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Kapitel 2

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Ich halte mit meinem Auto vor dem Haus meiner Eltern. Nachdem ich den Motor ausgemacht habe, bleibe ich noch eine Weile sitzen und schaue mir dieses wunderschöne Häuschen an. Braune Klinkersteine, weiße Fenster sowie eine weiße Holztür, die dreimal unterteilt ist. Das erste Drittel ist mit einem abgerundeten Fenster versehen, das zweite hingegen mit Blumen bemalt, die sich in einer Art Vase befinden. Das letzte Drittel wiederum ist mittig mit einer Sternblume und passenden Blättern links sowie rechts davon verziert. Abgerundet wird das Haus mit einem Reetdach. Als ich mein Elternhaus so auf mich wirken lasse, geht auch schon die Haustür auf. Fröhlich eilen meine Mutter und mein Vater auf mich zu. Wie ich meine Mama kenne, hatte sie schon Position am Küchenfenster bezogen, um meine Ankunft ja nicht zu verpassen. Mit einem Strahlen übers ganze Gesicht reißt mein Vater die Fahrertür auf. „Linchen, endlich bist du da.“ Mein Vater zieht mich förmlich aus dem Auto. Er ist gute 1,80 m groß und je seltener ich ihn sehe, umso mehr fällt mir sein immer mehr ergrautes Haar auf. Es steht ihm ausgezeichnet. Mit seiner neuen randlosen Brille sieht er extrem attraktiv aus. Unsere spitzen Nasen haben Ole und ich von ihm. Ansonsten komme ich mit meinen 1,68 m, den blonden Haaren und den blauen Augen nach meiner Mutter.

Nachdem mein Papa mich in eine feste Umarmung schließt, reicht er mich an meine Mama weiter, und ich werde nochmals herzlich gedrückt.

„Mein kleiner Schatz, endlich sehe ich dich wieder. Es ist schon wieder viel zu viel Zeit vergangen, seit du das letzte Mal da warst“, tadelt sie mich.

Ich weiß, sie meint es nicht böse, deshalb genieße ich ihre Umarmung.

„Hallo, ihr beiden“, begrüße ich sie.

Ich warte auf den Moment, in dem sie realisiert, dass ich allein gekommen bin. Doch als ich sehe, dass mein Vater in meinen Kofferraum greifen möchte, löse ich mich rasch von meiner Mutter und eile ihm- oder eher den Hochzeitstorten- zu Hilfe.

„Paps, du weißt doch, dass ich bei meinen Törtchen eigen bin“, ermahne ich ihn und greife mir die Kartonagen, die mit dem Label der Konditorei verziert sind, bei jener ich als Konditormeisterin in Berlin-Charlottenburg angestellt bin.

„Ja, ist ja schon gut, Linchen!“, meint er lächelnd und hebt die Hände ergebend in die Höhe.

„Los ihr beiden, lasst uns reingehen, bevor es anfängt zu regnen“, fordert uns meine Mutter auf.

Sie greift sich meine Reisetasche vom Beifahrersitz und scheucht uns hinein. Im Flur des Hauses angekommen, vernehme ich Stimmen aus der Küche und folge diesen.

„Du musst Alina sein, die Meisterin der Torten!“, kreischt mir jemand aufgeregt entgegen und eh ich mich versehe, werde ich auch schon an ein weibliches Wesen gerissen. Okay, dass muss Kerstin sein.

Als würde ich meine Torten mit meinem eigenen Leben beschützen, balanciere ich die Kartons mit einer Hand weit weg von mir. Ich bin überrascht, wie fremde Menschen den Punkt des Vorstellens und Kennenlernens überspringen und gleich in den Dicke-Freunde-Modus springen. Neugierig checke ich die neue Eroberung meines Bruders. Sie ist hübsch, gar keine Frage. Hat braune lange Haare, ist schlank und ein wenig größer als ich. Da mein Bruder immer auf extrem große Brüste stand, bin ich jetzt bei dem, was ich erkennen kann, doch etwas erstaunt. Sie sehen relativ klein aus - im Verhältnis zu den sonstigen Pamela Anderson Doubles.

„Hallo, ich bin Alina, aber du scheinst ja schon zu wissen, wer ich bin“, gebe ich schmunzelnd von mir, um meine Antwort zu entschärfen, da man mir meinen Sarkasmus sicher angehört hat.

„Entschuldige, aber ich bin so aufgeregt, dich endlich kennenzulernen. Überhaupt ist alles so aufregend. Wir planen die Hochzeit, und ich lerne Oles Familie kennen. Aber dafür hast du sicher Verständnis“, gibt Kerstin entschuldigend von sich.

„Hm, schon“, gebe ich stirnrunzelnd wieder. „Doch wieso macht ihr es nicht wie alle anderen? Erst kennenlernen und dann heiraten?“

Ich erkenne gerade noch, wie mein Vater die Lippen aufeinanderpresst und sich schlagartig umdreht, sodass kein anderer sein Lachen mitbekommt. Kerstin jedoch entgleiten die Gesichtszüge.

„Findest du etwa, es geht zu schnell? Weißt du, zwischen Ole und mir war es Liebe auf den ersten Blick!“ Daraufhin schaue ich meinen Bruder an und begrüße ihn ironisch.

„Hallo, du Lebensretter, von dir habe ich schon gehört“.

Als ich ihn umarme, flüstere ich ihm ins Ohr, dass nur er es hören kann.

„Und du bist sicher, dass sie dich nicht im Suff mit einem von Baywatch verwechselt hat?“

„Hallo, Kleine, du hast mir auch gefehlt“, antwortet er lieb säuselnd, doch sein warnender Blick spricht Bände.

Er weiß genau, wenn ich einmal in Fahrt bin, kann man mich so schnell nicht mehr ausbremsen.

„Ja, ihr zwei Turteltäubchen, ich hab da mal was vorbereitet.“

Ich schwenke übertrieben mit meiner rechten Hand zu den Kartons. Den Satz noch nicht mal richtig beendet, klatscht meine zukünftige Schwägerin schon wie ein aufgeregtes Kind in die Hände.

„O Gott, sind das etwa unsere Hochzeitstorten?“

Zwei große Kulleraugen schauen mich erwartungsvoll an, und da ich nicht zu gemein sein möchte, schlucke ich meine sarkastische Antwort runter und lächle liebreizend.

„Ja, die hab ich nur für euch gemacht. Da es Nachmittag ist, passt es nun hervorragend, diese Torten zu probieren.“

„Ganz genau, ich setz dann mal Kaffee auf und ihr setzt euch alle schon mal hin“, gibt meine Mutter glücklich von sich und ist schon auf dem Weg zu ihrer Kaffeemaschine.

Mein Vater steht Sekunden später mit Tellern und Kuchengabeln vor mir und quält sich ein Lächeln ab. Ich kann ihm ansehen, wie begeistert er von dieser Spontanhochzeit ist. Er hat sich das sicher auch anders vorgestellt. Als Papa, Ole und Kerstin Platz genommen haben, öffne ich die drei kleinen Kartons und präsentiere ihnen meine Vorschläge.

Insgeheim wünsche ich mir, ich hätte die Kartonagen zugelassen, denn Kerstin fängt bereits an zu schluchzen.

„Oh, sind die traumhaft schön. Die hast du extra für uns gemacht? Schau mal, Puschel.“

Zuerst wusste ich nicht so recht, ob ich sie hassen oder mögen sollte, denn ihre Art weiß ich noch nicht wirklich einzuordnen. Doch als sie meinen Bruder Puschel nennt, verschlucke ich mich an meinem eigenen Speichel und kann mich einfach nicht mehr beruhigen. In diesem Moment liebe ich diese nervtötende Frau, denn ab genau diesem Zeitpunkt habe ich ihn in der Hand. Bei meinem Bruder fällt der Groschen, denn sein Blick sagt alles.

„Sag irgendjemandem von meinen Freunden von diesem Kosenamen und du bist tot.“

Ich habe mich noch nie so über den Filterkaffee meiner Mutter gefreut wie in diesem Moment. Denn sie kommt genau in dieser Sekunde mit ihrer Kaffeekanne zu uns. Ich räuspere mich:

„Gut, nachdem wir mehr erfahren haben als nötig, würde ich vorschlagen, ich sage kurz etwas zu den Torten.“

Kerstin nickt eifrig, was meinen Verdacht nur bestätigt, dass sie meine Spitze gegen meinen Bruder nicht vernommen hat. Mein Vater genehmigt sich hastig einen Schluck aus seiner Tasse und nimmt es in Kauf, sich die Lippen mit dem frisch aufgebrühten Kaffee zu verbrennen.

„Das ist eine Eierlikör-Buttercreme-Torte mit Marzipanüberzug.“

„Oooohhh, Eierlikör. Ich liebe Eierlikör“, klatscht Kerstin begeistert.

„Wie schön!“, grinse ich zweideutig und deute auf die Nächste.

„Diese hier hat einen weißen Fondantüberzug und einen hellen Teig sowie eine Himbeer-Sahne-Creme als Füllung. Als Letztes haben wir hier noch eine Sachertorte. Ihr kennt ja sicher Sachertorte. Das ist quasi ein Schokoteig, der mit Marmelade bestrichen ist und einen Schokoguss als Überzug hat.“

„Hm, die Sachertorte würde mir zusagen“, schwärmt mein Bruder mit vollem Mund.

Meine Mutter war so geistesgegenwärtig und hat alle drei Torten angeschnitten.

„Also mir schmecken alle drei sehr gut“, sagt mein Vater anerkennend. Meine Mutter nickt zustimmend.

„Schatz, die sind alle drei so lecker. Da fällt mir ein, wieso ist Frank eigentlich wieder nicht mit?“

Als der Name Frank fällt, merke ich, wie meine Fast-Schwägerin die Ohren spitzt.

„Ja, der hat einen wichtigen Fall rein bekommen“, wehre ich dieses Gespräch ganz schnell ab.

Als mein Vater mich anschaut, als wüsste er mehr, als ich zugeben möchte, säusle ich: „Das ist doch jetzt zweitrangig. Hier geht es um eine Hochzeit.“

Ich lächle Katrin, ach nein Kerstin auffordernd an. Das ist genau das Futter, welches sie haben möchte und schon ist sie in ihrem Element. Jeder probiert sich durch die verschiedenen Geschmacksrichtungen und dazu gibt es fünf verschiedene Meinungen.

„Da ihr euch nicht einig seid, welche ihr als eure Hochzeitstorte nehmen sollt, kann ich euch nur aus Erfahrung sagen, nehmt doch alle drei. Nur ein wenig kleiner und schon ist für jeden etwas dabei.“

Ole und Kerstin überlegen und die zukünftige Braut beginnt zu strahlen. Und wenn mein Bruder sie so sieht, weiß er, dass sie glücklich ist.

„Genauso machen wir es, Schwesterlein. Du bist die Größte!“

Das ist für mich mein Stichwort. Ich nehme mein Notizbüchlein aus meiner Handtasche und notiere mir die drei gewünschten Torten.

„Wann ist denn eigentlich der große Tag?“, fällt es mir siedend heiß ein.

Die beiden Turteltäubchen rutschen unruhig auf der Eckbank meiner Eltern rum und auch diese schauen neugierig zu ihnen.

„Nun ja“, druckst Ole. „Wir hatten an heute in fünf Wochen gedacht.“

Meine Mutter zieht hörbar die Luft ein. „Oh, so schnell schon?“

Ich lege ihr beruhigend die Hand auf ihren Unterarm.

„Wenn es nach uns gegangen wäre, hätten wir schon dieses Wochenende geheiratet. Doch leider war auf dem Standesamt kein Termin mehr frei“, antwortet Kerstin traurig.

„Wie schade“, untermale ich ihre Aussage. Jeder, der mich kennt, hört den Sarkasmus förmlich aus meiner Stimme tröpfeln. Memo an mich: Das kann nicht gut gehen.

„Die Trauung findet am ersten Samstag im September statt“, beantwortet Kerstin mir meine Frage.

Habe ich schon erwähnt, dass Kerstin Eierlikör mag? Ja, das tut sie, sogar so sehr, dass sie ihn selbst macht. Stolz präsentiert sie ihn mir. Ich muss zugeben, er ist ausgesprochen lecker. So lecker, dass meine Eltern und ich die Flasche schon nach kurzer Zeit zu drei Vierteln intus haben. Was sicher nicht nur daran liegt, dass er süffig ist, wohl eher aber daran, dass Kerstin der Annahme ist, eine Hochzeit bedarf keinerlei Vorbereitung.

Der Abend neigt sich nach drei Stunden Kennenlerngeschichte und schmachtenden Blicken dem Ende zu. Mehrmals muss ich mich ermahnen, mein Kopfkino auszuschalten, denn des Öfteren verinnerliche ich mir Baywatch, Puschel und Co. Ich bekomme diese Bilder einfach nicht aus meinem Kopf.

Irgendwie werde ich immer gefühlsduseliger. Meine Eltern sitzen die ganze Zeit nebeneinander und mein Vater hat den Arm um die Schultern meiner Mutter gelegt. Kerstin und Ole - das neue Traumpaar vom Fischland - können die Lippen und Hände nicht voneinander lassen. Ich meine, es ist ja nicht so, dass ich es ihnen nicht gönne, aber ich sitze allein hier und habe niemanden zum Fummeln, also könnte man dem fünften Rad am Wagen ein wenig mehr Aufmerksamkeit schenken.

Wie oft denke ich mir, nehmt euch ein Zimmer.

Irgendwie schweifen meine Gedanken immer mehr zu Frank ab. Ich möchte dieses Wochenende bei meinen Eltern verbringen, doch mit einem Male fehlt er mir so sehr. Diese Verrücktheit aufeinander, die mein Bruder und Kerstin soeben durchleben, kann ich zwar nicht mit meiner sechsjährigen Beziehung vergleichen, doch ich hätte sie trotzdem gern.

Love me again

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