Читать книгу Zikaden singen nicht - Leo Frank-Maier - Страница 7
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Rabov an zentrale
Brauche dringend genehmigung fuer oertliche erprobung projekt radmet. – sicherheitsvorkehrungen getroffen. – polit.
Schwierigkeit nicht zu erwarten, auch wenn versuch negativ. – polit. abteilung informiert. –
Ende. –
103540 B
Zentrale an rabov
Genehmigung erteilt. – Erwarten bericht
Ueber versuch umgehend. –
Ende. –
Damals, am 4. März 1964, waren die Delegierten des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen in New York sehr stolz gewesen. Und befriedigt hatten sie ihre Hand gehoben, um der Resolution zuzustimmen. Mit erhobener Stimme verlas der Generalsekretär, daß die Vereinten Nationen nunmehr »im Interesse der Aufrechterhaltung des Friedens und der internationalen Sicherheit die größtmöglichen Anstrengungen unternehmen, um ein Wiederaufflammen der Kämpfe in Zypern zu verhindern und so weit wie notwendig zur Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung sowie zur Rückkehr zu normalen Lebensbedingungen beitragen werden«.
Und am 14. März 1964 war es dann soweit. Aus vielen Ländern der Erde kamen sie auf die Insel, landeten ihre Truppen in den Häfen von Famagusta und Limassol. Der kleine Flughafen in Nicosia dröhnte tagelang vom Geräusch an- und abfliegender Maschinen. Die Jugend dieser Welt gab sich ein Stelldichein, in Uniform und mit Waffen in den Händen, aber Frieden im Herzen. Die Welt war glücklich über ihre Aktion, und die Welt hoffte.
Sie kamen mit fröhlichen und ernsten Gesichtem, verschwitzt, lachend und fluchend. Große blonde Männer aus Schweden und Dänemark, schlanke, drahtige Burschen aus Finnland, Kanada und Großbritannien sandte hochtechnisierte Eliteeinheiten. Aus Australien und Neuseeland kamen Polizisten, die allesamt wie Olympiateilnehmer aussahen, sportlich, durchtrainiert. Ernste irische Soldaten und unbekümmerte Österreicher vervollständigten das bunte Bild. Sie postierten sich zwischen den kämpfenden türkischen und griechischen Zyprioten, hißten die blaue Fahne der Vereinten Nationen. Schluß mit dem Morden, die Waffen nieder.
Sie alle hatten eins gemeinsam, das blaue Barett der Friedensorganisation und den Wunsch, diesem Land den Frieden zu bringen.
Und das Morden, das Blutvergießen hörte auf.
Diese Menschen, Soldaten und Polizisten aus so vielen Ländern, sie verstanden sich sofort. Sie hatten Sprachschwierigkeiten, aber sie verstanden sich. Und dann versuchten sie, die Menschen zu verstehen, denen sie den Frieden bringen sollten.
Und dann taten sich Abgründe auf.
Im rasch improvisierten Hauptquartier der vereinten Friedensstreitkräfte in der Nähe des Flughafens von Nicosia, einem Barackenlager aus der Zeit der britischen Kolonialherrschaft, studierten Stabsoffiziere die Situation. Militärisch gab es wenig Schwierigkeiten. Die UNO-Soldaten waren zwischen den streitenden Bevölkerungsgruppen postiert, es wurde nicht mehr geschossen, oder doch nur vereinzelt. Verantwortliche Männer in diesem Hauptquartier studierten die Landkarten und griffen sich an den Kopf. Ein verwirrendes, buntes Bild bot sich ihnen. Blaue Nadelköpfe zeigten die Positionen der Griechen, rote Punkte die Stellungen der Türken an. Dazwischen die weißen Markierungen der neubezogenen Positionen der Friedenstruppen. Soweit war alles in Ordnung. Aber dieses Gewirr der bunten Nadelköpfe zog sich nicht als klare Front über die Landkarte. In jeder Stadt, jedem Marktflecken, jedem Dorf eine andere Situation. Die Türken hatten sich in einigen Gebieten konzentriert, befestigten diese Gebiete, und kein Grieche durfte sie betreten. Auf der Landkarte rot markiert, waren diese roten Flecken über die ganze Insel verteilt, in ungleichmäßigen Abständen und verschiedenen Größen. Das ganze sah aus wie ein Hautausschlag, wie Scharlach oder Masern. Wie eine häßliche Krankheit, – und so war es auch.
Als die Friedensbringer nun mit den Vertretern der streitenden Bevölkerungsgruppen zu verhandeln begannen, zeigte sich bald ein überraschendes, ein trauriges Resultat: Diese Menschen, ja, sie wollten Frieden, so sagten sie. Aber mitsammen leben – niemals.
Wir sind die Mehrheit, wir sind die Ureinwohner, wir haben diese Insel von der britischen Kolonialherrschaft befreit, wir stehen auf einer höheren Kulturstufe, deshalb werden wir diese Insel regieren. So sagten die Griechen.
Dreihundert Jahre wurde diese Insel von uns regiert. Sie ist nur fünfundsechzig Kilometer vom Mutterland Türkei entfernt, gehört geographisch zur Türkei. Wir sind Türken, wir lassen uns niemals von Griechen unterdrücken. Wir regieren uns hier selber; die Griechen haben uns nichts vorzuschreiben. So sagten die Türken.
Die dort drüben, sagten die Griechen, sind Barbaren, mittelalterliche, primitive Untermenschen. Man sollte sie verjagen von der Insel. Diese Insel ist griechisch.
Die dort drüben sind eine feige, heimtückische Rasse, sagten die Türken. Mit ihnen kann man nicht zusammenleben, diese Insel gehört zum Mutterland Türkei.
Verwirrt hörten die Friedensbringer diese Standpunkte. Sie versuchten zu verstehen und verstanden nichts. Sie studierten die Vergangenheit, die Geschichte dieser Insel, wurden noch verwirrter. Dann gaben sie auf. Es war wieder Zeit, heimzufahren. Die Ablösenden kamen, neugierig und voll von Idealen. Die Alten wiesen die Neuen ein, erklärten ihnen die Situation, die Tatsachen, »Gut, was soll weiter geschehen?« fragten die Neuen. Die Alten zuckten die Schultern. »Warum ist dieses so, warum kann man nicht jenes so machen?« fragten die Neuen. Die Alten zuckten die Schultern. Zu Hause warteten Frauen, Kinder. Scheiß-Zypern, was geht mich die Insel an! Die Menschen hier wollen ja gar nicht in Frieden leben. Was geht mich das an. Meine Frau wartet …
Der österreichische Major Josef Heller hatte die polizeilichen Aufgaben im Kyrenia Distrikt im Norden der Insel zu übernehmen, ein dänischer Polizeiinspektor war dort abzulösen. Sie trafen sich in der UNO-Polizeistation, ein wenig außerhalb der kleinen Hafenstadt.
»Gut, daß du da bist«, sagte der dänische Inspektor. Er sprach besser Deutsch als Englisch. »Mensch Josef«, sagte er mit spürbar nordischem Akzent, »ich hab die Schnauze voll.«
Vier Jahre war die UNO nun auf Zypern. Der Sommer begann zeitig in diesem Jahr 1968, die Tage waren heiß, und in den Mittagsstunden schlief jedes Leben ein, zogen sich die Menschen in den Schatten ihrer Häuser zurück.
»Willst du ein Bier?« fragte Inspektor Jensen. Sein Hemd war offen und die Brust schweißnaß. Jo Heller wollte. Er trank aus der Flasche, gutes, dänisches Bier, es floß ihm kühl und köstlich durch die Kehle.
Inspektor Jensen begann nun, den Distrikt zu erklären. Gerade enthusiastisch war er nicht.
»Du hast 40 000 Einwohner im Distrikt, davon 5000 in der Stadt«, er deutete mit der Bierflasche in Richtung Kyrenia. »Du hast die große türkische Enklave drüben«, er deutete in Richtung der Berge, »ca. 10 000 mit den Flüchtlingen. Am westlichen Zipf«, er ging zur Wandkarte und tappte mit einem Finger darauf, »hast du Maroniten und Armenier, harmlose Leutchen.« Er stand auf, holte zwei weitere Bierflaschen, öffnete sie. »Finstere Gegend dort, keine Elektrizität, nur Brunnenwasser, Sandstraßen. Wir sagen, dort bellen die Hunde mit den Ärschen.« Er lachte, setzte sich wieder. »Was erzähl’ ich dir das ganze Zeug, du bist ja nicht brandneu hier auf der Insel.
»Ich war fünf Monate in Nicosia«, meinte Jo.
»Eben«, sagte Inspektor Jensen. »Der Distrikt geht bis zu den nördlichen Vororten der Hauptstadt.« Er deutete wieder auf die Karte. »Eingeschlossen Omorphita, das verlassene Viertel. Mußt du ja kennen.«
Jo nickte.
»Mit der lokalen Polizei kommen wir ganz gut aus«, fuhr Jensen fort. »Die Griechen haben ihre Station gleich beim Hafen. Morgen führ’ ich dich hin und stell’ dich vor. Achtung, der Chef ist ein Radikaler, ein Grivas-Mann. Aber er ist freundlich, weil er von mir Zigaretten kriegt.« Jensen grinste. »Ich komm’ ganz gut mit ihm aus. Wenn er schwierig wird, hat er nichts zu rauchen.« Jensen grinste wieder. »Ich empfehle dir, so weiterzumachen. Zwei Stangen Rothmann im Monat. Die kosten dich ja fast nichts, und du ersparst dir viel Ärger.«
Jo nickte.
»Drüben in Boghaz«, der Inspektor deutete wieder zu den Kyrenia-Bergen, »drüben haben die Türken ihre Station. Der Chef heißt Hakki, er ist der Onkel des türkischen Militärkommandanten. Man kommt soweit gut aus mit ihm. Er kriegt auch seine Zigaretten von mir.«
»Zwei Stangen im Monat«, sagte Jo.
»Richtig«, nickte Jensen, »man muß schließlich unparteilich sein. Aber keine Rothmanns, sie sind ihm zu stark. Picadilli sind ihm lieber.«
»Ich werde es nicht verwechseln«, sagte Jo.
»In ein paar Wochen«, sagte Jensen, »kommen die Touristen. Es ist dann nicht mehr so langweilig. Meist Engländerinnen. Romantische Gänse, leicht zu haben.«
Jo nickte.
»Ich hab’ da noch einen Akt für dich.« Jensen war ein wenig schuldbewußt. »Ein Grieche ist erstochen worden, in Omorphita. Die griechische Polizei behauptet, von einem Türken.« Jensen ging zum Tisch, kramte in einem Stoß von Papieren und fischte dann einen zerknitterten Akt heraus. Jo schaute auf das Datum, der Bericht war drei Wochen alt. »Sei nicht böse«, sagte Jensen. »Das ist eine Übersetzung des griechischen Polizeiberichtes. Ich hab’ noch gar nichts gemacht damit, aber das Hauptquartier drängt schon. Versteh mich bitte, ich hatte keine Lust mehr.«
Jo verstand. »O.k. Jensen«, sagte er.
Jensen grinste erleichtert. Er klopfte Jo auf die Schulter. »Fein. Morgen führ’ ich dich herum und stelle dich ein paar Leuten vor. Du hast einen guten Sergeanten hier auf der Station, der macht den Dienstplan. Er kümmert sich um alles. Übrigens, komm mal mit nach nebenan.« Er stieß eine Tür auf. Jensen deutete in den Raum. »Hier ist dein Bett, ich schlafe heute auswärts. Den Schrank räume ich morgen aus. Bist du böse, wenn ich jetzt abhaue, ich hab’ noch was privat zu erledigen. Wir sehen uns morgen.«
Major Heller hatte nichts dagegen.
Der Sergeant brachte seine Koffer herein, stellte sie in eine Ecke.
»Abendessen ist um 19 Uhr«, sagte er. Und dann saß Jo Heller allein in diesem Zimmer, allein mit ein paar leeren und ein paar vollen Bierflaschen und einem unerledigten Akt. Und weil ihm nichts besseres einfiel, begann er, den Akt zu lesen.
Während der nächsten Tage hatte er genug zu tun, um sich in seiner neuen Umgebung einzurichten. Schließlich würde er die nächsten Monate, vielleicht sogar Jahre hier verbringen. Wer konnte wissen, wie lange die UNO im Land bleiben würde! Und Zeit bedeutete anscheinend nichts auf dieser Insel. Sie hatten viel Zeit, die Griechen und die Türken, sie ließen sich zu nichts drängen. »Avrio«, sagten sie, oder »yarin«, je nachdem. Es hieß »morgen«. Aber »morgen« bedeutete nicht wirklich morgen, es kam immer noch ein anderer Tag. Es bedeutete: Irgendwann einmal. Es bedeutete: Ja, ja, ich werde es schon tun! Morgen oder übermorgen. Ich werde es schon einmal tun. Avrio.
Nun, Major Heller hatte es auch nicht gerade eilig. Die orientalische Lethargie tat ihm gut, er paßte sich an. Seine dienstzugeteilten Polizeibeamten mochten ihn gern, er war ein angenehmer Chef. Nie nervös, nicht sehr akkurat. Wenn etwas schief ging, avrio, morgen, wir versuchen es morgen wieder.
Die erste Anmahnung im Mordfall Costas Costakis kam nach zwei Wochen. Wann mit einem Bericht zu rechnen wäre, fragte das Hauptquartier höflich an. Avrio, dachte Jo Heller. Er schrieb einen kurzen Vermerk, daß der Fall derzeit noch immer erhoben würde. Ein abschließender Bericht würde »demnächst« vorgelegt werden. Avrio.
Die Tage wurden zusehends heißer, die Nächte brachten kaum Abkühlung. Jo Heller schlief schlecht in seiner stickigen Bude, war am Morgen müde und unlustig. Eines Tages nach dem Frühstück raffte er sich auf und beschloß, in dieser verdammten Mordsache etwas zu tun.
Er führte zuerst ein langes Gespräch mit dem CID Chef der griechischen Polizei in Nicosia.
»Der Mörder ist einwandfrei ein Türke«, sagte der. »Wahrscheinlich einer von der Mechmed-Familie, die früher in der Gegend gewohnt haben. Brutaler Mord aus politischen Beweggründen«, sagte der CID Chef.
Major Heller sah die Tatortfotos und las den gerichtsmedizinischen Bericht: Vierzehn Stiche in Brust und Unterleib, mit großer Wucht und von unten nach oben geführt. Ein Stich, vermutlich der erste, in der Brustmitte, drei Zentimeter unterhalb des Schwertbeins. Die übrigen Stichverletzungen an der linken Körperseite, vermutlich aus knieender oder liegender Stellung zugefügt. Täter vermutlich Rechtshänder, von kleinerem Wuchs als der Ermordete. Jede Stichverletzung an sich tödlich. Schon der erste Einstich (Brustmitte) traf die rechte große Herzkammer. Tatwaffe vermutlich ein sogenanntes Handscharmesser, gekrümmte Klinge, Schneide an der Innenseite der Krümmung. Das Handscharmesser ist typisch türkischer Herkunft, wird heute noch bei den türkischen-zypriotischen Hirten oder Bauern verwendet. Die Tatwaffe wurde nicht gefunden. Keine brauchbaren Spuren am Totort, Fingerabdrücke negativ, Fußabdrücke negativ wegen des feuchten Grases. 40 Meter vom Tatort wurde eine Fahrradspur gesichert, könnte vom Täter stammen. Fotografien beigeschlossen. Eine ausgeprägte Bißwunde am Hals des Toten. Kehlkopf stark deformiert, die Bißwunde an sich nicht tödlich. Formalinbehandlung der Bißwunde wurde durchgeführt, eine Gebiß-Rekonstruktion des Täters ist noch in Ausarbeitung.
Was außer dem angeblich türkischen Krummdolch noch darauf hinweise, daß der Täter ein Türke sein müsse, wollte Jo Heller wissen.
Der CID Chef lächelte nachsichtig.
Costas Costakis war ein angesehener Mann bei der griechischen Bevölkerung. Er hatte dort keine Feinde. Die bestialische Art des Mordes sei auch keinem Griechen zuzutrauen. Dann war da noch etwas. Der Mörder schrie etwas auf Türkisch bei seiner Tat. Zeugen hatten es gehört.
»Er schrie auf Türkisch? Was zum Teufel schrie er auf Türkisch?« wollte der Major wissen.
»Er schrie: Allah!«
»Was?« Jo verstand nicht.
»Er schrie Allah. Gott. Das türkische Wort für Gott.« Der CID Chef war nun ärgerlich. Was für einen Idioten die UNO da wieder geschickt hatte.
Jo spürte die Aversion.
»Hören Sie, Superintendent«, sagte er nun freundlich. »Ich weiß so gut wie Sie, was das Wort Allah bedeutet.
Und ich habe 22 Jahre Erfahrung im CID. Und es macht mir nichts aus, wenn Sie mich für begriffstutzig halten. Und ich darf Ihnen bei dieser Gelegenheit versichern, daß ich von dem hohen Standard Ihres CID sehr beeindruckt bin, soweit ich das bisher sehen konnte. Ich höre nur zum erstenmal, daß jemand Gott anruft, wenn er einen Mord begeht. Deshalb frage ich so oft.«
Der Superintendent war nun wieder freundlich. Er entschuldigte sich. Er verstehe vollkommen die Schwierigkeiten, die ein Ausländer hier haben müsse. Die Mentalität der Türken, der Asiaten, wäre für Europäer schwer zu verstehen. Für »uns Europäer« sagte er. Jo blieb ganz ernst.
Einwandfrei hätten die Frau und der Sohn den Schrei gehört, beide sagten aus, – der CID blätterte wieder in den Akten – beide sagten aus, daß sie durch diesen Schrei: »Allah« geweckt worden wären. Jeder Zweifel sei auszuschließen, es wäre eine ganz ruhige Nacht gewesen, der Lärm wäre erst später ausgebrochen.
Ob er eine Übersetzung des Gesamtaktes haben könne, fragte Jo. Höflich lehnte der CID Chef ab. Er wäre verpflichtet, die UNO-Polizei zu informieren. Aktenwechsel wäre nicht üblich. Jo wußte das natürlich. Er machte sich ein paar Notizen.
»Es ist einwandfrei Sache der sogenannten Türkischen Polizei, den Mörder zu finden«, sagte der Superintendent. »Wenn die nicht ohnehin wissen, wer es war. Sie werden wohl nichts sagen, wie üblich«, fuhr er fort. »Sie deckt ihre politischen Mörder, die sogenannte Türkische Polizei.«
Der Superintendent sagte »sogenannte Polizei«, weil die Regierung die »Rebellenpolizei« der Türken nicht anerkannte.
»O.k.«, sagte Jo. »Und jetzt muß ich Sie wieder ärgern, Chef. Wieso behaupten Sie, daß es ein politischer Mord war?«
Der Superintendent lächelte: »Panahiamu, Heilige Maria, was sonst sollte es ein.«
Jo nickte und lächelte ebenfalls. Er machte sich wieder Notizen. Das war unerfreulich. Wenn die Griechen auf einem interkommunalen Konflikt bestanden, hatte er eine Menge Arbeit. »O.k.«, sagte er dann, »werden sehen, was die drüben sagen.« Er meinte die Türkische Polizei. »Informiert sind sie ja schon durch unseren Verbindungsoffizier.« Er machte sich zum Gehen fertig. Er hatte das Gefühl, etwas vergessen zu haben. »Ja«, sagte er schließlich, »richtig. Was war das für ein Lärm, von dem Sie sprachen?«
Der CID Chef schien nicht glücklich über diese Frage. »Zikaden«, sagte er dann fast kleinlaut. »Zikaden. Die Ohrenzeugen sagen übereinstimmend aus, unmittelbar nach dem Schrei hätten alle Zikaden der Nachbarschaft zu zirpen begonnen. Ein Höllenlärm.« Der Superintendent zuckte die Schultern.
Jo verstand seine Verlegenheit nicht recht.
»Na, wahrscheinlich sind die Viecher von dem Schrei geweckt worden«, sagte er.
Der Grieche schüttelte traurig den Kopf.
»Zikaden reagieren nicht auf Lärm«, sagte er. »Und sie zirpen nur, wenn die Sonne scheint.«
»Nur wenn die Sonne scheint?« fragte Jo fassungslos.
»Eben. Ja. Nur wenn die Sonne scheint. Jedes Kind weiß das bei uns.«
Er zog wieder die Schultern hoch, schaute unglücklich drein. Er wußte, daß damit die Zeugenaussagen fraglich, unglaubwürdig wurden. Immerhin war er ehrlich, der Bursche. Jo konnte nun leicht das »Allah«, die gesamte »Türkenversion« in Frage stellen.
»Kann ich mit den Zeugen einmal reden?« fragte Jo höflich.
»Aber selbstverständlich.« Der CID Chef war nun wieder ganz Herzlichkeit. »Selbstverständlich. Ich muß Sie nur bitten, einen meiner Beamten mitzunehmen. Sie wissen, Sie haben allein nicht das Recht, Vernehmungen durchzuführen.«
Natürlich wußte Jo das.
Er würde anrufen, wenn es notwendig wäre. Der CID Chef gab ihm eine Visitenkarte mit Telefonnummer. Jo ging.
Er mußte nun die Türkische Polizei kontaktieren. Jo beschloß, das am nächsten Tag zu tun. Avrio. Es war heiß, und er hatte Durst auf ein Bier. Er dachte über die komische Zikadengeschichte nach. Er fuhr in den UNO-Club und trank ein paar Flaschen Bier. Herrlich kaltes, dänisches Bier. Die Zikaden vergaß er wieder.
Später, Jahre später, mußte Jo Heller oft an diesen Tag denken. An diesen Tag, an dem er in die komische Zikadensache verwickelt wurde. Und er verfluchte diesen Tag.