Читать книгу Love me again - Lene Sommer - Страница 5
Kapitel 3
ОглавлениеIch bin vor einer Stunde auf Wasser umgesattelt. Ich wünsche mir so viel mehr Zeit mit Frank. Wieder mehr gemeinsame Abende und wieder so viel hammermäßigen Sex, wie noch vor ein paar Monaten. Wann genau ist das eigentlich so eingeschlafen zwischen uns? Ist wirklich nur die viele Arbeit daran schuld? Genau aus diesen Gründen beschließe ich, meine Tasche aus dem Gästezimmer zu holen und nach Hause zu fahren. Nach Hause - nach Berlin - in unsere Wohnung. Ich möchte Frank überraschen. Wir werden ganz bald zusammen nach Prerow kommen, damit meine Eltern ihn endlich kennenlernen. Seine Arbeit war jedes Mal der Grund, weshalb ein Treffen nicht zustande kam. Beziehungsweise, dass ich immer allein nach Prerow gefahren bin.
Als ich völlig euphorisch mit meiner Tasche in der Küche stehe, schauen mich alle entgeistert an.
„Seid mir nicht böse, dass ich euch schon wieder verlasse, doch mir ist etwas klar geworden und deshalb muss ich nach Hause. Sollte sich bei euch beiden wegen der Torten noch etwas ändern und sobald ihr die genaue Anzahl der Gäste habt, ruft bitte an.“ Dann schaue ich meine Eltern an. „Ich erkläre es euch ein andermal, aber jetzt muss ich los.“
„Ist schon in Ordnung, mein Schatz“, erwidert meine Mutter und gibt mir einen Abschiedskuss. „Fahr vorsichtig, Linchen!“
Kurz darauf sitze ich schon wieder, wie zwölf Stunden zuvor, in meinem Peugeot und bin auf dem Weg nach Berlin.
Ich erwische nach drei Stunden Fahrt und gefühlten tausend Schmetterlingen im Bauch, einen Parkplatz genau vor unserem Wohnkomplex. „Wenn das mal kein Zeichen ist“, trällere ich freudig quietschend.
Meine kleine Reisetasche nehme ich vom Beifahrersitz und begebe mich in das Foyer und drücke auf den Knopf für den Aufzug. Nach ein paar Sekunden öffnet er sich mir, und ich steige ein. Ich drücke auf den Knopf des Penthouses, gebe den dazugehörigen Code ein und schon setzt er sich in Bewegung.
Der Fahrstuhl öffnet sich leise und ich stehe direkt in unserem Flur. Nur die kleine Lampe auf der Kommode, auf der wir immer unsere Autoschlüssel ablegen, brennt. Meinen habe ich vor Aufregung, während der Fahrt im Lift, in die Tasche meines Blazers gestopft. Die Küchentür ist angelehnt und ich sehe etwas Licht durch den Spalt scheinen. Gott, wie ich mich auf Frank freue. Er wird sich sicher etwas zum Essen aufgewärmt haben, da er gerade erst aus der Kanzlei gekommen sein muss. Ich höre Musik, gehe auf die Tür zu, und ziehe sie mit meiner linken Hand auf. In meiner rechten halte ich noch immer meine Tasche. Ich stehe mit einem überdimensionalen Lächeln in der Küchentür und schaue hinein.
Doch was ich jetzt zu sehen bekomme, lässt mich scharf die so bitter zum Atmen benötigte Luft einziehen. Vielmehr noch habe ich das Gefühl, dass sie mir gänzlich abgeschnürt wird. Mein Herz, es reißt. Ich höre es genau. Auf der Kücheninsel, auf der ich noch vor ein paar Tagen Pizzateig belegt habe, sitzt Doreen. Doreen - die blonde, dürre, arrogante Schnepfe aus Franks Freundeskreis, die mir immer deutlich gezeigt hat, was sie von mir hält. Sie ist nackt, na ja, sie hat noch ihre Pumps an und trägt seine Krawatte um den Hals. Die blau-weiß gestreifte Krawatte, die ich ihm zu Weihnachten geschenkt habe. Vor ihr steht Frank, mein Frank. Mit heruntergelassener Hose und offenem weißen Hemd fickt er ihr das Hirn raus. Zu meiner Verwunderung stöhnt er, er hat nie gestöhnt, wenn wir Sex hatten. Ich stehe da und schaue meinem Freund zu, wie er Doreen hemmungslos nimmt, ihre Silikontitten knetet und mich betrügt. Ich kann mich nicht bewegen. Doreen stöhnt und fängt an Dinge zu sagen. Zuerst höre ich gar nicht richtig zu und bin gar nicht fähig, die ganzen Sachen, die hier gerade auf mich einwirken, aufzunehmen.
„Ja, fick mich, Fränky, härter! Ich bin nicht deine kleine, fette Konditorin. Ja, ja, härter!“, schreit sie berauscht. Okay, damit war wohl ich gemeint. Ich bin fassungslos. Nur ein Satz kommt über meine Lippen, ohne dass ich darüber nachdenke.
„Dass du diese Schnepfe vögelst, dürfte deine Familie ja sehr freuen!“ Meine Worte habe ich laut und mit Nachdruck ausgesprochen.
Frank erschrickt sich so sehr, dass er zurückspringt. Wie ein kleiner Junge, der an eine heiße Herdplatte gefasst hat.
„Alina!“, kommt es leicht panisch von ihm.
Doreen hat Probleme ihr Gleichgewicht zu halten, da sie mit ihrem Arsch an der Kante sitzt. Auch kein Wunder bei der Menge an Silikon, denke ich mir im Stillen. Als es ihr doch gelingt, nicht von der Theke zu fallen, macht sie ihren dreckigen Mund zu und schaut mich wütend an. Ich könnte ihr jetzt sonst etwas antun. Doch bevor ich einen Fehler mache, drücke ich mich lieber verbal aus.
„Sorry, Blondie, dass ich dir den Fick mit meinem Freund, versaut habe. Hätte ich das gewusst, wäre ich später gekommen!“, werfe ich ihr meinen Zorn scharf entgegen.
Frank steht neben ihr, sein nur noch halbsteifer Schwanz hängt herunter und er schaut mich mit großen Augen an. Ich sehe den Schreck darin, den Verlust, die Reue und das schlechte Gewissen. Frank hat immer gewusst, dass Treue mir sehr wichtig ist und ich einen Seitensprung niemals verzeihen könnte. Ich drehe mich um und peile unser Ankleidezimmer an. Eigentlich müsste ich jetzt in Tränen ausbrechen, doch ich funktioniere einfach weiter. Mechanisch. Ich habe meinen Schutzwall hochgefahren, den ganzen Tag schon, glaube ich. Würde ich ihn jetzt runterlassen, wäre ein Zusammenbruch nach diesem Gott verfluchten Tag das Mindeste. Diese Blöße möchte ich mir nicht geben. Ebenso wenig Frank die Chance darauf, den Ritter zu spielen, der seine Prinzessin rettet. Aber ich bin sicherlich nicht seine Prinzessin, oder vögelt der edle Ritter durch ihr Königreich?
In unserem Ankleidezimmer ziehe ich meine zwei großen Hartschalenkoffer, die mit dem pinken Aufdruck mehrerer Großstadtnamen, aus dem Regal. Ich höre den Aufzug. Wahrscheinlich ist Doreen gegangen, aber das ist mir jetzt irgendwie gerade scheißegal. Ich konzentriere mich, die beiden Koffer hinzulegen und sie zu öffnen. Frank steht kurz darauf in der Tür. Die Hose hat er wenigstens hochgezogen und geschlossen. Sein Hemd ist immer noch offen, doch er versucht es gerade zu zuknöpfen.
„Alina, ich weiß nicht, was ich sagen soll“, gibt er leise und verlegen von sich. „Hätte ich gewusst, dass du heute wiederkommst …“ Das ist ja wohl das Allerletzte.
Ich stehe auf und schaue ihn an. „Hättest du deinen Fick auf einen anderen Tag verschoben?“, frage ich herausfordernd. Ich merke, wie überfordert er mit dieser Alina ist. Solche Antworten kennt er nicht von mir.
Ich bin die Ruhe in Person. Normalerweise würde ich jetzt ausflippen, wenn man nach den Liebesdramen im Fernsehen geht, bei denen ich immer live mitfiebere und wettere. Über die Männer, die ihre ahnungslosen Frauen betrügen, kann ich mich für gewöhnlich sehr gut auslassen. Doch jetzt fühle ich mich wie betäubt.
„Ich wollte dich überraschen. Ich bin froh, doch nicht bei meinen Eltern geblieben zu sein. Zum Ersten weiß ich jetzt, was du von unserer Beziehung hältst und zweitens bin ich froh zu wissen, dass du so eine strunzdumme Kuh ohne Gummi vögelst und ich mich gleich morgen untersuchen lassen werde.“ Bei dem Gedanken schüttle ich mich.
„Schatz, sag doch nicht so etwas.“
„Nenn mich nie wieder Schatz!“, sage ich ruhig, doch meine Kieferknochen und Zähne malmen aufeinander.
Ich nehme meine wenigen Sachen, die sich in den Regalen befinden. Ich bin keine von den Tussen wie Doreen, die überquellende Kleiderschränke haben. Ein Koffer ist nach wenigen Minuten voll mit Kleidung. Ein paar T-Shirts, einige Jeans, Röcke, Kleider, Strickjacken und Loopschals. In den zweiten packe ich meine Schuhe und rede weiter. „Deine Mutter, ach, was sage ich, deine Familie wird hellauf begeistert sein, dass es mit uns vorbei ist. Ganze sechs Jahre hast du jetzt deine Zeit verschwendet.“
Fassungslos schaut Frank mich an. „Du weißt davon?“
„Ja, ich weiß von dem Telefonat. Ich lag krank auf der Couch und bin eher von der Arbeit nach Hause gekommen, weil es mir so schlecht ging. Du hast mit Lautsprecher telefoniert, hattest es eilig, und musstest dich für ein Meeting umziehen. Mich hast du hinter der hohen Couchlehne gar nicht wahrgenommen. Es hat wehgetan, zu hören, wie alle unserer Beziehung gegenüberstehen. Du hast nicht einmal Partei für mich ergriffen. Und das hat noch viel mehr geschmerzt. Aber hey, langsam kann ich mir alles zusammenreimen. Mein Bruder heiratet und du hast wieder mal keine Zeit und auch keine Interesse. Wie waren deine Worte? Ach ja, du kennst diese Person ja nicht mal. Aber wie auch, wenn du nie mit zu meinen Eltern kommst. Nicht mal bei so etwas bist du an meiner Seite. Die liebe Arbeit. Deine Überstunden haben sich gerade förmlich in meine Netzhaut gebrannt. Ich bin so enttäuscht von dir.“ Ich schüttle fassungslos den Kopf.
„Warum hast du nie etwas gesagt?“, kommt es niedergeschlagen von ihm.
„Frank, wenn jemand so über dich geredet hätte, hätte ich dich verteidigt. Du bist mein Partner. Ich stehe für dich ein. Doch von dir kam nichts. Aber wenn wir mal ehrlich sind, habe ich auch optisch nie zu deinem Umfeld gepasst.“ Den Satz vollendet, gehe ich ins Wohnzimmer und nehme die Bilder meiner Eltern und meinem Bruder vom Kaminsims. Danach mache einen Zwischenstopp im Arbeitszimmer und nehme meine beiden Ordner aus dem Schrank.
Als ich auf dem Weg zurück ins Ankleidezimmer bin, fragt er mich. „Hast du deshalb so abgenommen?“
Verletzt und tief einatmend schaue ich ihn an. „Du hast es bemerkt? Du hast nie etwas gesagt! Ich dachte, dass würde dir besser gefallen, aber anscheinend hätte ich mir noch meine Hupen aufstocken lassen müssen, um deinen neuen Geschmack zu treffen.“ Mit geschlossenen Augen frage ich: „Sag mir ehrlich, mit wie vielen hast du es noch getrieben?“ Währenddessen ich auf seine Antwort warte, lege ich den Versicherungs- und den Bankordner in den zweiten Koffer. Mit hochgezogenen Augenbrauen schaue ich zu ihm, da keine Antwort kommt. „Ah, doch so viele.“ Sage ich fassungslos. „Ich finde es ernüchternd, wie du dich verändert hast, dass du neuerdings auf klapperdürr und Silikon stehst und beim Sex stöhnst. Anscheinend kenne ich dich doch nicht so gut, wie ich gedacht habe. Du warst immer derjenige, der diese Dinge verachtet hatte.“
Frank kommt auf mich zu und bittet mich. „Gib uns noch eine Chance, Alina, es tut mir so leid! Es spielt doch auch gar keine Rolle, mit wie vielen Frauen ich etwas habe oder hatte“.
Ich halte abwehrend die Hände in die Höhe. „Weißt du, ich habe mich in den lebenslustigen, witzigen, treuen Frank verliebt. Mit dem ich in der Küche gekocht und gebacken habe, mit dem ich mich mit Mehl beworfen habe. Der, der so leidenschaftlich küsst, mir seine Liebe gestanden und mich auf dem Wohnzimmerboden geliebt hat. Doch du bist immer steifer und unehrlicher geworden. Genauso platt und oberflächlich wie alle anderen aus deinem ach so tollen Freundeskreis. Mir wurden heute von dir die Augen geöffnet, zwar auf eine geschmacklose Art und Weise, aber jetzt sehe ich klarer. Ich weiß gar nicht, ob ich sauer auf mich sein soll, weil ich angeblich zu doof war, das zu erkennen, oder ob nicht lieber meine Enttäuschung dir gegenüber größer sein sollte. Du trittst mein Herz mit Füßen. Ich dachte immer, wir beide haben etwas Besonderes und dass durch die viele Arbeit in den letzten Monaten alles nur ein wenig ins Stocken gekommen ist“, ich schüttle meinen Kopf und weiß nicht mehr, was ich sonst noch sagen soll.
Ich hole meine Kosmetika und Zahnbürste aus dem Badezimmer und alles, was Frauen sonst noch so dort parken. Meinen Kulturbeutel und meine Schminktasche lege ich ebenfalls in einen der beiden Koffer und schließe ihn. Ich stelle ihn hin, ziehe den Griff raus, um meine kleine Reisetasche auf den Koffer zu stellen und am Griff zu befestigen. Frank steht immer noch im Ankleideraum. Starr, man könnte fast meinen, wie ein geschlagener Hund. Oder gar enttäuscht, dass sein zweispuriges Leben vorbei ist. In jeder Hand einen Koffer, ziehe ich diese hinter mir her in den Flur. Ich drücke auf den Knopf, der den Aufzug holt, drehe mich zu Frank um, denn er ist mir gefolgt. Mit den Händen in den Hosentaschen steht er vor mir. „Jetzt bist du frei, kannst jedes willige Brett nageln, das dir unterkommt.“
Er schaut mir in die Augen und ich erkenne Traurigkeit, und wenn ich es nicht besser wüsste, ein klein wenig Wut darin. Doch das ist mir egal.
Bei diesem Anblick, beiße ich mir auf meine Zunge, um nicht in Tränen auszubrechen, denn der Schmerz und die Enttäuschung sind zu groß. „Leb wohl, Frank.“
Ich drehe mich um. Die Fahrstuhltüren gleiten leise auf und ich gehe mit meinem Gepäck hinein. „Du kannst doch jetzt nicht einfach so abhauen!“, gibt er verzweifelt und leicht wütend von sich.
Ich drücke auf den Knopf für das EG, schaue nicht hinter mich und reagiere nicht mehr auf ihn, sondern nehme nur noch das Zugleiten der Türen wahr.
Die Fahrt ins Erdgeschoss kommt mir endlos lang vor. Unten angekommen, gehe ich durch die Eingangshalle, verlasse das Haus und stehe auch schon gleich vor meinem Auto. Lange kann ich meine Fassung nicht mehr wahren. Ich versuche in meinen geöffneten Kofferraum den ersten großen Plastikkoffer zu wuchten. Dafür schiebe ich den langen Griff rein und ziehe am Tragegriff das Plastikmonster hoch, um ihn hineinzulegen. Dabei ertönt auf einmal ein lauter Knacks und der bekloppte Griff knickt ab.
„Mit einem Gucci-Koffer aus Leder wäre das natürlich nicht passiert. Ich dumme Nuss muss ja auch meine Koffer für fünfzehn Euro bei Nanu-Nana kaufen“, wettere ich vor mich hin und trete vor lauter Wut gegen das ätzende Teil.
Jetzt ist es so weit. Tränen strömen über meine Wangen. Ich sehe nichts mehr und kann sie nicht stoppen. Hier im Dunkeln kann ich heulen wie ein Schlosshund, da sieht mich wenigstens keiner. Ich schluchze und leide an Schnappatmung. Es ist einfach gerade alles zum Kotzen. Ich setze mich auf einen der beiden Koffer, schnäuze mir die Nase und trockne mir mit einem Taschentuch meine Tränen. Nach einer gefühlten Ewigkeit komme ich wieder zur Ruhe. Irgendwie habe ich es dann doch geschafft, einen Koffer in den Kofferraum und einen auf die Rückbank meines Autos zu wuchten.
Geschafft sitze ich endlich hinter meinem Lenkrad. Was mache ich denn nun? Bei dem Gedanken, jetzt ohne alles dazustehen und nicht zu wissen, wohin, kündigt sich mir die nächste Runde Tränen an.