraufhin Marie loskicherte, das Stück Papier sorgfältig zusammenfaltete und es in die Ablage des Sekretärs zurücklegte. Während sie das Zimmer und meine Arbeit noch einmal in Augenschein nahm, überlegte ich angespannt, ob ich die Gelegenheit nutzen sollte, Marie zu der Sache gestern zu befragen. Wir waren ungestört und die Stimmung war locker. Außerdem hatte ich zu Marie mehr Vertrauen gefasst, als zu Fräulein Jung oder gar zur Köchin! Ich musste mir nur einen Ruck geben, einen kleinen Stups…

»… Du, Marie … Darf ich dich mal was fragen?«, murmelte ich zögerlich.

Die Kammerfrau blickte auf und schien sofort zu merken, dass ich etwas auf dem Herzen hatte.

»Dafür bin ich da. Was willst du wissen?«

»Die Sache … gestern … mit den Strichen …«, stammelte ich verlegen.

»Ah, und ich habe schon gedacht, du fragst nie. Setz dich mal hin.«

Marie zeigte auf den Stuhl beim Sekretär, während sie beim Tisch einen zweiten Stuhl ergriff und sich mir gegenübersetzte.

»Von Elli hast du bestimmt schon einiges erfahren, wie das hier läuft«, stellte sie mit ruhiger Stimme fest und ich nickte wortlos.

»Wie überall gelten auch in diesem Haushalt strenge Regeln. Hier in der Grafschaft Nissel werden Disziplin, Fleiß, Gehorsam und Sittlichkeit wertgeschätzt und natürlich eingefordert. Wir haben hier aber das Glück, dass wir bei den Bediensteten selbst dafür verantwortlich sind, wie wir das bewerkstelligen – solange es auch funktioniert, und das tut es hier! Als ich gestern dann gesehen habe, dass deine Striche plötzlich weg waren, habe ich mich sehr gewundert. Clara … also Fräulein Jung, die habe ich gefragt, und sie hat mir gesagt, dass auf Bitten der Gräfin dir deine Strafe erlassen wird, weil du dich erst noch einleben müsstest hier … keine Ahnung, so etwas ist noch nie vorgekommen.«

Sie blickte mich eindringlich an, offenbar in der Hoffnung, dass ich ihr eine gute Erklärung geben könnte, aber ich schaute nur verlegen und ratlos.

»Natürlich habe ich zuerst Elli gefragt«, fuhr Marie fort, »ob sie etwas damit zu tun hätte. Sie hat mir aber versichert, dass weder sie noch du, obwohl du angeblich noch nie auf diese Art bestraft worden wärst, die Striche weggewischt hättest. Stimmt das wirklich?«

»Ja natürlich, so etwas würden wir nicht machen, niemals!«, antwortete ich mit Nachdruck.

»Das meine ich nicht!«, schmunzelte Marie. »Ob es stimmt, dass man dir noch nie den Hintern versohlt hat, will ich wissen.«

Ich lächelte verlegen und nickte vorsichtig. Elli, diese Quasselstrippe … und dann war er auf einmal da, dieser Moment, diese Frage, die mir auf der Zunge lag! Ich erinnerte mich an Elli gestern Abend auf ihrem Zimmer, an meine Schuldgefühle auf dem Hof, an meinen Stolz, der geknickt war, weil es sich angefühlt hatte, als hätte ich gekniffen und Elli im Stich gelassen. Vielleicht wollte ich mir endlich etwas beweisen, mir und auch Elli, Marie und allen anderen. Ich kratzte meinen ganzen Mut zusammen und holte tief Luft.

»Die Strafe … könnte ich … sie … trotzdem bekommen?«

Die auf meine kleinlauten Worte folgende Stille schien endlos anzuhalten.

»Schau einer an, das Mädchen hat ja Mut!?«, stellte Marie mit echtem Erstaunen fest.

»Ich … weiß nicht«, stotterte ich verdutzt, denn mit dieser Reaktion hatte ich nicht gerechnet.

»Meinst du das ernst?«, fragte mich Marie direkt, und ihr Tonfall machte deutlich, dass sie wissen wollte, ob mein Anliegen ehrlich gemeint war. Ich schluckte und nickte leicht, wobei ich mich im selben Moment fragte, was nur in mich gefahren war – war ich denn auf einmal verrückt geworden?

»So kann man sich irren …! Wenn ich mir überlege, wie du gestern den Tag über vor Angst fast gestorben wärst? Clara und ich haben schon überlegt, wie lange es noch dauern würde, bis du heulend und bettelnd zu uns gelaufen kommst.«

In Maries Stimme konnte ich echte Anerkennung heraushören und in diesem Augenblick war mir, als hätte ich die richtige Entscheidung getroffen. Jetzt konnte ich mich beweisen und endlich reinen Tisch machen, auch mit mir selbst.

»Es muss ja nicht gleich ganz so streng sein«, murmelte ich halb verlegen, halb feilschend.

»Oh nein, junge Dame, das könnte dir so passen!«, lächelte Marie. »Halbe Sachen gibt es nicht, entweder richtig oder gar nicht!«

»Ok … und wann? … Jetzt gleich?«, fragte ich nervös und mit schwitzigen Händen.

Marie überlegte kurz. »Eigentlich hätten wir grad Zeit. Aber ich glaube, es ist besser, wenn ich dich ein wenig zappeln lasse. Ich bin nämlich sehr gespannt, ob dein Mut heute Abend auch noch so frisch daherkommt.«

»Das ist gemein!«, entfuhr es mir, worauf Marie lachen musste.

»Das stimmt! Ein klein wenig gemein sein, das darf ich auch mal.«

Marie erhob sich und stellte ihren Stuhl an seinen Platz. »Dann ist es fix: Heute Abend bekommt Janin das erste Mal den Arsch versohlt!«

Der Nachmittag nahm seinen Gang und der Abend rückte näher, wobei mit jeder Minute mein Mut kleiner und kleiner wurde. Er war mehr in meinem Kopf als in meinem Herzen und ich beschloss, Elli von meinem wahnwitzigen Vorhaben nichts zu erzählen, auch, weil ich mehr und mehr zur Überzeugung gelangte, dass ein Rückzieher eventuell doch die klar bessere Entscheidung für mich sein könnte. Sicher, Marie wäre vielleicht enttäuscht, aber sich freiwillig schlagen zu lassen, das kam mir zunehmend irre vor. Nur wäre ich dann nicht auch von mir selber enttäuscht? Jedenfalls versuchte ich, mir bei Elli nichts anmerken zu lassen. Die Vorbereitungen zum Abendessen liefen und die mir bereits bekannte Furcht kroch erneut in mir hoch. Wir brachten das Essen in die Häuslingsstube, wobei meine Knie mit jedem Schritt weicher wurden. Beim Abendessen selber versagte mein Appetit vollends und beim anschließenden Abwasch bekam ich kaum noch Luft. Mit jedem Herzschlag wartete ich auf Marie, dass sie um die Ecke kam und mich aufforderte, ihr zu folgen.

»Janin, kommst du bitte mal?«

Es war Fräulein Jung. Ich musste kurz über mich selber lachen, weil mich ihre Frage hatte zusammenzucken lassen.

»Natürlich, sofort!«

Für die kurze Ablenkung war ich ihr sogar dankbar, denn das Warten auf Marie war kaum mehr auszuhalten. Ich dachte mir nichts dabei, als wir an der ersten Vorratskammer vorbeiliefen. Aber als Fräulein Jung auch die zweite Türe nicht beachtete, blickte ich irritiert auf. Die Kammerfrau steuerte auf die letzte Türe zu, öffnete sie ohne Zögern und blickte mich sanft, aber dennoch bestimmt an.

»Da wären wir, Janin!«

Mit trockenem Mund betrat ich vor Fräulein Jung die Kammer und blieb inmitten des Raumes apathisch stehen. Das laute Klacken der sich schließenden Tür zündete Panik in mir, welche sogleich hochbrodelte und meine Kehle zuschnürte. Instinktiv packte ich mit meinen Händen meine Schürze an beiden Seiten, um das aufkommende Zittern zu bändigen.

»Setz dich, wir müssen reden!«

Ich wählte den nächstbesten Stuhl, tat, wie mir geheißen war. Wie Fräulein Jung die Öllampen aufdrehte und deren Licht augenblicklich den Raum zu fluten begann, so erwachte auch mein Verstand zu neuem Leben. Ich war dran, der Moment war da, aber nicht Marie würde mich bestrafen, sondern Fräulein Jung – doch warum? Meine heimliche Hoffnung, dass es mit Marie entspannt, aufregend, ja vielleicht sogar irgendwie lustig sein könnte, war dahin. Fräulein Jung, da war ich mir sicher, würde dafür sorgen, dass meine Züchtigung sehr real sein und ich meine verdiente Bestrafung mit aller nötigen Strenge bekommen würde. Ich hatte mir tatsächlich eingeredet, mich irgendwie um eine echte Strafe herummogeln zu können, doch jetzt konnte ich mir das abschminken, aber so was von! Mir fehlte der Mut, um Fräulein Jung anzusehen, und so starrte ich wortlos und betreten, die zitternden Hände in meinem Schoß verkrampf, vor mir auf die Tischplatte. Ich hörte, wie die Kammerfrau auf der gegenüberliegenden Seite Platz nahm und spürte auf mir ihren durchdringenden und musternden Blick.

»Marie kann nicht kommen! Carolina ist unwohl und sie schaut nach ihr.«

Fräulein Jungs Stimme war ruhig und sanft. Aufzublicken wagte ich dennoch weiterhin nicht – aus Angst und auch aus Scham. War mein Anliegen gar mir selbst gegenüber nicht ehrlich gewesen? Warum konnte ich jetzt nicht zu meinem Entschluss stehen?

»Und unserem neuen Stubenmädchen juckt also das Fell …«

Ihre Worte, in denen ich zu meiner Überraschung einen schmunzelnden Unterton heraushören konnte, trieben mir die Schamesröte ins Gesicht.

»Mich würde wirklich interessieren, wie du das hinbekommen hast!«, sagte die Kammerfrau provozierend.

Verwirrt blickte ich auf.

»Die Herrin hat mich persönlich angewiesen, anfangs nachsichtig mit dir zu sein, und als ich ihr vorgestern meinen Tagesbericht überbracht habe, da hat sie umgehend darauf bestanden, dir deine Strafe zu erlassen.«

Sie lehnte sich zurück und durchbohrte mich mit ihrem musternden Blick, dem ich keinen Wimpernschlag lang standhalten konnte. Schon als Marie mir davon berichtet hatte, war meine eigene Verwunderung über die gräfliche Begnadigung groß gewesen.

»Ich kann mir nicht vorstellen, dass du heimlich die Gräfin aufgesucht und sie umgestimmt hast«, murmelte sie überlegend, »aber das ist jetzt auch egal!«

Die Kammerfrau erhob sich und ging zu der Anrichte, wo sie den Lederriemen und den Stock nahm und beides vor mir auf den Tisch legte.

»Marie hat dir bestimmt schon vieles erzählt«, sagte sie, während sie sich wieder setzte, »aber ich möchte dennoch ein paar Dinge mit dir klären, bevor du deine Strafe erhältst.«

Ich schlucke, während ich die beiden Gegenstände vor mir betrachtete, wobei mir meine Sitzfläche sehr bewusstwurde und ich mir unweigerlich die Frage stellte, wie diese sich in wenigen Augenblicken anfühlen würde.

»Hier auf der Grafschaft ist es die Aufgabe von uns Kammerfrauen, dafür zu sorgen, dass Zucht und Ordnung unter den Angestellten herrschen«, begann Fräulein Jung. »Hält sich jemand nicht an die Regeln, bedeutet das Konsequenzen, wie das überall der Fall ist. Ein großer Teil dieser Regeln dient unserem Schutz und du wirst gleich lernen, wie das funktioniert.«

Ihre ruhige und klare Stimme ließ mich kurz aufblicken und Fräulein Jung wartete, als wollte sie sicherstellen, dass ich auch verstanden hatte, was sie mir sagen wollte. Dann fuhr sie fort.

»Frau Wagner versteht keinen Spaß, wenn man beim Umgang mit einem Messer in ihrer Küche sorglos und nachlässig ist. Auch wenn du Glück gehabt hast, diesmal, muss das nicht heißen, dass beim nächsten Mal nichts Schlimmeres passiert. Darum hast du von ihr zwei Striche bekommen. Du weißt, wofür die stehen?«

Ich nickte wortlos und mein Blick fiel auf den Lederriemen vor mir. Durch ihn sollte ich also lernen, in Zukunft besser aufzupassen.

»Und von mir bekommst du noch einen dritten Strich!«

Erschrocken schaute ich auf.

»WAS? … Wofür?«

Fräulein Jungs Gesichtszüge wurde augenblicklich strenger.

»Warum muss ich beim Mittagessen, mehr durch Zufall, von Elli erfahren, dass dich einer der Knechte bedrängt hat?«

Ihre Stimme war eisern und es war ihr anzumerken, dass sie ihre aufkommende Wut niederringen musste.

»Aber es ist doch nicht meine Schuld, wenn der blöde Kerl einfach so mir an den Hintern grabscht!«, protestierte ich.

»Dafür gibt es den dritten Strich auch nicht!«, konterte Fräulein Jung mit scharfer Stimme.

Ich schwieg verwirrt. Wo lag dann das Problem? Ich hatte nichts falsch gemacht und fühlte mich prompt ungerecht behandelt, weshalb ich sogleich meine defensive Haltung aufgab und auf Angriff schaltete.

»Ach ja?«, fauchte ich. »Nur, weil ich ein Stubenmädchen bin, werde ich jetzt für alles bestraft! Und die Jungs lachen sich derweil ins Fäustchen. Die können tun, was sie wollen, aber wir dürfen es dann ausbaden! Warum bekommt der keinen Strich, dieser … dieser Freddie?«

Fräulein Jung verzog keine Miene und erwiderte auch nichts auf meine trotzige Attacke. Ihr Blick hielt dem meinen mühelos stand. In der einsetzenden Stille dämmerte es mir, dass meine aufmüpfige Reaktion meiner jetzigen Situation nicht gerade dienlich war, und während ich noch Luft holte, um meine Gedanken weiter hinauszufeuern, hielt ich mit offenem Mund inne und blickte dann betreten wieder auf die Tischplatte.

»Ich darf dir versichern, die Männer regeln das, dafür hat Marie gründlich gesorgt.« Fräulein Jungs Stimme war ruhig und fest, und ohne den Blick von mir abzuwenden fuhr sie fort: »Aber was hätte passieren können, wenn Johann nicht dazwischen gegangen wäre?«

Ich wusste sofort, was die Kammerfrau meinte, doch selbst meine Schlagfertigkeit, welche mich bislang noch nie im Stich gelassen hatte, half mir jetzt nicht weiter. Es hätte alles oder nichts passieren können, aber darum ging es nicht. Ich war nicht mehr unter Mamas und Papas Schutz. Seit einigen Tagen galten neue, ungewohnte Regeln für mich und Fräulein Jung war eben dabei, mir einige dieser Regeln einzutrichtern – mit strenger Hand. Die letzten Tage hatte ich mein typisch freches Mundwerk auf das Vorbildlichste unter Kontrolle gehabt und ich war sicherlich gut beraten, daran ausgerechnet jetzt nichts zu ändern! Ich konnte mich nicht mehr trotzig auf meinem Zimmer verkriechen, wenn mir etwas nicht passte. Ich konnte nicht mehr zu Papa rennen, wenn meiner Meinung nach etwas nicht gerecht zuging. Eine Schnute ziehen, um das Mitgefühl anderer zu gewinnen, das würde hier nicht funktionieren – auf diesem Anwesen nicht, und in dieser Kammer bei Fräulein Jung erst recht nicht!

»Was hättest du nach diesem Vorfall in der Häuslingsstube augenblicklich tun sollen, Janin?«

Ich überlegte fieberhaft, welche Antwort mich jetzt retten konnte. Mich wehren oder weglaufen? Mut zeigen und dem Kerl eine reinhauen gar? Was hätte ich getan, wenn dieser andere Mann namens Johann nicht aufgetaucht wäre? Hätte ich mich überhaupt wehren können – oder weglaufen?

»Du hättest zu Marie oder zu mir kommen sollen, sofort!«

Mit dieser Antwort hatte ich nicht gerechnet und ich blicke erstaunt auf. In Fräulein Jungs Gesichtszügen lag kein Zorn, keine Enttäuschung, auch in ihrer Stimme nicht. Es war etwas anderes, das mich ungleich tiefer berührte, mich schlecht fühlen ließ und das in ihrer Stimme mithallte.

Es war Sorge.

»Es stimmt, die Männer sind stärker als wir Frauen«, sagte sie. »Allein bist du ohne Chance, in der Gruppe aber sind wir stark. Gerade deshalb müssen wir uns die Jungs erziehen, das gehört zu unseren Aufgaben. Die meisten Männer besitzen Ehre und Anstand. Das gilt aber leider nicht für alle. Auch hier bei uns ist das nun mal so. Ich will auf keinen Fall, dass unsere Mädchen hier durch einen unbedarften Möchtegern zu Schaden kommen und zu diesen Mädchen zählst – auch – du! Es obliegt meiner Verantwortung, dass dir hier nichts geschieht.«

»Das ist alles?«, fragte ich verwirrt. »Dafür gibt’s einen Strich?«

»Du musst schnell lernen, wie die Dinge im Leben laufen! Wir sehen deine Anstrengungen und wir haben natürlich erkannt, dass du nicht auf den Kopf gefallen bist. Aber du bist auch noch ziemlich grün hinter den Ohren.« Ein zartes Lächeln huschte über ihr Gesicht. »Dass du vor deiner gerechten Strafe nicht kneifst, das hat auch mich beeindruckt. Und bevor dir deine Unerfahrenheit mächtigen Ärger einhandeln kann, sorge ich lieber dafür, dass du dich beim nächsten Mal daran erinnerst, was du zu tun hast.«

»Was für mächtigen Ärgern soll das schon sein?«, hakte ich in einem Tonfall nach, der signalisierte, dass ich noch nicht vollends klein beigeben wollte.

»Erinnerst du dich an die Frage nach deiner Unschuld in der Küche?«

Stimmt! Die Köchin hatte mich dort mit dieser Frage überrumpelt und ich hatte mir doch vorgenommen, Elli danach zu fragen. Ich nickte wortlos.

»Am jedem ersten Sonnabend des Monats kontrollieren wir das bei allen Mädchen hier – und die Männer wissen das! Es kommt also raus, wenn einer von denen sich an dir vergreifen würde.«

»Wäre das nicht meine Sache?«, erwiderte ich augenblicklich.

»Wenn du verehelicht bist, natürlich! Aber es gibt kaum ein größeres Problem und keine größere Schande für ein lediges Mädchen, ungewollt schwanger zu werden. Du würdest sofort deine Anstellung hier verlieren und was tätest du dann?«

Ich wäre erledigt! Zugeben wollte ich das nicht, aber es war offensichtlich, selbst wenn man meine besondere Situation nicht kannte. Mein Schweigen verriet der Kammerfrau, dass sie mich hatte!

»Ob du unbedarft dich auf ein Abenteuer einlässt oder ob sich gar einer gegen deinen Willen an dir vergreift, es käme auf jeden Fall ans Licht!«

»Warum? Wie soll da eine Kontrolle mich davor schützen?«, wollte ich jetzt ehrlich wissen.

Fräulein Jung holte tief Luft.

»Weil du dann zu Johann müsstest. Hier bei mir bekommst du es mit dem Riemen und mit dem Stock. Er aber würde dir die Peitsche geben und das richtig feste!«

Ich starrte die Kammerfrau erschrocken an und sie fuhr fort: »Alle hier kennen diese Regel: Wer von den Mädchen die Unschuld verliert, muss zu Johann in die Stallungen. Das Abenteuer muss es dir also schon wert sein und ich rate dir eindringlich, eben das dir dann auch ja gut zu überlegen. Die Jungs tun das im Übrigen auch, denn käme dabei heraus, dass einer Gewalt angewendet hätte, wäre demjenigen das Zuchthaus sicher! Diese strenge Regel schützt uns sehr zuverlässig vor Übergriffen – und sie schützt auch dich!«

Ich schluckte.

Bislang war mir noch nicht in den Sinn gekommen, mich einem Jungen hinzugeben. Das merkwürdige Verlangen aber, welches mich hin und wieder überkam, hatte bereits so manche Fantasie in mir zum Leben erweckt.

»Das alles hätte ich dir eigentlich gleich zu Beginn mitteilen müssen«, sagte Fräulein Jung und seufzte, »doch deine Ankunft war turbulent und dann habe auch ich nicht mehr daran gedacht.«

Sie zuckte mit den Schultern und ein verlegenes Lächeln erschien auf ihrem Gesicht.

»Das bedeutet, dass auch ich zwei Striche bekomme. Und nur, damit du es weißt, zwei Striche bei mir bedeuten eine strengere Strafe als jene, die du gleich bekommen wirst.«

Jetzt war ich baff und man sah mir das wohl auch an, denn Fräulein Jung lachte los. »Wie du siehst, gelten die Regeln für alle, auch für mich. Marie wird sich freuen, wenn sie mich mal wieder den Stock spüren lassen darf!«

Sie beugte sich zu mir und nahm meine Hände.

»Stimmt das wirklich, was Marie behauptet hat, dass du es noch nie gekriegt hast?«

Ihre Frage war von erfrischender Ehrlichkeit und sprühte vor echter Neugier, weshalb ich mehr verlegen, denn ängstlich, nickte.

»Nun gut«, fuhr sie fort. »Ich kontrolliere zuerst deine Unschuld – keine Sorge, das wird nicht weh tun und geht auch ganz schnell.«

Sie erhob sich und ich tat es ihr mit klopfendem Herzen gleich. Ohne großes Aufsehen schob sie die beiden Erziehungshelfer an das eine Kopfende des Tisches und zeigte mir an, an das andere Ende zu gehen.

»Mach bitte deinen Hintern frei. Deine Sachen legst du auf den Stuhl dort drüben.«

Jetzt war er da, der Moment!

Während ich versuchte, ruhig zu atmen, legte ich nicht ohne Zittern meinerseits zuerst meine Schürze ab und machte mich dann an die Schnürung meines Unterrocks. Ich legte auch diesen über die Stuhllehne und als mein Blick auf die Züchtigungswerkzeuge fiel, welche so unschuldig vor mir auf dem Tisch ausgebreitet waren, streifte ich entschlossen mein Höschen ab. Nur mein Unterrock verdeckte jetzt noch meinen Po und meine intimste Weiblichkeit, das luftige Gefühl darunter aber machte mir klar, wieviel Schutz ich durch das Ablegen der wenigen Kleidung bereits verloren hatte.

»Beug dich über den Tisch.«

Für Fräulein Jung schien es keine besondere Sache zu sein, mir aber wollte mein Herz aus der Brust zu springen, als ich mich mit meinen Händen auf der Platte vor mir abstützte und zögerlich tat, wie mir geheißen war.

»Bring deine Hüfte noch etwas höher, Janin.«

Ich hob meinen Hintern an und rutschte ein kleines Stück nach vorne, wodurch der Schauplatz des anstehenden Geschehens, wie ich fühlte, sehr vorteilhaft geriet. Da spürte ich auch schon, wie die Kammerfrau meinen Unterrock nach oben schob, so dass ich von der Hüfte abwärts gänzlich nackt ihr meinen schutzlosen Hintern in aller Pracht und Herrlichkeit präsentierte. Mit ihren Händen ergriff sie meine festen Backen und zog diese mit gutem Willen auseinander, wodurch sich meine intimste Stelle ihren Blicken offenbarte. Geschickt legten sich, wie ich fühlen konnte, ihre Finger an meine Lippen und öffneten diese mit sanftem Druck, welchem sie auch gerne nachgaben und dadurch den Blick auf meine Unschuld nicht länger verdeckten. Mit stockendem Atem gab ich erstmals in meinem jungen Leben diesen Anblick jemand anderem preis. Dabei bemerkte ich mit Erstaunen, dass ich die Berührungen keineswegs als unangenehm empfand, wie ich anfangs befürchtet hatte, und dass ich fast enttäuscht war, als Fräulein Jungs Hände wieder von mir abließen.

»Das war es schon. Siehst du, gar nicht schlimm.«

Um ihre aufmunternden Worte zu unterstreichen, gab sie mir je einen zarten Klaps auf meine beiden Rundungen. Das Echo dieser Berührungen, das sanfte Nachschwingen meiner Bäckchen, mein Ausgeliefertsein – all das schürte kräftig jenes Feuer tief in mir, welches bereits von ihren Fingern gelegt worden war. Ich schloss die Augen und kämpfte dagegen an, versuchte, das Galopp meines Herzschlages durch konzentriertes Atmen wieder einzufangen, aus Furcht, ich könnte meine auflodernde Erregung nicht verbergen.

Dann sah ich, wie ihre Hand nach dem Lederriemen griff, welcher vor mir lag.

»Du bekommst dieselbe Strafe wie Elli gestern. Ich möchte, dass du stillhältst. Deine Hände bleiben vorne, hast du verstanden?«

»Ja, Fräulein Jung«, gab ich mit leiser Stimme zu Antwort.

Sekunden vergingen, welche mir endlos erschienen, bis ich endlich das Leder fühlte, wie es sanft sein Ziel auslotete und fast schüchtern den Rundungen meines Hinterns, der einladend und schutzlos dalag, tätschelnd folgte.

»Du kriegst zweimal je sechs, das wird jetzt wehtun. Ich erwarte, dass du tapfer bist!«

Ihre ruhige Stimme voller Fürsorge und zugleich rührender Strenge schnallte mich auf der Tischplatte fest – dann traf mich der erste Schlag. Ich erschrak mehr durch das laute Klatschen, welches die Kammer erfüllte, als durch den Schmerz, der von meinem Hintern durch den Unterleib in mich hineinschoss. Ich hielt den Atem an in der Erwartung, gleich den nächsten Hieb zu bekommen, doch der kam nicht. Stattdessen kroch das aggressive Kribbeln in die Bereiche, welche an die vom Leder getroffenen Stellen angrenzten. Es tat weh, vor allem der Moment, als ich getroffen wurde, doch ich merkte auch, wie der Schmerz rasch abklang und lediglich ein unruhiges Zwicken verweilte. Die Kammerfrau wartete noch einen Moment, als wollte sie sehen, ob ich stillhalten oder zur Gegenwehr ansetzten würde. Der zweite Schlag war kräftiger und auch die nächsten Hiebe, welche nicht lange auf sich warten ließen, schmerzten mehr und mehr. Die Wucht jedes Schlages trieb meinen Körper nach vorne, weshalb ich mich mit meinen Händen an den Tischkanten derart festkrallte, dass meine Knöchelchen weiß hervortraten. Nach dem sechsten Schlag gönnte mir Fräulein Jung eine kurze Atempause, die ich auch dringend nötig hatte. Bereits jetzt fühlte mein Hintern sich an, als hätte ich mich in ein Glutnest gesetzt. Doch die Unterbrechung währte nicht lang. Wieder ließ der Lederriemen meinen armen Hintern tanzen und in Flammen aufgehen, als wollte er dafür sorgen, dass der Schmerz tiefer und tiefer in meinen Körper hineingetrieben wurde. Mit jedem Schlag, der mich traf und meinen Körper erzittern ließ, musste ich mehr und mehr um die Hoheit über meine Stimme kämpfen und das zarte Kieksen bei den letzten Hieben deutete an, dass mir die Kontrolle am Entgleiten war. Hatte die Intensität noch weiter zugenommen oder bildete ich mir das nur ein? Auf jeden Fall spürte ich echte Erleichterung, den zwölften Schlag überstanden zu haben. Ein Heer an Ameisen schien sich über meinen gezüchtigten Hintern herzumachen und dort mit tausenden kleinen Nadeln meine zarte Haut zu durchbohren. Heftig atmend löste ich meine verkrampften Hände.

Das war es also: meine erste Tracht Prügel!

So hatte es sich angefühlt für das Küchenmädchen, das die Strafe damals für meinen Diebstahl in unserer Küche kassiert hatte. Ich wollte instinktiv hinter mich greifen und meinen geschundenen Po massieren, doch ich erinnerte mich an Fräulein Jungs Anweisung und verzichtete schweren Herzens darauf. Vielleicht war es Zufall, vielleicht hatte sie mich beobachtet, ihre strengen Hände jedenfalls, welche mich das Leder eben noch hatten spüren lassen, strichen nun über die aufgeheizten Flächen und kneteten sanft das wild lodernde Feuer aus meiner Haut, was mir ein leises Stöhnen entlockte. Entsetzt hielt ich mir mit der Hand den Mund zu und betete voller Scham, dass dieser unfreiwillige Laut der Lust nicht bemerkt worden war. Aber der Genuss, der auf den Schmerz und die Angst hin folgte, war unbeschreiblich und ich gab mich ihm ohne Chance auf Gegenwehr für einen kurzen Moment vollends hin, bis aufmunternde Klapse mich daran erinnerten, dass ich es noch nicht ganz überstanden hatte.

Der Stock wartete auf seinen Einsatz. Furcht und Neugier auf das Kommende rangen in mir um die Wette. Einerseits erinnerte ich mich an Ellis besorgte Miene, als sie mir von diesem Instrument berichtet hatte, andererseits hatten mich seine Spuren auf ihrem Hinterteil in einem Maße fasziniert, dass ich mir tatsächlich wünschte, eben jene auch auf mir selbst betrachten und erfühlen zu können. Dass ich jetzt in diesen zweifelhaften Genuss kommen sollte, war Fluch und Segen zugleich. Da die Ungewissheit an mir nagte und mit jedem Moment meine Entschlossenheit und Tapferkeit minderte, war ich Fräulein Jung dankbar, dass sie endlich den vor mir liegenden Stock ergriff und damit zu verstehen gab, mit der Züchtigung fortfahren zu wollen.

»Das wird jetzt nochmal wehtun und zwar ordentlich! Denk daran, was ich dir gesagt habe und weshalb du die zusätzliche Strafe bekommst!«

Da fühlte ich auch schon, wie das zarte, dünne Holz über meinen Hintern gelegt wurde und mit sanftem Druck sich an mein Fleisch schmiegte. Ich konnte mir nicht so recht vorstellen, wie dieses schmächtig wirkende Werkzeug schmerzhafter sein sollte, als das wuchtige, volle Leder. Ich vernahm ein kurzes, fauchendes Geräusch und spürte sogleich eine brennende Linie, welche quer über meinen Hintern verlief. Im ersten Moment dachte ich, dass der Schmerz gar nicht mal so schlimm war, doch wie hatte ich mich geirrt! Anstelle des Abklingens wuchs der stechende Schmerz zu einem schneidenden Gebrüll, das durch meinen Körper hallte und kaum vergehen wollte. Dann, ein zweites Fauchen, gefolgt von einer Welle aus Schmerz, welche durch mich hindurchschoss und in einem Wimmern aus meiner Kehle perlte. Während meine Augen sich mit Tränen füllten, japste ich panisch nach Luft. Wieder zischte der Stock in der Luft und traf meine nackte Kehrseite, so dass ich laut aufschrie.

»Halt still!«

Obwohl mir das Blut in meinen Ohren rauschte, entging mir nicht, wie der Stock die Luft erneut durchschnitt, sich um die rundliche Form meines Hinterns legte und tief in mein schutzloses Fleisch schnitt. Nach Luft röchelnd schnellte ich hoch und meine Hände legten sich instinktiv schützend vor meine gezeichnete Haut. Halb ungläubig, halb flehend blickte ich durch meine tränenden Augen meine Erzieherin an.

»Du bist noch nicht fertig«, sagte sie ungerührt und zeigte dabei auffordernd auf den Tisch.

Ich und meine Wünsche … was hatte ich mir nur dabei gedacht? Der Schmerz klang langsam ab, doch die Angst, welche mich beherrschte, wurde mit jedem Atemzug größer. Ich hatte nur noch zwei Schläge einzustecken, doch ich musste jede Faser meines Körpers mit meinem ganzen Willen dazu zwingen, mich noch einmal nach vorne zu beugen und meinen armen Hintern dem Stock anzubieten. Kaum hatte ich mich zurechtgelegt, da tätschelte dieser auch schon wieder meine Backen in einer furchterregenden Unschuld und spielte dabei mit deren Rundungen, als wolle er sie verspotten.

»Das gibt einen zusätzlich, Janin!«

»WAS?«, rief ich entsetzt.

»Während der Züchtigung hast du still liegen zu bleiben! Sei froh, dass ich nicht von vorne beginne!«

Kaum hatte ich realisiert, was sie eben zu mir gesagt hatte, traf der Stock erneut sein Ziel. Meine Lenden zitterten vor Schmerz, als der nächste Schlag genau dort landete, wo mein Hintern endete und meine Oberschenkel begannen. Winselnd und schluchzend lag ich da, den nackten Hintern immer noch emporgestreckt und vom Schmerz innerlich überflutet. Tränen tropften auf die Tischplatte unter mir und ich war mir sicher, dass rote Tropfen auf meinem Hintern zu sehen sein mussten – so schmerzhaft, wie die Streiche waren. Ein letztes Mal war da dieses pfeifende Geräusch, heller, schneller, schneidender noch als zuvor, und der Schmerz ließ mich derart zusammenzucken, dass selbst ein Schrei keinen Weg aus meiner Kehle zu finden vermochte.

Ich weiß nicht, wie lange ich dann in dieser Position verharrte. Die Kammerfrau jedenfalls wartete geduldig, bis ich genug bei Kräften war und auch meine Fassung wiederlangte, so dass ich mich mühsam aufrappeln konnte. Da spürte ich, wie ich unvermittelt am Arm gepackt und fest umschlungen an die Brust meiner Peinigerin gepresst wurde.

»Du warst ein tapferes Mädchen. Ich bin stolz auf dich!«

Janin

Подняться наверх