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3. Geschichte der Kirchengeschichtsschreibung

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Biblische Anfänge

Die Geschichte der Kirche als Gemeinschaft der Christen begann – historisch-kritisch betrachtet – in dem Moment, als die Jünger zu der Überzeugung gelangt waren, dass Jesus auferstanden sei, und dies mit solcher Hingabe verkündigten, dass sie eine große Zahl von Anhängern gewannen. Das erste Werk der Kirchengeschichtsschreibung entstand – zunächst noch unter der Erwartung des baldigen Kommens des Reiches Gottes – nur wenige Jahrzehnte danach: die Apostelgeschichte des Evangelisten Lukas. Zu dieser frühen schriftlichen Fixierung der Erfahrungen der jungen Gemeinde trug gewiss die Tatsache bei, dass die Mission des Apostels Paulus und der Kontakt zu den von ihm gegründeten Gemeinden durch Briefe das Christentum sogleich zu einer Kultur der Schriftlichkeit werden ließen. Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Richtungen der zunächst als jüdische Sekte wahrgenommenen Gruppierung verlangten bereits in biblischer Zeit Argumentation und Reflexion der ersten Theologen. Die Herausbildung des biblischen Kanons, bei der unter anderem die ältesten Schriften von später gebildeten Legenden geschieden wurden, war ein erster Akt kritischer Untersuchung von Texten.

Antike

Märtyrerakten

Kirchengeschichtsschreibung entwickelte sich einerseits vor dem Hintergrund jüdischer und griechisch-römischer Literaturtraditionen, andererseits aber auch unter den spezifischen Bedingungen der jungen Gemeinden. Die Zeugnisse der ersten Jahrhunderte spiegeln die erlebten Anfeindungen und Verfolgungen der Christen durch den römischen Staat wider. Zur Erinnerung an die Männer und Frauen, die um ihres christlichen Glaubens willen verurteilt und hingerichtet wurden, entstanden bald nach Beginn der Verfolgungen als spezielle Gattung die Märtyrerakten (Justin, Polykarp, Perpetua, Scilitaner) und andere Berichte von den Verfolgungen.

Geschichtsverständnis

Dem Wesen des Christentums entsprechend entstanden schon in biblischer Zeit, aber auch danach nicht nur Texte zur Erinnerung an Geschehenes, sondern – da der christliche Geschichtshorizont von Beginn an mindestens so sehr in die Zukunft gerichtet war wie in die Vergangenheit – Deutungsmodelle, die für die irdische Geschichte ein Ziel und einen göttlichen Plan als Grundlage einschlossen. Bei den erzählenden Texten lassen sich demnach zwei Textgruppen unterscheiden: einerseits Kirchengeschichten im engeren Sinne, welche von den Ereignissen in der Gemeinde Christi berichten, andererseits Weltchroniken, welche die allgemeine Geschichte darstellen und aus christlicher Sicht deuten.

Kirchenverständnis

Von Beginn an spiegelten die kirchengeschichtlichen Darstellungen das jeweilige Verständnis von Gemeinde und Kirche wider, das sich im Lauf der Jahrhunderte wandelte, aber auch bei zwei gleichzeitig schreibenden Autoren nicht dasselbe sein muss.

Wie die anderen theologischen Werke der ersten Jahrhunderte waren auch die kirchengeschichtlichen von der Abgrenzung zum Judentum und der Abwehr der Vorwürfe aus der paganen (nichtchristlichen) Umwelt geprägt. Als das Christentum seine soziale Randstellung verließ und sich zunehmend auch vornehme und gebildete Römer und Griechen der Gemeinde anschlossen, bediente sich das Christentum auch deren literarischer Tradition (Dialoge, Biographien, Briefe) und entwickelte selbst neue Formen (Kirchengeschichten im engeren Sinn).

Gattungen

Die christlichen Weltchroniken begannen mit der Schöpfung oder Christi Geburt und verbanden die Geschichte des Alten und des Neuen Testaments mit der Geschichte der klassischen Antike. Dies unternahmen z.B. Sextus Iulius Africanus (3. Jh.) und Hippolyt von Rom (um 300). Die christliche Prägung solcher Weltchroniken schlug sich außerdem in ihrer Gliederung nieder: Sie teilten die Geschichte in vier Weltalter ein nach Daniel (Dn 7) oder in sechs Weltzeitalter, die sie als Entsprechung zu den Schöpfungstagen und den Lebensaltern des Menschen verstanden.

Eusebius von Caesarea

Vor diesem Hintergrund verfasste Eusebius von Caesarea (263–339/40) im Jahr 303 seine Weltchronik, die vor allem die verschiedenen Zeitrechnungen der antiken Welt einander gegenüberstellte. Gleichzeitig erschien seine Kirchengeschichte, zunächst in sieben Büchern, für die er auch auf pagane Quellen wie Josephus Flavius (gest. kurz nach 100) und Philo von Alexandria (gest. um 50) zurückgriff. Das Werk beschreibt die apostolische und die nachapostolische Zeit, enthält Bischofslisten, die von Gemeinden zum Nachweis ihres Alters und der apostolischen Sukzession als Verbindung zum normativen Ursprung angelegt worden waren, ferner die Darstellung von Häresien und von wichtigen Kirchenschriftstellern. Nach der Verfolgung unter Kaiser Diokletian (303–311) und dem Toleranzedikt von Mailand (313) wurde es um die Beschreibung der letzten Verfolgungen und der Befreiung des Christentums unter Kaiser Konstantin (reg. 306–337) ergänzt. Eusebius selbst war sich der Neuheit dieses Unterfangens bewusst (Kirchengeschichte 1,1,3) und erhielt von der Nachwelt den Titel „Vater der Kirchengeschichtsschreibung“. Beide Werke entfalteten enorme Wirkung auf die christliche Geschichtsschreibung in Ost und West. Im griechischen Osten wurde seine Kirchengeschichte durch Sokrates (für den Zeitraum 305 bis 439), durch Sozomenos (für den Zeitraum 324 bis 422) und von Theodoret von Cyrus (für den Zeitraum 323 bis 428) fortgesetzt, Theodoret seinerseits von Evagrius Scholasticus (für den Zeitraum 431 bis 594). Im Westen wurde Eusebs Kirchengeschichte hundert Jahre nach ihrer Entstehung ins Lateinische übersetzt und um zwei Bücher (bis 395) durch Rufinus von Aquileia ergänzt. Die drei griechischen Fortsetzer Eusebs wurden im Auftrag Cassiodors (gest. um 580) ins Lateinische übertragen und verbreiteten sich unter dem Namen „Historia tripartita“.

Augustinus und Orosius

Eusebs Weltchronik dagegen wurde von Hieronymus (gest. 420) ins Lateinische übertragen und bearbeitet. Zu Hieronymus’ Lebenszeit entstanden auch zwei der wichtigsten antiken christlichen Weltchroniken: 413–426 „De civitate Dei“ (in 24 Büchern) von Augustinus und 417/18 „Historiae adversus paganos“ (in sieben Büchern) von Orosius. Die Christenverfolgungen waren im 5. Jahrhundert zwar bereits beendet, doch mussten sich die Christen gegen den Vorwurf verteidigen, das Christentum und die Vernachlässigung der alten Götter seien schuld an den Katastrophen des untergehenden Römischen Reiches, namentlich an der Eroberung Roms durch die Westgoten unter Alarich im Jahr 410. Augustinus und Orosius gingen zwar nicht von einer Naherwartung im Sinne des Neuen Testaments, aber doch von der Vorstellung aus, im letzten Zeitalter der Menschheit, am Ende der Zeiten zu leben. Diese Sichtweise prägte auch noch die Geschichtsschreibung des Mittelalters. Weitere bedeutende christliche Weltchroniken der Antike sind die von Sulpicius Severus (bis zum Jahr 400) und Prosper von Aquitanien (bis zum Jahr 455) sowie die des spanischen Bischofs und Gelehrten Isidor von Sevilla (bis zum Jahr 615).

Noch im 4. Jahrhundert hatte Epiphanius von Salamis eine Liste der bis dahin aufgekommenen abweichenden Lehren zusammengestellt. Bischofslisten wurden aufgrund von Berechnungen mit Zeitangaben ergänzt. Ferner begann in Ost und West die Sammlung von Canones (kirchlichen Satzungen).

Zeitrechnung

In einer Ostertafel von 532 errechnete der skythische Mönch Dionysius Exiguus, dass Jesus von Nazareth im Jahr 754 nach der Gründung der Stadt Rom geboren sein musste. Er bezeichnete dieses Jahr als „1 n. Chr.“ und begründete so die christliche Ära. Diese Berechnung aufgreifend, begann der englische Theologe und Gelehrte Beda Venerabilis (gest. 735), die Jahre vor Christi Geburt mit „v. Chr.“ zu benennen.

Nationale Kirchengeschichte

Als neue Gattung der Kirchengeschichtsschreibung entstanden vom 6. bis zum 8. Jahrhundert Geschichtswerke über einzelne zum Christentum übergetretene „Völker“: über die Westgoten (Isidor von Sevilla, gest. 636), die Franken (Gregor von Tours, gest. 594) und die Angelsachsen (Beda Venerabilis, gest. 734).

Biographie

Bereits in der Antike wurden, ausgehend von antiker Biographie und den Märtyrerakten der frühen Christen, Heiligenviten verfasst, die sich zunächst vor allem auf Einsiedler und Mönche bezogen: Sulpicius Severus schrieb über den hl. Martin, Eugippus über den hl. Severin, Venantius Fortunatus über die hl. Radegunde. Dabei erzählten besonders die Kirchenschriftsteller im Osten ausgesprochene Wundergeschichten, deren Quellenwert über die jeweils beschriebene Person geringer ist als über den Verfasser und die Entstehungszeit. Im byzantinischen Kulturraum blieb die Kirchengeschichtsschreibung mit der Staats- und Kaisergeschichte stets stärker verwoben, wie auch Kirche und Kaisertum enger miteinander verbunden waren als im Westen. Im Westen entwickelten sich Kirchen- und Profangeschichtsschreibung eine Zeitlang zusammen und nach der Trennung der beiden Disziplinen im Austausch miteinander, durch gegenseitige Anregung und über viele Phasen geprägt von denselben Tendenzen.

Mittelalter

Chroniken

Die verbreitetsten Gattungen mittelalterlicher Kirchengeschichtsschreibung waren Weltchroniken, Annalen und Viten. Bedeutende Weltchroniken verfassten Beda Venerabilis (Chronik von den sechs Weltaltern), Regino von Prüm (Chronica in zwei Büchern: Von Christi Geburt bis 741 und vom Tod Karl Martells 741 bis 906), Hermann der Lahme von Reichenau (Chronica, von Christi Geburt bis 1054), Berthold von Reichenau (Fortsetzung der Chronik Hermanns bis 1080), Bernold von St. Blasien (Chronik, von der Schöpfung bis 1100), Sigebert von Gembloux (Chronographia sive Chronica, von 381 bis 1111, mit annalistischer Gliederung), Frutolf von Michelsberg (Chronika, von der Erschaffung der Welt bis 1106) und Ekkehard von Aura (Fortsetzung Frutolfs bis 1125). Hugo von Fleury nannte sein 1110 entstandenes Werk zwar Kirchengeschichte, schrieb aber in Wirklichkeit auch Welt- und Heilsgeschichte. Daneben gab es noch die Chronik Gottfrieds von Viterbo (gest. nach 1186), die „Historia ecclesiastica“ des Ordericus Vitalis (in 13 Büchern von 1141), die gleichsam tabellarisch angelegte Papst- und Kaiserchronik von Martin von Troppau (gest. 1278) und die Chronik des Andreas von Regensburg (Chronica pontificum et imperatorum Romanorum nach dem Vorbild Martins von Troppau, bis 1422).

Am bedeutendsten ragt jedoch die auf Augustinus’ „De civitate Dei“ und Orosius fußende „Historia de duabus civitatibus“ des Zisterzienserabts und Bischofs Otto von Freising in acht Büchern (entstanden 1143–1146). Die Weltgeschichte deutet er theologisch als dauernden Kampf zwischen dem Glauben und der Welt des Unglaubens, wobei die irdische Welt des Unglaubens aber auf ihr vollkommenes Urbild, die Welt des Glaubens, verweist. Diese Weltgeschichte ist nach den vier Reichen des Danielbuches gegliedert. Die Tradition der Weltchroniken wurde später wieder von den Bettelorden aufgegriffen.

Annalen

Den Beginn der Bistums- und Klostergeschichtsschreibung bilden die Annalen, kurze Einträge über die für Klöster oder Bistümer wichtigsten Ereignisse eines Jahres. Diese Gattung wurde zur Geschichtsschreibung weiterentwickelt. Bedeutende Vertreter sind Flodoard von Reims (gest. um 966), Thietmar von Merseburg (gest. 1018) und Adam von Bremen (gest. nach 1081). Über die Bischöfe von Metz schrieb Paulus Diaconus (gest. 799), über die Geschichte seines Klosters Ekkehard IV. von St. Gallen (gest. 1060).

Biographie

Aus der antiken Vita und den christlichen Märtyrerakten entwickelte sich eine reiche Gattung von Lebensbeschreibungen von Heiligen und herausragenden Kirchenmännern. Zu den frühen Beispielen gehören z.B. die Wundergeschichten Papst Gregors I. von Gregor von Tours (gest. 549), die Lebensbeschreibung der hll. Emmeram und Korbinian von Arbeo von Freising (gest. 782/83), das Leben des hl. Willibrod von Alkuin (gest. 804) und die Legenda Aurea des Jacobus de Voragine (gest. 1298). Eine Geschichte der Päpste, die mit den Aposteln beginnt, verfasste Johannes von Salisbury, Bischof von Chartres (gest. 1180). Aber auch einzelne Lebensbeschreibungen von Bischöfen wurden verfasst, so diejenige Brunos von Köln von Ruotger (um 968) oder die des Benno von Osnabrück von Norbert von Iburg (um 1100), das Leben des Anselm von Canterbury von Eadmer (um 1109) und das Leben Engelberts von Köln von Caesarius von Heisterbach (gest. 1240). Die Intention dieser Werke lag jedoch mindestens so sehr in der Vorbildwirkung, der Erbauung und Verwendung in der Predigt wie in der Geschichtsschreibung.

Für die meisten der bisher erwähnten Werke und Gattungen gilt, dass ihr Aussagewert umso höher ist, je näher die beschriebenen Zeitabschnitte der Lebenszeit der Verfasser sind, während Informationen über länger zurückliegende Ereignisse oft eher unkritisch älteren Vorlagen entnommen wurden.

Deutende Geschichtsdarstellungen

Nach dem Investiturstreit und dem Wormser Konkordat 1122 rückte in der Kirchengeschichtsschreibung die theologische Deutung der Geschichte stärker in den Mittelpunkt: Rupert von Deutz (gest. 1129) verfasste Kirchengeschichte unter den Leitworten Schöpfung, Erlösung und Heiligung des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Sein Werk wurde fortgesetzt von Gerhoh von Reichersperg (1092/93–1169). Anselm von Havelberg (gest. 1158) verfasste eine in sieben Abschnitte gegliederte Kirchengeschichte.

Der Zisterzienserabt Joachim von Fiore aus Kalabrien (gest. 1202) teilte die Kirchengeschichte in seinem Kommentar zur Offenbarung des Johannes in drei Zeitalter: Gott Vater/Altes Testament, Gott Sohn/Neues Testament, Heiliger Geist/Herrschaft der Liebe. Sein Werk ist geprägt von der Erwartung der nahen Endzeit, in welcher die unvollkommene gegenwärtige Kirche durch die Geistkirche abgelöst würde. Diese Auffassung beeinflusste besonders Ubertino de Casale, Johannes Olivi und Salimbene von Parma. Ausgehend von der Johannesoffenbarung und unter dem Einfluss Joachims entwickelte sich die Erwartung eines tausendjährigen Reiches zwischen dem Ende der jetzigen Welt und dem Jüngsten Gericht mit der Auferstehung der Toten (Chiliasmus). Der große franziskanische Gelehrte Bonaventura (1217–1274) und Nikolaus von Kues (1401–1464) sahen den Zweck der Kirchengeschichtsschreibung in erster Linie in der Verkündung des Kommenden.

Zeitgenössische Themen

Die Auseinandersetzungen in der Kirche des Spätmittelalters wurden erstmals wieder in Form zeitgenössischer Kirchengeschichtsschreibung im engeren Sinne dargestellt: über die sogenannte Babylonische Gefangenschaft der Päpste in Avignon schrieb Alvaro Pelayo „De planctu ecclesiae“ (1332), über die Ketzerprozesse gegen König Ludwig den Bayern schrieben mehrere franziskanische Schriftsteller, über den Konziliarismus Johannes von Segovia (gest. 1458). Marsilius von Padua(gest. 1342/43), John Wyclif (gest. 1384) und Jan Hus (gest. 1415) brachten auch kritische Äußerungen hervor.

Renaissance, Reformation, Katholische Reform

Auswirkungen des Buchdrucks

Das humanistische Interesse an antiken Texten und die Möglichkeiten des Buchdrucks wirkten sich auch auf die Kirchengeschichtsschreibung aus. Insbesondere wurden wichtige Werke erstmals veröffentlicht und dafür bald auch die jeweils besten Textgrundlagen gesucht. Kritische Prüfung vorhandener Schriften lag auch der Entlarvung der Konstantinischen Schenkung durch Lorenzo Valla zugrunde. Der Buchdruck führte ab 1450 zu einer besseren Zugänglichkeit von Quellen, vor allem der frühen. Deren Editionen gewannen in den konfessionellen Kämpfen der Reformationszeit an hoher Bedeutung, als die Kirchengeschichtsschreibung zur Begründung der eigenen Position dienen musste. Auf diesem Gebiet stellt die Historia Ecclesiastica des Matthias Flacius (gest. 1575), des Johannes Wigand (gest. 1587) und weiterer Mitarbeiter unter mehreren Gesichtspunkten einen Meilenstein der deutschen Kirchengeschichtsschreibung dar. Da das Werk in Magdeburg entstand und nach Jahrhunderten in acht Bücher antiker Zählung gegliedert war, nannte man es bald „Magdeburger Zenturien“. Gedruckt wurde es in Basel 1559 bis 1574. Bemerkenswert ist es aufgrund seiner Quellenbelege sowie als Gemeinschaftswerk mehrerer lutherischer Theologen, wenngleich seine Parteinahme bisweilen den klaren Blick verstellte. Von katholischer Seite wurden ihm mehrere Versuche entgegengesetzt: Konrad Braun: Admonitio catholica (Dillingen 1565); Wilhelm Eysengrein: Catalogus testium veritatis (Dillingen 1565); Marguerin de la Bigne: Bibliotheca (Paris 1575–1579). Lediglich die „Annales ecclesiastici“ in zwölf Büchern von Caesar Baronius (gest. 1607), die bis zum Jahr 1198 reichen, bewegten sich auf dem Argumentationsniveau der Magdeburger Zenturien. Die „Annales ecclesiastici“ wurden von mehreren Nachfolgern fortgeführt, am besten von Oldoricus Raynaldus mit den Bänden 13–21 (erschienen 1646–77), die bis 1564 reichen.

Entwicklung der Methoden

Die theologische Auseinandersetzung zweier Konfessionen schärfte nicht nur auf beiden Seiten den Kirchenbegriff, sondern auch die Methoden kirchenhistorischen Arbeitens. So wurde im 17. Jahrhundert die historisch-kritische Methode auch in der Kirchengeschichtsschreibung eingeführt. Dies setzte große Editionsunternehmen in Gang.

Quelleneditionen der katholischen Theologie

Auf katholischer Seite entstanden zwei Schulen, die die Durchsetzung der historisch-kritischen Geschichtsbetrachtung förderten: Die Bollandisten, eine Gruppe von Jesuiten, benannt nach dem Begründer ihres Instituts Jean Bolland (gest. 1665), sammelten Heiligenviten, die sie, bereinigt von Wundergeschichten und nicht historischen Ausschmückungen, in den Acta Sanctorum, sortiert nach den Heiligenfesten, ab 1643 herausgaben (bis jetzt in 68 Bänden). Die Mauriner – benannt nach einem Schüler des hl. Benedikt – waren eine benediktinische Einrichtung, die 1618 gegründet worden war und sich der Herausgabe der griechischen Kirchenväter widmete. Aus den Reihen der Mauriner stammten Dionysius Petavius (gest. 1652), der die wissenschaftliche Chronologie begründete und Jean Mabillon (gest. 1707), der mit seinem Hauptwerk „De re diplomatica libri IV“ die moderne Urkundenlehre begründete. Seit dem 17. Jahrhundert entstanden auch nationale Quellensammlungen und -editionen. Die einzelnen Orden wandten sich ebenfalls verstärkt ihrer eigenen Geschichte zu. Als Gesamtdarstellung sind die „Selecta historiae ecclesiasticae capita“ des Dominikaners Alexander Natalis in 23 Bänden (erschienen in Paris 1676–1686) zu nennen, die noch als Heilsgeschichte abgefasst sind. Besonders quellenkritisch arbeitete Louis Sébastien Le Nain de Tillemont (gest. 1698), dessen Geschichte der Alten Kirche bis 513 reicht. Vom Gallikanismus geprägt ist die „Histoire Ecclesiastique“ Claude Fleurys (gest. 1723) die in 20 Bänden die Kirchengeschichte bis zum Konzil von Konstanz enthält und von Jean-Claude Fabre und Alexandre La Croix bis 1765 fortgesetzt wurde.

Kirchengeschichte als evangelisches Lehrfach

An den evangelischen deutschen Hochschulen wurde die Kirchengeschichte von der Profangeschichte getrennt und als eigenes Lehrfach eingeführt, zuerst 1650 in Helmstedt. Dies führte zur Herausgabe zahlreicher Lehrbücher für das Studium, die noch immer von konfessionellen Auseinandersetzungen geprägt waren. Dies gilt auch für die pietistisch geprägte „Unparteiische Kirchen- und Ketzerhistorie“ von Gottfried Arnold, die in vier Bänden 1699/1700 in Frankfurt am Main erschien.

Mit Johann Lorenz Mosheim (gest. 1755) begann auf evangelischer Seite die moderne wissenschaftliche Kirchengeschichtsschreibung mit den „Institutionum historiae ecclesiasticae antiquae et recentioris libri IV“, die 1727 in Jena erschienen. Seine Darstellung war allerdings noch nach dem Magdeburger Vorbild nach Jahrhunderten gegliedert. Dies änderte sich bei seinem Schüler Matthias Schroeckh (1733–1808), der mit seiner „Christlichen Kirchengeschichte“ in 35 Bänden (Leipzig 1768–1803) der Aufklärung verpflichtet war und mit seinem Schaffen als Vorbild sowohl in Deutschland als auch in Österreich weiterwirkte.

Auch auf evangelischer Seite wurden Quellen gesammelt und ediert, doch zeichnete sich hierbei schon allmählich der Interessenschwerpunkt Reformation ab: Zu den bedeutenderen Werken gehört Johann Georg Walchs Lutherausgabe in 24 Bänden (Halle 1740–1753) sowie dessen fünfbändige Sammlung der Religionsstreitigkeiten in und außerhalb der Lutherischen Kirche (Jena 1730–1739).

Neueste Zeit

Beginn des 19. Jahrhunderts

Der Aufklärung folgte als Gegenbewegung im frühen 19. Jahrhundert die Romantik als Grundlage der Geschichtsdeutung. Das Christentum früherer Jahrhunderte wurde dabei gleichsam verklärt. Ein bedeutender katholischer Vertreter dieser Richtung war Friedrich Leopold Graf zu Stolberg, der in 15 Bänden die „Geschichte der Religion Jesu Christi“ verfasste, welche um 1806 bis 1818 erschien. Evangelische ausführliche Darstellungen des frühen 19. Jahrhunderts waren die von Johann Karl Ludwig Gieseler (Lehrbuch der Kirchengeschichte 5 Bde. 1824–1857) und die von Johann August Wilhelm Neander („Allgemeine Geschichte der christlichen Religion und Kirche“ in sechs Bänden, Hamburg 1825–1862). Karl August von Hase veröffentlichte 1834 in Leipzig seine „Kirchengeschichte. Lehrbuch für academische Vorlesungen“.

Quelleneditionen

Um die Mitte des 19. Jahrhunderts begannen nach dem Vorbild der Profangeschichte wie z.B. der Monumenta Germaniae Historica (seit 1819), die auch kirchengeschichtlich relevante Quellen enthalten, große Editionswerke: das „Corpus reformatorum“ auf evangelischer Seite, von Karl Gottlieb Brettschneider 1834 ins Leben gerufen, sowie die Neuauflagen der Editionen der griechischen und lateinischen Kirchenväter von Jaques Paul Migne ab 1857, die zwar eine sehr unterschiedliche Qualität aufweisen, aber die Werke immerhin leichter zugänglich machten. Ebenfalls herausgegeben wurden die Texte der Kirchenväter in der Reihe „Corpus Scriptorum Ecclesiasticorum Latinorum“ (CSEL) ab 1866 in Wien und „Die griechischen christlichen Schriftsteller der ersten drei Jahrhunderte“ in Berlin ab 1897.

Standardwerke des 19. Jahrhunderts

In der katholischen Kirche setzte sich die historisch-kritische Methode nicht vollständig durch, die Werke der bedeutenden Kirchenhistoriker Johann Adam Möhler (gest. 1838), Carl Joseph Hefele (Conciliengeschichte, 7 Bde. 1855–1874, fortgesetzt von Joseph Hergenröther, dann insgesamt 9 Bde., bis 1890) und Ignaz Döllinger (wegen Ablehnung der Unfehlbarkeit exkommuniziert, aber von enormer Nachwirkung in der deutschen Kirchengeschichtsschreibung, gest. 1890) waren eher apologetisch angelegt. Dies gilt besonders für Ludwig von Pastors „Geschichte der Päpste“ (16 in 22 Bdn., Freiburg 1886–1933), die gleichsam auf die historisch-kritische Darstellung des Profanhistorikers Leopold von Ranke („Die römischen Päpste, ihre Kirche und ihr Staat im sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert. 3 Bde. Berlin 1834) antwortete, an das wissenschaftliche Niveau Rankes freilich nicht heranreichte. Fortgesetzt wurde Pastors Papstgeschichte von seinem Mitarbeiter Joseph Schmidlin (Papstgeschichte der neuesten Zeit, 4 Bde., München 1933–1939). Bekräftigt durch Bedingungen und Bestimmungen des I. Vatikanischen Konzils blieb die katholische Kirchengeschichte noch bis um 1900 bei dieser Ausrichtung und war eine „Hilfswissenschaft“ der Dogmatik (256, 265).

Historisch-kritische Betrachtungen der katholischen Theologie

Eine historisch-kritische Selbstbetrachtung wurde auch von den massiven Angriffen Bismarcks gegen den deutschen Katholizismus nicht gefördert. Als um 1900 Darstellungen mit historisch-kritischem Ansatz in der katholischen Kirche indiziert wurden, verlegten sich viele Kirchenhistoriker auf die Editionsarbeit und ließen die Quellen für sich selbst sprechen. Damals entstand unter anderem die Reihe Concilium Tridentinum mit den Quellen zum Konzil von Trient (256, 266). Historisch-kritisch arbeiteten unter den katholischen Kirchenhistorikern zuerst Franz Xaver Funk (gest. 1907) mit seinem „Lehrbuch der Kirchengeschichte“ (Paderborn 1886) und Sebastian Merkle (gest. 1945). In den von Karl Bihlmeyer, Hermann Tüchle und Karl Suso Frank bearbeiteten Nachauflagen wurde es zum wichtigen Standardwerk für das katholische Theologiestudium. Zu diesem Aufbruch hatte gewiss auch 1880 die Öffnung der Vatikanischen Archive durch Papst Leo XIII. beigetragen, die die Gründung zahlreicher nationaler Geschichtsinstitute in Rom auslöste.

Zu den bedeutenden evangelischen Werken der zweiten Jahrhunderthälfte gehörten Ferdinand Christian Baurs „Geschichte der christlichen Kirche“ (5 Bde. Tübingen 1853–1863), Albert Haucks „Kirchengeschichte Deutschlands im Mittelalter“ (5 Bde. Berlin – Leipzig 1887–1920) sowie das unvollendete „Lehrbuch der Kirchengeschichte“ von Ernst Wilhelm Möller (2 von 3 Bdn. 1889–1891).

Erste Hälfte des 20. Jahrhunderts

Im 20. Jahrhundert konzentrierte sich das evangelische kirchengeschichtliche Interesse noch mehr auf die Reformation, dazu wurden von Hans Lietzmann mit der „Geschichte der alten Kirche“ (4 Bde. Berlin – Leipzig 1932–1944) auch die Anfänge in den Blick genommen, die auf katholischer Seite Louis Marie Oliver Duchesne mit der „Histoire ancienne de l’Eglise“ (3 Bde. Paris 1906–1910) beleuchtete. Wie auf katholischer Seite das weiterbearbeitete Werk von Funk wurde für evangelische Theologen Karl Heussis „Kompendium der Kirchengeschichte“ (Tübingen 1908) zum Standardwerk des kirchengeschichtlichen Studiums. Die aufkommende Dialektische Theologie Karl Barths sah in der Kirchengeschichte allerdings nur eine Hilfswissenschaft, was sich in der Theologie jedoch nicht durchsetzte.

Nach dem Zweiten Weltkrieg

Während und nach dem Zweiten Weltkrieg boten noch Albert Joseph Maria Ehrhard und Wilhelm Neuß mit „Die katholische Kirche im Wandel der Zeiten und Völker“ (4 Bde. Bonn 1959) eine Gesamtdarstellung. Auch der katholische Theologe Franz Xaver Seppelt (Geschichte des Papsttums, 6 Bde., Leipzig – München 1931–1956) und der evangelische Pfarrersohn und Profanhistoriker Johannes Haller (Das Papsttum. Idee und Wirklichkeit, 3 in 5 Bdn., Stuttgart 1934–1945, unvollendet) griffen klassische Themen auf. Umfassende Gesamtdarstellungen wie Hubert Jedins „Handbuch der Kirchengeschichte“ (7 Bde. Freiburg 1962–1979) und zuletzt die mehrsprachige, von Frankreich ausgehende und in internationaler Zusammenarbeit entstandene „Geschichte des Christentums“ (14 Bde., deutsch Freiburg 1992–2004) wurden jedoch seltener. Von einer Hand scheinen Gesamtdarstellungen nicht mehr möglich, erst recht, wenn sie den Blick über Europa hinaus wenden. Die Kirchengeschichte wurde einerseits mehr durch internationalen und interkonfessionellen Austausch geprägt, andererseits wandte sie sich noch mehr als früher speziellen und regionalen Themen zu. Die Fülle der seit dem 20. Jahrhundert berücksichtigten Aspekte spiegelt sich z.B. in der primär thematisch statt chronologisch angelegten „Einführung in die Geschichte des Christentums“, hrsg. von den katholischen Theologen Franz Xaver Bischof, Thomas Bremer, Giancarlo Collet und Alfons Fürst (Darmstadt 2012). Profanhistorische Fragestellungen wirkten auch in der Kirchengeschichte, in die etwa Sozial- und Kulturgeschichte Einzug hielten.

Ökumenische Kirchengeschichte

Eine Besonderheit in der Reihe der Teil- und Gesamtdarstellungen dieser Art stellt die „Ökumenische Kirchengeschichte“ dar. Dieses Werk betrachtet Ereignisse und Strukturen wie die klassischen Darstellungen. Neu ist aber, dass Streitfragen aus der Sichtweise beider Konfessionen in einem Werk dargestellt und nicht geglättet oder ausgeklammert werden. Die „Ökumenische Kirchengeschichte“ wurde erstmals 1970 bis 1974 von Bernd Moeller und Raymund Kottje in Mainz, eine überarbeitete Neuauflage in Darmstadt 2006 bis 2008 von Bernd Moeller/Raymund Kottje/Thomas Kaufmann/Hubert Wolf in drei Bänden herausgegeben.

Zeitschriften

Neben mehrbändigen Werken und Monographien etablierten sich kirchengeschichtliche Fachzeitschriften, in denen kleinere Untersuchungen auch zu speziellen Themen erscheinen. Die bedeutendsten noch existierenden sind auf evangelischer Seite die 1876 gegründete „Zeitschrift für Kirchengeschichte“ (Stuttgart), auf katholischer Seite das „Historische Jahrbuch“ (der Görres-Gesellschaft, seit 1880), die „Römische Quartalsschrift für christliche Archäologie und Kirchengeschichte“ (seit 1887), die „Revue d’histoire ecclésiastique“ in Löwen (seit 1900, bedeutend vor allem wegen ihrer Bibliographie). Bald nach diesen Periodika entstanden die „Zeitschrift für Schweizerische Kirchengeschichte“ (Fribourg, seit 1907, seit 2004 „Schweizerische Zeitschrift für Religions- und Kulturgeschichte“) und die „Revue d’histoire de l’Eglise de France“ (Paris, seit 1910). Wie die genannten Zeitschriften bieten auch die folgenden Periodika zur regionalen Kirchengeschichte nur eine kleine Auswahl: „Freiburger Diözesanarchiv“ (seit 1865), „Beiträge zur altbayerischen Kirchengeschichte“ (seit 1850), „Zeitschrift für Bayerische Kirchengeschichte“ (seit 1926), „Zeitschrift der Gesellschaft für niedersächsische Kirchengeschichte“ (seit 1896). 1949 wurde das „Archiv für Mittelrheinische Kirchengeschichte“ gegründet, das sich mit der Geschichte der Bistümer Fulda, Limburg, Trier, Mainz und Speyer befasst. Die gleichnamige Gesellschaft gibt in der Reihe „Quellen und Abhandlungen zur Mittelrheinischen Kirchengeschichte“ auch Einzeluntersuchungen heraus.

Die Spannung, der die Kirchengeschichte als theologische Disziplin und als historisch-kritische Wissenschaft ausgesetzt ist, ist bis heute nicht gelöst.

Einführung in das Studium der Kirchengeschichte

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